Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 03.03.2011, Az.: 13 W 129/10
Mögliche Auswirkungen auf den Streitwert bei Beitritt des Streithelfers; Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für den Streithelfer gem. § 33 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 03.03.2011
- Aktenzeichen
- 13 W 129/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 11921
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:0303.13W129.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 18.06.2010 - AZ: 16 O 201/02
Rechtsgrundlagen
- § 40 GKG
- § 48 GKG
- § 33 RVG
- § 3 ZPO
Fundstellen
- BauR 2011, 1208-1209
- BauR 2011, 1060-1061
- JurBüro 2011, 306
- NJW-RR 2011, 1296
- RENOpraxis 2011, 274
- ZAP 2011, 1136
- ZAP EN-Nr. 735/2011
Amtlicher Leitsatz
1. Der Beitritt des Streithelfers hat keine Auswirkungen auf den für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwert. Dieser berechnet sich allein nach dem Interesse des Klägers zum Zeitpunkt des Eingangs des den Rechtszug einleitenden Antrags.
2. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für den Streithelfer kann nach § 33 Abs. 1 RVG gesondert festzusetzen sein. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts kann sich - unabhängig von dem gestellten Antrag - nur auf die Gewährleistungs- oder Regressansprüche beziehen, wegen derer der Streit verkündet worden ist.
Tenor:
Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 16. Zivilkammer Einzelrichter - des Landgerichts Hannover vom 18. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Klägerin hat mit ihrer gegen den Beklagten gerichteten Klage auf restliche Vergütung aus einem Bauträgervertrag zunächst Zahlung in Höhe von 12.441,32 € verlangt und die Klage mit Schriftsatz vom 12. September 2002 in Höhe von 532,43 € teilweise zurückgenommen. Der Beklagte hat u. a. eingewandt, dass die hergestellten Gewerke teilweise mangelhaft seien. So sei die Vergütung wegen optischer Beeinträchtigungen der Innentüren um 1.600,00 € zu mindern. Ferner würden Nachbesserungskosten für die Haustür in Höhe von 1.500,00 € und für die Garage in Höhe von 500,00 € anfallen.
Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2004 den von ihr beauftragten Subunternehmern den Streit verkündet. So erfolgte die Streitverkündung gegenüber der Streithelferin zu 1 hinsichtlich der von dem Beklagten behaupteten Mängel an den Gewerken ´Haus und Innentüren´. gegenüber der Streihelferin zu 2 in Bezug auf das Gewerk ´Rohbau´. Die beiden Streithelfer sind mit Schriftsätzen vom 20. Januar 2005 und vom 21. März 2005 jeweils auf Seiten der Klägerin dem Rechtsstreit beigetreten. In dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 31. März 2010 haben sich die Streithelfer zu 1 und 2 dem Antrag der Klägerin auf Zahlung von 11.908,89 € angeschlossen.
Das Landgericht hat den Streitwert einheitlich auf 12.441,32 € festgesetzt. Gegen diese Festsetzung wendet sich der Beklagte mit seiner Streitwertbeschwerde. Er ist der Auffassung, dass der Wert der Streithilfe - auf Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens - wegen des geringeren wirtschaftlichen Interesses des Streithelfers zu 1 nur 642,08 € und des Streithelfers zu 2 nur 932,64 € beträgt.
II. Die vom Beklagten als Partei eingelegte Streitwertbeschwerde ist nach § 68 Abs. 1 GKG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 200 €.
Gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG ist die Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts innerhalb von 6 Monaten einzulegen, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt hat. Die am 1. November 2010 beim Landgericht eingegangene Beschwerde ist daher fristgemäß erfolgt, nachdem die Rechtskraft in der Hauptsache mit Ablauf der Berufungsfrist am 22. Mai 2010 eingetreten war. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Im Einzelnen:
Der Gebührenstreitwert in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG nach §§ 3 ff. ZPO zu bestimmen. Danach wird der Wert entsprechend dem mit der Klage verfolgten Interesse nach freiem Ermessen festgesetzt. Streitig ist sowohl in der obergerichtlichen Rechtsprechung als auch im Schrifttum, wie das Interesse im Falle der Streithilfe zu bewerten ist.
