Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.05.2011, Az.: 10 WF 133/11
Die Nutzungsüberlassung einer Immobilie in der Trennungszeit begründet grds. kein durchsetzbares Besitzrecht des Ehegatten gegenüber anderen potenziellen Erwerbern der Immobilie; Anforderungen an das Recht eines Ehegatten zum Besitz eines ihm von dem anderen Ehegatten überlassenen Grundstücks gegenüber anderen Erwerbern
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 02.05.2011
- Aktenzeichen
- 10 WF 133/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 15160
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:0502.10WF133.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 08.04.2011 - AZ: 612 F 1069/11
Rechtsgrundlagen
- § 986 BGB
- § 1361b Abs. 1 BGB
Fundstellen
- FPR 2011, 7
- FamFR 2011, 259
- FamRZ 2012, 32-33
- MDR 2011, 1297-1298
- NJW 2011, 6
- NJW 2011, 2062-2063
- NJW-Spezial 2011, 358
- RENOpraxis 2012, 37
- ZAP 2011, 1081
- ZAP EN-Nr. 683/2011
Amtlicher Leitsatz
Die bloße Nutzungsüberlassung einer im Alleineigentum eines Ehegatten stehenden Immobilie für die Dauer des Getrenntlebens an den anderen Ehegatten nach § 1361b Abs. 1 BGB gibt letzterem kein gegenüber Erwerbern der Immobilie durchsetzbares Recht zum Besitz, soweit nicht ausdrücklich zusätzlich zur Nutzungsüberlassung ein (zeitlich befristetes) Mietverhältnis begründet worden ist.
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin will im vorliegenden - von ihr zunächst bei der Zivilabteilung eingeleiteten - Verfahren Vollstreckungsabwehransprüche gegen die von den Antragsgegnern aus dem am 13. Januar 2011 ergangenen Zuschlagsbeschluß betriebene Räumung und Herausgabe der von ihr bewohnten Immobilie geltend machen und hat dafür um Prozeßkostenhilfe nachgesucht.
Die streitgegenständliche Immobilie stand zuvor im Eigentum des Ehemannes der Antragstellerin. Nach der Trennung der Eheleute hatte die Antragstellerin in einem familiengerichtlichen Verfahren die Zuweisung dieser Immobilie zur alleinigen Nutzung durch sie und die beiden aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder betrieben, das mit einem Vergleich vom 11. Oktober 2007 endete. darin erklärte sich der Ehemann damit einverstanden, daß die Ehefrau das in seinem Alleineigentum stehende Haus für die Dauer des Getrenntlebens zur alleinigen Nutzung für sich und die beiden Kinder erhielt, und die Antragstellerin war damit einverstanden, daß das zum Verkauf stehende Haus durch Kaufinteressenten samstags von 10:00 bis 14:00 besichtigt werden konnte. Die Ehe der Antragstellerin ist durch Beschluß des Amtsgerichts vom 22. März 2011 geschieden worden, der allerdings noch nicht rechtskräftig ist.
Die Zivilabteilung des Amtsgerichtes hat das Verfahren an das dortige Familiengericht abgegeben, welches es übernommen hat. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat mit Beschluß vom 8. März 2011 die Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluß einstweilen eingestellt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat der Senat als unzulässig verworfen.
Mit Beschluß vom 8. April 2011 hat das Amtsgericht, welches den Einstellungsbeschluß mit Beschlüssen vom 14. März und 15. April 2011 noch ergänzt hat, der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe (VKH) mangels Darlegung der wirtschaftlichen Voraussetzungen versagt und dazu auf einen entsprechenden Senatsbeschluß im vorangegangenen sofortigen Beschwerdeverfahren Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die zugleich eine neue ´Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse´ vorlegt. Sie hat parallel dazu mitgeteilt, daß sie das Verfahren auch unabhängig von der VKHBewilligung betreiben will.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde unter Hinweis auf weiterhin unzureichende Darlegung zu den wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine VKHBewilligung nicht abgeholfen. Der Einzelrichter hat die Sache dem Senat zur Entscheidung übertragen.
II. Die form und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, namentlich ist dem Senat auch im hiesigen Beschwerdeverfahren eine inhaltliche Überprüfung der vom Amtsgericht angenommenen Zuständigkeit verwehrt. sie kann in der Sache aber keinen Erfolg haben.
