Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 02.09.2005, Az.: L 1 RA 243/03
Verletzung des Eigentumsgrundrechts des Art. 14 GG durch die Erhebung von Abschlägen von einer Witwenrente; Ermittlung des Zugangsfaktors nach den Vorgaben des § 77 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 02.09.2005
- Aktenzeichen
- L 1 RA 243/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 23285
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2005:0902.L1RA243.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Stade - 14.10.2003 - AZ: S 4 RA 193/02
Rechtsgrundlagen
- Art. 14 GG
- § 46 Abs. 1 SGB VI
- § 46 Abs. 2 SGB VI
- § 46 Abs. 2b SGB VI
- § 46 Abs. 3 SGB VI
- § 77 SGB VI
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte berechtigt war, die der Klägerin gewährte, wiederaufgelebte Witwenrente (nach dem vorletzten Ehegatten) mit Abschlägen zu versehen.
Die am 8. November 1968 geborene Klägerin war in erster Ehe mit dem am 5. Dezember 1960 geborenen I. (im Folgenden: Versicherter) verheiratet (Heiratsdatum: 22. Oktober 1991). Aus der Ehe gingen die beiden Kinder J. (geb. am 23.01.1992) und K. (geb. am 14.06.1993) hervor. Am 9. Dezember 1995 verstarb der Versicherte.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 1996 gewährte die Beklagte der Klägerin für die Zeit ab dem Todestag Große Witwenrente (Zahlbetrag ab Februar 1997 monatlich 375,61 DM).
Am 20. März 1997 heiratete die Klägerin erneut (Herrn L.; im Folgenden: zweiter Ehemann). Anlässlich der Wiederheirat wurde die Große Witwenrente mit dem 24-fachen Monatsbetrag abgefunden (Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 1997, Auszahlungsbetrag 9.352,07 DM). Der zweite Ehemann verstarb am 28. April 2001. Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des zweiten Ehemannes erhielt die Klägerin nicht. Dessen Versicherungskonto wies nämlich lediglich 53 Kalendermonate mit Beitrags- und Ersatzzeiten auf.
Am 22. Mai 2001 stellte die Klägerin den zum vorliegenden Verfahren führenden Antrag auf Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten (hier nach dem Versicherten). Die Beklagte entsprach diesem Antrag mit dem Bescheid vom 28. September 2001 für die Zeit ab dem 1. Mai 2001. Bei der Berechnung der Rentenhöhe wandte die Beklagte das ab dem 1. Januar 2001 geltende Recht an, wonach die Regelungen über die Absenkung des Zugangsfaktors bei vorzeitiger Inanspruchnahme von Altersrenten auf Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenrenten erstreckt worden waren. Übergangsrechtlich ergab sich im Falle der Klägerin ein um 5mal 0,003 = 0,015 geminderter Zugangsfaktor, also 0,985 statt 1,000. Den dagegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid vom 21. August 2002 zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde am 2. September 2002 zugestellt.
Dagegen hat die Klägerin am 25. September 2002 Klage zum Sozialgericht (SG) Stade erhoben. Sie hat vorgetragen, der Gesetzgeber habe die Hinterbliebenenrenten in einer gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) verstoßenden Weise den Altersrenten gleichgestellt. Während es die Versicherten nämlich bei den Altersrenten weitestgehend selbst in der Hand hätten, das Renteneintrittsalter und damit das Entstehen von Abschlägen zu bestimmen, sei dies bei den Hinterbliebenenrenten, die allein an den Tod des Versicherten und den damit verbundenen Unterhaltsausfall anknüpften, von vornherein ausgeschlossen.
Das SG hat die Klage durch sein Urteil vom 14. Oktober 2003 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, bereits aus fiskalischen Gründen sei es gerechtfertigt, die Absenkung des Zugangsfaktors auch auf die Hinterbliebenenrenten zu erstrecken. Es komme lediglich darauf an, dass eine längere Bezugszeit die Rentenkassen stärker belaste. Ob dies freiwillig oder unfreiwillig geschehe, sei unerheblich. Das SG hat die Sprungrevision nicht zugelassen.
