Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 29.06.2022, Az.: 16 A 3934/20

Arbeitnehmer; Mitbestimmung; Teilzeit; Teilzeitbeschäftigung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
29.06.2022
Aktenzeichen
16 A 3934/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59733
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Das Bundespersonalvertretungsgesetz sah weder in der vor dem 15. Juni 2021 noch in der ab dem 15. Juni 2021 geltenden Fassung ein Mitbestimmungsrecht bei der Ablehnung von familienbedingter Teilzeitbeschäftigung bei Arbeitnehmern vor. Eine Mitbestimmungspflicht bei der Ablehnung von Anträgen auf Teilzeitbeschäftigung ist gesetzlich ausdrücklich nur bei Beamten vorgesehen; sie kann daher auch nicht als mitbestimmungspflichtige Maßnahme, die der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern dient, angesehen werden.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Antragsteller und die Beteiligte streiten um die Frage der Mitbestimmungspflicht bei der Entscheidung über Anträge auf Teilzeit aus familiären Gründen.

Die seit dem 1. Oktober 2018 mit bei der Agentur für Arbeit E. im ärztlichen Dienst tätige Arbeitnehmerin F. G. beantragte unter dem 31. August 2019 beginnend ab 1. Dezember 2019 befristet bis zum 30. November 2024 eine Änderung der Teilzeitbeschäftigung von 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit auf 12 Stunden wöchentlich aufgrund der Betreuung ihrer 2011, 2014 und 2016 geborenen Kinder. Der Interne Service Personal der Agentur für Arbeit E. lehnte diesen Antrag im Auftrag der Regionaldirektion Niedersachsen-B-Stadt unter dem 29. Oktober 2019 aus dringenden dienstlichen Gründen ab. Die Einstellung mit 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit sei bei seitdem unveränderten privaten Verhältnissen (drei betreuungspflichtige Kinder, Nebentätigkeit in der Praxis des Ehemanns, Ausübung einer Hilfsschöffentätigkeit) erfolgt. Die angebotene Inanspruchnahme von Tele- bzw. Mobilarbeit sowie die Änderung der Lage und Verteilung der Arbeitszeit sei abgelehnt worden; eine Beendigung der Nebentätigkeit oder des Ehrenamtes sei nicht in Erwägung gezogen worden. Wenn dem Reduzierungswunsch nachgekommen würde, wären die Aufgaben auf die verbleibenden Kolleginnen zu verteilen, was aufgrund der starken Auslastung nicht zu verantworten wäre; die Kompensationsmöglichkeit einer Ersatzeinstellung stehe nicht zur Verfügung. Die Anforderungen an die Tätigkeit als Ärztin in einer herausgehobenen Stellung könnten zudem mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zwölf Stunden nicht erfüllt werden. Es käme zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Arbeitsorganisation, des Arbeitsablaufs sowie der Aufgabenerfüllung. Die Beschäftigte widersprach dieser Entscheidung unter dem 25. November 2019; der Interne Service Personal der Agentur für Arbeit E. teilte unter dem 9. Dezember 2019 mit, an der getroffenen Entscheidung festzuhalten.

Der Antragsteller wurde bei der Entscheidung nicht um Zustimmung gebeten. Nachdem er davon erfahren hatte, machte er geltend, dass er bei Entscheidungen über Anträge auf Teilzeitbeschäftigung, die zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit dienten, nach § 76 Abs. 2 Nr. 10 BPersVG (a. F.) mitzubestimmen habe. Die Beteiligte wies darauf hin, dass § 76 Abs. 1 Nr. 8 BPersVG (a. F.) eine Mitbestimmung bei der Ablehnung des Antrags eines Beamten vorsehe, ein entsprechender Mitbestimmungstatbestand für Angestellte jedoch nicht existiere.

