Landgericht Osnabrück
Urt. v. 30.04.2010, Az.: 15 O 420/09

Anspruch eines Insolvenzverwalters gegen einen früheren Gesellschafter des Schuldners auf Zahlung einer restlichen Stammeinlage

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
30.04.2010
Aktenzeichen
15 O 420/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 28631
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2010:0430.15O420.09.0A

Fundstelle

  • ZInsO 2010, 1846-1847

Verfahrensgegenstand

Zahlung einer Stammeinlage gem. §§ 19, 22 GmbHG

In dem Rechtsstreit
...
hat die 15. Zivilkammer (3. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Osnabrück
im schriftlichen Verfahren
gemäß § 128 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 16.04.2010
am 30.04.2010
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Bookjans
den Handelsrichter Robben und
den Handelsrichter Wygold
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.250,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2009 zu zahlen.

  2. 2.)

    Der Beklagte trägt die Kosten, des Rechtsstreits.

  3. 3.)

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der zu vollstreckenden Forderung vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. xxx GmbH (nachfolgend Schuldnerin) gegen den Beklagten als früheren Gesellschafter einen Anspruch auf Zahlung einer restlichen Stammeinlage geltend.

2

Die Schuldnerin ist durch notariellen Vertrag vom 12.01.2001 xxx xxx gegründet worden. Gründungsgesellschafter waren der Beklagte und Herr xxx Sxxx. Von dem Stammkapital in Höhe von 25.000,00 EUR entfielen jeweils 12.500,00 EUR auf die beiden Gründungsgesellschafter. Diese haben jeweils 6.250,00 EUR auf das Stammkapital eingezahlt. Die restlichen Stammeinlagen sollten erst aufgrund einer Anforderung der Gesellschaft fällig werden.

3

Durch notariellen Vertrag vom 09.01.2004 xxx hat der Beklagte seinen Geschäftsanteil in Höhe von 12.500,00 EUR gegen Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 12.782,30 EUR auf den Mitgesellschafter Sxxx übertragen.

4

Durch Beschluss des Amtsgericht Bersenbrück vom 06.08.2008 ist über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzvermögen eröffnet worden. Der Kläger ist zum Insolvenzverwalter bestellt worden. In dem Verfahren 15 O 505/08 LG Osnabrück hat der Kläger gegen den Gesellschafter Sxxx einen Anspruch auf Einzahlung des restlichen Stammkapitals in Höhe von 12.500,00 EUR eingeklagt. Sxxx ist durch Anerkenntnisurteil vom 30.01.2009 in vollem Umfang verurteilt worden. Die Zwangsvollstreckung durch den Kläger ist erfolglos geblieben. Sxxx hat unter dem 12.08.2008 die eidesstattliche Versicherung abgegeben xxx.

5

Der Kläger hat Sxxx mit Schreiben vom 05.03.2009 gem. § 21 eine Frist zur Zahlung der restlichen Stammeinlagen innerhalb eines Monats ab Zustellung des Schreibens gesetzt und den Ausschluss aus der Gesellschaft angedroht, falls innerhalb der Frist keine Zahlung erfolgt. Das Schreiben ist am 09.03.2009 zugestellt worden. Mit dem am 28.04.2009 zugestellten Schreiben vom 27.04.2009 hat der Kläger Sxxx mitgeteilt, dass sein Gesellschaftsanteil kaduziert worden sei. Sxxx hat mit Schreiben vom 19.05.2009 sein Einverständnis mit einer freihändigen Veräußerung des kaduzierten Gesellschaftsanteils erklärt.

6

Der Kläger meint, der Beklagte sei nach der Kaduzierung des Gesellschaftsanteils des Gesellschafters Sxxx als dessen Rechtsvorgänger gem. § 22 GmbHG zur Einzahlung der rückständigen auf den übertragenen Geschäftsanteil entfallenden Stammeinlage verpflichtet.

7

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 6.250,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zuzahlen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Der Beklagte meint, er hafte nicht für die auf den abgetretenen Geschäftsanteil entfallende offene Stammeinlagenverpflichtung, weil diese zur Zeit der Abtretung des Geschäftsanteil nicht fällig gewesen sei. Im Übrigen bestreitet der Beklagte die wieteren Voraussetzungen für eine Haftung gem.§ 21 ff. GmbHG, insbesondere dass alle Möglichkeiten zur Durchsetzung der Forderung gegen Sxxx ausgeschöpft worden seien, dieser absolut zahlungsunfähig sei und die Voraussetzungen einer wirksamen Kadzierung gegeben seien.