Dagegen richtet sich die Klägerin mit ihrer am 10. November 2003 eingegangenen Berufung. Zu deren Begründung trägt sie zunächst vor, sie genieße Vertrauensschutz wegen der von Dezember 1995 bis März 1997 erfolgten erstmaligen Zahlung der Hinterbliebenenrente. Beim Wiederaufleben müsse der bisherige Zugangsfaktor weiterhin maßgebend bleiben. Abgesehen davon müsse angenommen werden, dass die Erstreckung der Rentenabschläge auf Hinterbliebenenrenten gegen die Vorgaben der Verfassung verstoße. Die Ausdehnung der Abschläge auf Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sei mit dem Argument zu rechtfertigen, Ausweichreaktionen vorzubeugen. Dieser Gesichtspunkt fehle bei den Hinterbliebenenrenten von vornherein. Abgesehen davon stehe eine Witwe wie die Klägerin im Verhältnis zu derjenigen Gruppe der (älteren) Bezieher einer Hinterbliebenenrente schlechter, bei der der verstorbene Versicherte bereits eine mit Abschlägen versehene Rente bezogen habe, bei der nicht nochmals Abschläge vorgenommen würden und bei der die Ehegatten noch zu Lebzeiten des Versicherten die Möglichkeit gehabt hätten, den Umfang der Altersversorgung zu bestimmen.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 14. Oktober 2003 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2002 zu ändern,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Große Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten mit ungemindertem Zugangsfaktor zu gewähren und
hilfsweise,
- 3.
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der Rentenakten der Beklagten verwiesen. Diese Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten zuvor mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt hatten (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die gemäß den §§ 143 f. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet.
Weder das Urteil des SG noch die Bescheide der Beklagten sind zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, ihre wiederaufgelebte Hinterbliebenenrente abschlagsfrei ausgezahlt zu bekommen. Sie muss vielmehr eine Minderung in Kauf nehmen, die in ihrem übergangsrechtlich geregelten Fall einen Abschlag von 1,5% bedeutet, also eine Auszahlung von 98,5% der ungeminderten Rente.
Der Frage danach, ob die Beklagte den Zugangsfaktor absenken durfte, war zur Einordnung des Problems vorauszuschicken, dass die Klägerin ihre Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten auf der Grundlage des § 46 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 bis 2 b Sozialgesetzbuch (SGB) VI erhält. Unter den sonstigen Voraussetzungen für eine Kleine oder Große Witwenrente (hier: Große Witwenrente auf der Basis der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit durch den Versicherten sowie die Erziehung der Kinder Thaddäus und Josefine seitens der Klägerin) besteht für den überlebenden Ehegatten der Anspruch auf Witwenrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst worden ist (dazu zählt auch die Beendigung durch Tod des zweiten Ehemanns). Die Rente wird - wie die erste weggefallene und gemäß § 107 SGB VI abgefundene Rente - als Große Witwenrente zeitlich unbegrenzt gezahlt (als Kleine Witwenrente würde sie seit der Rechtsänderung zum 1. Januar 2002, BGBl. I 2001, S. 403, für längstens 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats des Versterbens gezahlt, § 46 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 SGB VI). Die Höhe des Rentenartfaktors richtet sich nach den §§ 67 Nr. 6, 78 a SGB VI, hier übergangsrechtlich nach § 255 Abs. 1 SGB VI. Neben dem zwischen den Beteiligten nicht streitigen Rentenartfaktor und den ebenfalls unstreitigen Berechnungsgrößen der persönlichen Entgeltpunkte und des aktuellen Rentenwertes bestimmt der hier streitige Zugangsfaktor die Höhe des Monatsbetrages der Rente. Denn die in § 64 SGB VI festgelegte Rentenformel lautet:
Unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelte persönliche Entgeltpunkte x Rentenartfaktor x aktueller Rentenwert = Monatsbetrag der Rente.
