Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.02.1986, Az.: 3 Sa 101/85
Unwirksamkeit einer Kündigung wegen einer fehlenden sozialen Rechtfertigung ; Kündigung aufgrund von Umsatzeinbrüchen; Gerichtliche Feststellung des Fortbestandes eines Arbeitsverhältnis
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 07.02.1986
- Aktenzeichen
- 3 Sa 101/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 10622
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1986:0207.3SA101.85.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Stade - 29.05.1985 - AZ: 2 Ca 204/85
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 KSchG
- § 2 KSchG
- § 4 KSchG
Fundstellen
- GmbH-Report 1986, R 56 (Kurzinformation)
- GmbHR 1986, R 56 (Kurzinformation)
Die Klägerin wendet sich als Angestellte gegen die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten und begehrt ihre tatsächliche Weiterbeschäftigung über die Dauer des Kündigungsschutzprozesses hinaus. In dem erstinstanzlichen Urteil wurde die Klage abgewiesen, da die dringenden betrieblichen Erfordernisse der Beklagten, aufgrund von starken Umsatzeinbrüchen, einer Weiterbschäftigung im Wege stünden. Die daraufhin von der Klägerin eingelegte Berufung war teilweise begründet, da die Kündigung wegen der fehlenden sozialen Rechtfertigung unwirksam war und das Arbeitsverhältnis weiter fortbestand. Soweit die Klägerin aber für die Dauer des Kündigungsprozesses ihre tatsächlich Fortbeschäftigung begehrte, blieb die Berufung unbegründet.
In dem Rechtsstreit
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 1986
unter Mitwirkung
der Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stade vom 29. Mai 1985 - 2 Ca 204/85 - teilweise unter Zurückweisung der Berufung im übrigen abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 14.03.1985 nicht zum 30.09.1985 beendet worden ist, sondern darüber hinaus auf Dauer weiter fortbesteht.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsanspruches wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 14. März 1985 (Fotokopie Bl. 4 d.A.) zum 30. September 1985 sowie über die tatsächliche Weiterbeschäftigung der Klägerin für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses über den 30. September 1985 hinaus.
Die Klägerin ist seit dem 1. März 1972 bei der Beklagten in deren Einzelhandelsfilialbetrieb für Blumen-, Garten- und Zooartikel in ... der seit 1950 besteht, als Verkäuferin zu einem monatlichen Bruttogehalt von 1.144,00 DM bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden (6 Stunden täglich bei 4 Arbeitstagen montags bis freitags) beschäftigt. Allein in diesem Betrieb der Beklagten sind in der Regel mehr als 5 Arbeitnehmer tätig.
Die verheiratete Klägerin wohnt seit etwa 8 Jahren ca. 34 km von der Stader Filiale der Beklagten entfernt in einem ländlich strukturierten Gebiet, in dem öffentliche Nahverkehrsmittel nur selten verkehren. Mitfahrgelegenheiten von ihrem Wohnort nach ... bzw. umgekehrt hat die Klägerin mit ihrem ebenfalls in bettenden Ehemann und/oder im öffentlichen Dienst beschäftigten Bekannten vormittags gegen 8.00/8.30 Uhr bzw. nachmittags gegen 16.00 Uhr.
Mit einem Schreiben vom 26. Februar 1985 teilte die Beklagte der Klägerin unter anderem folgendes mit:
"Sehr geehrte Frau
inzwischen liegt uns das katastrophale Ergebnis der Filiale in ... von 1984 vor, wir sind sehr entsetzt und können es nicht verstehen, daß in diesem wunderschönen Geschäft keine besseren Umsätze erzielt werden können.
Um die Zukunft der Filiale und die dortigen Arbeitsplätze zu sichern, sehen wir uns leider gezwungen, eine drastische Personalkostenreduzierung vorzunehmen. Aus diesem Grunde werden wir Sie ab sofort, genauso wie die anderen Teilzeitkräfte, nur noch 20 Stunden in der Woche beschäftigen."
Ein erläuterndes Gespräch oder ähnliches war diesem Schreiben nicht vorausgegangen. Nach Erhalt des Schreibens begehrte die Klägerin mit der am 5. März 1985 beim Arbeitsgericht Stade zum Aktenzeichen 2 Ca 157/85 anhängig gewordenen Klage die Feststellung, daß sie nach wie vor 24 Stunden wöchentlich zu beschäftigen sei. Diese Klagschrift wurde der Beklagten am 11. März 1985 zugestellt. Mit dem bereits erwähnten Schreiben vom 14. März 1985 wurde der Klägerin alsdann "wegen vermindertem Arbeitsanfall, bedingt durch den starken Umsatzrückgang" fristgemäß zum 30. September 1985 gekündigt. Zuvor, am 7. März 1985, war von der Klägerin in einem Gespräch mit dem Personalleiter der Beklagten unter Erwähnung der Möglichkeit, daß ansonsten eine Kündigung ausgesprochen werden müsse, "jetzt und sofort" eine Reduzierung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit auf 20 Stunden verlangt worden, was indes die Klägerin, im Gegensatz zu 2 anderen teilzeitbeschäftigten Verkäuferinnen, die mit der Beklagten ein entsprechendes Einvernehmen erzielten, jedoch ablehnte.
Mit der am 28. März 1985 beim Arbeitsgericht Stade eingegangenen Klage vom 27. März 1985 hat die Klägerin alsdann zum einen die Feststellung begehrt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 14.03.1985 nicht zum 30.09.1985 beendet werde, zum anderen darüber hinaus die Verurteilung der Beklagten dazu, sie über den 30.09.1985 hinaus zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.
Die Klägerin hat die Kündigung für nicht sozial gerechtfertigt erachtet. Sie hat vorgetragen, ihre Kündigung sei betrieblich nicht erforderlich. Sie sei lediglich als "eine Art Kraftprobe" erfolgt. Sie hat weiter gemeint, daß allenfalls eine Änderungskündigung hätte in Betracht kommen können.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß durch die Kündigung vom 14. März 1985 das Beschäftigungsverhältnis zwischen den Parteien nicht zum 30. September 1985 beendet wird.
für den Fall, daß die Kündigung rechtswidrig ist, die Beklagte weiter zu verurteilen, die Klägerin über den 30. September 1985 hinaus zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, daß in Anbetracht ihrer wirtschaftlichen Situation, insbesondere in Anbetracht der Umsatz- und Verkaufszahlenentwicklung, der Wegfall eines Teilzeitarbeitsplatzes erforderlich gewesen sei. Ihr Umsatz in der Filiale sei gegenüber dem Vergleichszeitraum 1984 um 20 % zurückgegangen. Im Januar 1985 habe diese Filiale einen Umsatz von 51.285,00 DM gegenüber 58.128,00 DM im Monat Januar 1984 erwirtschaftet. Dies entspreche einem Umsatzrückgang von 11,7 %. Im Februar 1985 habe sie einen Umsatz von 51.382,00 DM gegenüber 64.866,00 DM im Februar 1984 erwirtschaftet, was einem Umsatzrückgang von 17.7 % entspreche. Im März 1985 habe sie lediglich 82.459,00 DM gegenüber 110.717,00 DM im März 1984 erwirtschaftet. Dies entspreche einem Umsatzrückgang von 25,5 %. Entsprechend diesen Zahlen seien auch die Verkaufsvorgänge in der Filiale zurückgegangen.
Während im Jahre 1982 noch 83.774 Kunden bedient worden seien, habe sich diese Zahl im Jahre 1983 auf 83.367 und im Jahre 1984 auf 75.324 verringert. Infolge dieser Entwicklung habe sie erhebliche Verluste hinnehmen müssen.
Auch die soziale Auswahl sei korrekt getroffen worden.
Die mit der Klägerin vergleichbaren Mitarbeiterinnen B. und H. seien trotz der langen Betriebszugehörigkeit der Klägerin sozial schutzwürdiger als diese. Dies ergebe sich schon daraus, daß Frau B. 14 Jahre, Frau H. 15 Jahre Betriebszugehörigkeit aufzuweisen hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Durch Urteil vom 29. Mai 1985 hat die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Stade die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin bei einem Streitwert von 6.498,00 DM auferlegt. Es hat zur Begründung ausgeführt, daß die Kündigung der Beklagten vom 14. März 1985 aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse bedingt sei. Der Arbeitsplatz der Klägerin sei weggefallen. Die von der Beklagten vorgenommene Sozialauswahl sei rechtlich beanstandungsfrei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin nach näherer Maßgabe ihres Berufungsbegründungsschriftsatzes vom 8. August 1985 ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie meint, daß entgegen der Feststellung der Vorinstanz dringende betriebliche Erfordernisse die im Streit stehende Kündigung nicht rechtfertigen könnten. Die Darlegungen der Beklagten zu dem Rückgang der Verkaufsvorgänge in den Jahren 1982 bis 1984 seien keineswegs hinreichend geeignet, den Wegfall ihres Arbeitsplatzes zu begründen. Zugunsten der Beklagten habe das Arbeitsgericht darüber hinaus den Umsatzrückgang für die Monate Januar bis März 1985 berücksichtigt, obwohl die Kündigung bereits unter dem 14. März 1985 ausgesprochen worden sei und der Märzumsatz keinesfalls den Ausschlag für den Kündigungsentschluß habe geben können. Selbst wenn man die Umsatzrückgangszahlen als richtig unterstellen wolle, so fehle jede Angabe zum Arbeitsanfall, der einzig und allein geeignet sei, den Wegfall des Arbeitsplatzes zu begründen. Die Arbeitskräfte in der Filiale ... der Beklagten seien vielmehr sowohl im März als auch in den Vormonaten voll ausgelastet gewesen. Noch im März 1985 seien vor Kündigungsausspruch Überstunden angefallen, die trotz der ansonsten üblichen Praxis, diese durch Freizeit abzubummeln, bezahlt worden seien, da ein Freizeitausgleich aufgrund der Arbeitsbelastung nicht möglich gewesen sei. Die Arbeitszeit der Verkäuferinnen sei neben der reinen Verkaufstätigkeit durch Pflegearbeiten an Pflanzen und Tieren voll ausgelastet. Daß kein verminderter Arbeitsumfang zu verzeichnen sei, werde auch daran deutlich, daß die Beklagte ... im März 1985 eine ebenfalls teilzeitbeschäftigte Arbeitskraft neu eingestellt habe, wegen des weiteren Vorbringens der Klägerin im Berufungsrechtszuge wird zudem auf ihren Schriftsatz vom 14. November 1985 verwiesen.
Die Klägerin beantragt nunmehr sinngemäß,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
- 1.
