Landgericht Osnabrück
Urt. v. 30.06.2010, Az.: 1 S 446/09

Schadensersatzansprüche nach einem Wohnungsbrand; Verletzung von Sorgfaltspflichten zur Überwachung einer geschaffenen Gefahrenquelle in besonders gravierender Weise

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
30.06.2010
Aktenzeichen
1 S 446/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 48106
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Rechtsstreit
--------------------------------------------------------------------------------
Klägers und Berufungsklägers,
Prozessbevollmächtigte: -----------------------------------------------
gegen
---------------------------------------------------------------------------------
Beklagten und Berufungsbeklagten,
Prozessbevollmächtigte: ------------------------------------------------
wegen Versicherungs-Regresses
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts ---------------------------------- auf die mündliche Verhandlung vom 19.05.2010 durch den Präsidenten des Landgerichts ---------------------, den Richter am Landgericht -------------------------- und den Richter ---------------------------
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichtes --------------------- vom 23.09.2009, Geschäftsnummer 3 C 445/09, wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

  4. 4.

    Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche nach einem Wohnungsbrand. Wegen des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichtes -------------------------- vom 23.09.2009.

Das Amtsgericht hat die Klage vollständig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte zwar objektiv grob fahrlässig gehandelt habe, in subjektiver Hinsicht aber kein schweres Verschulden festzustellen sei. Insbesondere habe der Beklagte vorgehabt, nur kurzfristig im Wohnzimmer zu verweilen und in regelmäßigen Abständen nach dem Kochtopf auf dem Herd zu sehen. Von grober Fahrlässigkeit in subjektiver Hinsicht sei daher unabhängig von der Frage, wie viel Alkohol der Beklagte konsumiert hatte, nicht auszugehen.

Gegen dieses Urteil, das dem Kläger am 28.09.2009 zugestellt wurde, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 14.10.2009 Berufung eingelegt, die beim Landgericht ------------------- am gleichen Tage einging. Nach Fristverlängerung bis zum 28.12.2009 hat der Kläger die Berufung mit am gleichen Tage eingegangenem Schriftsatz vom 22.12.2009 begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens meint der Kläger, dass auch in subjektiver Hinsicht grobe Fahrlässigkeit anzunehmen sei. Das Amtsgericht habe die konkrete Alkoholisierung rechtsfehlerhaft nicht weiter aufgeklärt. Ferner meint der Kläger, dass auch auf Basis der amtsgerichtlichen Feststellungen ein grob fahrlässiges Handeln des Beklagten in subjektiver Hinsicht hätte angenommen werden müssen; ein reines Augenblicksversagen könne den Beklagten nicht von seinem schweren persönlichen Verschulden entlasten.

Der Kläger beantragt,

abändernd den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 147.814,68 € sowie weitere 2.475,80 € vorgerichtliche Anwaltskosten jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2007 zu zahlen;

hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er rügt weiterhin die erstinstanzliche sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts ------------ und bestreitet die geltend gemachten Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach. Insbesondere habe er nicht grob fahrlässig gehandelt, da er nur über wenig Erfahrung als Koch oder Hausmann verfüge und mit den erheblichen Brandgefahren beim Erhitzen von Öl nicht vertraut gewesen sei, was ihm zumindest nicht als schweres persönliches Verschulden vorzuwerfen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Kammer hat den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2010 gemäß § 141 ZPO angehört; wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19.05.2010 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne der §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

1.

Die Rüge der erstinstanzlichen Unzuständigkeit des Amtsgerichtes --------------------- kann der Berufung bereits aus Rechtsgründen nicht zum Erfolg verhelfen, § 513 Abs. 2 ZPO. Zudem war das Amtsgericht --------------------- sachlich zuständig gemäß § 23 Nr. 2a GVG. Die zuständigkeitsbegründende Rechtsnatur eines bestimmten Anspruchs, hier dessen Verwurzelung in einem Wohnraummietverhältnis, bleibt grundsätzlich auch dann erhalten, wenn der Anspruch kraft rechtsgeschäftlicher Abtretung oder kraft gesetzlicher Anordnung auf einen anderen Anspruchsinhaber übergeht (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 2002, S. 1167 m.w.N.).

