Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.04.1986, Az.: 14 Sa 167/85

Urlaubsabgeltungsanspruch eines Schwerbehinderten; Abgeltungsfähigkeit eines Urlaubsanspruchs bei langjähriger Betriebszugehörigkeit ; Darlegungsumfang bei Geltendmachung eingeschränkter Arbeitsfähigkeit durch den Arbeitgeber; Abgrenzung zwischen Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit; Versagung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs wegen dauerhafter Erwerbsunfähigkeit

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
21.04.1986
Aktenzeichen
14 Sa 167/85
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1986, 14435
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1986:0421.14SA167.85.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Stade - 26.08.1985 - AZ: 2 Ca 313/85

Verfahrensgegenstand

Forderung

Prozessführer

...

Prozessgegner

...

In dem Rechtsstreit
hat die 14. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 1986
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Plathe und
die ehrenamtlichen Richter Bock und Kauffmann
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stade vom 26.08.1985 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Schwerbehinderter.

2

Er ist bei der Beklagten vom 01.06.1967 bis zum 01.03.1985 als Angestellter beschäftigt gewesen, und zwar zuletzt als Sachbearbeiter für Tiefkühlware in der Betriebsbuchhaltung.

3

Im November 1984 beantragte er die Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente.

4

In der Folgezeit verrichtete er weiterhin die vereinbarte Tätigkeit.

5

Am 01.03.1985 ging dem Kläger ein Rentenbescheid über die Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente zu, in dem der Eintritt des Versicherungsfalles auf den 06.11.1984 festgesetzt wurde.

6

Die Parteien vereinbarten daraufhin eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 01.03.1985.

7

Eine Abgeltung des ... noch offenen Urlaubsanspruchs des Klägers für 1985 lehnte die Beklagte unter Hinweis auf seine Erwerbsunfähigkeit ab.

8

Hinsichtlich des Urlaubs haben die Parteien die Abwendung des Urlaubsabkommens zwischen dem Arbeitgeberverband ... GmbH und der ..., Bezirksleitung vom 22.02.1979 (Urlaubsabkommen) vereinbart.

9

Zur Regelung des Urlaubs im Austrittsjahr und zur Urlaubsabgeltung enthält das Urlaubsabkommen unter anderem folgende Regelungen:

§ 5

Teilurlaub

1. A) Teilurlaub für Arbeitnehmer nach dem vollendeten 18. Lebensjahr;

Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer

...

c) wenn er nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.

4. Die Zwölftelung findet keine Anwendung auf Arbeitnehmer, die nach erfüllter Wartezeit aus Alters- oder Invaliditätsgründen ausscheiden, sofern sie zehn Jahre ununterbrochen dem Betrieb angehört haben.

§ 7

Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs

...

4. Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten. Das gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer durch eigenes Verschulden aus einem Grund entlassen worden ist, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt, oder das Arbeitsverhältnis unberechtigt vorzeitig gelöst hat und in diesen Fällen eine grobe Verletzung der Treuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt.

10

Der Kläger hat mit der am 01.07.1985 erhobenen Klage geltend gemacht, ihm würde für 1985 unter Einbeziehung des Zusatzurlaubs für Schwerbehinderte und unter Berücksichtigung eines gewährten Urlaubstags noch ein Urlaubsanspruch von 35 Arbeitstagen zustehen; dieser Urlaubsanspruch sei mit einem Betrag von ziffernmäßig unstreitig DM 4.707,- brutto abzugelten, zumal er seiner Behauptung nach bereits im Februar 1985 den entsprechenden Jahresurlaub für April 1985 geplant und bei der Beklagten eingereicht gehabt hätte.

11

Der Kläger hat beantragt,

12

die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 4.707,- brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 04.03.1985 zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Die Beklagte hat geltend gemacht, aufgrund der festgestellten Erwerbsunfähigkeit seien eine Gewährung von Urlaub und dementsprechend auch eine Urlaubsabgeltung rechtlich nicht mehr möglich gewesen.