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 14. März 1985 nicht zum 30. September 1985 beendet worden ist,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, sie über den 30: September 1985 hinaus zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte beantragt nunmehr,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung nach näherer Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 14. Oktober sowie vom 19. Dezember 1985. Unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens behauptet die Beklagte, daß in ihrer Filiale ... im Dezember 1983 noch 5384 Kunden bedient worden seien. Demgegenüber seien es im Dezember 1984 nur noch 5180 Kunden gewesen. Im Januar 1985 habe sich die Kundenzahl von 4760 im Vergleichsmonat des Vorjahres auf 4070 verringert, im Februar 1985 von 5163 Kunden auf nur noch 4419 Kunden. Die Verringerung im März 1985 gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres habe sich die Kundenzahl von 8026 auf 6138 verringert. Erschwerend bei der Entwicklung der Umsätze und Kundenzahlen sei zu berücksichtigen, daß sie ihre Geschäftsräume in ... im Jahre 1984 gänzlich neu gestaltet habe. Durch die Investition habe sie sich eine nachhaltige Umsatz- und Ertragssteigerung erhofft. Diese Erwartungen seien enttäuscht worden. Vor Kündigungsausspruch seien auch keine Überstunden angefallen. So hätten die beiden Ganztagskräfte keine Überstunden geleistet. Richtig sei, daß den beiden teilzeitbeschäftigten Verkäuferinnen und ... im März 1985 vier Mehrarbeitsstunden vergütet worden seien. Dabei handele es sich aber nicht um "richtige Überstunden". Vielmehr sei die Vergütung als Überstunden dadurch zustande gekommen, daß mit diesen beiden Arbeitnehmerinnen am 7. März 1985 mündlich eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitsstundenzahl von 24 auf 20 Stunden vereinbart worden sei, nachdem beide bereits in der ersten Woche des Monats März 1985 statt 20 24 Stunden geleistet hätten. Diese überschießenden vier Stunden seien dann als Mehrarbeit behandelt worden. Weiter sei es nicht richtig, daß seit März 1985 eine neue Teilzeitkraft bei ihr tätig sei. Vielmehr würden für erforderliche Einräumungsarbeiten nach Geschäftsschluß in geringem Umfange Aushilfskräfte mit beschäftigt werden. Aber auch im Bereich dieser Aushilfskräfte habe sie in erheblichem Umfange Reduzierungen vorgenommen. So seien im Februar 1984 noch Aushilfen mit 136 Stunden insgesamt beschäftigt worden. Im Februar 1985 seien es nur noch 32 Arbeitsstunden gewesen.
Schließlich wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die ebenfalls zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten 2 Ca 157/85 Arbeitsgericht Stade Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten vom 14. März 1985 nicht zum 30. September 1985 beendet worden. Vielmehr ist diese Kündigung gemäß § 1 Abs. 1 KSchG, das auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, unwirksam, weil es dieser Kündigung an der erforderlichen sozialen Rechtfertigung mangelt, mit der Folge, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über die Kündigungsfrist hinaus weiter fortbesteht, zumal andere Beendigungstatbestände nicht ersichtlich sind.
Die Berufung der Klägerin bleibt allerdings erfolglos, soweit sie mit dem selbständigen (Leistungs-)Antrag zu 2. für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses ihre tatsächliche Beschäftigung begehrt. Entgegen dem das Berufungsgericht nicht förmlich bindenden Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 - GS 1/84 - (ZIP 1985 S. 1214 = DB 1985 S. 2197 = NJW 1985 S. 2968 = BB 1985 S. 1978) besteht ein allgemeiner arbeitsvertraglicher Weiterbeschäftigungsanspruch (für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses) nicht.
I.
Die Kündigung der Beklagten vom 14. März 1985 ist rechtsunwirksam.
Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ist die arbeitgeberseitige Kündigung eines länger als 6 Monate bestehenden Arbeitsverhältnisses rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Dabei ist nach Abs. 2 dieser Norm eine Kündigung dann sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durchdringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Dies ist hier, auch unter dem Gesichtspunkt der Betriebsbedingtheit - anderes kommt ohnehin nicht ernsthaft in Betracht -, nicht der Fall. Es läßt sich dem Vorbringen der Beklagten nicht hinreichend entnehmen, daß in ihrem Betrieb ... der Arbeitsplatz einer mit 24 Stunden wöchentlichen beschäftigten Verkäuferin entfallen ist. Dies geht zu Lasten der Beklagten, die gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG für das Vorliegen der Kündigungsgründe die Darlegungs- und ggf. Beweislast trägt. Außerdem wäre die Beklagte gehalten gewesen, wenn überhaupt, anstelle einer Beendigungskündigung eine Änderungskündigung auszusprechen, weil die Klägerin jedenfalls unter veränderten Arbeitsbedingungen hätte weiter beschäftigt werden können. Dieser rechtliche Gesichtspunkt ist vom Arbeitsgericht in seinen Entscheidungsgründen nicht weiter problematisiert worden, obwohl er von der Klägerin bereits erstinstanzlich in den Rechtsstreit eingeführt worden war und der Kammer auch aus den Veröffentlichungen ihres Vorsitzenden hätte bekannt sein müssen (vgl. bereits Berkowsky, Die betriebsbedingte Kündigung. München 1982, S. 43 Rdnr. 139 a.E.).
1.
Betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung (vgl. hierzu BAG AP Nrn. 6, 8, 10 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; ... Hillebrecht ZIP 1985 S. 257; Meisel ZfA 1985 S. 213) können sich aus innerbetrieblichen Umständen (z.B. Rationalisierungsmaßnahmen oder Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z.B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Dabei kann ein Umsatzrückgang eine betriebsbedingte Kündigung dann rechtfertigen, wenn dadurch der Arbeitsanfall so zurückgeht, daß für einen oder mehrere Arbeitnehmer das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung entfällt. Gewinnverfall oder Unrentabilität eines Betriebes führen nicht ohne weiteres zu dringenden betrieblichen Erfordernissen, weil sie auf den verschiedensten Gründen beruhen können und sich nicht unmittelbar auf die Arbeitsplätze auswirken. Solche Umstände können aber dann eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn sie der Arbeitgeber zum Anlaß nimmt, zum Zwecke der Kostenersparnis durch Rationalisierungsmaßnahmen innerbetriebliche Veränderungen durchzuführen. Es kommt mithin entscheidend darauf an, ob unter. Respektierung einer etwa bindenden Unternehmerentscheidung (vgl. allerdings zu den in der Rechtsprechung der Gerichte für Arbeitssachen nicht immer beachteten Grenzen unternehmerischer Entscheidungsfreiheit und damit auch einer solchen Bindungswirkung: BVerfGE 50, 290, 342 f., 362 f.; Beschluß des Vorprüfungsausschusses vom 18.12.1985 - 1 BvR 143/83 -, diese Entscheidung bezieht sich auf BAG Der Betrieb 1983 S. 453; vgl. auch Scholz in: Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, Grundgesetz, Artikel 12 Rdnr. 34 f., wo ausgeführt wird, daß der "personale Grundzug" der Grundrechte aus Artikel 12 und 14 Grundgesetz"bei Großunternehmen nahezu gänzlich verloren" sei) mit einem geringeren oder veränderten Arbeitsanfall auch das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen oder innerhalb einer für die gebotene soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG relevanten Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer jedenfalls gesunken ist (vgl. neuerdings BAG Urteil vom 30.05.1985 - NZA 1986 S. 155 [BAG 30.05.1985 - 2 AZR 321/84]).
Insoweit kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf "das katastrophale Ergebnis der Filiale in ... von 1984" (so ihr Schreiben vom 26. Februar 1985), ihre enttäuschten Erwartungen hinsichtlich einer "nachhaltigen Ertragssteigerung" berufen. Denn in Kenntnis dieser Umstände ist seitens der Beklagten zunächst die Entscheidung getroffen worden, die Arbeitszeit der Klägerin um vier Stunden zu reduzierer. An dieser Entscheidung, deren tatsächliche Grundlagen sich bis zum kündigungsschutzrechtlich relevanten Zeitpunkt des Zugangs der streitgegenständlichen Kündigung nicht verändert hatten, muß sich die Beklagte festhalten lassen (vgl. in anderem Zusammenhang BAG AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung sub II. 4. b) der Gründe; AP Nr. 117 zu Art. 3 GG sub B I. 3. der Gründe). Aus der Ertragssituation der Filiale ... die im übrigen nicht weiter spezifiziert worden ist, weder hinsichtlich der tatsächlichen Ertragssituation noch hinsichtlich des gewünschten Ertragsergebnisses pro beschäftigten Arbeitnehmer, hat die Beklagte selbst also gerade nicht die Schlußfolgerung gezogen, durch betriebsorganisatorische Veränderungen den Arbeitsplatz einer teilzeitbeschäftigten Verkäuferin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden entfallen zu lassen.
Aus den von der Beklagten vorgetragenen Angaben über Umsätze. Kundenzahlen etc. läßt sich ebenfalls nicht der Schluß ziehen, daß der Arbeitsanfall im Verkaufsbereich einschließlich der dazugehörenden Zusammenhangstätigkeiten soweit zurückgegangen ist, daß für den weiteren Einsatz einer teilzeitbeschäftigten Verkäuferin eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Veranlassung fehlen würde. Hierzu räumt die Beklagte selbst zutreffend ein, daß ihr Vorbringen zum Umsatzrückgang allein nicht ausreiche, um die vorgenommene personelle Einschränkung zu rechtfertigen. Pauschale Umsatzzahlen allein, ohne Bezug zu unterschiedlichen warengruppen mit unterschiedlichem Arbeitsaufwand, wie beispielsweise Pflanzen einerseits, bestimmte Zooartikel andererseits, lassen nur sehr bedingt einen Rückschluß auf den Arbeitsanfall zu. Außerdem fällt auf, daß die Umsatzzahlen der Monate Januar und Februar 1985 zwar deutlich unter denen der Vergleichsmonate des Jahres 1984, aber immer noch erheblich, um ca. 20 %, über denen der entsprechenden Monate des Jahres 1983 liegen. Auch der vorgetragene Rückgang der registrierten Verkaufsvorgänge von 1982 bis 1984 allein läßt keinen sicheren Rückschluß auf den anfallenden Arbeitsumfang zu. Mit den registrierten Verkaufsvorgängen wird lediglich ein Teil, wenn auch der überwiegende Teil der geschuldeten Arbeitsleistung erfaßt. Zusammenhangstätigkeiten, wie die Pflege von Pflanzen, Aufräumarbeiten, weitere Kundengespräche etc. bleiben hiervon unberücksichtigt. ... Diese Tätigkeiten differieren im übrigen auch je nach der Zusammensetzung des Warensortiments. Da sich dieses verändert hat, ohne daß dazu quantitativ zureichend vorgetragen worden ist, ist der auch vom Arbeitsgericht gezogene oberflächliche Schluß von der Zahl der registrierten Verkaufsvorgänge auf den Wegfall des Arbeitsplatzes nicht gerechtfertigt. Auch in diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß sich die Beklagte selbst zunächst gar nicht unter dem Gesichtspunkt mangelnden Arbeitsanfalles, sondern der schlechten Ertragslage zu einer Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin um lediglich 1/6 entschlossen hat, die Kündigungsmaßnahme erst realisiert hat, nachdem sich die Klägerin gegen den rechtswidrigen Versuch der Beklagten, mit ihrem Schreiben vom 26. Februar 1985 den Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses einseitig durch schlichte "Weisung" zu verändern, zur Wehr gesetzt hatte. Welche geringe Aussagekraft über den erforderlichen Arbeitsumfang den bloßen Zahlen über tatsächlich zustandegekommene Verkaufsvorgänge tatsächlich beigemessen werden kann, läßt sich dem bereits erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten ohne weiteres entnehmen. Danach ist beispielsweise die Zahl der Verkaufsvorgänge von 1983 auf 1984 um ca. 10 % zurückgegangen. Zugleich hat die Beklagte einen Anstieg des Bruttoumsatzes von Januar 1983 zu Januar 1984 um 34,2 %, von Februar 1983 zu Februar 1984 von 47,1 % und von März 1983 auf März 1984 um 6,4 % vorgetragen. Wenn mithin der anfallende Umsatz pro Verkaufsvorgang höchst unterschiedlich ist, läßt sich nicht ausschließen, daß auch die pro Verkaufsvorgang erforderliche Arbeitszeit sehr unterschiedlich ist, von einer ganzen Reihe weiterer Faktoren abhängig ist, so dar die vom Arbeitsgericht letztlich angenommene unmittelbare Korrelation von der Zahl registrierter Verkaufsvorgänge zur anfallenden Arbeitsleistung nicht haltbar ist.
