Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 18.08.2010, Az.: 1 S 446/09
Zulässigkeit von Berichtigungsanträgen
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 18.08.2010
- Aktenzeichen
- 1 S 446/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 48107
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 320 ZPO
In dem Rechtsstreit
----------------------------------------------------------------------------------------
Klägerin, Berufungsklägerin und Antragstellerin,
Prozessbevollmächtigte: -------------------------------------------------------
gegen
----------------------------------------------------------------------------------------
Beklagten, Berufungsbeklagten und Antragsgegner,
Prozessbevollmächtigte: ------------------------------------------------------
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts ----------------------------- am 18.08.2010 durch den Präsidenten des Landgerichts -------------------------------, den Richter am Landgericht ------------------------------------ und den Richter ----------------------------------- beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die tatbestandlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts ------------------ vom 30.06.2010, Aktenzeichen 1 S 446/09, werden wie folgt berichtigt:
Auf Seite 4 des Urteils wird im fünften Absatz der Satzteil "und befand sich insofern - für die Kammer durchaus nachvollziehbar - in einem zumindest schockähnlichen Zustand" ersatzlos gestrichen.
Auf Seite 9 des Urteils wird im zweiten Absatz der Satz "Zudem hatte das Öl gerade erst angefangen, sich zu erhitzen, als der Beklagte die Küche verließ" ersetzt durch den Satz "Das Fett war zerschmolzen und schon warm, als der Beklagte die tiefgefrorenen Kartoffelröllchen hineingab und die Küche verließ."
- 2.
Die weitergehenden Anträge werden zurückgewiesen.
Gründe
Die zulässigen Berichtigungsanträge sind im tenorierten Umfang begründet, da die betroffenen Passagen des Urteils unrichtige oder zumindest missverständliche tatsächliche Feststellung enthielten. Im Übrigen haben die Berichtigungsanträge in der Sache aber keinen Erfolg.
I.
Der Berichtigungsantrag zu Ziffer 1. ist unbegründet, da er sich lediglich gegen die zusammenfassende Darstellung der erstinstanzlichen Entscheidung richtet. Der Berichtigung nach § 320 ZPO zugänglich sind aber nur solche Teile des Tatbestandes, die der erhöhten Beweiskraft des § 314 ZPO unterliegen (vgl. BGH NJW 1983, S. 2032 [BGH 17.02.1983 - III ZR 174/81]; OLG Karlsruhe v. 20.11.2008, 17 U 364/08 (juris)). Bei der lediglich reproduktiven und zusammenfassenden Prozessgeschichte eines Berufungsurteils bzw. der Darstellung der erstinstanzlichen Entscheidung ist dies nicht der Fall (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 68. Aufl., § 320 Rn. 4, 5; OLG Karlsruhe v. 20.11.2008, 17 U 364/08 (juris)). Nur das erstinstanzliche Urteil, auf welches auch vorliegend Bezug genommen wurde, dokumentiert mit der Beweiskraft des § 314 ZPO das Vorbringen in erster Instanz.
Unabhängig davon stellen sich die Feststellungen des Amtsgerichtes ---------------------- in der Sache nicht als reine Schlussfolgerungen dar, wie es die Antragstellerin betont wissen möchte. Das Amtsgericht konnte bei dieser Feststellung auf das ausdrückliche Bekunden des Beklagten zurückgreifen, nach dem Anstellen des Fernsehers zurückkehren zu wollen und den Garvorgang kontrollieren zu wollen (Bl. 153 Bd. I d. A.). Dass das Amtsgericht zusätzliche Plausibilitätserwägungen anstellt, verschiebt diese Feststellungen nicht zwangsläufig in den Bereich der Spekulation.
II.
Auch im Übrigen liegen Unrichtigkeiten, Dunkelheiten, Auslassungen oder Widersprüche nach § 320 Abs. 1 ZPO, die eine Berichtigung erforderlich machten, nicht vor. Für eine Tatbestandsberichtigung bleibt mithin kein Raum, wenn das relevante Parteivorbringen sinngemäß zutreffend wiedergegeben wurde (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rn. 4). Dies ergibt sich schon daraus, dass der Tatbestand nach § 313 Abs. 1 ZPO die vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel "nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp" darzustellen hat. Zusammenfassungen sind dabei typisch und notwendig.