Der Antragsteller hat aufgrund eines entsprechenden Beschlusses in seiner Sitzung am 14./15. Januar 2020 am 20. Juli 2020 das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Im Handbuch Personalrecht/Gremien der D. heiße es, dass die Personalvertretung bei Entscheidungen über Anträge auf Teilzeitbeschäftigung, die zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit dienten, nach § 76 Abs. 2 Nr. 10 BPersVG (a. F.) mitzubestimmen habe, wobei es ohne Belang sei, auf welcher Rechtsgrundlage die Entscheidung über den Teilzeitantrag getroffen werde. Die Beteiligte leiste den Rechtsausführungen der eigenen Behörde nicht Folge. Eine Maßnahme sei jede Entscheidung, die das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen betreffe oder sich darauf auswirke und den Rechtsstand berühre. Die Entscheidung zur Ablehnung der Teilzeitbeschäftigung wirke sich unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis der Beschäftigten aus und komme in ihrer Wirkung einer Maßnahme gleich. Die Beschäftigte sei gezwungen, die Kinderbetreuung durch Umorganisation zu ermöglichen oder sich auch die Frage nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu stellen. Eine andere Betrachtungsweise würde die Benachteiligung der Arbeitnehmerin gegenüber einer Beamtin in Kauf nehmen.

Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass er bei Teilzeitanträgen von Beschäftigten aus familiären Gründen gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 10 BPersVG mitzubestimmen hat, unabhängig vom Rechtsverhältnis des Beschäftigten und unabhängig davon, ob dem Teilzeitantrag stattgegeben wird oder nicht.

Die Beteiligte beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zwar sei die Beteiligte entscheidungsbefugt und der Antragsteller die zuständige Stufenvertretung. Eine Mitbestimmung sehe § 76 Abs. 1 Nr. 8 BPersVG (a. F.) aber ausschließlich bei einer Ablehnung eines Antrags auf familienbedingte Ermäßigung der Arbeitszeit für Beamte vor. Für Arbeitnehmer enthalte das Gesetz keine entsprechende Vorschrift. § 76 Abs. 2 Nr. 10 BPersVG (a. F.) beziehe sich auf Maßnahmen, die der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern dienten, was unstreitig auch individuelle Maßnahmen umfasse. Das Unterlassen sei aber keine Maßnahme i. S. v. § 69 Abs. 1 BPersVG (a. F.), da der bestehende Zustand belassen bleibe und eine Veränderung des Rechtsstandes im Arbeitsverhältnis nicht beabsichtigt sei. Dies regele auch das Handbuch Personalrecht/Gremien. Die Mitbestimmung sei nur für positive Entscheidungen vorgesehen, die der Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit dienten. Dies sei auch die Wortwahl des Gesetzes. Im Übrigen sei der Mitbestimmungskatalog abschließend; das Handbuch Personalrecht/Gremien räume keine Mitbestimmungsrechte ein oder beschränke diese. Dementsprechend sei eine Mitbestimmung bei Ablehnung von Anträgen zur familienbedingten Ermäßigung der Arbeitszeit bei Beamten nach § 76 Abs. 1 Nr. 8 BPersVG (a. F.) und bei Genehmigungen bei Beamten und Arbeitnehmern nach § 76 Abs. 1 Nr. 10 BPersVG (a. F.) erfolgt. Nach der Gesetzesnovelle des Bundespersonalvertretungsgesetzes erfasse die Regelung in § 80 Abs. 1 Nr. 13 BPersVG ausschließlich Maßnahmen mit kollektivem Bezug. Sogar die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit unterliege danach nicht mehr der Mitbestimmung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens des Antragstellers und der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg; er ist nicht begründet.