2.

Entgegen der Rechtsauffassung der Berufung ist die Kammer an die amtsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, da keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und eine erneute Feststellung gebieten.

Die amtsgerichtlichen Feststellungen sind auch insoweit vollständig, als das Amtsgericht dem Beweisantritt durch Benennung des Zeugen PK --------------------- nicht weiter nachgegangen ist. Zur Überzeugung der Kammer sind entscheidungserhebliche Feststellungen durch eine Vernehmung des Zeugen ----------------------- nicht zu gewinnen.

Der Zeuge kann lediglich seine unter Beweis gestellten Beobachtungen zur Aussprache des Beklagten, zur wahrgenommenen "Alkoholfahne" und zur Verweigerung eines Alkoholtestes bekunden. Diese vorgetragenen Beobachtungen sind zur Überzeugung der Kammer nicht geeignet, daraus hinreichend konkrete und damit entscheidungserhebliche Schlussfolgerungen zur genauen Alkoholisierung des Beklagten oder zum Hergang des Brandereignisses zu ziehen.

Ohne eine Blutprobenentnahme ist allein aufgrund der behaupteten Beobachtungen des Zeugen --------------------- ein konkreter Alkoholisierungsgrad des Beklagten nicht feststellbar. Die zu bekundende Alkoholfahne wäre diesbezüglich ohne Aussagekraft, da der Beklagte unstreitig mehrere Flaschen Bier getrunken hatte. Die behaupteten Beobachtungen zur undeutlichen Aussprache des Beklagten erscheinen der Kammer aufgrund der außergewöhnlichen Lage vor Ort ebenfalls nicht geeignet, daraus tragfähige Rückschlüsse zu einem gesteigerten Grad der Alkoholisierung zu ziehen. Nach dem Ergebnis der informatorischen Anhörung stand der Beklagte zum fraglichen Zeitpunkt deutlich unter dem Eindruck des vorangegangenen Brandereignisses und befand sich insofern - für die Kammer durchaus nachvollziehbar - in einem zumindest schockähnlichen Zustand. Gegenteiliges ist mithin nicht nachzuweisen. Insofern bietet auch die Beobachtung sprachlicher Auffälligkeiten für die Feststellung eines konkreten Alkoholisierungsgrades keine hinreichend sichere Grundlage.

Ob eine eventuell gesteigerte Alkoholisierung überhaupt ursächlich für den Brand wurde und der Beklagte - wie klägerseits behauptet - vor dem Fernseher eingeschlafen war, kann der Zeuge ohnehin nicht bekunden.

3.

Auf Basis dieser festgestellten Tatsachen kann der Kläger als Versicherer keine gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. auf ihn übergegangenen Schadensersatzansprüche des Versicherungsnehmers ------------------------------ gegen den Beklagten geltend machen.

Einer solchen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen steht ein konkludent vereinbarter Regressverzicht des Klägers entgegen, da der Beklagte gegenüber dem Versicherungsnehmer --------------------------- nur aufgrund einfacher Fahrlässigkeit aus dem Verstoß gegen seine mietvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten gemäß §§ 535, 280 Abs. 1 BGB sowie aus Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB und nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 306d Abs. 1 StGB haftet.

a.

Das Amtsgericht und die Parteien gehen zutreffend davon aus, dass Regressansprüche des Klägers nur dann in Betracht kommen, wenn der schadensverursachende Brand vom Beklagten grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht wurde. Für den Fall einfacher Fahrlässigkeit ist in der vorliegenden Konstellation im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung des Versicherungsvertrages ein konkludenter Regressverzicht des Gebäudeversicherers anzunehmen (vgl. BGHZ 145, S. 393 ff.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.2009, 10 U 88/09 (juris), je m.w.N.). Eine Einbeziehung des Mieters in den Schutzbereich der Gebäudeversicherung seines Vermieters für die Fälle einfacher Fahrlässigkeit ist dabei unabhängig davon zu beurteilen, ob der Mieter über eine eigene Haftpflichtversicherung verfügt oder ob die umlagefähige Kosten der Sachversicherung zumindest anteilig vom Mieter getragen werden. Der Sach- oder Brandversicherer kann aus übergegangenem Recht lediglich bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz beim Mieter Regress nehmen (vgl. BGHZ 169, S. 86 ff.; BGHZ 145, S. 393 ff.; OLG Frankfurt, Urt. v. 23.02.2005, 7 U 113/04 (juris)).

b.