1.
Insofern führen die Berichtigungsanträge zu den Ziffern 2 bis 4 nicht zum Erfolg. Die in das Wissen des Zeugen --------------------------- gestellten Tatsachen wurden sinngemäß zutreffend dargestellt und zusammenfasst. Die zusammenfassende Formulierung "undeutliche" Aussprache statt einer "verwaschenen und lallenden" Aussprache ist weder missverständlich noch unzutreffend.
Die angegriffenen Formulierungen enthalten auch keine wesentlichen Auslassungen. Insbesondere wird die Bedeutung und Zielrichtung der behaupteten Wahrnehmungen des Zeugen ------------------------------ nicht dadurch beeinträchtigt oder verfälscht, dass im Urteil im Hinblick auf die zu bekundende "Alkoholfahne" nicht das Adjektiv "intensiv" mit aufgeführt ist. Es wird gleichwohl hinreichend deutlich, dass der Zeuge mithin Aussagen zu einer gesteigerten bzw. erheblichen Alkoholisierung des Beklagten machen sollte.
Unabhängig von den konkreten Formulierungen bleibt es zudem dabei, dass die Kammer auch auf Basis einer zu bekundenden "verwaschenen und lallenden" Aussprache oder einer "intensiven" Alkoholfahne keine hinreichend sicheren Rückschlüsse auf deren Kausalität für das Brandgeschehen und das maßgebliche Geschehen in der Wohnung hätte ziehen können. Soweit sich die Außerachtlassung dieses Beweisangebotes als rechtsfehlerhaft erwiese, gälte dies ohnehin unabhängig davon, in welcher Ausführlichkeit die in das Wissen des Zeugen gestellten Tatsachen im Urteil dargestellt werden oder ob sie überhaupt erwähnt werden.
2.
Der Berichtigungsantrag zu Ziffer 5 ist über die im Tenor dieses Beschlusses vorgenommene Streichung hinaus ebenfalls unbegründet.
Der Antragsbegründung ist zwar zuzustimmen, dass in den Sitzungsprotokollen und den gewechselten Schriftsätzen nicht ausdrücklich niedergelegt ist, dass der Beklagte zum fraglichen Zeitpunkt nachts auf der Straße vor dem brennenden bzw. gelöschten Haus deutlich unter dem Eindruck des vorangegangenen Brandereignisses stand. Zur Überzeugung der Kammer wurde im Rahmen der Sitzung vom 19.05.2010 bei der Anhörung des Beklagten aber thematisiert und vom Beklagten dargelegt, wie dieser zunächst aus dem brennenden Haus rannte, zwischenzeitlich noch einmal in das Haus hineinlief und sich insgesamt in großer Aufregung befand. Die Feststellung, dass der Beklagte in der fraglichen Nacht deutlich unter dem Eindruck der Ereignisse stand, ist daher zutreffend, auch wenn die diesbezüglichen Angaben nicht ausdrücklich im Sitzungsprotokoll dokumentiert wurden. Die diesbezügliche Einschätzung der körperlichen und geistigen Verfassung des Beklagten klingt aber auch im Sitzungsprotokoll durchaus an, soweit der Beklagte z.B. im Hinblick auf seine behauptete undeutliche Aussprache ausführt, dass der Zeuge -------------------------- gar nicht wissen könne, wie er "normalerweise" spreche, Bl. 96 Bd. II d.A.
Inwiefern diese Aufregung bzw. Verwirrung des Beklagten einen schockähnlichen Zustand erreichte und welche medizinischen Kriterien dafür hätten erfüllt sein müssen, hat die Kammer aber nicht mit hinreichender Sicherheit für eine diesbezügliche Feststellung aufgeklärt. Der entsprechende Halbsatz war insofern zu streichen.
3.
Die unter den Ziffern 6 bis 8 des Berichtigungsantrages angegriffenen Ausführungen zur geplanten "kurzfristigen" Entfernung des Beklagten aus der Küche und seiner relativen Unerfahrenheit als Hausmann sind nicht zu berichtigen.