2.
Im übrigen hätte die Beklagte allenfalls eine Änderungskündigung, die nach dem auch im Kündigungsrecht geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den Vorrang verdient, aussprechen dürfen (vgl. hierzu KR-M. Wolf 2. Aufl. Grundsätze Rdnr. 280 ff.; (allgemein) Hirschberg. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 1981; Hillebrecht ZIP 1985, 257, 260; Kempff Der Betrieb 1978, 1400 und AiB 1985, 127; BAG Urteil vom 27.09.1984 DB 1985, 1186 = DB 1985, 1130 = NJW 1985, 1797 [BAG 27.09.1984 - 2 AZR 62/83] = NZA 1985, 455; Urteil vom 27.08.1982 - 7 AZR 195/80; LAG Frankfurt Urteil vom 13.12.1984 - 3 Sa 1320/83; LAG München Urteil vom 15.02.1984 - 6 Sa 589/83; LAG Düsseldorf Urteil vom 08.02.1982 - 26 Sa 1501/81; LAG Niedersachsen Urteil vom 02.09.1983 - 14 Sa 119/83; ArbG Lübeck Urteil vom 15.03.1983 - III 4 Ca 33/83; ArbG München Urteil vom 30.09.1982 - 12 Ca 4366/82). Denn auch ein Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit für einen Arbeitnehmer stellt noch nicht ohne weiteres ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG dar. Die betrieblichen Erfordernisse müssen vielmehr nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes "dringend" sein, das heißt eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Durch dieses Merkmal der Dringlichkeit der betrieblichen Erfordernisse wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für den Bereich der betriebsbedingten Kündigung konkretisiert (vgl. KR-Becker, 2. Aufl. § 1 KSchG Rdnr. 144), so daß eine Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt ist, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bestehenden betrieblichen Situation durch andere, mildere Maßnahmen, zu denen auch eine Änderungskündigung gehört, als gerade durch eine ordentliche Beendigungskündigung zu entsprechen. Der Arbeitnehmer gewinnt bei der Änderungskündigung den gemäß § 2 KSchG gewollten Vorteil, diese unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung annehmen zu können und dadurch kein Beschäftigungsrisiko laufen zu müssen. Andererseits werden durch eine generelle Verweisung auf die Möglichkeit einer Änderungskündigung für den Fall, daß ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, der für den betreffenden Arbeitnehmer bei einer Änderung der Arbeitsbedingungen in Betracht kommt, erhebliche Arbeitgeberinteressen nicht beeinträchtigt. Läßt sich der Arbeitnehmer auf das in der Änderung liegende Angebot ein, so wird das Arbeitsverhältnis zu den vom Arbeitgeber gewünschten geänderten Bedingungen fortgeführt. Lehnt er hingegen dieses Angebot ab, so wirkt die Änderungskündigung ohnehin als Beendigungskündigung, allerdings mit dem arbeitgeberseitigen Vorteil, daß der Prüfungsmaßstab ein anderer ist (vgl. KR-Rost, 2. Aufl. § 2 Rdnrn. 97 f.), weil das Änderungsangebot auch in diesem Fall in die Betrachtung mit einzubeziehen ist. Nimmt der Arbeitnehmer schließlich das Angebot unter Vorbehalt an, so kommt es lediglich zu der gesetzlich vorgesehenen Änderungsschutzklage der §§ 2, 4 Satz 2 KSchG.
Soweit das Bundesarbeitsgericht in dem genannten Urteil vom 27. September 1984 a.a.O. diese praktikable Rechtslage anderweitig strukturiert hat, bestehen Bedenken, dem zu folgen. Nach dieser Entscheidung muß der Arbeitgeber bei den Verhandlungen mit dem Arbeitnehmer klarstellen, daß bei Ablehnung des Änderungsangebotes eine Kündigung beabsichtigt sei und ihm eine Überlegungsfrist von einer Woche, die das Bundesarbeitsgericht einer entsprechenden Anwendung der für den Betriebsrat geltenden Frist des § 102 Abs. 2 BetrVG 1972 entnimmt (vgl. Hillebrecht ZIP 1985, 260), einräumen (vgl. zu einem anderen, aus Gründen unzulässiger Rechtsfortbildung wieder aufgegebenen "Versuch der Harmonisierung"von § 102 BetrVG und § 1 KSchG: BAG Urteil vom 06.07.1978 AP Nr. 16 zu § 102 BetrVG 1972 und Teilurteil vom 29.03.1984 Der Betrieb 1984, 1990). Dieses arbeitgeberseitige Angebot kann nach der Rechtsprechung des Zweiten Senats der Arbeitnehmer alsdann vor Ausspruch einer Kündigung unter einem dem § 2 KSchG entsprechenden Vorbehalt annehmen. Der Arbeitgeber muß dann eine Änderungskündigung aussprechen. Lehnt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot hingegen vorbehaltlos und endgültig ab, dann kann nach dieser Meinung der Arbeitgeber eine (ordentliche) Beendigungskündigung aussprechen. Nach den weiteren Hinweisen des Senats verwehrt die Ablehnung des Änderungsangebotes durch den Arbeitnehmer diesem allerdings nur, den Arbeitgeber bei einer daraufhin ausgesprochenen Beendigungskündigung auf eine Änderungskündigung mit dem abgelehnten Inhalt zu verweisen. Der Arbeitnehmer ist auch danach nicht gehindert, sich auf die Möglichkeit einer Änderungskündigung zu anderen als den vorgeschlagenen Bedingungen zu berufen. Das Gericht vermag nicht auszuschließen, daß diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts lediglich zu einer unnötigen Komplizierung der Rechtslage führt, ohne daß dadurch eine sachgerechtere Problemlösung bewirkt werden würde.
Indes kann dahingestellt bleiben, ob dieser Auffassung des Bundesarbeitsgerichts gefolgt werden kann, weil selbst unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung die Beklagte gehalten gewesen wäre, eine Änderungskündigung auszusprechen. So ist der Klägerin in dem Gespräch vom 7. März 1985 keine Überlegungsfrist von einer Woche eingeräumt worden. Die Beklagte hat der Klägerin auch nicht das Angebot unterbreitet, unter Einhaltung der Kündigungsfrist, mithin erst mit Wirkung ab 1. Oktober 1985, die vertraglichen Arbeitsbedingungen zu verändern. Vielmehr hat die Beklagte, ohne daß die Voraussetzungen einer außerordentlichen Änderungskündigung (vgl. hierzu Moll Der Betrieb 1984, 1346) gegeben gewesen wären, "jetzt und sofort" die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit um 1/6 mit der entsprechenden Verdienstminderung verlangt. Schließlich ist darauf zu verweisen, daß die Beklagte zudem die, auch zwischen den Parteien nicht weiter erörterte. Möglichkeit einer anderweitigen Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit bei einer anderen Verteilung der verbleibenden Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage gehabt hätte. Der Streit der Parteien geht ja nicht nur um die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin auf 20 Stunden, die die Beklagte in Kenntnis aller wesentlichen Umstände zunächst selbst als ausreichend für eine hinreichende Berücksichtigung ihrer betrieblichen Interessen angesehen hat. Aus der Sicht der Klägerin geht es ja auch gerade um die bei ihr aufgrund der bestehenden Gegebenheiten nun einmal vorliegende Problematik der An- und Abfahrtsmöglichkeiten. Hierauf hätte die Beklagte in angemessener Weise dadurch Rücksicht nehmen können, daß sie beispielsweise eine wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr, wie bisher, auf 4, sondern nur noch auf 3 Arbeitstage wöchentlich verteilt hätte. Eine solche Lösung hätte jedenfalls für die Klägerin den Vorteil gehabt, daß sich ihre nicht bezahlte Abwesenheitszeit von zu Hause nicht erhöht hätte.
II.
Die Berufung der Klägerin ist allerdings unbegründet, soweit sie mit ihrem selbständigen Leistungsantrag zu 2, die Verurteilung der Beklagten zur tatsächlichen Weiterbeschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses begehrt.
Der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seinem Beschluß vom 27. Februar 1985 a.a.O. die Auffassung vertreten, daß der gekündigte Arbeitnehmer einen arbeitsvertragsrechtlichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung (auch außerhalb der Regelung der §§ 102 Abs. 5 BetrVG 1972, 79 Abs. 2 BPersVG) über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsprozesses habe, wenn die Kündigung unwirksam sei und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstünden. Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründe die Ungewißheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Prozesses Diese überwiege in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozeß ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergehe.
Das Berufungsgericht vermag dieser Auffassung des Großen Senats nicht zu folgen, ohne deshalb allerdings seine Meinung als "kühn und verwegen" (Adomeit NJW 1986 S. 901) anzusehen (vgl. aus der Literatur zum Beschluß des Großen Senats: Winterfeld Der Arbeitgeber 1985, 286; Baumann AiB 1985, 148; Manfred Schumann NZA 1985, 702; ders. Der Personalrat 1985, 166; ders. AiB 1985, 163; Dänzer-Vanotti Der Betrieb 1985, 2610; Kempff AiB 1985, 187; Schwerdtner ZIP 1985, 1361; Hanau ZIP 1986, 3; Bengelsdorf Der Betrieb 1986, 168 ff., 222 f.; Schukai Der Betrieb 1986, 482; Gamillscheg Anm. EzA § 61 1 BGB
Beschäftigungspflicht Nr. 9; neuerdings auch noch Eich DB 1986, 692; Dütz NZA 1986, 209; Färber/Kappes NZA 1986, 215; vgl. aus der früheren Diskussion den im Beschluß des Großen Senats nicht angesprochenen umfänglichen Beitrag von Heinze DB 1985, 111 ff.; aus der neueren Rechtsprechung zu Fragen des Weiterbeschäftigungsanspruches: BAG Beschluß vom 20.03.1905 NZA 1985, 709 = DB 1905, 2461; Urteil vom 19. Dezember 1985 - AiB 1906, 26; LAG Hamburg DB 1905, 2463; LAG Köln NZA 1906, 136; LAG Hamm NZA 1906, 197; ArbG Düsseldorf NJW 1905, 2975; ArbG Bielefeld NZA 1906, 90; ArbG Nienburg Urteil vom 07.01.1906 - 2 Ga 17/05 - bislang unveröffentlicht).
1.
