Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.06.2011, Az.: 10 UF 125/11
Ein einen Umgangsausschluss und ein damit verbundenes ausdrückliches Näherungsverbot aussprechender Beschluss muss mit dem Hinweis auf die Folgen einer Zuwiderhandlung verbunden werden; Erforderlichkeit eines Hinweises auf die Folgen einer Zuwiderhandlung i.R.e. einen Umgangsausschluss und ein damit verbundenes ausdrückliches Näherungsverbot aussprechenden Beschlusses; § 89 FamFG als "abweichende Bestimmung" i.S.d. § 95 FamFG
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.06.2011
- Aktenzeichen
- 10 UF 125/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 18201
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:0617.10UF125.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 19.04.2011 - AZ: 620 F 1416/10
Rechtsgrundlagen
- § 89 FamFG
- § 95 FamFG
- § 890 ZPO
- § 1684 Abs. 4 BGB
Fundstellen
- FPR 2011, 6
- FamFR 2011, 330
- FamRB 2011, 240
- FuR 2011, 574
- NJW-Spezial 2011, 485
- ZKJ 2011, 393-394
Verfahrensgegenstand
Der Umgang mit dem beteiligten Kind M. J. R., geb. am ... 2007
Amtlicher Leitsatz
Ein Beschluß, der einen Umgangsausschluß und ein damit verbundenes ausdrückliches Näherungsverbot ausspricht, ist mit dem Hinweis auf die Folgen einer Zuwiderhandlung zu verbinden; diese ergeben sich aus § 89 FamFG, der als "abweichende Bestimmung" die Anwendbarkeit von §§ 95 FamFG, 890 ZPO ausschließt.
In der Familiensache
...
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht W.,
den Richter am Oberlandesgericht H. und
die Richterin am Amtsgericht C.
am 17. Juni 2011
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Kindesmutter wird die für das Beschwerdeverfahren - erneut - nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe (VKH) versagt.
- 2.
Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 19. April 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der amtsgerichtlich angeordnete Ausschluß der Umgangskontakte zwischen der Kindesmutter und dem betroffenen M. (Absatz 1 des Beschlußtenors) sowie das Näherungsverbot (Abs. 2 des Beschlußtenors) auf die Zeit bis zum 31. März 2012 befristet werden und Absatz 3 des Beschlußtenors wie folgt gefaßt wird:
"Bei schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die sich aus diesem Beschluß ergebenden Verpflichtungen kann das Gericht gegenüber der Verpflichteten Ordnungsgeld bis zur Höhe von 25.000 EUR und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monate anordnen. Verspricht die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg, kann das Gericht Ordnungshaft bis zu 6 Monate anordnen. Die Festsetzung des Ordnungsmittels unterbleibt, wenn der Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, daß er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat."
Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben; außergerichtliche Kosten der - im Beschwerdeverfahren nicht tätig gewordenen - Beteiligten sind nicht zu erstatten (§§ 84, 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG).
Beschwerdewert: 3.000 EUR (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG)
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat - nach u.a. Bestellung eines Verfahrensbeistands, Beteiligung des Jugendamtes sowie persönlicher Anhörung aller Beteiligten - mit Beschluß vom 19. April 2011, auf den auch hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, den Umgang zwischen der Kindesmutter und dem betroffenen Sohn M. unbefristet ausgesetzt und es der Kindesmutter untersagt, sich M. sowie dem von ihm besuchten Kindergarten weiter als bis auf 200 m zu nähern; zugleich hat es für Zuwiderhandlungen ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR oder ersatzweise Ordnungshaft bis zu 2 Jahre angedroht.
Hintergrund dieser - vom Verfahrensbeistand ausdrücklich unterstützten und von der Kindesmutter uneingeschränkt bekämpften - Anordnung ist, daß die Kindesmutter - nach ausdrücklicher Bestätigung ihrer von der Schweigepflicht entbundenen behandelnden Ärzte - sowohl psychisch als auch alkoholkrank ist und es dadurch bedingt in jüngster Zeit zu erheblichen Problemen auch beim Umgang zwischen ihr und M. gekommen ist; dabei hat M. die Kindesmutter deutlich alkoholisiert erleben müssen und diese wiederholt massiv versucht, zusätzlichen Kontakt zu M. - unter anderem in dessen Kindergarten - aufzunehmen; durch diese Vorfälle ist M. schwer verunsichert worden, so daß er derzeit sogar jegliche Kommunikation seine Mutter betreffend verweigert.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die fristgerecht durch die Kindesmutter persönlich eingelegte Beschwerde; der Senat hat ihr mit Beschluß vom 27. Mai 2011 zur Beschwerdebegründung eine Frist bis zum 16. Juni 2011 gesetzt und zugleich darauf hingewiesen, daß er beabsichtigt, die - vorbehaltlich einer weiteren Begründung nach dem bisherigen Sachstand zu erwartende - Zurückweisung der Beschwerde mit der Maßgabe zu verbinden, daß der Umgangsausschluß wie das ergänzende Näherungsverbot mit einer engen Befristung verbunden wird. Mit Beschluß vom 7. Juni 2011 ist der Kindesmutter, die sich nach einer vorgelegten entsprechenden Bescheinigung seit 12. April 2011 in stationärer Behandlung in einer Klinik befindet, die durch ihre Verfahrensbevollmächtigte - ohne weitere Begründung in der Sache - nachgesuchte Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (VKH) und Anwaltsbeiordnung mangels hinreichender Erfolgsaussicht versagt worden. Am letzten Tag der gesetzten Begründungsfrist hat die Verfahrensbevollmächtigte der Kindesmutter - nach wie vor ohne eine Begründung der Beschwerde in der Sache - erneut um VKH nachgesucht und die Auffassung vertreten, bereits aus dem Hinweis des Senates ergebe sich eine hinreichende Erfolgsaussicht; sie hat zugleich beantragt, die Sache unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses zurückzuverweisen. Eine - bereits zuvor ausdrücklich angekündigte - aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat die Kindesmutter dabei nach wie vor nicht vorgelegt.