Die Ermittlung des Zugangsfaktors richtet sich nach den Vorgaben des § 77 SGB VI. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift ist für den Zugangsfaktor das Alter des Versicherten bei Rentenbeginn bzw. Tod maßgeblich und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrages der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Bei Hinterbliebenenrenten wie hier der Witwenrente der Klägerin ist der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, für jeden Kalendermonat vom Ablauf des Versterbensmonats, frühestens vom Zeitpunkt der Vollendung des 60. Lebensjahres, bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres des Versicherten um 0,3% abzusenken, § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 a) und Satz 2 SGB VI. Die am 1. Januar 2001 in Kraft getretene (Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl. I S. 1827; Korrekturgesetz vom 19. Dezember 1998, BGBl. I S. 3843) Neufassung des § 77 SGB VI ist dabei übergangsrechtlich durch § 264 c SGB VI i.V.m. der Anlage 23 zum SGB VI in der Weise abgemildert worden, dass bei Beginn einer Rente wegen Todes vor dem 1. Januar 2004 anstelle der Vollendung des 60. Lebensjahres (§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4.a) i.V.m. Satz 2 SGB VI: Maßgeblichkeit der Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors, wenn bei einer Hinterbliebenenrente der Versicherte - wie hier - vor Vollendung seines 60. Lebensjahres verstorben ist) die Vollendung des in der Anlage angegebenen Lebensalters heranzuziehen ist. Der Zeitraum, aus dem die Absenkung des Zugangsfaktors hier zu ermitteln ist, ist bei Zugrundelegung der genannten Übergangsregelung lediglich die Zeit des (späteren) Lebensalters der Klägerin von 62 Jahren und 7 Monaten bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres. Daraus resultieren fünf "Abschlagsmonate" und damit eine Minderung des Zugangsfaktors um 1,5%. Der höchstmögliche Abschlag für vorzeitig in Anspruch genommene Hinterbliebenenrenten kommt erst bei einem Rentenbeginn ab dem 1. Januar 2004 zum Tragen und beläuft sich dann auf 10,8%.
Gegen die von der Beklagten richtig angewendete Abschlagsregelung dringt die Klägerin weder mit ihrem einfach rechtlichen Einwand (weitere Maßgeblichkeit des bei der von Dezember 1995 bis März 1997 gezahlten Rente herangezogenen Zugangsfaktors) noch mit ihren verfassungsrechtlichen Einwänden durch:
Der Wortlaut des § 77 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 SGB VI (Absenkung des Zugangsfaktors nur für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer - früheren - Rente waren) spricht scheinbar für die von der Klägerseite im Berufungsverfahren vertretene Auffassung, wonach der ohne Absenkung erfolgte Rentenbezug in den Jahren 1995 bis 1997 auch für die wiederaufgelebte Hinterbliebenenrente maßgebend sein könnte. Indes ist der in den zitierten Vorschriften enthaltene Grundsatz, dass der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die bereits Grundlage einer früheren Rente waren, unverändert bei späteren Renten anzuwenden ist, einschränkend auszulegen. Der Grundsatz soll lediglich den nahtlosen Übergang von der einen in die andere Rente erfassen (vgl. Stahl in: Hauck/Haines, Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Gesetzliche Rentenversicherung, Bd. 2, K § 77 Rdnrn. 