Der Zuerkennung eines Weiterbeschäftigungsanspruches steht bereits entgegen, daß Leistungen, die von der Unwirksamkeit der Kündigung abhängen, erst ab Rechtskraft des Kündigungsschutzurteils geltend gemacht werden können, weil es sich bei der Kündigungsschutzklage gemäß § 4 KSchG um keine Feststellungs-, sondern um eine Gestaltungsabwehrklage handelt.
a)
Diese Auffassung hat die Kammer bereits in ihrem Urteil vom 23.11.1904 - 3 Sa 119/04 (teilweise abgedruckt in DB 1985, 708) vertreten. Darin heißt es u.a.:
"1.a)
...Es handelt sich nämlich bei der Kündigungsschutzklage gem. § 4 KSchG um keine Feststellungsklage, sondern um eine Gestaltungsabwehrklage (so zu Recht Dietz-Richardi, Betriebsverfassungsgesetz. Bd. 2 6. Aufl. 1902 § 102 RdN. 260 ff; Bötticher, Betriebsberater 1981, S. 1954 ff; derselbe, "Besinnung auf das Gestaltungsrecht und das Gestaltungsklagerecht", Festschrift für Dölle, Bd. 1 S. 63 ff; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, 1966, S. 64 ff.; Rosenberg-Schwab. Zivilprozeßrecht. 12. Aufl. 1977, § 95 III 3; anderer Auffassung Colneric, Arbeit und Recht 1984, S. 105 ff.; Coen, Der Betrieb 1984, S. 2459 2460; unklar Heinze Der Betrieb 1985, S. 111 ff., 120 ff.). Bei einem Gestaltungsurteil tritt indes die Gestaltungswirkung erst mit der formellen Rechtskraft (Unanfechtbarkeit, § 705 ZPO) des Urteils ein (Rosenberg-Schwab a.a.O. III 1; Stein-Jonas-Schumann-Leipold, ZPO, 19. Aufl. vor § 253 II 3 f.; insoweit zutreffend auch BAG AP Nr. 9 zu § 78 a BetrVG 1972 sub II 4 der Gründe). Eine Bestimmung, die dem rechtskräftigen Urteil Rückwirkung auf einen bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit beimißt (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 12. Aufl. vor § 253 II 3), besteht nicht. Da somit die Rechtsunwirksamkeit der arbeitgeberseitigen Kündigung und damit der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses überhaupt nur vom Arbeitnehmer durch Klage und erst ab Rechtskraft des Urteils geltend gemacht werden können, können Leistungen, die von der Unwirksamkeit der Kündigung abhängen, auch erst ab diesem Zeitpunkt verlangt werden, § 271 Abs. 1 BGB (vgl. bereits Larenz SAE 1960, S. 80, 81).b)
Soweit die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts teilweise ohne (vgl. z.B. AP Nr. 43 zu § 4 Tarifvertragsgesetz Ausschlußfristen), teilweise mit ausgesprochen knapper Begründung (vgl. beispielsweise AP Nr. 23 zu § 615 BGB: AP Nr. 31 zu § 4 Tarifvertragsgesetz Ausschlußfristen) davon ausgegangen ist, daß die Rechtskraft eines die Kündigung für rechtsunwirksam erklärenden Urteils keine "Voraussetzung" für den Lohnanspruch sei, vermag die Kammer dem nicht mehr zu folgen. Die lediglich angedeutete Begründung - keine konstitutive Wirkung des Urteils im Kündigungsschutzprozeß, lediglich deklaratorische Wiedergabe der objektiv bestehenden Rechtslage - trägt diese Auffassung Jedenfalls nicht. Denn dabei wird übersehen, daß die vom Arbeitnehmer mit der Kündigungsschutzklage angefochtene Kündigung des Arbeitgebers bereits unmittelbar rechtsgestaltende Wirkung entfaltet hat, die von Gesetzes wegen nur im Wege eines der Klage stattgebenden Urteils wiederum rechtsgestaltend beseitigt werden kann.2.a)
"Die Verurteilungs- und Feststellungsklagen machen eine bereits außerhalb des Prozesses eingetretene Rechtsfolge geltend; die Verurteilungs- und Feststellungsurteile stellen sie rechtskraftfähig fest und sprechen aus, was ist, sind also deklarativ. Die Gestaltungsklagen und -urteile wollen dagegen eine Wirkung, die bisher nicht eingetreten oder nicht beachtlich war, erst herbeiführen oder beachtlich machen, wollen also eine Rechtsfolge schaffen, die bisher nicht vorhanden war und ohne das Urteil nicht vorhanden sein würde ..." (so Rosenberg-Schwab a.a.O. § 95 I 1). Colneric (a.a.O. S. 107 ff) ist daher durchaus noch darin zuzustimmen, daß sich das Gestaltungsurteil von den beiden anderen Urteilsarten konstruktiv dadurch unterscheidet, daß es an die Stelle einer gegebenen Rechtslage eine neue Rechtslage setzt, also eine Rechtsänderung ausspricht (vgl. auch Stein-Jonas-Schumann-Leipold a.a.O. vor § 253 II 3 c). Dabei kommt es für die rechtliche Qualifikation einer Klage als Gestaltungsklage nicht entscheidend darauf an, ob der Wortlaut der einschlägigen Vorschrift mißverständlich von "Feststellen" spricht (Stein-Jonas-Schumann-Leipold a.a.O.). Auch bei der Klage auf Feststellung der Nichtehelichkeit eines Kindes gem. §§ 1593 ff BGB, 640 Abs. 2 Nr. 2 ZPO handelt es sich nach allgemeiner Auffassung um keine Feststellungs-, sondern um eine Gestaltungsklage (vgl. Thomas-Putzo a.a.O. § 640 Anm. 1 b). Die unmittelbar rechtsändernde Wirkung des Kündigungsschutzurteils besteht darin, daß es - und nur es - die bereits unmittelbar eingetretene rechtsgestaltende Wirkung der arbeitgeberseitig ausgesprochenen Kündigung wieder aufhebt und dadurch den endgültigen Eintritt der Fiktionswirkung des § 7 KSchG verhindert (hierzu neuerdings Tschöpe, Der Betrieb 1984 S. 1522).b)
Bei der Kündigung als einer einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärung, durch die das Arbeitsverhältnis nach dem Willen des Kündigenden für die Zukunft sofort oder nach Ablauf der Kündigungsfrist unmittelbar beendet wird (Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Aufl., Rdziff. 1 ff), handelt es sich um ein Gestaltungsrecht, das auf die Aufhebung dieses Dauerschuldverhältnisses für die Zukunft gerichtet ist (vgl. Larenz, Allgemeiner Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, 6. Aufl. 1983, § 13 II 7 S. 209). Dabei führt die Kündigung die Beendigung mit unmittelbarer Wirkung herbei, ohne daß es eines zusätzlichen Aktes bedürfte (KR-M. Wolf, 2. Aufl., Grundsätze RdN 99). Auch bei diesem Rechtsgeschäft handelt es sich um ein Mittel zur Verwirklichung von Privatautonomie, da es auf die willentliche Selbstgestaltung von Rechtsverhältnissen zielt. Wenngleich das Kündigungsschutzgesetz in der Fassung vom 25. August 1969 (Bundesgesetzblatt I S. 1317, mit späteren Änderungen) jedenfalls weitgehend auf der Grundlage eines "Prinzip des berechtigten Kündigungsinteresses" (so KR-M. Wolf a.a.O. RdN 35 ff) verstanden werden kann, ändert dies nichts daran, daß nach geltendem Recht der Arbeitgeber zum Zwecke der Entlassung gerade nicht gehalten ist, eine Auflösungsklage zu erheben und die Kündigung eines Arbeitnehmers nur aufgrund eines daraufhin ergehenden Gestaltungsurteils zu erreichen. Vielmehr kann er nach wie vor die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses durch den einseitigen Gestaltungsakt der Kündigung allein erzielen. Auch das Bundesarbeitsgericht, das dem die Unwirksamkeit der Kündigung aussprechenden Urteil mal jede rechsgestaltende Wirkung abspricht (vgl. beispielsweise die Entscheidung des 5. Senats vom 4. Mai 1977 - AP Nr. 60 zu § 4 Tarifvertragsgesetz Ausschlußfristen), mal einräumt, die Kündigungsschutzklage enthalte "ein gestaltendes Element" (vgl. hierzu die Entscheidung ebenfalls des 5. Senats vom 29. November 1978 - AP Nr. 7 zu § 6 Lohnfortzahlungsgesetz = Der Betrieb 1979, S. 796 [BAG 29.11.1978 - 5 AZR 457/77]), geht offenbar im Ergebnis doch von einer solchen unmittelbar rechtsgestaltenden Wirkung der Kündigungserklärung des Arbeitgebers aus. In der Entscheidung des 2. Senats vom 19. August 1982 (AP Nr. 9 zu § 9 KSchC 1969 = Der Betrieb 1983, S. 653 = NJW 1983, S. 1628 [BAG 19.08.1982 - 2 AZR 230/80] heißt es nämlich (sub. II 2 a und c der Grunde): "Eine Kündigung wird als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung mit Zugang an den Gekündigten wirksam, es sei denn, dem Empfänger geht vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zu (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB); sie kann daher vom Kündigenden nicht mehr einseitig zurückgenommen werden ... Erst in der, zumeist nur durch die Kündigungsschutzklage ausgelösten "Rücknahme" der Kündigung, liegt das Vertrsgsangebot des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht als beendet anzusehen, also unter Beseitigung der Kündigungswirkungen das Arbeitsverhältnis unverändert fortzusetzen." Hieraus ergibt sich zweierlei: a) Die Kündigungserklärung des Arbeitgebers hat unbeschadet des Vorliegens oder Fehlens ihrer sozialen Rechtfertigung unmittelbar eintretende Rechtswirkungen b) die - somit unter erneuter Änderung der nach der Kündigung infolge ihrer Wirkungen bereits geänderten Rechtslage - nur durch ein weiteres, zweiseitiges Rechtsgeschäft wieder beseitigt werden können. Bereits im Urteil vom 21. Februar 1957 (AP Nr. 22 zu § 1 KSchG hat ebenfalls der 2. Senat entsprechend ausgeführt: "Da durch die Kündigung die Gestaltungswirkung unmittelbar herbeigeführt wird, kann die einmal erfolgte Kündigung grundsätzlich - jedenfalls solange eine Kündigungsschutzklage nicht erhoben ist - nicht einseitig von dem Kündigenden zurückgenommen werden. In der Vereinbarung der Rücknahme einer Kündigung mit Zustimmung des Gekündigten ist vielmehr die Neubegründung eines Vertrages im Rahmen der Vertragsfreiheit mit dem selben Inhalt zu erblicken, den das alte Rechtsverhältnis gehabt hätte, wenn es ohne die erfolgte Kündigung fortgesetzt worden wäre."c)
Die unmittelbar rechtsgestaltende Wirkung einer Kündigungserklärung zeigt sich auch dann, wenn sie lediglich irrtümlich oder unter Drohung oder infolge einer arglistigen Täuschung abgegeben worden ist.Auch eine solche "fehlerhafte", wie die §§ 119, 123 BGB zeigen, Willenserklärung ist nicht eo ipso rechtlich unbeachtlich. Vielmehr bedarf es zu ihrer Beseitigung eines weiteren einseitigen Rechtsgeschäfts, nämlich der Ausübung des Gestaltungsrechts der Anfechtung. Gleiches gilt, wenn beispielsweise ein Arbeitnehmer eine eigene außerordentliche Kündigung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB ausspricht. Auch in einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer die eingetretene rechtsgestaltende Wirkung - Beendigung des Arbeitsverhältnisses - nicht wieder ohne weiteres beseitigen. Auch hier bedarf es eines neuen zweiseitigen, auf die Neubegründung des beendeten Arbeitsverhältnisses gerichteten Rechtsgeschäfts, was bedeutet, daß der Arbeitgeber, der mit der - rechtswidrigen - Kündigung des Arbeitnehmers einverstanden ist, diesen an der Kündigung festhalten kann.