16

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und dabei ausgeführt, die beim Kläger festgestellte Erwerbsunfähigkeit könne einer entsprechenden Arbeitsunfähigkeit für die Dauer des Urlaubsjahres einschließlich des Übertragungszeitraums, die eine Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs und damit auch des Urlaubsabgeltungsanspruchs allerdings ausschließen würde, nicht gleich gesetzt werden.

17

Mit der Berufung macht die Beklagte weiterhin geltend, ein Anspruch des Klägers auf Urlaubsabgeltung bestehe nicht, da aufgrund der festgestellten Erwerbsunfähigkeit von einer dauernden Arbeitsunfähigkeit des Klägers ausgegangen werden müsse.

18

Sie behauptet: Der Kläger sei aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen, die zur Feststellung der Erwerbsunfähigkeit geführt hätten, in seiner körperlichen und psychischen Belastbarkeit erkennbar eingeschränkt gewesen; er sei seinen Vorgesetzten schonungsbedürftig erschienen; beim Treppensteigen sei er regelmäßig außer Atem geraten; es hätte Tage gegeben, an denen er wegen seiner gesundheitlichen Schwierigkeiten nach Hause geschickt werden mußte.

19

Zur Frage der Urlaubsplanung und Anmeldung des Klägers für April 1985 behauptet die Beklagte, sie könne die Richtigkeit der Behauptung des Klägers hierzu "nicht ausschließen".

20

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stade vom 26.08.1985 Az.: 2 Ca 313/85 abzuändern und die Klage abzuweisen.

21

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

22

Er verteidigt das angefochtene Urteil und meint weiterhin:

23

Da er aus Invaliditätsgründen ausgeschieden sei, ergebe sich sein Anspruch auf Urlaubsabgeltung bereits endgültig aus der tariflichen Regelung. Im übrigen stehe seine Arbeitsleistung, die er bis zum Ausscheiden seiner Behauptung nach ordnungsgemäß erbracht hat, der Annahme einer dauernden Arbeitsunfähigkeit, die zum Ausschluß des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung führen könnte, entscheidend entgegen.

Entscheidungsgründe

24

Die Berufung ist nicht begründet.

25

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Abgeltung von 35 Urlaubstagen für 1985 in Höhe von DM 4.707,- brutto zu, § 7 Ziff. 4 Urlaubsabkommen, § 7 IV Bundesurlaubsgesetz.

26

Der Urlaubsanspruch des Klägers in Höhe von 36 Arbeitstagen für 1985 auch bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits zum 01.03.1985 ergibt sich aus § 3 Ziff. 1, 2 in Verbindung mit § 5 Ziff. 1 A, 4 Urlaubsabkommen, § 44 Schwerbehindertengesetz.

27

Fragen des Umfangs der Arbeitsfähigkeit des Klägers im Urlaubsjahr 1985 haben für das Entstehen des Urlaubsanspruchs keine Bedeutung (vgl. BAG AP Nr. 11 zu § 3 Bundesurlaubsgesetz ... Rechtsmißbrauch).

28

Dieser Urlaubsanspruch von aufgrund der Gewährung eines Urlaubstages noch 35 Urlaubstagen ist aufgrund des Ausscheidens des Klägers abzugelten.

29

Das ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers allerdings nicht bereits aus der Regelung in § 5 Ziff. 4 Urlaubsabkommen. Wenn dort festgelegt ist, daß die Zwölftelung des Urlaubsanspruchs bei einem Ausscheiden nach erfüllter Wartezeit im ersten Halbjahr gemäß § 5 Ziff. 1 A c Urlaubsabkommen beim Ausscheiden aus Alters- oder Invaliditätsgründen nach 10-jähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit nicht eingreift, kann daraus nicht der Schluß gezogen werden, daß der entsprechende Urlaubsanspruch stets abzugelten ist.

