Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 08.09.1998, Az.: 12 U 54/98

Erfüllung eines Kaufvertrages durch Übersendung der Ware an eine Drittfirma zwecks Weiterverarbeitung; Abschluss eines Warenkaufvertrages nach den Vorschriften des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG); Ratifizierung eines Vertrages bei Bestehen des Sitzes beider Parteien in verschiedenen Staaten; Darlegungslast über getroffene die schriftliche Auftragsbestätigung hinausgehenden Vereinbarungen; Lieferung von Waren an eine Drittfirma als Abweichung von der Vereinbarung; Behandlung einer Lieferung von Waren an eine Drittfirma als nicht erbrachte Leistung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
08.09.1998
Aktenzeichen
12 U 54/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 28833
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1998:0908.12U54.98.0A

Fundstelle

  • OLGReport Gerichtsort 2000, 26-27

Amtlicher Leitsatz

Erfüllung des Kaufvertrages durch Übersendung der Ware an eine Drittfirma zur Weiterverarbeitung. Es handelt sich iSv. Art. 25 CISG um eine unbedeutende Abweichung, wenn die Ware nicht an die angegebene Firma übersendet wurde.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft norwegischen Rechts. Sie nimmt die Beklagte auf Bezahlung einer Lieferung von insgesamt 25.219 kg Lachs in Anspruch.

2

Die Beklagte bezog seit längerem Räucherlachs von der dänischen Firma S... L... A/S. Diese wiederum erhielt die Rohware von der Klägerin. Als die Fa. S... L... A/S im Frühsommer 1995 in Zahlungsschwierigkeiten geriet, richtete die Klägerin an die Beklagte ein mit "CONFIRMATION OF ORDER"überschriebenes Fax, wonach bis zu 40 Tonnen Lachs zum Preis von 3,60 DKK/kg geliefert werden sollten. Als Lieferanschrift war "S... N... I..., S..., D..." angegeben. Die Beklagte unterzeichnete die erbetene Bestätigung und sandte diese am 14. Juni 1995 ebenfalls per Fax an die S...L... A/S, die ihrerseits das Fax an die Klägerin übermittelte. Die Klägerin lieferte daraufhin am 15./16. Juni 1995 6.508 kg und 18.711 kg Lachs zur Weiterverarbeitung an die S... L... A/S. Hierüber erteilte sie der Beklagten bereits mit Datum vom 13./14. Juni 1995 Rechnungen über 199.144,80 DKK und 572.556,60 DKK. Sowohl auf den Rechnungen als auch auf den Lieferscheinen war als Lieferanschrift "S... L..." angegeben. Zu einer Lieferung fertiger Ware an die Beklagte kam es nicht mehr, nachdem die S... L... A/S im Juli 1995 in Konkurs gefallen war.

3

Die Klägerin hat vorgetragen: Aufgrund erheblicher Zahlungsrückstände der S... L... A/S habe sie auf deren Vorschlag abgesprochen, dass die Kunden der S... L... A/S die Lieferungen direkt bei ihr, der Klägerin, bestellten. Dementsprechend sei ihr die Auftragsbestätigung zugeleitet worden und sie habe die Ware ordnungsgemäß ausgeliefert. Unter Beschränkung ihres Zinsanspruchs hat die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 771.701,40 DKK nebst 5 % Zinsen aus 199.144,80 DKK seit dem 05. Juli 1995 und aus 771.701,40 DKK seit dem 06. Juli 1995 sowie 150,- DM vorgerichtliche Kosten zu zahlen.

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Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Sie hat vorgetragen: Es sei seinerzeit mit der Fa. S... L... abgesprochen worden, dass sie, die Beklagte, die Rechnungen bei Fälligkeit bezahle, soweit ihrerseits Zahlungsverpflichtungen gegenüber S... L... bestünden. Mehr habe durch die abgegebene Bestätigung nicht erklärt werden sollen. Dies habe sie bei Übersendung des Fax in einem gesonderten Begleitschreiben vom selben Tag ausdrücklich erklärt. Die Bestellung selbst sei durch die Fa. S... L... erfolgt. In einem nicht nachgelassenen Schriftsatz hat die Beklagte behauptet, die Lieferung sei erst wesentlich später erfolgt und sei an die Fa. A-F...-S... gelangt, welche als Tochterfirma der Klägerin die Fa. S... L... zum 17. Juli 1998 übernommen habe.

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Durch das am 08. Mai 1998 verkündete Urteil hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich der Klage nach Beweisaufnahme antragsgemäß stattgegeben. Zur Begründung führt das Gericht in dem Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, im Wesentlichen aus, dass der Kaufvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen und die Beklagte nach Art. 53 CISG zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet sei. Eine abweichende Vereinbarung habe die Beklagte nicht bewiesen.

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Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer fristgerecht eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung.

