Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 16.09.1998, Az.: 2 U 134/98

Inanspruchnahme einer Feuerversicherung bei einer grob fahrlässigen Herbeiführung eines Versicherungsfalls; Definition einer grob fahrlässigen Handlungsweise; Abbrennen von Stroh und Abfalls ohne hinreichende Beaufsichtigung als grob fahrlässige Handlungsweise mit einhergehender Leistungsbefreiung einer Versicherung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
16.09.1998
Aktenzeichen
2 U 134/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 28728
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1998:0916.2U134.98.0A

Fundstelle

  • OLGReport Gerichtsort 1999, 346-347

Amtlicher Leitsatz

Feuerversicherung: Grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls bei Abbrennen von Stroh und Abfall 20 m vom Gebäude ohne hinreichende Beaufsichtigung.

Tatbestand

1

Die Berufung hat keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz des am 03.06.1997 eingetretenen Schadens aus der bei der Beklagten unterhaltenen Gebäude-Feuer-Versicherung. Die Beklagte ist nach § 61 VVG leistungsfrei; denn der Kläger hat den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt.

2

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, also in hohem Maße außer acht lässt. Dies ist dann der Fall, wenn schon einfache, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und dasjenige nicht beachtet wird, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten müsste. Es muss sich um ein auch subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten handeln, welches das gewöhnliche Maß erheblich übersteigt. Der Tatrichter kann dabei im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO vom äußeren Geschehensablauf oder vom Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge und deren gesteigerte Vorwerfbarkeit schließen (BGH VersR 1989, 582; Senat r+s 1997, 148 und 470; Römer/Langheid, VVG, § 61 Rdnr. 29).

Entscheidungsgründe

3

Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze ist vorliegend bereits auf Grund des unstreitigen Sachverhalts die Handlungsweise des Klägers als grob fahrlässig zu bewerten. Die Verbrennung von Abfällen auf einem offenen Feld in unmittelbarer Nähe eines Gebäudes stellt grundsätzlich eine besonders schadensträchtige Handlung dar. Denn es besteht - wie allgemein bekannt ist - die Gefahr, dass sich das Feuer insbesondere durch Funkenflug bestimmungswidrig ausbreitet. Im vorliegenden Fall hat der Kläger eine objektiv außergewöhnlich hohe Brandgefahr bereits dadurch verursacht, dass er nur 18 bis 20 m vom Stallgebäude entfernt den Stroh- und Abfallhaufen entzündet hat. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass der in Brand gesetzte Haufen eine nicht unerhebliche Größe hatte, nämlich einen Durchmesser von zumindest 5 m und eine Höhe von 2 m. dass von einem derartigen Brandherd - selbst wenn er niedergebrannt, jedoch nicht ganz erloschen ist - eine erhebliche Brandgefahr ausgeht, ist offensichtlich. Insbesondere drängt sich jedermann auf, dass jederzeit der Wind kurzfristig auffrischen kann und dadurch die naheliegende Gefahr der Entzündung eines in unmittelbarer Nähe befindlichen Stallgebäudes besteht.

4

Das Fehlverhalten des Klägers ist als umso leichtfertiger zu bewerten, als er das von ihm gelegte Feuer ab ca. 12.15 Uhr unbeaufsichtigt gelassen hat. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob das Feuer zu diesem Zeitpunkt gerade erst in Brand gesetzt worden war - wie dies im Brandbericht der Polizeiinspektion C vom 03.06.1997 angegeben ist -, ob der Kläger noch leichte Glut festgestellt hat - wie er im ersten Rechtszug behauptet hat - oder ob Ursache des Funkenflugs ein "noch vorhandenes Glimmen" der unter dem Stroh gelagerten Styroporteile gewesen ist, wie der Kläger in der Berufungsinstanz mutmaßt. Jedenfalls war das Feuer nicht vollständig gelöscht; denn sonst hätte von ihm nicht der unstreitig schadensursächliche Funkenflug ausgehen können. dass aber auch von nur glühenden Resten eines Feuers eine erhebliche Brandgefahr für ein unmittelbar daneben befindliches Stallgebäude ausgeht und ein solches Feuer deshalb nicht unbeaufsichtigt bleiben darf, ist offensichtlich.

