Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 14.06.2011, Az.: 13 U 50/11
Bemessung des Streitwerts eines einstweiligen Verfügungsverfahrens im Falle von Verstößen gegen die Informationspflichten des § 5 Telemediengesetz (TMG)
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 14.06.2011
- Aktenzeichen
- 13 U 50/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 19052
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:0614.13U50.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 01.12.2010 - AZ: 8 O 433/10
Rechtsgrundlagen
- § 5 TMG
- § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG
- § 3 ZPO
- § 12 Abs. 4 UWG
Fundstelle
- ASR 2011, 6
Amtlicher Leitsatz
Der Streitwert für ein einstweiliges Verfügungsverfahren, in dem Verstöße gegen die Informationspflichten des § 5 Telemediengesetz (TMG) geltend gemacht werden, ist in der Regel mit 2.000 € zu bemessen.
In dem Rechtsstreit
Dr. H. Grundstücksentwicklungs und BeteiligungsGmbH, vertreten durch den Geschäftsführer R. S., T. Straße, W.,
Verfügungsklägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt O. F. S., H. Straße, B.,
Geschäftszeichen: #####
gegen
E. Immobilien, R., O. S.,
Verfügungsbeklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt M. W., R., O. S.,
Geschäftszeichen: #####
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K., den Richter am Oberlandesgericht B. und den Richter am Landgericht T. am 14. Juni 2011 beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 1. Dezember 2010 wird von Amts wegen abgeändert.
Der Wert des erstinstanzlichen Verfahrens und der Berufung wird einheitlich auf 2.000 € festgesetzt.
Gründe
Der Streitwert für ein einstweiliges Verfügungsverfahren, in dem Verstöße gegen die Informationspflichten des § 5 Telemediengesetzes (TMG) geltend gemacht werden, ist in der Regel mit 2.000 € zu bemessen. Ein weitergehendes Interesse der Verfügungsklägerin (im Folgenden Klägerin) ist hier nicht erkennbar. Der Beschluss des Landgerichts vom 1. Dezember 2010, mit dem der Streitwert auf 7.500 € festgesetzt wurde, war dem entsprechend gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen abzuändern.
1. Der Streitwert ist gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO nach freiem Ermessen im Wege der Schätzung zu bestimmen. In Verfahren, in denen es - wie hier - um die Unterlassung von Wettbewerbsverstößen geht, ist für diese Schätzung das Interesse maßgeblich, das der Kläger an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße hat. Kriterien zur Bestimmung dieses Interesses sind vor allem die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit für den Wettbewerber im Hinblick auf den ihm drohenden Schaden (z. B. Umsatzeinbußen, Marktverwirrungs und Rufschaden), die Unternehmensverhältnisse beim Verletzer und Verletzten (Umsätze, Größe, Wirtschaftskraft, Marktstellung und deren voraussichtliche Entwicklung), die Intensität des Wettbewerbs zwischen beiden Parteien in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht, wobei auch die Auswirkungen zukünftiger Verletzungshandlungen (Ausmaß, Intensität und Häufigkeit, indiziert durch die bereits begangene Verletzungshandlung, die Intensität der Wiederholungsgefahr, Verschuldensgrad, späteres Verhalten) zu berücksichtigen sind (vgl. Senat, Beschluss vom 14.05.2010 - 13 W 38/10, Tz. 5, zitiert nach juris. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 5.6).
Ein gewichtiges Indiz für die Schätzung des Interesses nach vorstehenden Grundsätzen bildet die Angabe des Streitwerts in der Klage bzw. Antragsschrift. denn diese Angabe erfolgt grundsätzlich noch unbeeinflusst vom Ausgang des Rechtsstreits (KG, Beschluss vom 09.04.2010 - 5 W 3/10, Tz. 4, zitiert nach juris). Sie kann daher der Streitwertfestsetzung regelmäßig zu Grunde gelegt werden, es sei denn, dass sich aus den Umständen die Fehlerhaftigkeit der Angabe ergibt (KG, aaO.).
2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hält der Senat im vorliegenden Fall, in dem die Unterlassung eines Verstoßes gegen die Pflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 3 TMG, Angaben zur zuständigen Aufsichtsbehörde auf der Webseite zu machen, begehrt wird, einen Streitwert von 3.000 € für das Hauptsacheverfahren für angemessen.
a) Die im Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung vom 29. November 2010 zum Ausdruck gebrachte vorläufige Schätzung der Klägerin, die für das Eilverfahren einen Wert von 7.500 € vorgeschlagen hat, ist deutlich übersetzt.