Das vom Antragsteller beanspruchte Mitbestimmungsrecht bei jedweder Entscheidung über aus familiären Gründen gestellte Teilzeitanträge unabhängig vom Rechtsverhältnis des Beschäftigten stand ihm nach § 76 Abs. 2 Nr. 10 BPersVG a. F. (jetzt: § 80 Abs. 1 Nr. 13 BPersVG) nicht zu. Bei dem Feststellungsbegehren handelt es sich um einen Globalantrag, der dadurch gekennzeichnet ist, dass ein Antragsteller für eine Vielzahl von Fallgestaltungen festgestellt wissen will, dass ihm ein Mitbestimmungsrecht nach einer bestimmten Vorschrift zusteht. Globalanträge können unabhängig von einem konkreten Streitfall darauf gerichtet sein, das Mitbestimmungsrecht für eine bestimmte Gruppe von Fällen in allgemeingültiger Weise zu klären; ein solcher Globalantrag ist aber schon dann insgesamt als unbegründet abzulehnen, wenn es unter den von ihm erfassten Fallgestaltungen mindestens eine gibt, in welcher er sich als unbegründet erweist (Nds. OVG, Beschl. v. 12.11.2019 - 18 LP 3/18 -, juris Rn. 29 m. w. N.).

Der Antrag erweist sich schon in der anlassgebenden Fallgestaltung der Ablehnung eines Antrags einer Arbeitnehmerin auf familienbedingte Teilzeitbeschäftigung nach § 13 Abs. 1 des Tarifvertrags für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der der D. (TV-BA) als unbegründet und ist deshalb insgesamt abzulehnen. Dass dem Antragsteller das von ihm reklamierte Mitbestimmungsrecht nicht zusteht, ergibt sich schon daraus, dass das Bundespersonalvertretungsgesetz einen Mitbestimmungstatbestand nur bei der Ablehnung von Anträgen von Beamten auf Teilzeitbeschäftigung, Ermäßigung der regelmäßigen Arbeitszeit oder Urlaub kannte (§ 76 Abs. 1 Nr. 8 BPersVG a. F.) und kennt (§ 78 Abs. 1 Nr. 11 BPersVG), nicht aber einen entsprechenden Mitbestimmungstatbestand für Arbeitnehmer. In der aktuellen Fassung des Bundespersonalvertretungsgesetzes, die mit dem Gesetz zur Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes am 15. Juni 2021 in Kraft getreten ist (BGBl I 2021 Nr. 31, S. 1614) sind die Mitbestimmungstatbestände in Personalangelegenheiten von Arbeitnehmern und Beamten in einer Bestimmung zusammengeführt worden (§ 78 BPersVG), ohne dass der explizit die Ablehnung von Teilzeitanträgen betreffende Mitbestimmungstatbestand in § 78 Abs. 1 Nr. 11 BPersVG nunmehr auf Arbeitnehmer erstreckt worden wäre. Die Regelung ist vielmehr nach wie vor auf Beamte beschränkt. Hätte der Gesetzgeber die dem Antragsteller vorschwebende Gleichbehandlung von Beamten und Arbeitnehmern bei der Personalratsbeteiligung verankern wollen, hätte es nahegelegen, die Regelung allgemein auf Beschäftigte zu beziehen. Das ist aber gerade nicht geschehen, vielmehr bezieht sich § 78 Abs. 1 BPersVG zunächst zwar auf alle Beschäftigten, einzelne Mitbestimmungstatbeständen gelten dann aber nur für Arbeitnehmer oder nur für Beamte. Schon dieser klare systematische Zusammenhang verbietet es, den nur für Beamten geltenden Mitbestimmungstatbestand des § 78 Abs. 1 Nr. 11 BPersVG über einen anderen allgemeineren Mitbestimmungstatbestand gleichwohl zu konstruieren. Damit würde die klare gesetzgeberische Entscheidung negiert. In der aktuellen Gesetzesfassung ist der vom Antragsteller ins Feld geführte Mitbestimmungstatbestand des § 76 Abs. 2 Nr. 10 BPersVG a. F. – Maßnahmen, die der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männer dienen – in den Katalog der Mitbestimmung in "organisatorischen Angelegenheiten" verschoben worden (§ 80 Abs. 1 Nr. 13 BPersVG) und wird damit nicht (mehr) zu den "personellen" oder "sonstigen" Angelegenheiten gerechnet, wie es nach alter Gesetzeslage der Fall war. Auch dies spricht erkennbar dagegen, eine nur bei Beamten und gerade nicht bei Arbeitnehmern mitbestimmungspflichtige personelle Angelegenheit in § 80 Abs. 1 Nr. 13 BPersVG "hineinzulesen". In der Begründung des Gesetzentwurfs zur Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes wird insoweit ausgeführt (BT-Drs. 19/26820, S. 125):