1. Zutreffend hat zum einen bereits das Amtsgericht darauf abgestellt, daß die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine VKHBewilligung durch die Antragstellerin nach wie vor nicht dargetan sind. Insbesondere zu den wirtschaftlichen Verhältnissen ihres - nach wie vor nicht rechtskräftig geschiedenen und insofern unverändert grundsätzlich vorrangig verfahrenskostenvorschußpflichtigen - Ehemannes fehlt es an jeglichen Angaben oder substantiierten Darlegungen, warum etwa ein Vorschuß nicht zeitnah durchgesetzt werden können sollte. Auch die vom Senat im vorangegangenen Beschwerdeverfahren angesprochenen Widersprüche zwischen den Angaben der Antragstellerin in der ´Erklärung´ und dem Sozialhilfebescheid sind nach wie vor nicht ausgeräumt - namentlich der dort im Gegensatz zu ihren Angaben in der ´Erklärung´ durchgehend enthaltene Betrag von 100 € aus eigener Erwerbstätigkeit.
2. Einem Erfolg der Beschwerde der Antragstellerin steht jedoch zum anderen auch durchgreifend entgegen, daß ihrer beabsichtigten Rechtsverfolgung die hinreichende Erfolgsaussicht fehlt.
a. Soweit sie gegenüber dem auf das - unstreitige - Eigentum der Antragsgegner gestützten Räumungs und Herausgabeverlangen ein Recht zum Besitz im Sinne von § 986 BGB aus der ihr vom Ehemann im Vergleich von 2007 für die Dauer des Getrenntlebens zugestandenen alleinigen Nutzung herleiten will, geht dies fehl.
Die Zuweisung von Wohnraum zur alleinigen Nutzung für die Dauer des Getrenntlebens begründet für sich allein kein Mietverhältnis oder ein Verhältnis, das über eine entsprechende Anwendung von § 566 BGB gegenüber einer Veräußerung der Immobilie durchgreifenden Schutz böte. Einem besonderen Schutzbedürfnis eines Ehegatten, dem für die Dauer des Getrenntlebens im Alleineigentum des anderen Ehegatten stehender Wohnraum zur Nutzung zugewiesen worden ist, vor den Folgen einer etwaigen Veräußerung kann nach - soweit ersichtlich - ganz einhelliger Auffassung in Rechtsprechung wie Schrifttum im Bedarfsfalle allein durch zusätzliche Schutzanordnungen Rechnung getragen werden (vgl. etwa OLG Düsseldorf - Beschluß vom 2. Juli 1985 - 2 WF 82/85 - FamRZ 1985, 1153 f. = NJWRR 1986, 231 f. Palandt70-Brudermüller, BGB § 1361b Rz. 17. NomosKommentar BGB Familienrecht2-Boden/Cremer, § 1361b Rz. 25. MüKo5-WeberMonecke, BGB § 1361b Rz. 16. Staudinger-Voppel (2007) BGB § 1361b Rz. 60. Johannsen/Henrich5-Götz, Familienrecht, BGB § 1361 Rz. 41 und FamFG § 209 Rz. 8). ist insofern im Gesetzgebungsverfahren noch davon ausgegangen worden, daß auch der gesonderte Erlaß eines Veräußerungsverbotes in Betracht käme (vgl. BTDrs. 14/5429, S. 21, 33), wird dies mittlerweile überwiegend für nicht zulässig erachtet und auf die gesonderte Begründung eines befristeten Mietverhältnisses verwiesen, welches über § 566 BGB zumindest einen weitgehenden Schutz gegenüber Neuerwerbern begründet (vgl. OLG Düsseldorf aaO. sowie die angegebene Kommentarfundstellen).
Eine derartige zusätzliche und über die bloße zeitlich beschränkte Nutzungsüberlassung hinausgehende Vereinbarung enthält auch die zwischen den Eheleuten 2007 im Rahmen ihres Vergleiches getroffene Vereinbarung offenkundig nicht. Vielmehr ist der Ziffer 2 des Vergleiches sogar zu entnehmen, daß die Eheleute übereinstimmend von der bevorstehenden Veräußerung der Immobilie ausgegangen sind und die Ehefrau selbst die Verpflichtung zu einer entsprechenden aktiven Mitwirkung übernommen hat. Stand mithin der - auch seinerzeit anwaltlich vertretenen - Ehefrau die Erwartung einer alsbald möglichen Veräußerung der ihr zur Nutzung überlassenen Immobilie deutlich vor Augen, so hätte es für die Vereinbarung einer über die ´normale´ Nutzungsüberlassung hinausgehenden ´veräußerungsbeständigen´ Position in jedem Fall einer unzweideutigen Konkretisierung bedurft.
b. Die Antragstellerin wird sich schließlich gegenüber dem Räumungs und Herausgabeanspruch der Antragsgegner jedenfalls auch nicht erfolgreich auf § 1365 BGB stützen können. § 1365 BGB ist unzweifelhaft nur für rechtsgeschäftliche Handlungen, nicht jedoch für Maßnahmen in der Zwangsvollstreckung einschlägig (vgl. BGH, Beschluß vom 20. Dezember 2005 - VII ZB 50/05 - FamRZ 2006, 410 f. = NJW 2006, 849. Palandt70-Brudermüller, BGB § 1365 Rz. 2).