49 und 50; Lilge in: Gesamtkommentar zum Sozialversicherungsrecht, Bd. 3 b, § 77 SGB VI Anm. 7.3). Für diese einschränkende Auslegung sprechen die in den §§ 88 und 300 SGB VI enthaltenen Regelungen. Nach § 88 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind einer Hinterbliebenenrente, die spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs einer solchen Rente erneut beginnt, mindestens die bisherigen persönlichen Entgeltpunkte zugrunde zu legen. Würde § 77 Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB VI über die Fälle der bis zu 24 Kalendermonate unterbrochenen Rentenzahlung hinaus auch die Fälle der erneuten Rentenzahlung nach zwischenzeitlicher längerer Unterbrechung erfassen, hier: letzte Zahlung der ersten Rente für März 1997, Beginn der wieder aufgelebten Rente im Mai 2001, so wäre § 88 Abs. 2 Satz 2 SGB VI überflüssig. § 300 Abs. 1 SGB VI legt als Grundprinzip für die Frage nach dem jeweils anwendbaren Recht fest, dass sich dieses nach der Gesetzes- und Rechtslage bei Rentenbeginn zu richten hat. Die Ausnahmeregelung in § 300 Abs. 3 SGB VI bezieht sich schon dem dortigen Wortlaut nach allein auf Neufeststellungen ein- und derselben Rente. Die einschränkende Auslegung entspricht Sinn und Zweck des mit der Beibehaltung des alten Rechts verbundenen Vertrauensschutzes. Denn es leuchtet ein, dass sich dieser auf das unveränderte Fortbestehen einer gleichartigen Bedarfslage bezieht, jedoch durchbrochen wird, wenn zwischenzeitlich - aus welchen Gründen auch immer - die Rente nicht bezogen wird.
Der Gesetzgeber war nicht etwa aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert, die Absenkung des Zugangsfaktors auf Hinterbliebenenrenten zu erstrecken:
Das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 Grundgesetz (GG) ist gar nicht betroffen, weil das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) den Schutzbereich auf Zahlungen aufgrund zurechenbarer Eigenleistungen und persönlich erwirtschafteter Vermögen beschränkt (BVerfG vom 18. Februar 1998, Az: 1 BvR 1318/86 sowie 1 BvR 1484/86). Selbst wenn mit der zur Rechtsprechung des BVerfG kritischen Literaturmeinung und Auffassung des BSG (vgl. Ebsen in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 3 Rentenversicherungsrecht, § 4 Rdnr. 62 sowie BSG-Urteil vom 29. Januar 2004, Az.: B 4 RA 29/03 R) die Hinterbliebenenrenten wie die Renten aus eigener Versicherung dem Schutzbereich des Art. 14 GG unterstellt würden, ergäbe sich kein Verfassungsverstoß. Denn die Beeinträchtigung wäre nicht wesentlich. Dafür ist vor allem auf die Kompensationsmaßnahme zu verweisen, nach der der Rentenabschlag durch die volle Anrechnung der Zeit zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr als Zurechnungszeit teilweise wieder ausgeglichen wird, §§ 59, 253 a SGB VI. Bei Rentenbeginn ab dem 1. Januar 2001 bis einschließlich November 2003 (Fall der Klägerin) ist die Verlängerung der Zurechnungszeit entsprechend der stufenweisen Einführung des Rentenabschlags in Abhängigkeit vom Rentenbeginn ebenfalls stufenweise eingeführt worden, § 253 a i.V.m. der Anlage 23 zum SGB VI. Der Umfang der Kompensation beläuft sich auf etwa zwei Drittel (vgl. die Beispiele bei Lilge aa0 Anm. 6.4) Im Übrigen betrifft der vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutz der finanziellen Grundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut, zu dessen Bewahrung eine moderate Einschränkung der erworbenen Anwartschaften gerechtfertigt ist. Hinzu kommt, dass der Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich keinen Schutz gegen Gesetzesänderungen gewähren kann. Solche Änderungen müssen vielmehr möglich bleiben, um notwendige Anpassungen an etwaige Veränderungen in der vom Gesetz betroffenen Regelungsmaterie, hier die gewachsene Bedrohung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung, vornehmen zu können (BSG-Urteil vom 16. Dezember 1999, Az: B 4 RA 18/99 R; zur Gefährdung der Funktionsfähigkeit und Finanzierbarkeit des gesetzlichen Rentenversicherungssystems im Zusammenhang mit längeren Rentenlaufzeiten aufgrund der Frühverrentung BSG-Urteile vom 25. Februar 2004, Az: B 5 RJ 44/02 R und vom 5. August 2004, Az: B 13 RJ 10/03 R).