Der Beklagte hat das streitgegenständliche Brandereignis weder grob fahrlässig noch vorsätzlich herbeigeführt.

aa.

Mit dem Amtsgericht geht die Kammer davon aus, dass dem Beklagten in objektiver Hinsicht ein grob fahrlässiges Handeln vorzuwerfen ist.

Objektiv grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer einfachste, naheliegende Überlegungen nicht anstellt und wer letztlich das nicht beachtet, was jedem hätte einleuchten müssen (BGH NJW 2007, S. 2988 [BGH 11.07.2007 - XII ZR 197/05] m.w.N.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.2009, 10 U 88/09 (juris), Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Auflage, § 277 Rn. 5).

Die maßgeblichen Sorgfaltsanforderungen sind einerseits an den beteiligten Verkehrskreisen nach Ausbildung, Kenntnisstand, Alter, Beruf und Lebenserfahrung auszurichten (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 276 Rn. 17, § 277 Rn. 5 ff.; OLG Frankfurt, Urt. v. 23.02.2005, 7 U 113/04 (juris)). Bei gefahrträchtigen Handlungen bildet aber das Ausmaß der Gefährlichkeit das zentrale Moment zur Festlegung der unverzichtbaren Verhaltensanforderungen (vgl. OLG Köln, VersR 1996, S. 1491 f.; OLG Frankfurt, Urt. v. 23.02.2005, 7 U 113/04 (juris) m.w.N.; Grundmann in: Münch.Komm. BGB, Bd. 2, 5. Auflage 2007, § 276 Rn. 98 ff.).

Die Erhitzung von Öl oder Fett in einem offenen Kochtopf stellt sich aufgrund des immensen Gefahrenpotentials als Handlung dar, die mit höchster Aufmerksamkeit durchzuführen und zumindest im Grundsatz stetig zu überwachen ist (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 23.02.2005, 7 U 113/04 (juris); OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.2009, 10 U 88/09 (juris) m.w.N.; OLG Köln, VersR 1996, S. 1491 f.; LG Karlsruhe, Urt. v. 12.10.2007, 6 O 177/07(juris)).

Nach diesen Maßstäben verletzte der Beklagte in objektiver Hinsicht seine Sorgfaltspflichten zur Überwachung der von ihm geschaffenen Gefahrenquelle in besonders gravierender Weise, als er sich nach dem Anstellen der Herdplatte für ca. 5 bis 15 Minuten aus der Küche entfernte und das Öl bzw. Fett nebst Frittiergut so lange unbeaufsichtigt ließ, bis es sich entzündete und die Wohnung in Brand setzte.

Ob von dem oben genannten Grundsatz der ständigen Beaufsichtigung siedenden Öls schon auf objektiver Ebene Ausnahmen zu machen sind, wenn der fragliche Raum nur ganz kurzfristig verlassen werden soll (vgl. OLG Köln, VersR 1991, S. 1266 ff. m.w.N.), bedarf angesichts der festgestellten erheblichen Verweildauer außerhalb der Küche keiner Entscheidung. Zudem ist vorliegend bei einem offenen Kochtopf mit Öl auch ein erheblich größeres Gefahrenpotential anzunehmen als in dem Fall einer elektrischen Fritteuse, hinsichtlich derer das OLG Köln in der zitierten Entscheidung aus VersR 1991, S. 1266 ff. zu Recht darauf hinwies, dass der technische Überhitzungsschutz und das geschlossene Behältnis das Gefahrenpotential deutlich verringern.