30

Zwar mag bei einem Ausscheiden wegen Invalidität in vielen Fällen eine Urlaubsabgeltung in Betracht kommen, wobei ein Verzicht auf die Zwölftelung wenig Sinn hätte, wenn der Abgeltungsanspruch bereits aus anderen Gründen ohnehin vollständig entfallen würde.

31

Es ist jedoch auch möglich, daß bei einem Ausscheiden wegen Invalidität im ersten Halbjahr der Urlaub vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch tatsächlich gewährt wird, wobei der Ausschluß der Zwölftelung dann erhebliche Bedeutung gewinnt.

32

Hinzu kommt, daß das Urlaubsabkommen zu Urlaubsabgeltung in § 7 Ziff. 4 Satz 1 eine der gesetzlichen Regelung entsprechende Vorschrift enthält, was ebenfalls gegen eine vom Gesetz abweichende Regelung der Urlaubsabgeltung spricht.

33

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung besteht hier jedoch aufgrund der allgemeinen Regelung der Urlaubsabgeltung in §§ 7 Ziff. 4 Urlaubsabkommen, 7 IV Bundesurlaubsgesetz.

34

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung tritt insoweit als Surrogat an die Stelle des Urlaubsanspruchs, als durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Urlaub nicht mehr durch eine Befreiung von einer Arbeitspflicht unter Fortzahlung der Arbeitsvergütung erfüllt werden kann, da eine Arbeitspflicht nicht mehr besteht und deren Fortbestehen im Rahmen des Abgeltungsanspruchs fingiert wird (vgl. dazu Leinemann NZA 85, 137, 142 f).

35

Der damit mit dem Ausscheiden des Klägers an die Stelle des Urlaubsanspruchs getretene Urlaubsabgeltungsanspruch ist hier auch bestehen geblieben.

36

Aus dem dargestellten Verständnis der Rechtsnatur des Urlaubsabgeltungsanspruchs lehnt die neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, von der abzuweichen kein Anlaß besteht, einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung ab, wenn der entsprechende Urlaubsanspruch bei einem Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses ebenfalls nicht mehr bestehen würde, wobei der Urlaubsanspruch als bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums befristet angesehen wird mit der Folge seines Erlöschens, wenn der Anspruch wegen Arbeitsunfähigkeit bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllbar gewesen ist (BAG AP Nr. 14, 18 zu § 7 Bundesurlaubsgesetz Abgeltung sowie Urteil vom 07.03.1985 Az.: 6 AZR 334/82 = DB 85, 1598 und Urteil vom 07.11.1985 Az.: 6 AZR 202/83 = DB 86, 973). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Die tatsächliche Arbeitsleistung des Klägers im Jahr 1985 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 01.03.1985 bietet keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit. Die Behauptungen der Beklagten über eine Einschränkung seiner körperlichen und psychischen Belastbarkeit reichen hierfür nicht aus. Dasselbe gilt für die unsubstantiierte und damit kaum einlassungsfähige Behauptung, es hätte Tage gegeben, an denen der Kläger wegen gesundheitlicher Schwierigkeiten hätte nach Hause geschickt werden müssen. Damit liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß dem Kläger bei einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 01.03.1985 hinaus Urlaub wegen einer Arbeitsunfähigkeit nicht hätte gewährt werden können. Das gilt bereits für den vom Kläger für April 1985 geplanten und eingereichten Erholungsurlaub, wobei die entsprechende Behauptung des Klägers mangels ausreichenden Bestreitens der Beklagten als unstreitig anzusehen ist.

37

Aus der durch den Rentenbescheid rückwirkend vom 06.11.1984 an bescheinigten Erwerbsunfähigkeit läßt sich eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und in der Folgezeit bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums am 31.03.1986, die eine Erfüllbarkeit des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung ausgeschlossen und damit zum Erlöschen des Anspruchs am 31.03.1986 geführt hätte, ebenfalls nicht ableiten.