Ein Wettbewerbsverstoß gegen die allgemeinen Informationspflichten des § 5 TMG beeinträchtigt die geschäftlichen Belange des verletzten Mitbewerbers in aller Regel nur unwesentlich. An der Erfüllung der entsprechenden gesetzlichen Verpflichtungen besteht zwar zum Schutze der Verbraucher ein erhebliches Allgemeininteresse, weshalb Zuwiderhandlungen regelmäßig die Bagatellgrenze des § 3 UWG überschreiten. Die Interessenlage des Mitbewerbers, die die Streitwertbemessung für einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG maßgeblich beeinflusst, wird durch einen solchen Wettbewerbsverstoß jedoch nur unwesentlich berührt (Senat, Beschluss vom 19.11.2007 - 13 W 112/07, MMR 2008, 172, Tz. 3 zur fehlerhaften Widerrufsbelehrung, zitiert nach juris). Die Gefahr, dass eine Entscheidung des Verbrauchers zu Gunsten des Verletzers und zum Nachteil seiner sich gesetzestreu verhaltenden Konkurrenten durch einen entsprechenden Wettbewerbsverstoß nennenswert beeinflusst wird, sieht der Senat als gering an. Die Informationspflichten des § 5 TMG dienen vielmehr dem Verbraucherschutz und der Transparenz von geschäftsmäßig erbrachten Telediensten (vgl. Begr. zum RegE eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer GeschäftsverkehrGesetzEGG) BTDrucksache 14/6098, S. 21. Köhler in Köhler/Bornkamm, aaO., § 4 Rn. 11.169 m. w. N.). Dabei soll die Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde dem Verbraucher die Möglichkeit geben, sich bei Bedarf über den Anbieter erkundigen zu können bzw. im Falle von Rechtsverstößen gegen Berufspflichten eine Anlaufstelle zu haben (BTDrucksache 14/6098, S. 21).
b) Die vorliegende Sache ist nach Art und Umfang zudem auch einfach gelagert, so dass der Streitwert nach § 12 Abs. 4 UWG zu mindern ist. Eine Streitwertminderung kommt immer dann in Betracht, wenn die Sache nach Art und Umfang ohne größeren Arbeitsaufwand von den Parteien bzw. ihren Anwälten zu bearbeiten ist und sich damit als "tägliche Routinearbeit" darstellt (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, aaO., § 12 UWG Rn. 5.22). Einfach gelagerte Streitigkeiten sind beispielsweise in serienweise wiederkehrenden Wettbewerbsverletzungen und rechtlich eindeutigen Verstöße zu sehen (Senat, Beschluss vom 19.11.2007, aaO., Tz. 4, zitiert nach juris). Dies ist hier der Fall. Die Verstöße sind leicht zu erkennen und nachzuweisen. Diesbezügliche Abmahnungen sind einfachen Charakters, da sie sich aus verschiedenen Textbausteinen zusammensetzen lassen. Die Abmahnungen in diesem Bereich wiederholen sich in einer Vielzahl von ähnlich gelagerten Fällen und müssen, wenn überhaupt, nur geringfügig angepasst werden. In Betracht kommende Rechtsfragen sind gelöst.
3. Im Hinblick darauf, dass es sich hier lediglich um ein auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtetes Verfahren handelt, ist der Streitwert niedriger als derjenige der Hauptsache festzusetzen. Dies folgt bereits daraus, dass die einstweilige Verfügung nur auf eine vorläufige Sicherung, nicht aber auf die endgültige Durchsetzung des materiellrechtlichen Anspruchs gerichtet ist und daher für den Antragsteller regelmäßig nicht schon deshalb dieselbe wirtschaftliche Bedeutung wie ein Titel in der Hauptsache hat (Senat, Beschluss vom 14.05.2010, aaO., Tz. 11, zitiert nach juris. Köhler in Köhler/Bornkamm, aaO., § 12 Rn. 5.12).
Daher ist in den Fällen, in denen keine weiteren besonderen Umstände vorliegen, vom Wert des (etwaigen) Hauptsacheverfahrens ein Abschlag von einem Drittel vorzunehmen (Senat, Beschluss vom 14.05.2010, aaO.). Demgemäß war vorliegend der Streitwert für das Verfügungsverfahren 2.000 € festzusetzen.