Angesichts des immensen Gefahrenpotentials des siedenden Öls in einem offenen Topf hätte es dem Beklagten und jedem anderen in einer vergleichbaren Situation aber einleuchten müssen, dass der Frittiervorgang nicht derart lange unbeaufsichtigt bleiben durfte. Schon mit einfachsten und naheliegenden Erwägungen hätte der Beklagte dies unabhängig von seiner vorgetragenen geringen Erfahrung als Hausmann erkennen können und müssen. Der Beklagte, der zum Schadenszeitpunkt als 33-jähriger, berufstätiger Erwachsener immerhin seit ca. 3 Jahren einen eigenen Hausstand unterhielt, ist trotz des offenbar späten Beginns einer eigenständigen Haushaltsführung zumindest in objektiver Hinsicht durchaus noch einem durchschnittlichen Verkehrskreis zuzurechnen, in dem ein verantwortungsvoller Umgang mit Kochplatten und mit siedendem Öl bzw. Fett ohne jede Einschränkung erwartet werden kann.

bb.

In subjektiver Hinsicht ist der Vorwurf eines besonders schwerwiegenden persönlichen Verschuldens aber nicht gerechtfertigt. Das Fehlverhalten des Beschuldigten bewegt sich bei einer Gesamtwürdigung seiner Person, seines Kenntnisstandes und der Umstände des Brandereignisses noch unterhalb der Grenze zur groben Fahrlässigkeit.

Zur Feststellung grober Fahrlässigkeit sind auch subjektive, in der Individualität des Handelnden begründete Umstände zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 119, S. 149; Palandt/ Heinrichs, a.a.O., § 277 Rn. 5). Diese subjektive Komponente beinhaltet die persönliche Zurechenbarkeit des objektiv schwerwiegenden Sorgfaltspflichtverstoßes. Auch in subjektiver Hinsicht muss ein schweres persönliches Verschulden vorliegen und somit ein schlechthin unentschuldbares Fehlverhalten, welches das gewöhnliche Maß erheblich übersteigt (vgl. BGH NJW 2003, S. 1118; BGH NJW 2007, S. 2988, OLG Frankfurt, Urt. v. 23.02.2005, 7 U 113/04 (juris)). Eine Entlastung findet nicht allein deshalb statt, weil eine konkrete Person nicht wusste, was jeder hätte wissen müssen. Der Fahrlässigkeitsvorwurf knüpft an ein sicheres Wissen um einen Schadenseintritt oder eine Gefahrensituation nicht zwingend an, da ein solches Wissen nur für die bewusste Fahrlässigkeit und den Vorsatz erforderlich ist (vgl. Grundmann, a.a.O., § 276 Rn. 98, Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 277 Rn. 5 m.w.N.). Auch ein Anscheinsbeweis auf Basis der objektiv schwerwiegenden Sorgfaltspflichtverletzung greift nicht (vgl. BGH WPM 1983, S. 1009; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 277 Rn. 7). Relevant ist lediglich, ob die gebotene Sorgfalt hätte bekannt sein müssen, wie erheblich gegen diese Sorgfaltsanforderungen verstoßen wurde und ob insgesamt ein schweres persönliches Verschulden vorliegt (BGH NJW 1992, S. 2418 f. [BGH 08.07.1992 - IV ZR 223/91]; BGH NJW 2003, S. 1118 [BGH 29.01.2003 - IV ZR 173/01]; BGH NJW 2007, S. 2988 [BGH 11.07.2007 - XII ZR 197/05] m.w.N., OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.2009, 10 U 88/09 (juris) m.w.N.).

Nach diesen Maßstäben liegt zur Überzeugung der Kammer ein Augenblicksversagen des Beklagten vor, das in einer Gesamtschau mit seinen persönlichen Vorkenntnissen und den konkreten Umständen bei der Entstehung des Brandes den Vorwurf eines schlechthin unentschuldbaren Fehlverhaltens nicht rechtfertigt.