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Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens führt sie aus: Ungeachtet der rechtlichen Einordnung der getroffenen Vereinbarungen habe die Klägerin abweichend von der angegebenen Lieferanschrift die Ware direkt an S... L... A/S ausgeliefert. Bei der in der "CONFIRMATION OF ORDER" angegebenen Lieferadresse handele es sich um ein öffentliches Kühlhaus, in welchem die Ware für sie, die Beklagte, verwahrt und nur mit ausdrücklicher Zustimmung herausgegeben worden wäre. Eine vertragsgemäße Lieferung und Besitzübergang lägen damit nicht vor. Die Beklagte erklärt den Rücktritt vom Kaufvertrag.

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Sie beantragt,

das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 08. Mai 1998 zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze, die Sitzungsniederschriften und die tatbestandlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, in Erfüllung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages an die Klägerin den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag zu zahlen.

14

Diese Zahlungsverpflichtung folgt aus Art. 53 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG). Beide Parteien haben ihren Sitz in verschiedenen Staaten, die wiederum beide dieses Einkommen ratifiziert haben. Da für eine von den Bestimmungen des Abkommens abweichende Rechtswahl nichts ersichtlich ist, ist das Übereinkommen auf die Vereinbarung der Parteien als geltendes Recht anzuwenden (Staudinger-Magnus Art. 6 CISG Rdn. 2). Nach dem Inhalt der getroffenen Vereinbarung kann es nicht zweifelhaft sein, dass zwischen den Parteien ein diesem Übereinkommen unterliegender Kaufvertrag (Art. 1 Abs. 1, Art. 4 CISG) geschlossen wurde. In der Übersendung der von der Klägerin unterzeichneten "CONFIRMATION OF ORDER" liegt das Angebot, der Beklagten im Rahmen der Liefermöglichkeiten bis zu 40 Tonnen Lachs zum Preis von 30,60 DKK zu verkaufen. Lieferzeit (15. - 25. Juni) und Lieferanschrift (Skagen Nye Isverk) sind ebenso genannt wie die Liefermodalitäten (Incoterm DDP = geliefert verzollt). Die verarbeitende Firma S... L... A/S wird nicht einmal erwähnt. Bei der in dem Schreiben enthaltenen Bitte um sofortige Bestätigung ("we kindly ask for your promt confirmation") war erkennbar, dass es der Klägerin auf den Abschluss eines Kaufvertrages mit der Beklagten ankam. Angesichts des eindeutigen Wortlauts bedarf diese Erklärung keiner weiteren Auslegung (Art 8 CISG). So eindeutig, wie dieses Angebot abgefasst war, hat es die Beklagte mit der Unterschrift ihres Prokuristen Dirks auch angenommen. dass die Auftragsbestätigung der Klägerin letztlich über die Firma S... L... zuging, ist für die Wirksamkeit des Vertrages ohne Bedeutung. Demnach ist zwischen den Parteien ein Kaufvertrag mit dem aus der Auftragsbestätigung ersichtlichen Inhalt zustande gekommen.

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Dass neben diesem schriftlich fixierten Vertrag zwischen den Parteien weitere Absprachen getroffen wurden, hat die Beklagte nicht bewiesen. Das an die Firma S... L... gerichtete Telefax vom 14. Juni 1995 legt zwar die Annahme nahe, dass Zahlungsmodalitäten auch Gegenstand der zwischen S... L... und der Klägerin geführten Gespräche gewesen waren. Die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme hat aber nichts dafür ergeben, dass die von der Beklagten gegenüber der Klägerin selbstständig eingegangene Zahlungsverpflichtung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den der S... L... zustehenden Ansprüchen stehen sollte. Hierzu hat der Zeuge C... bekundet, dass er sich nicht daran erinnern könne, ob das an die S... L... gerichtete Fax vom 14. Juni 1995 ebenfalls an die Klägerin weitergeleitet worden sei. Es ist damit offen, ob der Klägerin zeitgleich mit der Annahmeerklärung ein die unbedingte Zahlungsverpflichtung einschränkender Vorbehalt der Beklagten zuging. Selbst wenn im Vorfeld entsprechende Gespräche geführt worden sein sollten, zwingt dies nicht zu dem Schluss, dass die Klägerin mit einer entsprechenden Einschränkung einverstanden gewesen wäre. Denn angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Fa. S... L... kam es ihr erkennbar darauf an, durch einen direkten Vertragsschluss mit deren Kunden ihre eigenen Ansprüche zu sichern. Dies wird unmittelbar aus der Aussage des Zeugen C... deutlich. Dieser hat ergänzend bekundet,

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dass sich die Klägerin ausdrücklich nach dem Verbleib der Auftragsbestätigung erkundigt hatte und die hier streitigen Lieferungen ohne die von der Beklagten unterzeichnete Auftragsbestätigung aller Wahrscheinlichkeit nicht erfolgt wären. Der Kauf durch die Beklagte war demnach die entscheidende Voraussetzung dafür, dass S... L... überhaupt noch von der Klägerin Rohware zur weiteren Verarbeitung erhielt. Über die sich schon aus der übrigen Zeugenaussage ergebenden Zweifel hinaus legt dies die Annahme nahe, dass die Parteien keine über die schriftliche Auftragsbestätigung hinausgehenden Vereinbarungen getroffen hatten.

