Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 21.03.2011, Az.: Not 20/10

Klagegegner in einem Disziplinarverfahren gegen einen Notar in Niedersachsen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
21.03.2011
Aktenzeichen
Not 20/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 13075
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2011:0321.NOT20.10.0A

Amtlicher Leitsatz

In Niedersachsen ist gem. § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 8 Nds. AGVwGO in Disziplinarverfahren, in denen der Notar sich gegen einen Erstbescheid und den Widerspruchsbescheid wendet, die Klage gegen die Landesbehörde zu richten, die den Erstbescheid erlassen hat.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

1

Der Kläger wehrt sich gegen die Auferlegung einer Geldbuße in Höhe von 500 € wegen einer begangenen Pflichtverletzung.

2

I. Der Kläger ist wegen einer Pflichtverletzung gem. § 19 BNotO in einem zivilrechtlichen Verfahren zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 137.636,34 € verurteilt worden (Urteil des OLG Celle vom 11. November 2009, Az: 3 U 104/07). Der Präsident des Landgerichts H. beanstandete durch Verfügung vom 1. Februar 2010 diese notarielle Pflichtverletzung und verhängte eine Geldbuße in Höhe von 500 €. Der Kläger hat gegen die vorgenannte Disziplinarverfügung Widerspruch erhoben. Dieser ist vom Beklagten mit Bescheid vom 28. Juli 2010 zurückgewiesen worden. Mit der gegen das Oberlandesgericht Celle erhobenen Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der Disziplinarverfügung des Landgerichts H. sowie diejenige des Widerspruchsbescheids des Oberlandesgerichts Celle.

3

Er vertritt die Auffassung, dass er eine Pflichtverletzung nicht begangen habe. Vielmehr sei ein Fehlverhalten des Grundbuchamtes ursächlich für den eingetretenen Schaden. Immerhin, so der Notar, habe das Landgericht H. sowohl im zivilrechtlichen Verfahren als auch anfangs im Disziplinarverfahren keine Pflichtverletzung erkennen können.

4

Er beantragt,

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die Disziplinarverfügung des Präsidenten des Landgerichts H. vom 1. Februar 2010 nebst den Widerspruchsbescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Celle vom 28. Juli 2010 aufzuheben.

6

Der Beklagte stellt den Antrag,

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die Klage als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise (als unbegründet) abzuweisen.

8

Der Beklagte bezweifelt, dass er der richtige Klagegegner sei. vielmehr habe der Präsident des Landgerichts H. als Ausgangsbehörde der Klagegegner sein müssen. In der Sache sei von einer notariellen Amtspflichtverletzung auszugehen.

9

Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung nicht aufgetreten. Der Senatsvorsitzende hat den Kläger mit der Ladungsverfügung vom 24. Januar 2011 darauf hingewiesen, dass gem. § 52 BDG, § 102 Abs. 2 VwGO beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt werden kann.

10

II. Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der angegangene Beklagte ist nicht passivlegitimiert.

11

Der Kläger hat die Klage gegen den falschen Beklagten erhoben. Richtiger Beklagte ist nicht das den Widerspruchsbescheid erlassene Oberlandesgericht, sondern der die Disziplinarverfügung erlassende Präsident des Landgerichts H.. Gegen diesen richtet sich jedoch die Klage ausdrücklich nicht.

12

1. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des notariellen Disziplinarrechts vom 1. Januar 2010 ist in Disziplinarverfahren die Frage des richtigen Beklagten wie folgt zu beantworten:

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§ 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO verweist auf die Anwendung der Vorschriften des Bundesdisziplinargesetzes, soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes bestimmt ist. die in den Vorschriften des Bundesdisziplinargesetzes den Dienstvorgesetzten zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nehmen die Aufsichtsbehörden, die Aufgaben und Befugnisse der obersten Dienstbehörde nimmt die Landesjustizverwaltung wahr. Eine hiervon abweichende Bestimmung ist in der BNotO nicht vorhanden. Insbesondere kommt § 111 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNotO nicht in Betracht (obwohl dessen Anwendung in letzter Konsequenz vorliegend zum selben Ergebnis führt). Denn § 111 c BNotO ist nicht mit dem Gesetz zur Neuregelung des notariellen Disziplinarrechts eingefügt, sondern im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht und mit Wirkung vom 1. September 2009 erlassen worden, wohingegen § 96 BNotO erst mit Wirkung vom 1. Januar 2010 neu gefasst wurde. Die Änderung der §§ 111 bis 112 BNotO betraf die verwaltungsrechtlichen, nicht die disziplinarrechtlichen Notarsachen (Bundestagsdrucksache 16/11385, S. 53). Die gesonderte Regelung des § 96 Abs. 4 BNotO, wonach den Landesregierungen eine effektive Gestaltung des Disziplinarverfahrens gegen Notarinnen und Notare übertragen wird (vgl. Bundestagsdrucksache 16/12062, S. 9) zeigt, dass das Disziplinarverfahren eine eigenständige Ausgestaltung und Ausformung erhalten sollte. Soweit deshalb § 96 Abs. 1 BNotO auf das Bundesdisziplinargesetz verweist, gilt über § 3 BDG die Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend, soweit sich aus dem Bundesdisziplinargesetz selbst nichts Abweichendes ergibt. In der Frage des richtigen Beklagten ist dem Bundesdisziplinargesetz nichts zu entnehmen. Folglich ist die Frage des Beklagten aus § 78 Abs. 1 VwGO zu entscheiden. Hiernach ist vorliegend das Landgericht H. passivlegitimiert, da das Land Niedersachsen gem. § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO von der Ausführungsermächtigung Gebrauch gemacht und gem. § 8 Nds. AGVwGO bestimmt hat, dass die Klage gegen die Landesbehörde zu richten ist, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Vorliegend hat das Landgericht H. die Disziplinarverfügung und damit den den Notar belastenden Verwaltungsakt erlassen.

14

In den Fällen, in denen der Widerspruchsbescheid zusammen mit dem Erstbescheid angegriffen wird - wie hier, verbleibt es bei der Regelung des § 78 Abs. 1 VwGO, dass für die Bestimmung des Beklagten die Behörde maßgeblich ist, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 78 Rn. 13).

15

2. Der Notarsenat hatte nicht darüber zu befinden, ob eine Klage gegen den Präsidenten des Landgerichts H. rechtzeitig erhoben worden ist. Eine solche Klage ist nicht rechtshängig. Der Senat hatte ebenfalls nicht darüber zu befinden, ob die vom Beklagten erteilte Rechtsmittelbelehrung wirksam und richtig ist. Einen Wiedereinsetzungsantrag wegen einer falschen Rechtsmittelbelehrung hat der Kläger nicht gestellt. Der Senat enthält sich deswegen ausdrücklich eines Kommentars zu der im Schriftsatz vom 6. März 2011 geäußerten Auffassung des Klägers, die VwGO verlängere wegen einer unzulänglichen Rechtsmittelbelehrung die Klagefrist auf ein Jahr und dessen Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt.

16

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 96 BNotO, § 3 BDG, § 154 Abs. 1 VwGO, §§ 77, 78 BDG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 96 BNotO, § 3 BDG, § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

17

Der Senat hat von der Zulassung der Berufung abgesehen, weil die Voraussetzungen der §§ 111 d Satz 2 BNotO, 3 BDG, 124 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 124 a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.