Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 30.09.1998, Az.: 2 U 146/98
Vergütungsanspruch eines Architekten für nicht erbrachte Leistungen bei schuldhaftem Verschweigen von Unsicherheiten hinsichtlich der Baugenehmigung; Kündigung eines Architektenvertrags aus wichtigem Grund
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 30.09.1998
- Aktenzeichen
- 2 U 146/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 28722
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1998:0930.2U146.98.0A
Rechtsgrundlage
- § 649 BGB
Fundstellen
- BauR 1999, 788 (amtl. Leitsatz)
- IBR 1999, 222 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- OLGReport Gerichtsort 1999, 38-40
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Kein Anspruch des Architekten aus § 649 BGB bei cic durch Verschweigen von Unsicherheiten betr. Baugenehmigung.
- 2.
Kündigung eines Architektenvertrags aus wichtigem Grund.
Gründe
Der Kläger hat keinen Vergütungsanspruch gemäß § 649 BGB für nicht erbrachte Leistungen auf Grund des Architektenvertrags vom 19./26.11.1996.
1.)
Der Beklagte hat gegen den Kläger einen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen über das Verschulden bei Vertragsschluss. Deshalb ist er zu stellen, als wenn er den Architektenvertrag mit dem Kläger nicht abgeschlossen hätte.
Ein Schadensersatzanspruch auf Grund eines Verschuldens bei Vertragsschluss besteht unter anderem dann, wenn ein Vertrag durch eine pflichtwidrige Einwirkung auf die Willensbildung des Geschädigten zu Stande gekommen ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Schädiger dem Geschädigten unrichtige oder unvollständige Informationen gegeben hat (BGH NJW 1985, 1769, 1771 [BGH 16.01.1985 - VIII ZR 317/83]; BGH NJW 1993, 2107; Palandt-Heinrichs, BGB, 57. Aufl., § 276 Rdnr. 78 m.w.N.). Das Bestehen eines solchen Anspruchs ist unabhängig von der Frage, ob daneben auch der Tatbestand der arglistigen Täuschung gemäß § 123 BGB erfüllt sein könnte (BGH NJW 1997, 254 [BGH 24.10.1996 - IX ZR 4/96]; Palandt-Heinrichs, § 124 Rdnr. 1).
Der Kläger hat dem Beklagten am 19. bzw. 26.11.1996 anlässlich der Vorlage des schriftlichen Architektenvertrags versichert, dass die von ihm nachgebesserte Bauvoranfrage nunmehr positiv beschieden werde. Dies ist unstreitig. Nichts anderes ergibt sich auch aus der Aussage der im ersten Rechtszug vernommenen Zeugin V.
Selbst wenn der Kläger von der Richtigkeit seiner Auskunft subjektiv ausgegangen sein mag, war die von ihm erteilte Information objektiv unrichtig und unvollständig. Nach Treu und Glauben wäre der Kläger verpflichtet gewesen, den Beklagten ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass ein positiver Bescheid des Landkreises keineswegs feststehe. Angesichts der vom Beklagten vor Abschluss des Architektenvertrags deutlich gemachten Interessenlage hätte der Kläger den Architektenvertrag zur Unterschrift nicht vorlegen dürfen.
Der Kläger hatte nämlich bereits im Oktober 1996 dem Beklagten vorgeschlagen, einen Architektenvertrag zu unterschreiben. Mit Schreiben vom 17.10.1995 hatte der Beklagte dies ausdrücklich abgelehnt. Als wesentlichen Grund für seine Weigerung hatte er angegeben, dass bisher keine Baugenehmigung vorliege. Damit hatte er deutlich gemacht, dass er zur Unterzeichnung eines Architektenvertrags nur bereit sei, wenn die Genehmigung des Bauvorhabens sichergestellt sei. Diese vom Beklagten dem Kläger deutlich gemachte Voraussetzung hat nicht vorgelegen, als der Kläger dem Beklagten die Unterzeichnung des Architektenvertrags im November 1996 andiente. Der Landkreis hatte mit Schreiben vom 05.11.1996 ausdrücklich angekündigt, die vom Kläger gestellte Bauvoranfrage negativ zu bescheiden. Zwar hatte der Kläger mit Schreiben vom 18.11.1996 eine ergänzende Stellungnahme zur Bauvoranfragen abgegeben. Keinesfalls durfte er auf Grund dieser Tatsache jedoch nunmehr von einem positiven Bescheid des Bauaufsichtsamts ausgehen. So hatte der Landkreis in seinem Schreiben vom 05.11.1996 die Baugrenzen des Neubauteils bemängelt. In seinem Schreiben vom 18.11.1996 hat der Kläger daraufhin nicht etwa seinen Entwurf geändert, sondern lediglich um einen Dispens gebeten. dass ein entsprechender positiver Bescheid insoweit zumindest fraglich gewesen ist, liegt auf der Hand. Im Übrigen hat der Kläger selbst eingeräumt, dass selbst der bei der Besprechung mit Vertretern des Landkreises und der Gemeinde am 17.12.1996 von ihm vorgelegte Entwurf - nur - nach gewissen Korrekturen genehmigungsfähig gewesen wäre. Objektiv war damit ein positiver Bescheid im Zeitpunkt der Vorlage des Architektenvertrags im November zumindest ungewiss.