1. Es werden im Wesentlichen zwei Meinungen vertreten:
a) Nach der einen Ansicht kommt es - unabhängig von den gestellten Anträgen - auf das Interesse des Streithelfers an. Weicht dessen Interesse ab, ist es maßgeblich bis zur Höhe des Interesses der von ihm unterstützten Hauptpartei (so u. a. OLG München, Beschluss vom 06.11.2009 - 28 W 1975/09, BauR 2010, 668, Tz. 1, zitiert nach juris. OLG Rostock, Beschluss vom 21.10.2009 - 3 W 50/08, Tz. 28, 30 ff., zitiert nach juris. OLG Schleswig, Beschluss vom 28.08.2008 - 14 W 51/08, NJWRR 2009, 238. Tz. 9 ff., zitiert nach juris. Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 3 Rn. 16 ´Nebenintervention´. Musielak/Heinrich, ZPO, 7. Aufl., § 3 Rn. 33 ´Nebenintervention´. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 3 Rn. 60 ´Nebenintervention´. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 31. Aufl., § 3 Rn. 108 ´Nebenintervention´).
b) Nach anderer Ansicht ist das Interesse der unterstützten Hauptpartei jedenfalls dann maßgeblich, wenn sich der Streithelfer deren Anträgen angeschlossen hat (BGH, Beschluss vom 30.10.1959 - V ZR 204/57, NJW 1960, 42. OLG München, Beschluss vom 29.01.2010 - 13 W 634/10, BauR 2010, 942, Tz. 19 ff., zitiert nach juris. OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.02.2009 - 10 W 4/09, Tz. 5 ff., zitiert nach juris. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.01.2006 - 24 W 64/05, JurBüro 2006, 426, Tz. 8 ff., zitiert nach juris. Baumbach/Lauterbach, ZPO, 69. Aufl., Anh. § 3 Rn. 106 ´Streithilfe´).
2. Der Senat schließt sich - jedenfalls für die Gerichtskosten - der letztgenannten Ansicht an. Für sie sprechen bereits systematische Erwägungen, die auf der verfahrensrechtlichen Stellung des Streithelfers beruhen. Der Beitritt des Streithelfers hat keine Auswirkungen auf den für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwert. Dafür spricht bereits die Regelung des § 40 GKG. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertberechnung ist danach der Eingang des den Rechtszug einleitenden Antrags. nachträgliche Änderungen haben auf die einmal entstandenen Gebühren keinen Einfluss (Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., § 40 GKG Rn. 3). Der Beitritt des Streithelfers kann sich insoweit auf den Streitwert nicht auswirken.
Der Streithelfer unterstützt auch nur das Interesse der Partei, auf deren Seite er dem Rechtsstreit beigetreten ist. er ist aber nicht selbst Partei (BGH, Urteil vom 16.01.1997 - I ZR 208/94, VersR 1997, 1020, Tz. 19, zitiert nach juris. OLG Köln, Urteil vom 26.06.2003 - 18 U 168/02, NZG 2004, 46, Tz. 36, zitiert nach juris). Daher ist er auch nicht befugt, über den Streitgegenstand als solchen zu verfügen. einen Rechtsschutz im eigenen Interesse kann er nicht verlangen (BGH, aaO.). Seine Belange sind daher für die Bemessung des Werts grundsätzlich unerheblich. So muss in einer Streitverkündungsschrift zwar das Rechtsverhältnis, aus dem sich der Anspruch des Dritten gegen den Streitverkündenden oder dessen Anspruch gegen jenen ergeben soll, unter Angabe der tatsächlichen Grundlagen so genau bezeichnet werden, dass der Dritte prüfen kann, ob es für ihn angebracht ist, dem Rechtsstreit beizutreten. Eine Konkretisierung des Anspruchs der Höhe nach ist nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 21.02.2002 - IX ZR 127/00, NJW 2002, 1414, Tz. 17, zitiert nach juris. Zöller/Vollkommer, aaO., § 74 Rn. 2). Demzufolge kommt es für die Ermittlung der für ein Rechtsmittel erforderlichen Beschwer nicht auf das Interesse des Streithelfers, sondern auf die Person der Hauptpartei an (BGH, Urteil vom 16.01.1997 - I ZR 208/94, VersR 1997, 1020, Tz. 20 m. w. N., zitiert nach juris).
III. Der Senat weist aber ergänzend darauf hin, dass zumindest in dem Schriftsatz des Beklagten vom 20. Juli 2007 ein zulässiger Antrag auf Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 Alt. 1 RVG zu sehen ist, über den das Landgericht bisher noch nicht entschieden hat.
Danach ist auf Antrag der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit festzusetzen, wenn sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert berechnen. Insoweit könnte sich die Tätigkeit der Rechtsanwälte der Streithelfer hier - trotz der gestellten Anträge - nicht auf die geltend gemachten Klageforderung beziehen, sondern nur den Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung betreffen, den die Klägerin als Streitverkünder für den Fall des ihr ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits erheben zu können glaubt (§ 72 Abs. 1 ZPO).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kam nicht in Betracht. Eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG nicht statt (BGH, Beschluss vom 06.10.2009 - VI ZB 18/08, AGS 2009, 599, Tz. 4, zitiert nach juris).