Der Verfahrensbeistand hat zu der vom Senat in Aussicht genommenen Befristung von Umgangsausschluß und Näherungsverbot Stellung genommen und insofern einen Zeitraum von drei Jahren für angemessen gehalten; dann dürfe der altersgemäß schulreife M. "psychisch wie kognitiv eher in der Lage sein, eventuell begleitete Umgänge mit der Mutter zu verarbeiten".
II.
Der Kindesmutter kann für das Beschwerdeverfahren auch auf ihre erneutes Gesuch hin VKH nicht bewilligt werden; dem steht bereits für sich durchgreifend entgegen, daß sie bis zum Verfahrensabschluß durch den vorliegenden Beschluß das Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen in keiner Weise dargetan hat.
III.
Die fristgerecht eingelegte Beschwerde ist - unabhängig vom Fehlen einer inhaltlichen Begründung - zulässig, kann in der Sache aber keinen Erfolg haben; dies führt - mit den aus dem Tenor ersichtlichen Maßgaben - zu ihrer Zurückweisung. Dabei kann der Senat unmittelbar in der Sache entscheiden, da weitere Ermittlungen nicht geboten sind und von einer Wiederholung erstinstanzlich erfolgter Verfahrenshandlungen, namentlich einer erneuten Anhörung der Beteiligten, kein entscheidungserheblicher weiterer Erkenntnisgewinn zu erwarten ist.
1.
Die Voraussetzungen für eine - von der Kindesmutter erstrebte - unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses ausgesprochene Zurückverweisung der Sache gemäß § 69 Absatz 1 Sätze 2 und 3 FamFG liegen offenkundig nicht vor, da es weder an einer Sachentscheidung des Amtsgerichtes fehlt noch die Entscheidung an einem wesentlichen Mangel leidet und zur Entscheidung eine umfangreiche oder aufwendige Beweiserhebung notwendig ist.
2.
Auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens, nach Durchführung der gebotenen Ermittlungen und mit zutreffenden Erwägungen hat das Amtsgericht gemäß § 1684 Abs. 4 BGB den Umgang zwischen der Kindesmutter und M. ausgeschlossen, da gegenwärtig eine weitere Durchführung von Umgangskontakten - unabhängig auch von einer etwaigen Begleitung - das Kindeswohl gefährden würde. Insbesondere durch die wiederholte Konfrontation mit der alkoholisierten Kindesmutter - die selbst nach ihrer Verweisung aus dessen Kindergarten noch versuchte, sich alkoholisiert ihm über den Zaun kletternd zu nähern - ist bei M. bereits eine massive Verunsicherung eingetreten; diese wird nicht zuletzt durch seine Weigerung deutlich, derzeit ein auch nur irgend geartetes Gespräch über die Mutter zuzulassen. In dieser Ausgangslage und vor einer erheblichen Stabilisierung der Kindesmutter fortgesetzte Umgangskontakte würden mit höchster Wahrscheinlichkeit die - gerade auch für M.s weitere Entwicklung - sehr bedeutsame Mutter-Kind-Beziehung endgültig und dauerhaft schwer schädigen. Zutreffend hat das Amtsgericht aufgrund der konkreten Vorgeschichte den angeordneten Umgangsausschluß ergänzend auch noch durch die ausdrücklichen Näherungsverbote an M. sowie dessen Kindergarten konkretisiert.
3.
Der Senat hat bereits in seinem Beschluß vom 27. Mai 2011 darauf hingewiesen, daß insbesondere aufgrund des durch Art. 6 Abs. 2 GG besonders geschützten und den persönlichen Umgang zwischen den Elternteilen und dem Kind einschließenden Elternrechtes ein Umgangsausschluß nur unter ganz besonderen Voraussetzungen dauerhaft in Betracht kommen kann, die im Streitfall nicht ersichtlich oder auch nur von einem Beteiligten substantiiert dargetan sind. Insofern hat der Senat eine Befristung vorzunehmen, die nach den Umständen des vorliegenden Falles mit der Zeit bis zum 31. März 2012 erforderlich aber auch ausreichend ist.
