Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 15.09.1998, Az.: 5 A 5166/98
Antrag auf Durchführung eines Asylfolgeverfahrens wegen des Vorliegens eines Wiederaufnahmegrundes; "Nachschieben" weiterer Wiederaufgreifensgründe im Verfahren; Voraussetzungen an den Nachweis der Sachlagenänderung; Änderung der Sachlage auf Grund der Misshandlung von Verwandten und ein dadurch höher anzusiedelndes Ermittlungsinteresse; Gefahr einer individuellen Verfolgung wegen Nachfluchtaktivitäten; Gruppenverfolgung der kurdischen Bevölkerung in der Türkei; Voraussetzung für die Annahme einer Verfolgungsgefahr; Berücksichtigung verfolgungsunabhängiger Nachteile und Gefahren (hier: erwerbswirtschaftliche Grundlage); Relevanz von Nachfluchtaktivitäten in Form der exilpoliltischen Betätigung für den Asylanspruch; Vorgehen gegen Verwandte eines politisch Verfolgten; Zurechnung des Wissens der Prozessbevollmächtigten
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 15.09.1998
- Aktenzeichen
- 5 A 5166/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 30706
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1998:0915.5A5166.98.0A
Rechtsgrundlagen
- § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG
- § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG
- § 51 Abs. 2 VwVfG
- § 51 Abs. 3 VwVfG
- § 53 AuslG
- § 580 ZPO
- § 166 Abs. 1 BGB
Verfahrensgegenstand
Asylfolgeantrag
Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig hat
auf die mündliche Verhandlung am 15. September 1998
durch
den Richter am Verwaltungsgericht Tscherning als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid des Bundesamtes vom 10. Juli 1998 wird aufgehoben, soweit er den Kläger zu 1) betrifft.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger zu 1) trägt 1/6, die Kläger zu 2) bis 5) tragen jeweils 1/5 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten. Die Beklagte trägt 1/6 der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1). Im übrigen trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann eine Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils festgesetzten Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger sind türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Sie haben bereits ein Asylerstverfahren mit anschließendem Verwaltungsrechtsstreit betrieben. Wegen der Einzelheiten dieser Verfahren und des Vorbringens der Klägerin ihnen, wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 26. Februar 1998 - 5 A 5038/95 -, die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung in diesem Verfahren am 26. Februar 1998 sowie den Beschluß des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. April 1998 - 2 L 1924/98 - verwiesen.
Am 29. Mai 1998 stellten die Kläger einen Asylfolgeantrag einschließlich des Begehrens nach Feststellung von Abschiebungshindernissen. Zur Begründung dieses Antrags beriefen sie sich darauf, daß neue Beweismittel vorlägen, die eine ihnen günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten und sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sachlage nachträglich zu ihren Gunsten geändert habe.
Als neue Beweismittel beriefen sich die Kläger namentlich auf folgendes:
- 1.
Gutachten des Sachverständigen Serafettin K. vom 20. Februar 1998 an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen.
- 2.
Stellungnahme des Rechtsanwalts Sezai D. vom 04. Dezember 1997.
- 3.
Schreiben des Herrn Halil M. vom 12. Dezember 1996.
- 4.
Bericht über die Ergebnisse der Deutschen Menschenrechtsdelegation in die Türkei vom 17. bis 20. April 1997.
- 5.
Bericht im Kurdistan-Rundbrief vom 09. September 1997 über das drastische Vorgehen des türkischen Staates gegen die Teilnehmer einer Friedensdelegation am 31. August und 01. September 1997.
- 6.
Bericht, des kurdischen Roten Halbmondes nach einer Delegationsreise im September 1997 unter dem Titel "Flucht ins Elend der Städte".
Die Kläger machten geltend, von den Beweismitteln zu 2) bis 6) erstmals anläßlich der Beratung in der Kanzlei ihres gegenwärtigen Verfahrensbevollmächtigten im März 1998 Kenntnis erhalten zu haben.
Die Sachlage habe sich nachträglich folgendermaßen geändert: Anläßlich des Newroz-Festes in Braunschweig am 20. März 1998 sei der Kläger zu 1) als Ordner mit Armbinde in auffälliger Weise tätig gewesen und habe für einen ordnungsgemäßen Ablauf der Veranstaltung gesorgt. Dies werde durch Fotos belegt und zwei Videokassetten, die eine Aufzeichnung, des Demonstrationszuges im MED-TV enthielten. Ob der Beitrag inzwischen gesendet worden sei, wisse man nicht.