10

Durch Beschluss vom 05.03.2010 ist auf Antrag der Parteien das schriftliche Verfahren mit einer Erklärungsfrist bis zum 16.04.2010 angeordnet worden.

11

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die bis zum 16.04.2010 eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten gem. §§ 19, 22 GmbHG ein Anspruch auf Zahlung einer restlichen Stammeinlage in Höhe von 6.250,00 EUR zu.

13

Der Beklagte war Gesellschafter der Schuldnerin und zu 50% an dem Stammkapital in Höhe von 25.000,00 EUR beteiligt. Auf seinen Gesellschaftsanteil in Höhe von 12.500,00 EUR sind lediglich 6.250,00 EUR eingezahlt worden. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung des restlichen Anteils der Stammeinlage. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagten seinen Gesellschaftsanteil durch notariellen Vertrag vom 09.01.2004 auf den Mitgesellschafter Sxxx übertragen hat und zu diesem Zeitpunkt die restliche Stammeinlage mangels Anforderung oder besonderer Vereinbarung noch nicht fällig war. Denn der Beklagte haftet hier als Rechtsvorgänger des Gesellschafters Sxxx gem. § 22 Abs. 1 GmbHG nach der Einziehung des Geschäftsanteils des Gesellschafters Sxxx. Diese Haftung setzt anders als bei der Mithaftung des Rechtsvorgängers gem. § 16, Abs. 2 GmbHG nicht voraus, dass die restliche Einlagenforderung bei der Übertragung des Geschäftsanteils bereits fällig war (vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, Rdn. 29 zu § 16 GmbHG). Dies zeigt auch die Regelung in § 22 Abs. 3 Satz 1 GmbHG. Danach ist die Haftung des Rechtsvorgängers auf die innerhalb von 5 Jahren nach dem Rechtsübergang eingeforderten Einlageverpflichtungen beschränkt. Die Haftung bezieht sich demnach innerhalb des 5-Jahreszeitraums gerade auch auf die Einlageverpflichtungen, die durch die Einforderung erst fällig, werden. Es kommt deshalb für die Haftung des Beklagten als Rechtsvorgänger des Gesellschafters Sxxx für die rückständige Einlageforderung nur darauf an, ob die Voraussetzungen für eine wirksame Kaduzierung des Gesellschaftsanteils von Sxxx vorgelegen haben und die Kaduzierung erfolgt ist. Das ist hier der Fall. Der Kaduzierung steht nach allgemeiner Ansicht nicht entgegen, dass Sxxx zuletzt Alleingesellschafter war. In dem Fall ist es insbesondere dem Insolvenzverwalter nicht verwehrt, wegen der ausstehenden Einlageverpflichtung den Gesellschaftsanteil des alleinigen Gesellschafters zu kaduzieren, um ggf. auf die Rechtsvorgänger zurückgreifen zu können Die Voraussetzungen für die Kaduzierung gem. § 21 GmbHG sind erfüllt. Die rückständige Einlageforderung ist gegenüber dem Gesellschafter Sxxx spätestens mit der Erhebung der Klage in dem Verfahren 15 O 505/08 LG Osnabrück eingefordert und damit fällig gestellt worden. Eines Beschusses der Gesellschafterversammlung gem. § 46 Nr. 2 GmbHG bedurfte es für die Einforderung der bisher nicht fälligen Einlageforderung nicht. Im Falle der Insolvenz kann der Insolvenzverwalter die Einlageforderung durch einfache Einforderung fällig stellen (vgl. RGZ, 76, 434, 438 f, BGH GmbHR 2008, 147 ff [BGH 15.10.2007 - II ZR 216/06]). Denn mit der Verfahrenseröffnung geht das Recht, die zur Insolvenzmasse der GmbH im Sinne des § 35 InsO zählende Forderung geltend zu machen, auf den Insolvenzverwalter über. Mit dem Wegfall der bisherigen Rechtszuständigkeit entfällt die Kompetenz der Gesellschafterversammlung. Dementsprechend ist der Insolvenzverwalter an gesetzliche oder satzungsrechtliche Einschränkungen, die Art oder Zeitpunkt der Geltendmachung der Ansprüche betreffen und ihre Durchsetzung erschweren, nicht gebunden. Ob in der Klage gegen Sxxx zwischen den beiden Stammeinlagen unterschieden worden ist, ist unerheblich ist. Da Sxxx alleiniger Gesellschafter geworden war, war klar, dass mit der Klage auch die auf den übernommenen Geschäftsanteil entfallende Forderung geltend gemacht werden sollte. Der Kläger hat den Gesellschafter Sxxx auch gem. § 21 Abs. 1 GmbHG erneut zur Zahlung innerhalb einer bestimmten Frist verbunden mit der Androhung des Ausschlusses aus der Gesellschaft aufgefordert. Dies ist mit dem Schreiben des Klägers vom 05.03.2008 erfolgt, in dem der Gesellschafter Sxxx zur Zahlung der restlichen Stammeinlagen innerhalb eines Monats ab Zustellung des Schreibens unter Androhung des Ausschlusses aus der Gesellschaft zur Zahlung aufgefordert worden ist. Das Schreiben vom 05.03.2008 ist Sxxx nach der in Kopie vorgelegten Urkunde des Gerichtsvollziehers Kxxx am 09.03.2009 persönlich übergeben und damit zugestellt worden. Die Nachfrist zur Zahlung lief somit am 09.04.2009 ab. Mit dem Schreiben vom 27.04.2009 hat der Insolvenzverwalter Sxxx sodann des Geschäftsanteils für verlustig erklärt. Das Schreiben ist Sxxx ausweislich der in Kopie vorliegenden Urkunde dse Gerichtsvollziehers Kxxx am 28.04.23009 zugestellt worden. Eines Gesellschafterbeschlusses bedurfte es hier wegen der Bestellung eines Insolvenzverwalters ebenfalls nicht. Damit liegen die Voraussetzungen für die Haftung des Beklagten in Höhe der rückständigen Einlageverpflichtung hinsichtlich des von ihm auf Sxxx übertragenen Geschäftsanteils vor. Das pauschale Bestreiten der Voraussetzungen der Kaduzierung durch den Beklagten unter Berücksichtigung der in Kopie vorgelegten Unterlagen durch den Kläger nicht ausreichend.