d)
Die unmittelbar rechtsgestaltende Wirkung der arbeitgeberseitigen Kündigungserklärung, deren Wirksamkeit mit der Kündigungsschutzklage gem. § 4 KSchG angegriffen wird, wird offenbar nicht bezweifelt, wenn in die zweiseitigen schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein Dritter tritt, sei es ein Gläubiger, der den Lohn oder Gehaltsanspruch gepfändet hat, sei es im Falle einer Abtretung von Vergütungsansprüchen der Zessionar. Wenn die herrschende Meinung (vgl. Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 4 KSchG RdN 18 m.w.N.; im übrigen auch noch Dietz-Richardi a.a.O. RdN 260) davon ausgeht, daß die Lohnzahlungsklage eines Pfändungsgläubigers oder Zessionars mit der Behauptung, die Kündigung sei sozialwidrig, als z.Zt. unbegründet abgewiesen werden müsse, bevor das Gericht auf Klage des Arbeitnehmers die Fortdauer des Arbeitsverhältnisses - rechtskräftig - "festgestellt" habe, so läßt sich diese Auffassung auch nur mit der Annahme einer unmittelbar rechtsgestaltenden Wirkung der arbeitgeberseitigen Kündigung unbeschadet ihrer Sozialwidrigkeit oder sozialen Rechtfertigung halten (vgl. auch hierzu Bötticher, Betriebsberater 1981, S. 1954, 1956 rechte Spalte).e)
Nur am Rande sei im übrigen bemerkt, daß hinsichtlich der Wahlberechtigung eines gekündigten Arbeitnehmers zum Betriebsrat die herrschende Meinung bis zur Rechtskraft des Urteils über die Unwirksamkeit der Kündigung ebenfalls zunächst einmal von ihrer Wirksamkeit ausgeht (vgl. Dietz-Richardi a.a.O. Bd. 1 6. Aufl. 1981, § 7 RdN 9).3. a)
Nach der gesetzlichen Regelung in § 4 KSchG setzt die Beseitigung dieser zunächst einmal aufgrund eines einseitigen privatrechtlichen Rechtsgeschäfts eingetretenen Rechtswirkungen hinsichtlich der Aufhebung eines Dauerschuldverhältnisses Kündigungsschutzklage und -urteil voraus, wobei bereits der Klagerhebung die Bedeutung zukommt, den Eintritt der bereits genannten Fiktionswirkung des § 7 KSchG vorläufig zu verhindern. Die mit der Sozialwidrigkeit oder dem Fehlen des wichtigen Grundes begründete Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung kann vom Arbeitnehmer gem. §§ 4, 13 KSchG nur im Wege der Kündigungsschutsklage geltend gemacht werden, kein Dritter kann sich auf die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung berufen, sofern sie nicht zwischen den Arbeitsvertragsparteien rechtskräftig "festgestellt" ist. Die für ein Gestaltungsurteil notwendige Veränderung der materiellen Rechtslage, die ohne das Urteil nicht vorhanden sein würde, besteht nun eben gerade darin, daß das Kündigungsschutzurteil die Rechtswirkungen des Gestaltungsakts der Kündigung wieder beseitigt. Wenn mitunter die Auflassung vertreten wird (KR-Friedrich 2. Aufl. § 4 KSchG RdN 17), es gehe um die Feststellung der Rechtslage, die im Zeitpunkt des Zusehens der Kündigung bestanden hat, so geht, dies an der Sache vorbei. Es geht nicht um die Feststellung dieser Rechtslage, sondern um ihre Wiederherstellung, was eben nur durch den wiederum rechtsgestaltenden Akt der Beseitigung der Gestaltungswirkung der Kündigungserklärung möglich ist.b)
Die noch herrschende Meinung über die vermeintliche Feststellungsklage des § 4 KSchG widerspricht sich im übrigen selbst, wenn sie hinsichtlich des Streitgegenstandes des Kündigungsschutzprozesses alsdann annimmt, daß Streitgegenstand nur die Wirksamkeit einer bestimmten Kündigung sei und nicht, wie eine Mindermeinung annimmt, der Bestand des Arbeitsverhältnisses z.Zt. der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. zu beiden Meinungen die Nachweise bei KR-Friedrich a.a.O. RdN 225 ff). Wenn es denn, wie § 4 KSchG formuliert, sich darum handelt, ob "das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung" aufgelöst ist oder nicht, so geht es eben nicht um das Problem der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Arbeitsverhältnisses, sondern um die Beseitigung der rechtsgestaltenden Wirkung einer Kündigung, die den Anforderungen des Gesetzes an die soziale Rechtfertigung einer solchen personellen Maßnahme nicht standhält.In diesem Zusammenhang erscheint es auch bemerkenswert, daß §§ 12 Abs. 7 G. 1, 61 a Abs. 1, 64 Abs. 8 ArbGG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. April 1979 Bundesgesetzblatt I S. 853), mit späteren Änderungen neben Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses ausdrücklich Rechtsstreitigkeiten über die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses stellen, anders als beispielsweise § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG, das lit. a. Rechtsstreitigkeiten "aus dem Arbeitsverhältnis" und in lit. b Rechtsstreitigkeiten "über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses" erwähnt. Nach dem Willen des Gesetzgebers stellen offenbar Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses "(z.B. wenn streitig ist, ob zwischen den Parteien ein rechtsverbindlicher Arbeitsvertrag zustande gekommen ist oder ob ein zunächst abgeschlossener Vertrag wegen Gesetz- oder Sittenwidrigkeit bzw. infolge Anfechtung wegen Irrtums, arglistiger Täuschung oder Drohung als von vornherein nichtig anzusehen ist)" (so bereits Grüll, ArbGG, 1953, S. 71 ff), bei denen es sich um Feststellungsklagen gem. § 256 ZPO handelt, etwas anderes dar, als Rechtsstreitigkeiten über die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses. Daher ist es auch unrichtig, wenn Rohlfing-Rewolle-Bader (ArbGG, Stand 8. Ergänzung Oktober 1983, § 2 ArbGG Anm. 8 b) Kündigungsschutzprozesse § 2 Abs. 1 Hr. 3 lit. b ArbGG zuordnen. Vielmehr handelt es sich bei Kündigungsschutzprozessen um Rechtsstreitigkeiten "aus dem Arbeitsverhältnis" im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a. ArbGG (vgl. schon früher Dietz-Nikisch, ArbGG, 1954, § 2 RdN 114 S. 76; Grüll a.a.O. S. 71). In gleicher Weise hat schließlich auch das Bundesarbeitsgericht (AP Nr. 2 zu § 111 ArbGG 1953) den Streit um die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses als Streitigkeit "aus einem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis" im Sinne von § 111 Abs. 2 ArbGG angesehen.
c)
Abgesehen von Überlegungen, die sich nach der geltenden, rechtspolitisch möglicherweise unbefriedigenden Rechtslage aus §§ 11, 12 KSchG (vgl. hierzu wiederum Bötticher, Betriebsberater 1981, S. 1954, 1958 rechte Spalte; Heinze a.a.O. S. 120; BAG AP Nr. 5 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht; sub. III 5 a, 7 der Gründe und weiter Hueck, Anm. zu AP Nr. 7 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht Bl. 928 Rs) herleiten lassen, bestätigt auch ein Blick auf die Regelung in § 102 Abs. 5 BetrVG 1972 die rechtsgestaltende Funktion des Kündigungsschutzurteils. Bereits Otto (Recht der Arbeit 1975 S. 68, 69 ff) hat zu Recht bemerkt, daß diese Vorschrift dem Arbeitnehmer das Recht verleihe, "die Weiterbeschäftigung zu verlangen und damit einseitig - also durch Gestaltungsakt - das Arbeitsverhältnis vorläufig aufrecht zu erhalten ...". Genauso, wie damit das Betriebsverfassungsrecht dem Arbeitnehmer ein durch Rechtsgeschäft auszuübendes Gestaltungsrecht einräumt (Otto a.a.O. in Fußnote 16), genauso räumt § 4 KGchG dem Arbeitnehmer das Recht auf Erhebung einer Gestaltungsabwehrklage ein. Immer aber geht es eben um die - vorläufige bzw. endgültige - Beseitigung der unmittelbar durch die Kündigungserklärung herbeigeführten Rechtswirkungen und damit um eine Änderung der Rechtslage. Den Rechtswirkungen einer Kündigungserklärung wird jedenfalls ein Satz wie "ob die Kündigung, wie der Arbeitnehmer behauptet, unwirksam ist oder nicht, steht objektiv fest "(BAG AP Nr. 31 zu § 4 Tarifvertragsgesetz Ausschlußfristen)" nicht gerecht.
b)
Das Gericht hält an dieser Auffassung fest (anderer Meinung im übrigen auch Herschel/Löwisch. Kommentar zum KSchG. 6. Aufl., § 4 Rdnr. 2). Dabei stützt sich das Berufungsgericht weiter auf das Urteil des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 20, 8, 1980 (AP Nr. 14 zu § 6 LohnfG sub III. 2. c) der Gründe), wo es unter anderem heißt:
"Die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes weisen aus, daß allein das Verhalten der Parteien des Arbeitsverhältnisses im Kündigungsschutzprozeß insbesondere das Verhalten des Arbeitnehmers, zur materiell-rechtlich, auch Dritten gegenüber wirkende Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen kann, auch wenn die ausgesprochene Kündigung unwirksam war. Ist eine ordentliche Kündigung sozial nicht gerechtfertigt oder fehlt es für eine fristlose Kündigung an einem wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB, so gilt nach § 7 KSchG 1969 - ggf. i. Verb. mit § 1 Abs. 1 Satz 2 KSchG 1969 - die ausgesprochene Kündigung gleichwohl als von Anfang an wirksam, wenn der Arbeitnehmer nicht innerhalb von 3 Wochen Klage er hebt. Gleiches gilt, wenn er eine zunächst erhoben Klage wieder zurücknimmt. Die Unwirksamkeit der Kündigung kann dann auch von einem Dritten, etwa vor einem Lohnpfändungsgläubiger, nicht mehr geltend gemacht werden."
"Rechtsunwirksamkeit" der Kündigung ist nicht mit Nichtigkeit gleichzusetzen. Sie entspricht vielmehr der verwaltungsverfahrensrechtlichen Kategorie der Anfechtbarkeit, was eben bedeutet, daß die unmittelbar eintretende Rechtswirkung einer Kündigung lediglich abhängig ist vom Vorliegen des Tatbestand einer Kündigungserklärung, nicht davon, ob diese Kündigung auch sozial gerechtfertigt bzw. von einem wichtigen Grund getragen ist. Hierfür spricht im übrige auch der insgesamt ungenaue Wortlaut des Gesetzes, auf den jüngst Bettermann(ZfA 1985, 5, 7) zu Recht hingewiesen hat. Das Fehlen einer sozialen Rechtfertigung bzw. eines wichtigen Grundes führt alsdann lediglich dazu, daß der Arbeitnehmer über die Klage des § 4 KSchG die Möglichkeit hat, diese eingetretene rechtsgestaltender Wirkung - Beendigung des Arbeitsverhältnisses - rückwirkend wieder zu beseitigen. Damit kommt aber dies Kündigungsschutzklage die Qualität einer Gestaltungsabwehrklage zu, weil erst das Kündigungsschutzurteil eine Rechtsfolge schafft, die ohne dieses Urteil nicht vorhanden sein würde.
c)
Die Meinung des Großen Senates in seinem Beschluß vom 27.02.1985 (sub C II. 1. b)) unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, daß das Kündigungsschutzgesetz die Kündigungsschutzklage als Feststellungs- und nicht als Gestaltungsklage ausgestaltet habe, läßt eine eigenständige Begründung und eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vermissen, in denen das Bundesarbeitsgericht selbst von einer unmittelbar rechtsgestaltenden Wirkung der Kündigungserklärung ausgegangen ist. Insoweit stellt der Beschluß lediglich einen Beitrag zu einer "empirischen Justiz", nach den Kategorien von Hartwieg/Hesse (Die Entscheidung im Zivilprozeß. Königstein 1981, S. 40) im Gegensatz zu einer "rationalen Rechtsfindung", dar.