Am 24. April 1998 habe der Kläger zu 1) von den Herren ... und ..., die sich im Jahre 1997 in Mus in der Türkei aufgehalten hätten, erfahren, daß sie dort seinem Bruder begegnet seien. Der Bruder des Klägers zu 1) habe den beiden mitgeteilt, Dorfschützer hätten den Kläger zu 1) im Fernsehen gesehen und wegen dieser exilpolitischen Aktivitäten angezeigt. Es heiße, der Kläger zu 1) sei im Fernsehen der Terroristen aufgetreten. Deshalb habe auch der Bruder des Klägers zu 1) Repressalien zu erleiden gehabt.
Im Mai 1998 habe der Kläger zu 1), der praktisch im Vereinsvorstand des Deutsch-Kurdischen Freundschaftsvereins in Salzgitter mitarbeite, diese Vorstandstätigkeit intensiviert. Die Mitarbeit, quasi im Vorstand, werde durch ein Schreiben desselben vom 22. Mai 1992 belegt.
Ferner habe der Kläger zu 1) an einer Protestveranstaltung vor dem türkischen Generalkonsulat in Hannover am 16. Mai 1998 teilgenommen. Dort hätten sich am späten Vormittag ca. 100 bis 150 Personen vor dem Konsulat versammelt. Es seien wegen des Attentats auf den türkischen Menschenrechtler Akin Birdal Kränze vor dem Konsulat niedergelegt worden. Der Kläger zu 1) habe auch Slogans wie "Nieder mit dem Faschismus und der türkischen Republik!" und "Es lebe Apo!" gerufen. Er habe zudem ein Transparent getragen, auf dem ein blutbeflecktes Kontra-Guerilla-Foto zu sehen gewesen sei. Auch habe er Flugblätter verteilt, in denen der türkische Staat ausweislich ihres Inhalts konkret angegriffen worden sei. Der Kläger zu 1) habe sich unmittelbar vor der Tür des Konsulats befunden und den Eindruck gehabt, daß von Botschaftsangehörigen, die vom 2. Stock des Gebäudes aus mit Videokameras gefilmt hätten, auch er selbst aufgenommen worden sei. An der Veranstaltung vor dem türkischen Generalkonsulat hätten überwiegend Vereinsmitglieder des Deutsch-Kurdischen Freundschaftsvereins teilgenommen. Sie stammten zumeist aus Braunschweig, Salzgitter, Hildesheim und Wolfsburg. Weil die Tür des Konsulats verschlossen gewesen sei, hätten die Demonstrationsteilnehmer nicht hineingelangen können. Die Veranstaltung sei auch von Journalisten und anderen Personen, die Filmaufnahmen gemacht hätten, verfolgt worden. Der türkische Sender NTV habe über die Aktion am 17.
Mai 1998 berichtet. Sinngemäß sei dies eine Meldung über "Terroristen" gewesen.
Schließlich habe der Kläger zu 1) am 06. Juni 1998 drei Busse für eine Fahrt von Salzgitter nach Dortmund geordert und zwar für die Zeit von 6.00 bis 20.00 Uhr. Die Busse seien bestimmt gewesen, Teilnehmer zu einer dortigen kurdischen Veranstaltung zu befördern. Daß die Busse unter dem Namen des Klägers zu 1) bestellt worden seien belege, daß er im Bereich Salzgitter erheblich exilpolitisch aktiv sei und sein Engagement weit über das Normale hinausgehe.
Aus der zwischenzeitlich eingetretenen Änderung der Sachlage ergebe sich in Verbindung mit den neuen Beweismitteln, daß sie, die Kläger, in der Türkei gefährdert seien. Das Verwaltungsgerich Braunschweig habe in seinem letzten Urteil die Qualität des exilpolitischen Engagement des Klägers zu 1) falsch eingeschätzt. Unrichtig sei es auch davon ausgegangen, daß an niedrig profilierten exilpolitischen Aktivitäten seitens der türkischen Sicherheitskräfte kein Interesse bestehe und diese, in der Türkei nicht verfolgt und bestraft würden.
Mit Bescheid vom 10. Juli 1998 lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger auf Durchführung weiterer Asylverfahren ab.
Am 20. Juli 1998 haben die Kläger den Verwaltungsrechtsweg beschritten.
Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren. Ergänzend führen sie aus: Auch aus dem Interview des Rechtsanwalt Ercan Demir vom 16. September 1997 mit dem Niedersächsischen Flüchtlingsrat und, dem Urteil, das gegen Ahmet Karakus ergangen sei, lasse sich folgern, daß der Kläger zu 1) in der Türkei wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten mit einer Bestrafung rechnen müsse. Daß keine hinreichende Sicherheit in der Westtürkei bestehe ergebe sich zudem aus Presseberichten die im Kurdistan-Rundbrief 7/98 und dem Göttinger Tageblatt abgedruckt seien. Am 16. Mai 1998 habe einer Mitgliederversammlung im Deutsch-Kurdischen Freundschaftsverein Salzgitter stattgefunden. Dabei sei der Kläger zu 1) als Vertreter des Vereinsvorsitzenden gewählt worden. Die Wahl habe jetzt jedoch noch bestätigt werden müssen. Auch habe der Kläger zu 1) selbst am 06. Juni 1998 an der Veranstaltung in Dortmund teilgenommen und sei dabei life in MED-TV zu sehen gewesen.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10.07.1998 (2355671-163) zugestellt am 15.07.1998 zu verpflichten,
- a)
die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen,
- b)
festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 51 I AuslG vorliegen sowie
- c)
festzustellen, daß in der Person der Kläger Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG vorliegen,
hilfsweise:
die Beklagte unter Aufhebung des vorbezeichneten Bescheides zu verpflichten, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat eine amtliche Auskunft der Polizeidirektion Hannover zu der Veranstaltung am 16. Mai 1998 eingeholt, deretwegen auf das Schreiben der Behörde vom 28. August 1998 und den Vermerk des Gerichts vom 08. September 1998 verwiesen wird. Das Gericht hat auch einen Registerauszug betreffend den Deutsch-Kurdischen Freundschaftsverein e.V. Salzgitter angefordert auf den wegen seines Inhalts verwiesen wird (vgl. Mitteilung des AG Salzgitter vom 9. September 1998). Ferner hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Tevfik Ozcan und Sedrettin Öktem. Wegen der Beweisthemen und -ergebnisse wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Schließlich sind die Kläger zu, 1) und zu 2) in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden. Auch insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Akten und die den Beteiligten bekannte Liste der Erkenntnismittel zu Asylverfahren türkischer Staatsangehöriger verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat lediglich in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
Betreffend den Kläger zu 1) liegen zwar in noch näher darzulegendem Umfang die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative, Abs. 2 und Abs. 3 VwVfG vor, er hat jedoch im Ergebnis weder Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch auf eine Feststellung der Beklagten, daß die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 oder 53 AuslG vorliegen.
Es ist davon auszugehen, daß es sich vorliegend um einen Folgeantrag handelt (§§ 13 Abs. 2, 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG ist auf einen solchen Folgeantrag hin ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn sich die Sach- und Rechtslage zugunsten des Betroffenen geändert hat, neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden, oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind. Der Antrag ist darüber hinaus nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, den Grund für das Wiederaufgreifen geltend zu machen (§ 71 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 2 VwVfG). Der Antrag muß ferner binnen 3 Monaten gestellt werden, gerechnet von dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen des Verfahrens Kenntnis erhalten hat (§ 71 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 3 VwVfG). Macht der Betroffene mehrere Wiederaufgreifensgründe geltend, läuft diese Frist für jeden der Gründe gesondert. Das gilt auch dann, wenn im Hinblick auf einen Wiederaufgreifensgrund ein Antrag auf Durchführung eines Folgeverfahrens bereits gestellt ist und nunmehr - sei es auch während des Rechtsstreits - weitere Wiederaufgreifensgründe "nachgeschoben" werden (BVerwG, Beschluß vom 11.12.1989 - 9 B 320/89 -, NVwZ 1990, 359 <360>[BVerwG 11.12.1989 - 9 B 320/89]; BVerwG, Urteil vom 27.01.1994 - 2 C 12.92 - in BVerwGE 95, 86 <88>[BVerwG 27.01.1994 - 2 C 12/92]; Kopp, VwVfG, 6. Aufl. 1996, § 51 Rdnr. 32). Einzelne neue Tatsachen, die zur Begründung nachgeschoben werden, brauchen - ausnahmsweise - allerdings nicht innerhalb der Ausschlußfrist vorgetragen zu werden, wenn sie lediglich einen bereits rechtzeitig geltend gemachten Wiederaufgreifensgrund bestätigen, wiederholen, erläutern oder konkretisieren, also nicht qualitativ neu sind, d.h. nicht aus dem Rahmen der bisher für das Wiederaufgreifen angeführten Umstände fallen und damit keinen neuen Wiederaufgreifensgrund - wie z.B. die Übernahme herausgehobener Funktionen in einer Exil-Organisation, in der der Asylsuchende bisher nur als einfaches Mitglied beteiligt oder untergeordnet tätig war - darstellen (BVerwG, Urt.v. 10.2.1998 - 9 C 28.97 -). Jedenfalls aber sind sowohl die Verwaltungsgerichte (siehe BVerwG, Urteil vom 30.08.1988 - 9 C 47.87 - in EZAR 212 Nr. 6) als auch das Bundesamt (siehe OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluß, vom 25. Februar 1997 - 25 A 720/97.A -) nur befugt, die Wiederaufgreifensgründe zu prüfen, die der Folgeantragsteller selbst geltend gemacht hat. Dabei muß dieser die nachträgliche Änderung der Sach-, Rechts- oder Beweislage so substantiiert und nachvollziehbar vortragen, daß eine positive Entscheidung nunmehr möglich erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.06.1991 - 9 C 33/90 -).