Dies hätte der Kläger dem Beklagten, der ja auf die Gewissheit der Genehmigung als Voraussetzung für den Abschluss eines Architektenvertrags gerade besonderen Wert legte, mitteilen müssen.
Die Pflichtverletzung des Klägers ist für den Abschluss des Architektenvertrags kausal. Es mag hier dahinstehen, ob eine Beweislastumkehr zu Lasten des Klägers nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Vermutung des ,aufklärungsrichtigen Verhaltens" gilt (vgl. BGH NJW 1994, 2541). Jedenfalls bestehen hier keine ernsthaften Zweifel daran, dass der Beklagte den Abschluss eines Architektenvertrags abgelehnt hätte, hätte der Kläger deutlich gemacht, dass die Genehmigung des Bauvorhabens ungewiss sei, § 287 ZPO.
Denn diese Genehmigung hatte der Beklagte ausweislich seines Schreibens vom 17.10.1996 zur Voraussetzung für den Abschluss eines Architektenvertrags gemacht, und für einen Sinneswandel des Beklagten im November 1996 ist nichts ersichtlich.
Der Beklagte ist mithin so zu stellen, als hätte er den Architektenvertrag nicht abgeschlossen. Ein Anspruch gemäß § 649 BGB für nicht erbrachte Leistungen scheidet deshalb aus.
2.)
Im Übrigen steht einem Anspruch gemäß § 649 BGB auch entgegen, dass der Beklagte aus wichtigem Grund den Architektenvertrag gekündigt hat.
Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn einem Vertragsteil die Fortsetzung des Vertrags unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Parteien nicht zugemutet werden kann (BGH ZfBR 1997, 36; Locher/Koeble/Frik, HOAI, 7. Aufl., Einleitung Rdnr. 145, 146). Dabei begründen Meinungsverschiedenheiten über behauptete oder tatsächliche Mängel während der Planung allerdings keineswegs zwingend immer einen wichtigen Grund zur Kündigung. Entstehen insoweit Kontroversen zwischen den Parteien, hat im Regelfall der Bauherr sein Missfallen an der Leistung des Auftragnehmers zum Ausdruck zu bringen, um dem Architekten die Möglichkeit der Nachbesserung zu geben (OLG München BauR 1991, 650, 652) [OLG München 16.01.1990 - 9 U 4275/89].
Vorliegend haben die Parteien anlässlich der Besprechung vom 05.12.1996 von den Vertretern des Bauamts erfahren, dass die Bauvoranfrage in allen Teilen abgelehnt werden sollte. Mit Schreiben vom 12.12.1996 hat der Beklagte dem Kläger daraufhin angedroht, er sähe den Architektenvertrag als erledigt an, falls nicht unter anderem bis spätestens zum 18.12.1996 ein genehmigungsfähiger Bauantrag eingereicht sei. Ob eine solche Fristsetzung auf Grund bisheriger Mängel der Leistung des Klägers gerechtfertigt gewesen ist, kann dahinstehen. Jedenfalls hat sich der Kläger damit durch Fax vom 13.12.1996 einverstanden erklärt. Die daraus folgende wesentliche Verpflichtung zur Einreichung eines genehmigungsfähigen Bauantrags bis spätestens zum 18.12.1996 hat der Kläger jedoch nicht erfüllt. Er räumt selbst ein, dass der anlässlich der Besprechung vom 17.12.1996 vorgelegte Entwurf nur mit Korrekturen genehmigungsfähig gewesen wäre. Einen solchen korrigierten Antrag hat er bis zum 18.12.1996 jedoch nicht eingereicht, und er trägt auch nicht vor, dass der Beklagte auf die ausdrücklich vereinbarte fristgerechte Leistung verzichtet hat.
Unerheblich ist, ob der Beklagte das Bauvorhaben entsprechend einer am 17.12.1996 vom Kläger gefertigten Skizze - wie der Kläger behauptet - später mit Hilfe eines anderen Architekten hat durchführen lassen. Wesentlich ist, dass der Kläger fertige Planungsunterlagen nicht fristgerecht erstellt und damit den Kern der bis zu diesem Zeitpunkt geschuldeten Leistung nicht erbracht hat.