38

Dies ergibt sich entscheidend aus dem unterschiedlichen Inhalt der Begriffe Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit.

39

Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit liegt nur vor, wenn und soweit der Arbeitnehmer durch ein Krankheitsgeschehen außerstand gesetzt wird, die ihm nach dem Arbeitsvertrag obliegende Arbeit zu verrichten, oder wenn er die Arbeit nur unter der Gefahr fortsetzen könnte, in absehbarer naher Zeit seinen Zustand zu verschlimmern (BAG Urteil vom 09.01.1985 Az.: 5 AZR 415/82 = DB 85, 977 mit weiteren Nachweisen). Demgegenüber wird der Begriff der Erwerbsunfähigkeit in §§ 24 II AVG, 1247 II RVO folgendermaßen definiert:

"Erwerbsunfähig ist der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräften auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbsunfähigkeit in gewisse Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann."

40

Dabei liegt die Erwerbsunfähigkeit nicht nur vor, wenn der Versicherte vollständig außerstande ist, einer irgendwie gearteten lohnbringenden Erwerbstätigkeit nachzugehen, sondern auch schon dann, wenn noch eine Resterwerbsfähigkeit vorhanden ist, die zwar bei abstrakter Betrachtung eine gewisse Erwerbstätigkeit ermöglichen würde, wenn dem Versicherten aber bei konkreter Betrachtung infolge seiner Behinderung der Arbeitsmarkt praktisch weitgehend verschlossen ist, weil es Arbeitsplätze, auf denen er seine Resterwerbsfähigkeit lohnbringend verwerten könnte, nicht oder doch nicht in nennenswerter Zahl gibt (vgl. BSG Großer Senat AP Nr. 6 zu § 1247 AVO, BSG AP Nr. 7 zu § 1247 RVO).

41

Bereits aus diesen Begriffsbestimmungen ergibt sich, daß sich aus der Feststellung eine Erwerbsunfähigkeit des Klägers seit dem 06.11.1984 für seine aktuelle Arbeitsfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit in bezug auf die der Beklagten geschuldete Arbeitsleistung in der Zeit nach dem 01.03.1985 nichts entscheidendes herleiten läßt. Aufgrund der festgestellten Erwerbsunfähigkeit besteht jedenfalls im vorliegenden Fall auch keine tatsächliche Vermutung für eine entsprechende Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Zwar mag tatsächlich in einer Vielzahl von Fällen eine Erwerbsunfähigkeit auch gleichzeitig eine Arbeitsunfähigkeit vorliegen. Der Annahme einer entsprechenden Regelmäßigkeit steht hier jedoch bereits die tatsächliche Arbeitsleistung des Klägers in der Zeit bis zum 01.03.1985 entgegen.

42

Wenn demgegenüber neuere Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zum Entfallen des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung bei andauernder Arbeitsunfähigkeit (BAG AP 18, 20 zu § 7 Bundesurlaubsgesetz Abgeltung, DB 85, 1598, DB 86, 973 [BAG 07.11.1985 - 6 AZR 169/84]) dahin zu verstehen sein sollten, daß eine festgestellte Erwerbsunfähigkeit eine Arbeitsunfähigkeit regelmäßig gleich zu erachten sein soll, vermag das Gericht sich dieser Auffassung aufgrund der aufgezeigten Unterschiede beider Sachverhalte nicht anzuschließen (ebenso bereits das den Parteien bekannt gegebene nicht veröffentlichte Urteil der 3. Kammer des LAG Niedersachsen vom 30.08.1985 Az.: 3 Sa 28/85 Seite 7 ff).

43

In den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts wird als Grundsatz jeweils betont, daß ein Urlaubsabgeltungsanspruch mangels Erfüllbarkeit entfällt, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt seines Auscheidens und danach über das Ende des Urlaubsjahres hinaus auch während des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt gewesen ist.