5

Soweit die Berufung im Gegensatz zum bisherigen Vortrag des Klägers behauptet, die Glut sei ersichtlich bereits erloschen gewesen, bzw. vorträgt, der Kläger habe "noch zwei Stunden auf dem Brandort Obacht gegeben, obwohl dieser bereits vollständig erloschen war", kann dieser Vortrag sinnvoll nur so ausgelegt werden, dass der Kläger behaupten will, beim Verlassen der Brandstelle keine Glut in dem von ihm in Brand gesetzten Haufen mehr gesehen zu haben. Denn unstreitig ist das Stallgebäude durch Funkenflug - ausgehend vom Stroh- und Abfallhaufen - in Brand gesetzt worden; dies wäre logischerweise nicht möglich gewesen, wenn sich in dem Stroh- und Abfallhaufen keine Glut befunden hätte. Sollte der Vortrag der Berufung allerdings gleichwohl so zu verstehen sein, dass die Entzündung des Stallgebäudes durch Funkenflug ausgehend vom Stroh- und Abfallhaufen herbeigeführt worden sei, obwohl sich in dem Haufen keine Glut mehr befunden habe, wäre dieser Vortrag gemäß §§ 288, 532 ZPO unbeachtlich. Denn der Kläger hat im ersten Rechtszug zugestanden, dass er den Strohhaufen verlassen hat, als in diesem noch leichte Glut festzustellen war. Den entsprechenden Vortrag in der Klageschrift (dort Seite 3) hat die Beklagte in der Klageerwiderung (vgl. Seite 4) sich zu Eigen gemacht. Widerrufsgründe für das darin liegende Geständnis sind nicht vorgetragen oder ersichtlich.

6

Entgegen der Auffassung der Berufung ist der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit auch dann gerechtfertigt, wenn der Funkenflug durch noch glimmende Styroporteile verursacht worden sein sollte und der Kläger die Tatsache des Glimmens ebensowenig wie das Glutverhalten von Styropor gekannt haben sollte. Wer in unmittelbarer Nähe eines Gebäudes ein Feuer entfacht, wie es der Kläger getan hat, muss selbstverständlich damit rechnen, dass auch nicht sichtbare Glutreste zu einem Funkenflug führen können, und darf das Feuer nicht unbeaufsichtigt lassen, bevor er das vollständige Erlöschen der Brandstelle in geeigneter Weise festgestellt hat.

7

Die Auffassung der Berufung, der Fahrlässigkeitsvorwurf wiege weniger schwer, weil der Kläger die Verordnung über die Entsorgung von Abfällen außerhalb von Abfallentsorgungsanlagen (KompostVO) "nahezu vollständig" eingehalten habe, ist falsch. Dies folgt bereits aus der Tatsache, dass der Kläger die genannte Verordnung nicht "nahezu" eingehalten, sondern ihr in krasser Weise zuwidergehandelt hat. Gemäß § 3 Abs. 5 Ziff. 1 der Verordnung hätte nämlich ein Mindestabstand von 50 m zwischen dem Stroh- und Abfallhaufen und dem Stallgebäude eingehalten werden müssen. Der tatsächliche Abstand betrug jedoch weniger als die Hälfte.

8

Das Verhalten des Klägers ist als umso leichtfertiger zu bewerten, als ihm die Gemeinde G zuvor das von ihm beabsichtigte Abbrennen eines Strohhaufens ausdrücklich untersagt hatte. Gleichwohl hat er die Abfälle verbrannt und dabei bewusst die Verhängung einer Geldbuße in Kauf genommen. Dies folgt aus den von der Beklagten vorgetragenen Angaben im Brandbericht der Polizeiinspektion C vom 03.06.1997. Die Richtigkeit der dortigen Ausführungen wird insoweit vom Kläger nicht bestritten.