Die Kammer verkennt nicht, dass ein Augenblicksversagen für sich genommen in der Regel nicht geeignet ist, vom Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu entlasten (vgl. BGH NJW 1992, S. 2418; OLG Köln, VersR 1996, S. 1491 f.; OLG Frankfurt, Urt. v. 23.02.2005, 7 U 113/04 (juris), OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.2009, 10 U 88/09 (juris)). Die Fallgruppe des Augenblicksversagens kennzeichnet insofern lediglich den Umstand, dass ein Betroffener für eine relativ kurze Zeit die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt außer Acht lässt und es deshalb zu einem Schaden kommt. Allein die Kurzfristigkeit eines Sorgfaltspflichtverstoßes beseitigt einen ansonsten begründeten Vorwurf groben Verschuldens aber grundsätzlich nicht (vgl. BGH NJW 1992, S. 2418; OLG Köln, VersR 1996, S. 1491 f.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.2009, 10 U 88/09 (juris)).

Ein Augenblicksversagen kann in subjektiver Hinsicht aber vom Vorwurf grober Fahrlässigkeit entlasten, wenn weitere Umstände den Pflichtenverstoß insgesamt in einem milderen Licht erscheinen lassen (vgl. BGH NJW 1989, S. 1354 f.; BGH NJW-RR 2000, S. 1110; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.2009, 10 U 88/09 (juris)). Dies ist zunächst bei besonderen körperlichen oder geistigen Einschränkungen wie Hirnleistungsstörungen, Konzentrationsstörungen und sonstigen Defekten anzunehmen (vgl. BGH NJW 1985, S. 2648; BGH VersR 1989, 840 f. m.w.N.). Auch einzelne Aussetzer bei ansonsten sorgfältig durchgeführten oder routinemäßig betriebenen Handlungsabläufen können entschuldigend wirken (vgl. BGH NJW 1989, S. 1354 f. [BGH 08.02.1989 - IVa ZR 57/88]; BGH NJW-RR 2000, S. 1110; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.2009, 10 U 88/09 (juris)). Die persönlichen Lebensumstände und eine mangelnde Erfahrung mit einer bestimmten Gefahrenquelle können im Einzelfall ebenfalls entlastend zu berücksichtigen sein (vgl. OLG Köln in VersR 1991, S. 1266; a.A. OLG Köln VersR 1996, S. 1491 f.). Jedenfalls sind aber die Gesamtumstände des Schadensereignisses und die persönlichen Eigenheiten des Betroffenen bei der Feststellung eines auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbaren Fehlverhaltens einzubeziehen.

Vorliegend sind diese Gesamtumstände der Schadensentstehung zur Überzeugung der Kammer geeignet, das Fehlverhalten des Beklagten insgesamt in einem milderen Licht erscheinen zu lassen und unterhalb des Verschuldensgrades der groben Fahrlässigkeit anzusiedeln.

Bei dem Beklagten trafen eine gewisse Unerfahrenheit als Hausmann und eine dementsprechende mangelnde Sensibilisierung gegenüber der Gefährlichkeit der Situation mit einer letztlich alltäglichen kurzfristigen Ablenkung als Augenblicksversagen zusammen. Weder das erste - nur kurzfristig geplante - Verlassen der Küche noch die anschließend vergessene Rückkehr rechtfertigen den Vorwurf eines schweren persönlichen Verschuldens. Die Unerfahrenheit des Beklagten ist vielmehr geeignet, in einer Zusammenschau mit dem anschließenden Augenblicksversagen der Ablenkung den Pflichtenverstoß in einem milderen Lichte erscheinen zu lassen.