"Nicht erfasst sind zudem Personalangelegenheiten im Einzelfall. Die Mitbestimmung zu Maßnahmen der Familienfreundlichkeit und der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf führt insbesondere nicht dazu, dass Personalangelegenheiten, die nicht nach § 78 mitbestimmungspflichtig sind, unter Verweis auf die familiären Auswirkungen für die betroffenen Beschäftigten mitbestimmungspflichtig werden."

Keiner Entscheidung bedarf es, ob die auch von der Beteiligten (zunächst) befürwortete Einschlägigkeit des § 76 Abs. 2 Nr. 10 BPersVG a. F. bei der Genehmigung von familienbedingten Teilzeitanträgen sowohl bei Beamten als auch bei Arbeitnehmern zutreffend war und insbesondere, ob dies der aktuellen Rechtslage entspricht. Nach Auffassung der Kammer hat sich jedenfalls für die Konstellation der Ablehnung von entsprechenden Teilzeitanträgen durch die neue Rechtslage lediglich eine Klarstellung im hier beschriebenen Sinne ergeben, ohne dass damit die alte Rechtslage substantiell geändert werden sollte. Dementsprechend war es nach neuer wie auch schon nach alter Rechtslage nicht möglich, den vom Antragsteller vermissten Mitbestimmungstatbestand bei der Ablehnung von Teilzeitanträgen von Arbeitnehmern dem § 76 Abs. 2 Nr. 10 BPersVG zu entnehmen.

Unerheblich ist, dass das Handbuch Personalrecht/Gremien dieses Verständnis durchaus nahegelegt hat: In Abschnitt 7 Nr. 4.7.10 Absatz 3 in der zur Gerichtsakte gereichten Fassung heißt es nämlich, dass bei Entscheidungen über Anträge auf Teilzeitbeschäftigung, die zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit dienen, die Personalvertretung nach § 76 Abs. 2 Nr. 10 BPersVG mitzubestimmen habe. Eine Differenzierung zwischen Genehmigungen und Ablehnungen wird an dieser Stelle gerade nicht vorgenommen, wohl aber in Absatz 4 im Hinblick auf Anträge auf Telearbeit. Dort heißt es, dass die Entscheidung über eine Vereinbarung von Telearbeit der Mitbestimmung nach § 76 Abs. 2 Nr. 10 BPersVG unterliege, nicht aber die Ablehnung eines solchen Antrags, weil sich diese nicht als Maßnahme i. S. v. § 69 Abs. 1 BPersVG darstelle und im Übrigen auch nicht der Durchsetzung der Gleichberechtigung diene. Warum diese – nachvollziehbare – Differenzierung in Absatz 4 vorgenommen wird, in Absatz 3 aber nicht, erschließt sich nicht recht. Es ist daher nachvollziehbar, dass der Antragsteller die Auffassung vertritt, dass die in Absatz 3 genannten "Entscheidungen" über Anträge auf Teilzeitbeschäftigung solche mit positivem wie negativem Ergebnis umfassen. Dass – wie die Beteiligte meint – die für Telearbeit geltende Regelung in Absatz 4 bestätige, dass Absatz 3 sich ebenfalls nicht auf Ablehnungen beziehen solle, ist hingegen wenig überzeugend. Indessen kann das Handbuch Personalrecht/Gremien keine Mitbestimmungstatbestände kreieren, sondern allenfalls versuchen, die gesetzlichen Mitbestimmungstatbestände richtig zu interpretieren.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Das Beschlussverfahren ist frei von Gebühren und Auslagen des Gerichts. Eine Erstattung von Aufwendungen ist nicht vorgesehen.