Die Notwendigkeit des aktuellen Umgangsausschlusses beruht zentral auf einer psychischen und Alkoholerkrankung der Kindesmutter, der in der jüngeren Vergangenheit insbesondere auch jegliche Einsicht in die Tatsache ihrer Erkrankung fehlte. Das Amtsgericht hat im parallel dort anhängigen Verfahren betreffend die elterliche Sorge für M., dessen Akten der Senat beigezogen hat, der Kindesmutter mit Beschluß vom 19. April 2011 aufgegeben, die Aufnahme einer "langfristigen stationären Therapie zur Behandlung sowohl ihrer psychischen Beeinträchtigungen als auch ihrer Alkoholsucht" zu belegen, und für diesen Fall angekündigt, vor seiner abschließenden Entscheidung das Ergebnis dieser Therapie abwarten zu wollen; die Kindesmutter, die im vorliegenden Verfahren bereits belegt hatte, auf der Warteliste für eine entsprechende Therapie zu stehen, hat zwischenzeitlich eine entsprechende stationäre Aufnahme seit dem 12. April 2011 belegt.
Durch einen erfolgreichen Abschluß dieser nunmehr tatsächlich begonnenen stationären Therapie sowie dessen anschließender "Bewährung" über eine gewisse Zeit kann die Kindesmutter grundsätzlich durchaus ihrerseits die Voraussetzungen für die Vereinbarkeit einer begleiteten Wiederanbahnung von Umgangskontakten mit dem Kindeswohl von M. schaffen; dies gilt umso mehr, als für M. seinerseits eine therapeutische Aufarbeitung angedacht ist und der Zeitraum von rund einem Jahr für ein gerade vierjähriges Kind bereits eine vergleichsweise lange Zeitspanne bedeutet. Für eine Anordnung des vollständigen Umgangsausschlusses über eine - vom Verfahrensbeistand erwogene - Dauer von weiteren drei Jahren, kann derzeit die erforderliche Voraussetzug einer zwingenden Erforderlichkeit in keinem Fall festgestellt werden; mit dem Kindeswohl von M. ist es durchaus vereinbar, daß ab April 2012 eine erneute Prüfung der Voraussetzungen für etwaige Umgangskontakte eröffnet wird.
4.
Schließlich bedarf es allerdings noch einer - als Maßgabe der Beschwerdezurückweisung auszusprechender - teilweisen Korrektur, soweit das Amtsgericht in seinem Beschluß zugleich der Kindesmutter für den Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld bzw. -haft angedroht hat.
Zutreffend ist das Amtsgericht allerdings davon ausgegangen, daß auch eine Endentscheidung, in der ein Ausschluß des Umganges sowie zu dessen Konkretisierung Näherungsverbote angeordnet sind, der Vollstreckung zugänglich ist und diese im Fall einer Zuwiderhandlung durch Festsetzung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft erfolgt - dies allerdings nach § 89 FamFG, so daß nach dessen Abs. 2 in dem Beschluß auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel hinzuweisen ist und sich der Sanktionsrahmen auf ein Ordnungsgeld von bis zu 25.000 EUR (§ 89 Abs. 3 FamFG ) bzw. Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten (§ 89 Abs. 3 FamFG i.V.m. § 913 ZPO) beläuft (so auch OLG Saarbrücken, Beschlüsse vom 12. Juli 2010 - 6 UF 32/10 - MDR 2010, 106 f. = NJW-RR 2011, 436 ff sowie vom 24. Januar 2011 - 6 UF 116/10 - ZKJ 2011, 178 ff. = [...]).
Soweit das Amtsgericht gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, 890 ZPO ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR, ersatzweise bis zu 2 Jahre Ordnungshaft angedroht hat, sind diese Normen für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Der Umgangsausschluß stellt (ebenso wie seine Konkretisierung durch die Näherungsverbote) nämlich eine - negative - Umgangsregelung dar (Bumiller/Harders9, FamFG, § 89 Rz. 1; Schulte-Bunert/Weinreich2-Schulte-Bunert, FamFG, § 89 Rz. 11; vgl. insofern auch BayObLG, Beschluß vom 27. Januar 1993 - 1Z BR 102/92 - FamRZ 1993, 823 ff.) - für den Fall von Zuwiderhandlungen gegen Vollstreckungstitel zur Regelung des Umgangs ist aber § 89 FamFG (in Abschnitt 8 Unterabschnitt 2 des FamFG) eine Vorschrift, die im Sinne von § 95 Abs. 1 FamFG (in Abschnitt 8 Unterabschnitt 3 des FamFG) eine "in den vorstehenden Unterabschnitten enthaltene abweichende Bestimmung" darstellt und damit die Anwendung von §§ 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, 890 ZPO ausschließt.