44

Im Anschluß daran finden sich jedoch Formulierungen, die dahin verstanden werden könnten, daß eine festgestellte Erwerbsunfähigkeit einer solchen fortdauernden Arbeitsunfähigkeit gleich zu setzen sein könnte.

45

So heißt es im Urteil vom 28.06.1984 = AP Nr. 18 zu § 7 Bundesurlaubsgesetz Abgeltung unter Ziffer 2 der Gründe:

"Demzufolge hat der erkennende Senat einen Abgeltungsanspruch i.S.v. § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz verneint, wenn ein Arbeitnehmer nach dauernder Arbeitsunfähigkeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ohne die Arbeitsfähigkeit wieder zu erlangen, er also erwerbsunfähig bleibt."

46

Im Urteil vom 17.01.1985 = AP Nr. 20 zu § 7 Bundesurlaubsgesetz Abgeltung heißt es unter Ziffer 2 der Gründe:

"Selbst wenn jedoch dem LAG auch noch insoweit gefolgt werden könnte, müßte die Gewährung einer Abgeltung daran scheitern, daß die Klägerin beim Ausscheiden erwerbsunfähig war und damit der Abgeltungsanspruch auch zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt werden konnte. Nach der Rechtsprechung des Senats ... entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruch mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis. Ist der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt und danach im Übertragungszeitraum arbeitsunfähig krank, besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erfüllung dieses Anspruchs."

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Im Urteil vom 07.03.1985 = DB 85, 1598 heißt es unter Ziffer 3 b der Gründe:

"Ist der Arbeitnehmer daher auch noch nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis arbeitsunfähig, kann bis zur Beendigung der Arbeitsunfähigkeit ein Abgeltungsanspruch nicht erfüllt werden. Endet die Arbeitsunfähigkeit (etwa bei dauernder Erwerbsunfähigkeit) nicht vor dem Ende des Urlaubsjahres, für das der Urlaubsanspruch entstanden ist, bzw. des Übertragungszeitraums, erlischt der Abgeltungsanspruch."

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Mit diesen Ausführungen wird nicht näher begründet, daß eine Erwerbsunfähigkeit trotz der dargestellten abweichenden Begriffsbestimmung für den hier interessierenden Zusammenhang der Erfüllbarkeit von Urlaubs bzw. Urlaubsabgeltungsansprüchen mit einer aktuellen Arbeitsunfähigkeit gleich gesetzt werden soll. Für eine solche Entscheidung hat nach den genannten Urteilen jeweils zugrunde liegenden Sachverhalten letztlich wohl auch keine Veranlassung bestanden, da die Arbeitnehmer dort zuvor jeweils längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt waren und im Anschluß daran eine Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden war. Bei einer solchen Fallgestaltung mag es möglich sein, von der im unmittelbaren Anschluß an die Arbeitsunfähigkeit festgestellten Erwerbsunfähigkeit auf ein Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit zu schließen. Auf eine Fallgestaltung, in der der Arbeitnehmer wie hier der Kläger bis zum Zugang des Bescheids über die rückwirkende Feststellung der Erwerbsunfähigkeit aber tatsächlich seine arbeitsvertragliche Pflichten erfüllt hat und nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen ist, kann eine solche Schlußfolgerung oder Gleichstellung jedoch nicht übertragen werden. Dies verbietet entscheidend der dargestellte unterschiedliche Begriffsinhalt von Erwerbsunfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit.

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Eine abweichende Beurteilung würde auch zu dem befremdlichen Ergebnis führen, daß ein Arbeitnehmer im Fall einer späteren rückwirkenden Feststellung einer Erwerbsunfähigkeit über einen relativ langen Zeitraum tatsächlich seinen arbeitsvertraglichen Pflichten voll nachgekommen sein kann, ohne daß sein Anspruch auf Urlaub erfüllbar gewesen wäre.

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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 284, 288 BGB, 97 I ZPO, 72 II Nr. 1 ArbGG.

51

Gegen dieses Urteil findet, wie sich aus der Urteilsformel ergibt, die Revision statt.