14

Auf die Frage, ob Sxxx nicht in der Lage war, die Einlageforderung zu erfüllen, kommt es nicht an. Dies ist gem.§ 22 Abs. 2 S. 1 GmbHG im Falle der Inanspruchnahme eines "früheren" Rechtsvorgängers, also nicht für die Haftung des ersten Rechtsvorgängers wie bei dem Beklagten von Bedeutung (vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck GmbHG 19. Aufl., § 22 Rdn. 5 m.w.N.). Im Übrigen hat Sxxx am 12.08.2008 die eidesstattliche Versicherung abgegeben, woraus auf eine Zahlungsunfähigkeit zu schließen ist. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob nicht ohnehin die Voraussetzungen für die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit gem. § 22 Abs. 2 GmbHG vorliegen.

15

Der Beklagte kann sich hier nicht auf die Haftungsbeschränkung des § 22 Abs. 3 GmbHG berufen. Danach ist die Haftung des Rechtsvorgängers auf die Einlageforderung beschränkt, die innerhalb einer Frist von 5 Jahren seit dem Zeitpunkt, ab dem der Rechtsnachfolger im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, eingefordert worden ist. Maßgeblich ist dabei die Einforderung gegenüber dem Rechtsnachfolger, hier also dem Gesellschafter Sxxx der primär Schuldner der Einlageforderung war (vgl. Hachenburg-Müller, GmbHG, § 22 Rdn 17; Scholz-Emmerich, GmbHG, 10. Aufl., § 22 Rdn. 15; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6 Aufl., § 22 Rdn. 6). Die Frist von 5 Jahren begann mit der Anmeldung des Erwerbs der Geschäftsanteile des Beklagten durch Sxxx bei der Gesellschaft unter Nachweis des Übergangs der Gesellschafterstellung, § 16 Abs. 1 a.F. GmbHG). Dies kann frühestens mit dem Übertragungsvertrag vom 09.01.2004 der Fall gewesen sein, so dass die Einforderung der restlichen Stammeinlage spätestens mit der Klage gegen den Gesellschafter Sxxx im Jahr 2008 rechtzeitig im Sinne des § 22 Abs. 3 GmbHG erfolgt ist.

16

Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

17

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.

Bookjans
Robben
Wygold