2.
Dem Beschluß des Großen Senats vom 27.02.1985 kann aber auch deshalb nicht gefolgt werden, weil er entgegen der eigenen Bekundung des Senats eine richterliche Rechtsfortbildung darstellt und diese gegen die sich vor allem aus Art. 20 Abs. 3 GG ergebenden Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung verstößt. Das Gericht sieht wegen des Gewichts dieser Verletzung tragender Rechtsgrundsätze keine Möglichkeit, sich aus Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität der Auffassung des Großen Senats anzuschließen.
a)
Der Große Senat hat (sub C. II. 2. b) der Gründe) ... in Abrede genommen, daß "die grundsätzliche Anerkennung des allgemeinen arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruchs auch für die Dauer eines über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geführten Rechtsstreits"überhaupt eine neue und weitere Rechtsfortbildung gegenüber der bisherigen Rechtsprechung darstelle. Dem kann nicht gefolgt werden, unabhängig davon, ob die Beschäftigung des Arbeitsnehmers während des Kündigungsschutzprozesses (bei späterer rechtskräftiger "Feststellung"der Wirksamkeit der Kündigung zur Begründung eines tatsächlichen, aber gleichwohl nicht faktischen Arbeitsverhältnisses im üblichen Sinne das aber auch nicht nach Bereicherungsrecht rückabwickelbar ist (vgl. den Beschluß des Großen Senats sub C. II. 3. b)), führt, ob man von einem gegenüber dem auf dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrag beruhenden Arbeitsverhältnis modifizierten kündigungsschutzrechtlichen Arbeitsverhältnis (vgl. Dänzer-Vanotti a.a.O.) oder gar einem richterrechtlich diktierten Beschäftigungsverhältnis (Färber/Kappes a.a.O.) ausgeht. Jedenfalls handelt es sich offensichtlich im Falle der Wirksamkeit der ursprünglichen ausgesprochenen Kündigung bei der aufgrund einer nicht rechtskräftigen arbeitsgerichtlichen Entscheidung begründeten Rechtsbeziehung gerade, "weil die einmal erfolgte Beschäftigung Fakten geschaffen hat die nicht wieder rückgängig gemacht werden können" (so Beschluß des Großen Senats unter C. II. 1. b)) nicht einfach um "die Anwendung der allgemeinen Regelungen über die Vollstreckung nicht rechtskräftiger Entscheidungen" (so aber Hanau ZIP 1906, 3). Vielmehr wird per se die nicht rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über die Unwirksamkeit einer Kündigung zu einem für die Frage der Interessenabwägung entscheidenden materiellen und damit anspruchsbegründenden Gesichtspunkt, was um so erstaunlicher ist, als diese Entscheidung nach dem Beschluß des Großen Senats doch nur feststellenden, deklaratorischen Charakter haben soll. Der Große Senat spricht denn auch selbst davon (sub C. II. 2. a) der Gründe), daß "das Anhängigwerden eines Rechtsstreits materiell-rechtliche Auswirkungen" haben können, wenn sich infolge der dadurch hervorgerufenen Ungewißheit und Unsicherheit die Interessenlage verschiebe. Abgesehen davon, daß eine solche Aussage die vom Großen Senat nicht vorgenommene rechtstatsächliche Einschätzung der zu vermutenden Richtigkeit einer der Kündigungsschutzklage stattgebenden arbeitsgerichtlichen Entscheidung voraussetzt (vgl. hierzu allerdings Falke/Höland/Rhode/Zimmermann, Kündigungspraxis und Kündigungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II. S. 786), ergibt sich hieraus gerade, daß es entgegen der Auffassung des Großen Senats nicht einfach um die Übertragung des Beschäftigungsanspruches im unangefochten bestehenden Arbeitsverhältnis als Weiterbeschäftigungsanspruch im streitigen Arbeitsverhältnis auf die Zeitspanne des Kündigungsschutzprozesses geht. Vielmehr ist zwischen dem allgemeinen Beschäftigungsanspruch und dem vom Großen Senat bejahten Weiterbeschäftigungsanspruch der unter Umständen gerade kein wirksames Arbeitsverhältnis voraussetzt, zu unterscheiden (vgl. bereits Mayer-Maly BB 1984, 1751 ff.). Die Entscheidung des Großen Senats führt damit über die bestehende materiell-rechtliche Rechtslage hinaus. Sie weist der nicht rechtskräftigen und später eventuell abgeänderten Entscheidung eines Gerichts für Arbeitssachen eine Wirkung zu, die sich aus der bisherigen Rechtslage nicht ergibt. Die dadurch dem Gericht zukommende Kompetenz ist vergleichbar derjenigen aus der gesetzlichen Norm des § 721 ZPO für Räumungsprozesse (vgl. auch den Gesetzesvorschlag eines § 62 Abs. 3 ArbGG von Wlotzke/Lorenz AuR 1980, 1, 10). Der Beschluß schafft zugleich ein prozeßrechtliches Novum insoweit, als nunmehr ein Anspruch, der bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung unbegründet geblieben ist, erst im danach liegenden Zeitpunkt der Entscheidungsverkündung über ein anderes Klagbegehren begründet wird, dadurch nämlich, daß der Große Senat es für das Stattgeben der Beschäftigungsklage genügen läßt, daß das Gericht für Arbeitssachen gleichzeitig feststellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist.
b)
Eine gesetzesübersteigende richterliche Rechtsfortbildung ist im Hinblick auf die Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht gem. Art. 20 Abs. 3 GG sowie das der Verfassung zugrunde liegende Gewaltenteilungsprinzip nur unter engen Voraussetzungen möglich (vgl. hierzu: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft. 5. Aufl. 1983, §. 410 ff.; Kissel NJW 1982, 1777, 1780; Jasper MDR 1984, 279 [BGH 10.10.1983 - 4 StR 405/83]; Hanau BlStSozArbR 1985, 17 Heussner, Festschrift für Hilger/Stumpf, München 1983, 317 ff.; Zilius Das Arbeitsrecht der Gegenwart. Bd. 22 Berlin 1985, S. 63, 68 ff.; neuerdings Wagner BB 1986, 465). Die engen Grenzen einer im Grundsatz unbestrittenen Kompetenz zu "schöpferischer Rechtsfindung" sind auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht stets betont worden (vgl. Beschluß vom 14. Februar 1973 - "Soraya" - Fall - E 34, 269, 286 ff.; Beschluß vom 19.10.1983 - Sozialplanabfindung - DB 1984, 189; vgl. auch BAG Teilurteil vom 29.03.1984 DB 1984, 1990 Voraussetzungen rechtsfortbildenden Richterrechts sind dabei zum einen eine Gesetzeslücke, eine "planwidrige Unvollständigkeit" (BAG GS E 13, 1, 14; AP Nr. 54 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; Engisch. Einführung in das juristische Denken. 7. Aufl. 1977, S. 140; Larenz a.a.O. S. 361). Zum anderen muß es sich um eine Frage handeln, die de lege lata nicht in einer Weise gelöst werden kann, "die den Mindestanforderungen genügt, die sich aus einem unabweisbaren Bedürfnis des Rechtsverkehrs, der Forderung nach Praktikabilität der Rechtsnormen, der Natur der Sache und den der gesamten Rechtsordnung zugrunde liegenden rechtsethischen Prinzipien ergeben." (Larenz a.a.O. 410). Schließlich bedarf es auch eines die Rechtsfortbildung tragenden allgemeinen Grundkonsenses. Diese Voraussetzungen lasse sich nicht bejahen.
aa)
Eine Rechtslücke liegt nicht vor (vgl. Gamillscheg Anm. EzA 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9 unter 4.; Schwerdtner ZIP 1985, 1364; Bengelsdorf DB 1986, 174 f. Hanau BlStSozArbR 1985, 19; Wagner a.a.O. S. 472 f.; Barton NZA 1985, 77; LAG Köln BB 1982, 2092). Der Annahme einer "planwidrigen Unvollständigkeit" stehen die gesetzlichen Regelungen der §§ 102 Abs. 5 BetrVG 1972, 79 Abs. 2 BPersVG, aber auch die Ablehnung eines Entschließungsantrages der Länder Hamburg und Hessen hinsichtlich der Ausdehnung eines allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches durch die Mehrheit des Bundesrates in dessen Sitzung am 10. Oktober 1983 und damit von Organen der Gesetzgebung geschaffene arbeitsrechtliche Wertungen entgegen (vgl. Hanau a.a.O.).
Zwar folgt das Berufungsgericht dem Großen Senat darin, daß - unter der allerdings nicht ausdrücklich kenntlich gemachten Aufgabe der Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte (vgl. hierzu bereits BAG Urteil vom 20.12.1984 BB 1985, 1853 = NZA 1986, 21; Reuter BB 1986, 385) - gem. §§ 611, 242 BGB unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen des Grundgesetzes von einem Anspruch des Arbeitnehmers auf tatsächliche Beschäftigung innerhalb des unangefochten bestehenden Arbeitsverhältnisses auszugehen ist (andere Auffassung Heinze DB 1985, 111, 117; ArbG Düsseldorf NJW 1985, 2975 [ArbG Düsseldorf 08.07.1985 - 9 Ga 40/85]). Freilich folgt dieser wohl weniger aus den Wertentscheidungen der Art. 1 (Menschenwürde) sowie 2 (Persönlichkeitsrecht) des Grundgesetzes. Gamillscheg bemerkt zutreffend (Anm. EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9): "Daß jeder gekündigte Arbeitnehmer mit seinem Job die Achtung seiner Mitmenschen und seine Selbstachtung verliert, sofern er in seiner Fabrik; beim Straßenbau oder auf dem Fischmarkt nicht weiterbeschäftigt wird, ist gelinde gesagt eine Übertreibung. Bibliotheken wurden vollgeschrieben, in denen die abhängige Arbeit als Quelle der Entfremdung und Verformung der Persönlichkeit angeprangert wird." (vgl. z.B.* Funke/Geißler/Thoma, Industriearbeit und Gesundheitsverschleiß. Frankfurt/Köln 1974).