Diese Formulierungen in den Entscheidungsgründen stellen sich als Bewertungen des Sach- und Streitstandes dar, welcher im übrigen Berufungsurteil und in dem Urteil erster Instanz festgestellt wurde, und sind als solche nicht der Tatbestandberichtigung nach § 320 ZPO zugänglich. Die Entscheidungsgründe sind nur insoweit mit den Tatbestandsberichtigungsanträgen angreifbar, wie darin erkennbar tatsächliche Feststellungen getroffen werden sollen (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rn. 4 m.w.N.; Stein/Jonas/Leipold, ZPO; 22. Aufl. Bd. 4, § 320 Rn. 9, 10 m.w.N.). Bei Wertungen ist dies gerade nicht der Fall.
Wenn die Kammer also jemanden, der zwischen September 2006 und Februar 2007 erstmals alleine in einer Wohnung lebte und vorher von seiner Mutter oder seiner Freundin bekocht wurde, für hausmännisch unerfahren hält und ihm eine "gewisse Unerfahrenheit" attestiert, ist dies weder eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung noch eine lückenhafte Wiedergabe des Parteivortrages, sondern eine Bewertung desselben.
Gleiches gilt für die "Kurzfristigkeit" des Verlassens der Küche. Die Formulierung "kurzfristig" stellt ebenfalls eine zusammenfassende Bewertung dar und trifft als solche keine tatbestandliche Feststellung zur genauen Dauer der geplanten Abwesenheit.
Entgegen den Ausführungen des Berichtigungsantrages kann diese Zeitspanne zudem nicht mit der Dauer der tatsächlichen Abwesenheit des Beklagten oder mit der geschätzten Länge des Frittiervorgangs gleichgesetzt werden; eine dahingehende Tatbestandsberichtigung wäre falsch. Der Beklagte wollte den Garvorgang, dessen Dauer er mit ca. 10 bis 15 Minuten veranschlagte, zwischenzeitlich kontrollieren. Der Zeitabstand zwischen dem Verlassen der Küche und der geplanten Kontrolle muss den Zeitraum von 10 bis 15 Minuten also unterschreiten. Vor der Kammer hat der Beklagte im Rahmen seiner Anhörung ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 19.05.2010 sogar angegeben, dass er "eigentlich sofort" zurückgehen wollte (Bl. 95 Bd. II d. A.).
Da die Kammer diesbezüglich aber keine weitergehenden sicheren Feststellungen treffen konnte, wann, wie oft und in welchem genauen zeitlichen Abstand die Kontrollen stattfinden sollten, ist diese unklare Zeitspanne für das Anstellen des Fernsehers bis zur ersten geplanten Rückkehr zu Kontrollzwecken mit der wertenden Formulierung "kurzfristig" mithin zutreffend beschrieben, ohne dass dadurch zu berichtigende Unklarheiten, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche entstehen.
4.
Soweit im Berichtigungsantrag unter Ziffer 7b zusätzlich ausgeführt wird, dass der Beklagte die Rückkehr in die Küche nicht vergessen habe, sondern sich habe ablenken lassen, ist ein Widerspruch zwischen diesen Formulierungen nicht ersichtlich und ergibt sich auch nicht aus der Begründung des Berichtigungsantrages. Wenn der Beklagte seinen vorher bestehenden Plan, den Garvorgang zu kontrollieren, nicht mehr umsetzte, weil er sich hatte ablenken lassen, dann hatte er die geplante Rückkehr mithin kurzzeitig "vergessen". Irgendwelche zu berichtigenden Unklarheiten bestehen bei dieser Formulierung nicht.
5.
Im Übrigen besteht ein Anspruch auf die begehrten weitgehend wortlautgetreuen Wiedergaben des Parteivortrages bzw. auf wiederholte umfangreiche Einfügungen des betroffenen Parteivortrages in die Entscheidungsgründe nicht.
Die in den verschiedenen Anträgen der Antragstellerin vermisste wörtliche oder umfangreichere Wiedergabe des jeweiligen Parteivorbringens ist durch die nach § 313 Abs. 2 S. 1 ZPO vorgeschriebene Kürze des Tatbestandes bedingt und durch die im Tatbestand enthaltene Verweisung auf die Schriftsätze gedeckt, § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO. Die gerügten Passagen enthalten jeweils zutreffende Zusammenfassungen des Sachvortrages. Zu berichtigende Unrichtigkeiten, Dunkelheiten, Auslassungen oder Widersprüche bestehen nicht.