Nach dem unwiderlegten Vortrag des Beklagten, der auch im Rahmen seiner informatorischen Anhörung vor der Kammer bestätigt wurde, hat der Beklagte erst sehr spät eine eigenständige Haushaltsführung aufgenommen. Gerade im Hinblick auf die Zubereitung von warmen Mahlzeiten wurde der Beklagte zunächst von seiner Mutter und anschließend nach Gründung eines eigenen Hausstandes von seiner damaligen Partnerin umsorgt. Eigene Erfahrungen mit der Essenszubereitung sammelte der Beklagte erst seit kurzer Zeit. Den Topf mit Frittiereinsatz hatte der Beklagte aber schon vorher zur Zubereitung anderer Speisen benutzt, ohne dass es zu einem Brand gekommen ist. Es konnte nicht widerlegt werden, dass der Beklagte hinsichtlich der erheblichen Brandgefahr eines solchen Topfes nicht ausreichend sensibilisiert war.

Zudem hatte der Beklagte die Herdplatte gerade erst angestellt und hatte das Öl gerade erst angefangen, sich zu erhitzen, als der Beklagte die Küche verließ. Ein kurzfristiges Verlassen der Küche am Anfang dieser ersten Erhitzungsphase stellt sich aber noch nicht als unvertretbares Fehlverhalten dar.

Bei dieser Bewertung verkennt die Kammer nicht, dass der Beklagte seinem eigenen Vortrag nach gar nicht beabsichtigte, den Frittiervorgang ständig zu überwachen. Der Beklagte wollte vielmehr in gewissen Abständen den Garzustand der Kartoffelröllchen überprüfen. Gleichwohl ist die Kammer davon überzeugt, dass in der vollständigen Ablenkung vom Frittiervorgang im Ergebnis ein Augenblicksversagen zu sehen ist, welches mit der mangelnden Sensibilisierung gegenüber der Gefährlichkeit der Lage und der Unerfahrenheit des Beklagten zusammenhängt und nur in dieser Gesamtschau im Hinblick auf das Ausmaß der persönlichen Vorwerfbarkeit zu würdigen ist.

Damit schließt sich die Kammer nicht der Rechtsauffassung des OLG Köln in VersR 1996, S. 1491 f. an, nach der allein das kurzfristige Begeben auf ein Sofa bereits als solches den Vorwurf eines subjektiv unentschuldbaren Fehlverhaltens rechtfertigt, da im Vergleich zu anderen Tätigkeiten wie Tischdecken etc. die Gefahr einer Ablenkung stark erhöht sei. Diese Einschätzung mag bei entsprechender Sensibilisierung gegenüber einer bestimmten Gefahr auch durchaus zutreffen. Ohne eine solche Sensibilisierung kann die Art der zwischenzeitlich beabsichtigten Tätigkeit aber nicht als solche ein besonders gravierendes persönliches Verschulden begründen.

Allein die festgestellte Tatsache, dass der Beklagte spät in der Nacht nach Hause kam und sich trotz des vorangegangenen Alkoholkonsums noch eine Mahlzeit zubereiten wollte, wirkt bei dieser Verschuldensabwägung weder in besonderer Weise zu Gunsten noch zu Lasten des Beklagten. Tragfähige Beweise dafür, dass der Beklagte gerade wegen seines Alkoholkonsums nicht mehr zu einer sicheren Bedienung des Herdes in der Lage war oder vor dem Fernseher einschlief, liegen nicht vor. Soweit wegen der Uhrzeit und der unstreitigen Alkoholisierung die Konzentrationsfähigkeit des Beklagten eingeschränkt war und dies die Wahrscheinlichkeit eines kurzzeitigen Vergessens der Gefahrenquelle erhöht haben mag, ist dies weder hinreichend quantifizierbar noch hinreichend sicher feststellbar. Das sicher feststellbare und auch persönlich vorwerfbare Fehlverhalten des Beklagten erschöpft sich darin, dass der als Hausmann unerfahrene Beklagte die Küche in Verkennung des Gefahrenpotentials seiner Handlungen zunächst nur kurz verlassen wollte und sich dann vom Fernsehprogramm hat ablenken lassen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Wegen der heterogenen Rechtsprechung der Instanz- und Obergerichte zu den in objektiver und subjektiver Sicht einzuhaltenden Sorgfaltsanforderungen beim Erhitzen von Öl oder Fett in einem offenen Kochtopf erfordern die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision, § 543 Abs. 2 S. 2 ZPO.