Nach Auffassung des Gerichts ist vielmehr auf die verfassungsrechtliche Wertentscheidung des Art. 12 GG (Berufsfreiheit) abzustellen. Dabei kommt es allerdings nicht so sehr darauf an, ob in historischer Sicht Arbeit als "Mühe und Plage, Beschwerde und Lustverzicht" (Meyers Enzyklopädisches Lexikon Bd. 2, 9. Aufl. 1973, S. 486) ethisch stets geadelt worden ist oder nicht. Jedenfalls ist unter den sozioökonomischen Bedingungen einer nachindustriellen Gesellschaft (dazu Bell, Die nachindustrielle Gesellschaft, Hamburg 1979) davon auszugehen, daß abhängige, fremdbestimmte Erwerbsarbeit immer noch strukturprägend ist, daß eine solche Gesellschaft nach wie vor eine Arbeitsgesellschaft ist, bei der materielle und inmaterielle Möglichkeiten, Einschätzungen und Wertschätzungen der Menschen weitgehend auf der Teilhabe am Arbeitsprozeß beruhen (vgl. hierzu u.a.:* Eggebrecht, Flemming u.a. Geschichte der Arbeit, Köln 1980; Herbert Marcuse, Kultur und Gesellschaft. Frankfurt 1965; Jahoda/Lazarsfeld/Zelsel, Die Arbeitslosen von Mariental (1933). Bonn 1960; Ali Wacker. Arbeitslosigkeit, soziale und physische Voraussetzungen und Folgen, Frankfurt 1977; Morgenroth, Zwischen Anpassung und Selbstzerstörung, Dissertation Hannover 1981). Zwar ist unter der zunehmenden Beeinflussung durch moderne Kommunikations- und Informationstechnologien nicht zu verkennen, daß sich der Gestaltungsspielraum von Arbeit und Arbeitsorganisation zunehmend verändert. Insoweit lassen sich zwei Grundtendenzen der Zukunft von Arbeit umschreiben. Die eine Tendenz, die oftmals mit Begriffen wie "neue Produktionskonzepte". "Gruppentechnologie" oder "Reprofessionalisierung von ausführender Arbeit" bezeichnet wird, läuft auf eine nachhaltige Reduzierung von funktionaler, fachlicher und hierarchischer Arbeitsteilung hinaus. Sie würde einen starken Abbau des alten Gegensatzes zwischen geistiger und körperlicher Arbeit, zwischen den Aufgaben von Konzipierung und Planung einerseits. Ausführung andererseits bedeuten. Eine andere Tendenz, die sich etwas polemisch mit dem Begriff des "rechnergestützten Neo-Taylorismus" charakterisieren läßt, benutzt die Gestaltungspotentiale moderner Informations- und Steuerungssysteme eher dazu, um die in der Vergangenheit an vielen Stellen zu beobachtende Polarisierung der Beschäftigten weiter zu vertiefen und zu verfestigen: in qualifizierte und unqualifizierte Arbeitnehmer, in solche, die über die neuen rechnergestützten Systeme verfügen, und solche, über die mit Hilfe dieser Systeme verfügt wird, in diejenigen, von denen Kreativität, Initiative und Problemlösungsfähigkeit erwartet wird, und diejenigen, deren Rolle durch voll algorithmisierte Bedienerführung denen angenähert wird, die völlig routinemäßig ablaufende, inhaltsleer gewordene Arbeitsvorgänge abzuwickeln haben. In jedem Falle aber prägt die Lebenssituation in der Arbeit nachhaltig und entscheider die Stellung des Einzelnen in der Gesellschaft. Vor diesem rechtsstaatsächlichen Hintergrund ist es arbeitsrechtlich relevant, daß der dynamische Berufsbegriff des Artikels 12 Grundgesetz (vgl. hierzu Gagel. AFG, § 1 Rdnrn. 32 ff.; Hesse. Der Einzelne und sein Beruf: Die Auslegung des Artikels 12 Abs. 1 Grundgesetz durch das Bundesverfassungsgericht aus soziologischer Sicht AöR Dd. 95, 449 ff.; derselbe. Die Einbeziehung der Soziologie in die juristische Dogmatik am Beispiel der Auslegung von Artikel 12 Grundgesetz, DVBl 1976, 657; Badura, Arbeit als Beruf (Art. 12 Abs. 1 GG), Festschrift für Wilhelm Herschel, München 1902, 21 ff.) nicht nur Chancen zur Selbstverwirklichung, zur Persönlichkeitsentwicklung, sondern, weil eben Art und Bedingungen der Arbeit existentiell die gesamte Lebensgestaltung bestimmen, auch Erwerbchancen, Lebensführungschancen, Arbeitskraftverwertungschancen verfassungsrechtlich absichert. Es geht damit um ein Konglomerat materieller und immaterieller Aspekte, sowohl um die materielle Sicherung des Lebensunterhaltes als auch um persönlichkeitsbezogene Handlungschancen, um die Aufrechterhaltung eines beruflichen Status, der Stellung und Ansehen in der Gesellschaft bestimmt.
Gleichwohl besteht für die Rechtsprechung bei aller Bedeutung dieser Gesichtspunkte derzeit keine Möglichkeit, den eingeschränkten Regelungsgehalt der §§ 102 Abs. 5 BetrVG 1972, 79 Abs. 2 BPersVG unter Außerachtlassung der gesetzlich bestimmten Voraussetzungen zu verallgemeinern. Gamillscheg hat überzeugend dargelegt (Anm. EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9), daß der gesetzliche Weiterbeschäftigungsanspruch aus den genannten Normen in individual-schützender Weise bezweckt den gekündigten Arbeitnehmer vor Nachteilen zu bewahren, die sich aus der, auch nur zeitweiligen, Ausgliederung aus dem Betrieb ergeben können, infolge von Umorganisation, Einstellung anderer Arbeitnehmer. Entfremdung von der Belegschaft usw. Daß die kollektiv-rechtlich angeordnete vorherige Anhörung des Betriebsrates vor einer Kündigung auch eine individual-rechtliche Bedeutung hat, ergibt sich schon daraus, daß nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG 1972 die Sanktion einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates auf der individualrechtlichen Ebene angesiedelt worden ist. Die Betonung des "kollektiv-rechtlichen Bereiches" im Beschluß des Großen Senats (sub C II. 1. a)) schließt deshalb bei richtiger Betrachtung die individual-rechtliche Bedeutung des gesetzlichen Weiterbeschäftigungsanspruches des § 102 Abs. 5 BetrVG 1972, die bislang auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht zugrunde lag (vgl. BAG DB 1973, 2534; DB 1905, 1190) nicht aus, zumal auch der Weiterbeschäftigungsanspruch aus dieser Bestimmung im Urteilsverfahren geltend zu machen ist (vgl. die Nachweise bei KR-Etzel, 2. Aufl. § 102 Rdnr. 222). Diesem Zweck einer sachgerechten Sicherung des Arbeitsplatzes für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses soll auch der nunmehr vom Großen Senat unter den genannten Voraussetzungen anerkannte allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch dienen, wie er seit dem Jahre 1974 vor dem Hintergrund einer sich anhaltend verschlimmernden Situation auf dem Arbeitsmarkt einerseits, einer ständig zunehmenden Dauer der Kündigungsschutzprozesse andererseits in Literatur und Judikatur erörtert worden ist (vgl. BAG EzA § 611 BGB, Beschäftigungspflicht Nr. 3). Die Überlegungen des Großen Senats sind daher nicht geeignet, den "Felsbrocken" oder auch "Wechselbalg" (so Gamillscheg Anm. EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 3, dort auch näheres zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift) des § 102 Abs. 5 BetrVG 1972 beiseite zu schieben. Der Gesetzgeber des § 102 Abs. 5 BetrVG 1972 wollte die Rechtstellung des gekündigten Arbeitnehmers verbessern. Gäbe es indes, auch unter den vom Großen Senat aufgestellten Voraussetzungen, einen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch, so würden gegenüber diesem auf das gleiche Ziel (anderer Auffassung möglicherweise LAG Köln NZA 1984, 300) gerichteten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch wegen der dann engeren Voraussetzungen der § 102 Abs. 5 BetrVG 1972 ins Leere gehen. Eine umfassendere Regelung ist aber vom Gesetzgeber erörtert und verworfen worden. Der Annahme einer "planwidrigen Unvollständigkeit" steht auch die bereits erwähnte Ablehnung eines Entschließungsantrages der Länder Hamburg und Hessen hinsichtlich eines allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches im Bundesrat am 7. Oktober 1983 entgegen (vgl. zur Relevanz einer solchen Ablehnung auch BAG AP Nr. 54 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, wo der Auffassung der Bundesregierung, gesetzliche Maßnahmen seien nicht notwendig, für die Frage richterlicher Rechtsfortbildung eine Bedeutung beigemessen wird). Die Auffassung der Bundesratsmehrheit ergibt sich aus den Ausführungen von Scholz, der unter anderem erklärt hat (BR-Protokoll, 527. Sitzung 07.10.1983, S. 366): "Der Entschließungsantrag von Hessen und Hamburg beschränkt sich leider nicht auf eine in diesem Sinne diskutable und ggf. plausible, sozial und ökonomisch ausgewogene Fortentwicklung unseres geltenden Arbeitsrechts. Hier wird vielmehr ... im Grunde auch das Prinzip von der gestaltenden Wirkung einer Kündigung und ihrer nur prozessualen Korrigierbarkeit aufgehoben. Denn was bedeutet ein materiell-rechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum Ende eines Kündigungsschutzprozesses in Wahrheit? Er bedeutet im Grunde, daß eine Kündigung von vornherein erst dann wirksam wird, wenn sie durch rechtskräftigen Gerichtsbescheid bestätigt worden ist." Eben dieses von der Mehrheit eines zur Gesetzgebung berufenen Verfassungsorgans abgelehntes Ziel verwirklicht indes der Beschluß des Großen Senats, heißt es doch dort selbst (sub C. II. 1.b)): "Es ist nicht zu verkennen, daß bei einer im Widerspruch zur objektiven Rechtslage erfolgten Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers ein später die Wirksamkeit der Kündigung ex tunc rechtskräftig feststellendes Urteil im praktischen Ergebnis dem Effekt eines ex nunc wirkenden Gestaltungsurteils hat, weil die einmal erfolgte Beschäftigung Fakten geschaffen hat, die nicht wieder rückgängig gemacht werden können."
bb)
Auch die weitere Voraussetzung richterlicher Rechtsfortbildung, nämlich ein unabweisbares Regelungsbedürfnis, ist nicht gegeben. Das geltende Recht bietet bereits ausreichende Möglichkeiten der Problembewältigung. Legitimen Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses kann de lege lata durch die bestehenden Vorschriften über den einstweiligen Rechtsschutz Rechnung getragen werden, ohne daß es überhaupt einer Rechtsfortbildung bedürfen würde. Die Sicherung des Arbeitsplatzes während des Kündigungsrechtsstreits ist richtigerweise angesichts der Ungewißheit über den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses ein Problem vernünftiger, sachgerechter Gestaltung vorübergehenden, einstweiligen Rechtsschutzes (so bereits Dietz/Richardi, BetrVG, Bd. 2, 6. Aufl. München 1982, § 102 Rdnr. 266 unter Hinweis auf Picker ZfA 1981, 472; LAG Niedersachsen Urteile vom 14.05.1982 - 14 Sa 55/82 - sowie vom 10.09.1982 - 3 Sa 65/82). Eine Lösung des Problems legitimer Beschäftigungsinteressen der Arbeitnehmer über die geltenden Regelungen einstweiligen Rechtsschutzes führt zudem dazu, daß entgegen der Lösung des Großen Senats in den hierfür geeigneten Fällen eine auch nur zeitweilige Ausgliederung des Arbeitnehmers aus dem Betrieb überhaupt unterbleibt. Die Wertungen im Beschluß des Großen Senats legen es in bedenklicher Weise nahe, für eine einstweilige Verfügung vor Erlaß eines arbeitsgerichtlichen Urteils im Kündigungsschutzprozeß selbst sehr strenge Voraussetzungen zu fordern (vgl. LAG Hamburg DB 1985, 2463; LAG Köln NZA 1986, 136 [LAG Köln 26.11.1985 - 1 Sa 975/85]).