Es verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, die Absenkung des Zugangsfaktors auf die Hinterbliebenenrenten zu erstrecken. Zu betonen ist dabei zunächst, dass der Gesetzgeber die Absenkung nicht in dem Umfang wie bei vorgezogenen Altersrenten (um bis zu 18%) vorgenommen hat, sondern - lediglich - in einem Umfang wie bei den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (um bis zu 10,8%).
Dem Gesetzgeber stand ein vernünftiger Grund zur Seite, die Hinterbliebenenrenten in eingeschränkter Form mit den vorgezogenen Altersrenten und in sinngemäß übertragener Form mit den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gleich zu behandeln. Der Gestaltungsspielraum ist dabei noch weitergehender als in den Fällen einer reklamierten Ungleichbehandlung. Gleichbehandlungen dürfen regelmäßig vorgenommen werden, um sachliche Ziele zu erreichen und den Gestaltungsspielraum überhaupt auszuschöpfen. Gerade auch im Sozialrecht sind Typisierungen und Pauschalierungen zulässig. Im Wege von Gleichbehandlungen können selbst Systemwechsel zu bisherigen gesetzlichen Regelungen herbeigeführt werden, ohne dass daraus eine verfassungswidrige Lage folgen müsste (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.Juli 1998, Az: 1 BvR 1554/89 sowie zuletzt Urteil des Senats vom 28. April 2005, Az: L 1 RA 255/04). Dem Gesetzgeber stand zugunsten der Gleichbehandlung der Hinterbliebenenrenten mit den Erwerbsminderungs- und vorgezogenen Altersrenten zunächst und vor allem der Grund zur Seite, die Haushalte der Rentenversicherungsträger zu stabilisieren (vgl. zum Ausmaß der zusätzlichen Kosten der längeren Rentenlaufzeiten Stahl aa0 Rdnr. 5 unter Zitierung eines Beispiels aus dem Diskussions- und Referentenentwurf des Rentenreformgesetzes 1992: Um 80.000,- DM höhere Rentensumme bei Inanspruchnahme mit dem vollendeten 60. Lebensjahr anstatt erst mit dem 65. Lebensjahr). Selbständig tragender Grund für eine Gleichbehandlung ist darüber hinaus die Akzessorität der Hinterbliebenenrenten zu den Renten aus eigener Versicherung. In der von der Klägerin betonten Unvorhersehbarkeit des Versicherungsfalles bei den Hinterbliebenenrenten liegt keine gegenüber der Akzessorität durchschlagende Abweichung. Vielmehr kommt zum Tragen, dass die Absenkung auf ein gleichartiges Niveau als eine durchaus der Systematik des Rentenrechts entsprechende Angleichung in Erscheinung tritt (vgl. die lapidare Begründung des Gesetzgebers, die Hinterbliebenenrenten sollten nicht höher sein als die Versichertenrenten, zitiert bei Stahl aa0 K § 77 SGB VI Rdnr. 8) und dass die Ehegatten - entgegen von der Klägerin vertretenen Auffassung - durchaus die Möglichkeit haben, zu Lebzeiten zusätzliche private Vorsorge zu treffen. Der Gesetzgeber darf unterstellen, dass die Ehegatten auch und gerade schon in jungen Jahren die Abschläge bei Hinterbliebenenrenten in die Planung ihrer Vorsorge für den Fall des Versterbens des Versicherten einbeziehen.
Der Senat hat die Berufung nach alledem als unbegründet zurückgewiesen. Mangels Verfassungswidrigkeit des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4.a) SGB VI bestand kein Grund, den Rechtsstreit auszusetzen und eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 GG zu veranlassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.