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Weitere Tatsachen und Beweismittel hat die Beklagte mit der Berufungsbegründung nicht vorgebracht, so dass zu ihren Lasten von dem nicht weiter auslegungsbedürftigen Wortlaut der Auftragsbestätigung auszugehen ist. Die sich hieraus für die Klägerin ergebende Lieferverpflichtung hat diese erfüllt. Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, wurde der Lachs statt an die genannte Lieferanschrift direkt an die Fa. S... L... gesandt. In den Lieferscheinen und Rechnungen war als Empfänger jeweils die Klägerin bezeichnet, so dass sich die Ware zweifelsfrei dem richtigen Empfänger zuordnen ließ. Die Abweichung vom Lieferort steht einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung nicht entgegen. Zwar war die Klägerin nach dem Vertrag und dem Incoterm "DDP" verpflichtet, die Ware auf ihre Kosten und Gefahr bis zu der angegebenen Lieferanschrift, zu befördern (v. Caemmerer/Schlechtriem Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht Anh. V DDP A 3 ff). Die abweichende Lieferung direkt an die Fa. S... L... A/S war jedoch unbedeutend und wurde von der Klägerin zumindest nachträglich gebilligt.

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Für die Fa. S... L... war der Lachs bestimmt, um ihn für die Beklagte zu verarbeiten. Da die Beklagte jeweils als Empfänger der Ware bezeichnet war, handelte es sich für S... L... um fremdes Eigentum, so dass die Beklagte trotz der wirtschaftlich angespannten Lage keiner besonderen Sicherung bedurfte. Eine Gefährdung der Vertragserfüllung war mit dieser Lieferung nicht von vornherein verbunden, so dass sie nicht als wesentliche Vertragsverletzung (Art 25 CISG) angesehen werden kann. Die Abweichung war angesichts des allen Beteiligten bekannten Zwecks der Lieferung so unwesentlich, dass die Lieferung allenfalls als vertragswidrig, nicht aber als überhaupt nicht erfolgt, behandelt werden kann. Dann stünde der Beklagten ein Recht auf Aufhebung des Vertrages nur zu, wenn sie dies innerhalb angemessener Frist erklärt hätte (Art. 49 Abs. 2 lit b CSIG). Diese angemessene Frist ist bereits seit langem verstrichen, so dass die Erklärung in der Berufungsbegründung den Bestand des Vertrages nicht berührt. Darüber hinaus ist es der Beklagten bereits deshalb verwehrt, aus der abweichenden Lieferung Rechte herzuleiten, weil die selbst die Lieferung an die S... L... als vertragsgemäße Leistung gebilligt hat. Für die Beklagte war aus den Lieferscheinen und Rechnungen erkennbar, dass abweichend von der Anschrift in der Auftragsbestätigung Lieferort jeweils unmittelbar die Fa. S... L... war. Wenn sie mit dieser Form der Lieferung nicht einverstanden war, hätte es sich aufgedrängt, gegenüber der Klägerin gemäß Art 46, 47 CSIG auf Lieferung an den richtigen Ort zu bestehen, um ggf. ihre sich ansonsten aus dem CSIG gegen die Verkäuferin ergebenden Rechte durchsetzen zu können. Wie wenig Bedeutung die Beklagte indes dieser Abweichung beimaß, wird dadurch deutlich, dass sie gegenüber der Klägerin selbst anlässlich einer im Dezember 1995 geführten Besprechung diese nie gerügt hat. Im außergerichtlichen Schriftwechsel hat die Beklagte vielmehr den Standpunkt vertreten, dass sie nach den getroffenen Vereinbarungen zu Zahlungen nur verpflichtet gewesen wäre, soweit sie selbst von S... L... beliefert worden wäre. An diesem Standpunkt hat sie bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens festgehalten und erstmals in der Berufungsbegründung die Abweichung vom ursprünglich genannten Lieferort geltend gemacht. Dies Verhalten belegt unmissverständlich, dass die Beklagte die Lieferung an S... L... zunächst als vertragsgemäße Leistung billigte. Damit ist es ihr dann aber auch verwehrt, sich nachträglich auf eine Nichterfüllung der Lieferpflicht zu berufen (v. Caemmerer/Schlechtriem Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht Art. 31 Rdn. 82).

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Da die Klägerin ihre Leistung erbracht hat, bleibt die Beklagte zur Bezahlung verpflichtet, auch wenn sie von der S... L... A/S nicht mehr beliefert wurde. Denn nachdem die Klägerin mit der Lieferung ihre Vertragspflichten erfüllt hatte, ging die Gefahr auf die Beklagte über (Art. 69 Abs. 2 CISG), so dass die nach der Aussage des Zeugen C... nach Verarbeitung an andere Kunden erfolgte Auslieferung die Zahlungspflicht unberührt lässt (Art. 66 CISG).

20

Die Höhe der Klageforderung wird von der Berufung nicht angegriffen.

21

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 709 ZPO.