Als Grundlage für eine einstweilige Verfügung in der Zeit z.B. bis zum erstinstanzlichen Urteil, ohne Ausgliederung aus dem Betrieb, kommt § 940 ZPO in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist eine einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern die betreffende Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Es kommt mithin nicht auf einen materiellrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch an, anders als bei der Sicherungsverfügung des § 935 ZPO, ein Unterschied, der in der Praxis häufig übersehen wird (vgl. auch Schäfer NZA 1985, 691, 694). Vielmehr genügt ein sogenanntes regelungsbedürftiges Rechtsverhältnis (Olderog NZA 1985, 753, 759; Dütz NZA 1986, 209, 213). Hierbei kann es sich auch um ein Arbeitsverhältnis handeln. Mit einer solchen Regelungsverfügung kann das Gericht im Rahmen der sich aus § 938 ZPO ergebenden Entscheidungsmöglichkeiten auch die tatsächliche Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers anordnen, wenn es diese zur Abwendung wesentlicher Nachteile für notwendig und geeignet hält (vgl. Hueck, KSchG. 10. Aufl. München 1980, Einleitung Rdnr. 130 e; Dietz/Richardi a.a.O. Rdnr. 269; anders wohl Heinze Der Betrieb 1985, 111, 126). Von der Rechtsprechung werden ausnahmsweise auch Regelungen zugelassen, die für den Regelungszeitraum im Gegensatz zum Charakter einer einstweiligen Regelung als einer nur vorläufigen Maßnahme eine praktisch endgültige Regelung treffen, die auch bei einer entgegengesetzten Entscheidung in der Hauptsache nicht rückgängig gemacht werden kann. Dies betrifft nur Fälle - und erscheint auch nur dann gerechtfertigt -, in denen mit einer lediglich sichernden Maßnahme ein einstweiliger Rechtsschutz überhaupt nicht herbeigeführt werden kann (vgl. dazu insgesamt Stein-Jonas-Grunsky, ZPO, 20. Aufl. 1981, Vorbemerkung IV, vor § 935). Eine derartige Situation besteht grundsätzlich auch bezüglich der tatsächlichen Beschäftigung des Arbeitnehmers. Wegen der Zeitbezogenheit der Arbeitsleistung ist, anders als beim Lohnanspruch für die Vergangenheit (vgl. dazu § 11 KSchG), nach rechtskräftiger Entscheidung über die Unwirksamkeit der Kündigung nachträglich eine tatsächliche Beschäftigung nicht möglich. Andererseits wird mit einer derartigen Verfügung eine Regelung getroffen, deren Auswirkungen für den Fall einer entgegengesetzten Entscheidung im Kündigungsschutzprozeß ebenfalls nicht mehr rückgängig werden können. Hieraus ergibt sich das Erfordernis, daß eine derartige Verfügung nur in Betracht kommen kann, wenn a) das Fortbestehen des streitigen Arbeitsverhältnisses, d.h. ein Obsiegen des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozeß wahrscheinlich ist (Verfügungsanspruch der Regelungsverfügung des § 940 ZPO, im Unterschied zum Verfügungsanspruch der Sicherungsverfügung des § 935 ZPO, der materiell-rechtlicher Natur ist und damit auch die grundsätzliche Anerkennung eines Weiterbeschäftigungsanspruches nach Ablauf der Kündigungsfrist voraussetzen würde). b) dem Arbeitnehmer ohne den Erlaß der begehrten Regelungsverfügung ein so erheblicher Nachteil droht, daß aufgrund einer Abwägung der beiderseitigen Interessen die begehrte Verfügung notwendig erscheint (Verfügungsgrund). Dabei bestellt zwischen dem Grad der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines Verfügungsanspruches in dem skizzierten Sinne sowie eines Verfügungsgrundes insoweit eine gewisse Wechselwirkung, als man bei einer jeweils höheren Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines Verfügungsanspruches an den Verfügungsgrund geringere Anforderungen stellen kann und umgekehrt. Dies bedeutet, daß beispielsweise bei einer offensichtlich unwirksamen Kündigung, die Praktikabilität einer solchen Formel mag einmal dahingestellt bleiben, der Verfügungsgrund sich schon allein aus dem Umstand entnehmen läßt, daß eine nachträgliche tatsächliche Beschäftigung für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum unmöglich ist (vgl. G. Müller ZfA 1982, 475, 492).
Eine Abwägung der beiderseitigen Interessen im konkreten Einzelfall - ohne den Automatismus eines materiellrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruches - rechtfertigt sich schon daraus, daß sich einerseits das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers aus verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen ableiten läßt, daß aber andererseits auch unternehmerische Entscheidungsfreiheiten verfassungsrechtlich in den Artikeln 12, 14 Grundgesetz, wenn auch nicht unbegrenzt, abgesichert sind, d.h. in concreto gegensätzliche verfassungsrechtliche Wertentscheidungen einer "praktischen Konkordanz" zugeführt werden müssen.
Im Rahmen der hier vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung geht das Interesse des Arbeitgebers dahin, den Arbeitnehmer aufgrund einer ausgesprochenen Kündigung nach Ablauf der Kündigung nicht weiter zu beschäftigen, bis über eine etwaige Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung und damit den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses rechtskräftig entschieden worden ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß es auch innerhalb eines unangefochten bestehenden Arbeitsverhältnisses Situationen gibt, in denen der Arbeitgeber zu einer Suspendierung des Arbeitnehmers berechtigt ist. Soweit die Voraussetzungen einer derartigen Suspendierung vorliegen, erscheint es nicht gerechtfertigt, den Arbeitgeber zu einer vorläufigen Weiterbeschäftigung zu verpflichten. Darüber hinaus erscheint es generell sachgemäß zwischen Fällen personen- und verhaltensbedingter Kündigung des Arbeitnehmers, in denen mithin eine Beschäftigungsmöglichkeit als solche nicht in Streit steht, und Fällen betriebsbedingter Kündigung, in denen in der Regel ja gerade um tatsächliche Beschäftigungsmöglichkeiten, das Fortbestehen eines Arbeitsplatzes gestritten wird, zu unterscheiden (so jetzt auch Gamillscheg Anm. EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9). Daher wird auch Tatbeständen wie einer Betriebsstillegung oder auch Teil Stillegung, Massenentlassungen, sonstigen besonderen wirtschaftlichen und betrieblichen Belastungen eine spezifische Bedeutung beizumessen sein.
Demgegenüber können sich legitime Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers daraus ergeben, daß dem Umstand einer auch tatsächlichen Beschäftigung, wie beispielsweise, aber nicht nur, bei bestehenden Ausbildungs- oder Fortbildungszwecken des Arbeitsverhältnisses, eine besondere Bedeutung zukommt, weiter, daß eine durch den Verfahrensgang des Kündigungsschutzprozesses unzumutbar lange Dauer der Unterbrechung der Tätigkeit zu befürchten ist, die eine spätere Wiedereingliederung in den Betrieb im Falle eines Obsiegens im Kündigungsschutzprozeß ungebührlich erschweren würde. Schließlich kann für ein Beschäftigungsinteresse relevant werden, daß sich aus einer unzumutbar langen Unterbrechung der Tätigkeit im Bereich der wirtschaftlichen Situation des Arbeitnehmers durch ein Angewiesen sein auf Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe nicht vertretbare Beschränkungen ergeben würden (so bereits LAG Niedersachsen Urteile vom 14. Mai 1982 - 14 Sa 55/02 - und vom 23. November 1984 - 3 Sa 119/04 vgl. jetzt auch Dütz NZA 1986.209, 213). Zudem sind in die Interessenabwägung auch unbestreitbare psychosoziale Folgen zumindest längerer Arbeitslosigkeit mit einzubeziehen (vgl. hierzu neben wacker und Morgenroth jeweils a.a.O. beispielsweise bereits: Horkheimer, Theoretische Entwürfe über Autorität und Familie, in: Fromm u.a., Autorität und Familie. Dd. I, Paris 1936).
Die Situation des Arbeitnehmers wird zudem dadurch gebührend berücksichtigt, daß auch im einstweiligen Verfügungsverfahren die sich aus § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG ergebende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu beachten sein wird (vgl. Dietz-Richardi a.a.O. Rdnr. 267 ff.; Schaub MJW 1981, 1807, 1813). Im einstweiligen Verfügungsverfahren ist nämlich die Darlegungs- und Beweislast nicht anders verteilt als im Hauptsacheverfahren, so daß nicht der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit, sondern vielmehr der Arbeitgeber, dem somit regelmäßig vor Erlaß einer solchen Verfügung rechtliches Gehör zu gewähren sein wird, vielmehr die Wirksamkeit der Kündigung darzulegen und glaubhaft zu machen hat. Dabei bezieht sich die Erleichterung der Glaubhaftmachung gem. § 294 BGB lediglich auf die Beweisführungslast, schränkt aber die Anforderungen hinsichtlich der Darlegungslast in Bezug auf sämtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen der streitigen Kündigung nicht ein. Im übrigen hat bereits das Reichsgericht in seinem Beschluß vom 8. Juni 1891 (RGZ 27, 429, 431) darauf hingewiesen, daß "ein Grund zur Veränderung des Zustandes, also zur Entlassung" vom dienstberechtigten Arbeitgeber glaubhaft zu machen sei. Erst wenn die Kündigung in all ihren Wirksamkeitsvoraussetzungen vom Arbeitgeber glaubhaft gemacht worden ist, ist es Sache des Arbeitnehmers, diese glaubhaft gemachte Wirksamkeit seinerseits zu erschüttern.
cc)
Schließlich fehlt es auch an der dritten Voraussetzung zulässiger Rechtsfortbildung, nämlich eines das Ergebnis tragenden allgemeinen Grundkonsenses. Die Auffassung des Großen Senats wird ... keineswegs von einer "allgemeinen Rechtsüberzeugung" gestützt (BVerfG Beschluß vom 19.10.1983 DB 1984, 189, 190; BVerfG E 34, 269, 290). Schrifttum und Rechtsprechung waren in der jahrelangen Diskussion über einen Weiterbeschäftigungsanspruch außerordentlich zerstritten. Die Darstellung des Diskussionsstandes in Literatur und Judikatur im Beschluß des Großen Senats vermittelt insoweit ein unvollständiges Bild, als in erheblichem Umfange vorhandene zweitinstanzliche Rechtsprechung, die sich der Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 26.05.1977 (AP Nr. 5 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) angeschlossen hatte, ebenso unerwähnt bleibt wie manche gewichtige Stimme in der Literatur (vgl. die Nachweise bei Bengelsdorf DB 1986, 171). Die jetzige, mitunter resignative Diskussion ist nach wie vor kontrovers. Von allgemeiner oder auch nur weitgehender Zustimmung zum Beschluß des Großen Senats kann keine Rede sein. Die allgemeine Rechtsüberzeugung, wie sie in Wissenschaft und Rechtsprechung zutage tritt, ist aber für eine zulässige Rechtsfortbildung mitentscheidend (vgl. hierzu im einzelnen die Darstellung der BVerfG-Rspr. bei Hanau BlStSozArbR 1985, 18).
dd)
Rechtssicherheit stellt gewiß ein hohes Gut dar. Der Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen kommt eine große Bedeutung zu. Das praktische Bedürfnis nach einer sachgerechten Beendigung der Weiterbeschäftigungsdiskussion läßt sich nicht verleugnen. Nach der Überzeugung des Gerichts ist allerdings die Überschreitung der Kompetenz zur Rechtsfortbildung noch wesentlich gravierender.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
Der vom Arbeitsgericht in seinem Urteil gem. § 61 Abs. 1 ArbGG 1979 festgesetzte Kostenstreitwert ist auch der des Berufungsverfahrens, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Die auf den selbständigen Streitgegenstand des Weiterbeschäftigungsanspruchs beschränkte Zulassung der Revision beruht auf § 72 ArbGG 1979. Im übrigen liegen Gründe, die Revision zuzulassen, nicht vor.
* Euler. Das Konfliktpotential industrieller Arbeitsstrukturen. Opladen 1977;
* Luckmann/Sprondel (Hrsg.), Berufssoziologie, Köln 1972;
* (vgl. auch Harry Bravermann. Die Arbeit im modernen Produktionsprozeß. Frankfurt 1977).
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 6.498,00 DM festgesetzt.