Ob diese Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Sachprüfung des Folgeantrages gegeben sind, ist in jedem Stadium des Verfahrens durch die jeweils zur Entscheidung berufene Stelle von Amts wegen zu beachten (Nds. OVG, Beschluß vom 23.04.1996 - 11 L 2078/96 - unter Berufung auf BVerwG, Urteil vom 15.12.1987 - 9 C 285.86 - in BVerwGE 79, 332 <335>[BVerwG 17.05.1988 - 1 A 42/84]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluß vom 03. Februar 1997 - 25 A 353/97.A -). Dementsprechend besteht, soweit nicht ausnahmsweise ein rechtmäßiges Wiederaufgreifen des Verfahrens im Ermessenswege anzunehmen ist (vgl. dazu BVerwG, Beschluß vom 05.08.1987 - 9 B 318.86 - in EZAR 212 Nr. 4), eine Verpflichtung zu erneuter gerichtlicher Sachprüfung des Vorbringens des Ausländers im Folgeverfahren nur insoweit, als ein in zulässiger Weise geltend gemachter Grund für das Wiederaufgreifen des Verfahrens reicht, also das mit dem Folgeantrag geltend gemachte Begehren von diesem Grund betroffen wird. Anwendbar ist dabei der Rechtsgedanke des § 590 Abs. 1 ZPO (BVerwG, Beschluß vom 05.08.1987, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens des Klägers zu 1) insoweit erfüllt, als es die Gefahr einer Individualverfolgung wegen Nachfluchtaktivitäten und einer Gruppenverfolgung wegen der kurdischen Volkszugehörigkeit angeht.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1) in zulässiger Weise sein Vorbringen substantiiert, er habe erstmals am 24. April 1998 von den Zeugen Özcan und Öktem erfahren, daß er selbst in der Türkei wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten in MED-TV durch Dorfschützer angezeigt worden sei und man daraufhin seinen Bruder mißhandelt habe. In der aus dem Sitzungsprotokoll zu entnehmenden, durch die Ergänzungen gewonnenen Gestalt genügt der Vortrag des Klägers zu 1) den Anforderungen an eine hinreichend substantiierte und nachvollziehbare Darlegung einer nachträglichen, günstigen Änderung der Sachlage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG.
Auszugehen ist davon, daß auch Tatsachen, die, schon beim Erlaß des unanfechtbaren Verwaltungsaktes objektiv vorgelegen haben sollen, als Änderung der Sachlage in Betracht kommen, wenn sie erst nachträglich bekannt werden (Obermayer, VwVfG, Darmstadt 1983, § 51 Rdnr. 50. m.w.N.).
Offengelassen hat dagegen das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 10. Februar 1998 - BVerwG 9 C 28.97 - ob die Wiederaufgreifensvoraussetzung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG bereits bei schlüssiger Geltendmachung und objektiver Eignung des Vertrags zu einer Änderung der Sachlage zu bejahen ist, oder ob der Wiederaufgreifensgrund der Sachlagenänderung mehr, nämlich die Erfüllung sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen, verlangt. Das erkennende Gericht beantwortet diese Rechtsfrage im Sinne der erstgenannten Alternative. Bedarf es einer eingehenden Prüfung, ob eine Sachlagenänderung tatsächlich vorliegt, so ist die beweiskräftige Feststellung der neuen Sachlage Aufgabe des Folge verfahrens (vgl. Klappstein in Knack, VwVfG, 4. Aufl. 1994, § 51 Rdnr. 5.1.2. m.w.N.). Für den asylrechtlichen Zusammenhang findet diese Sicht der Dinge eine Stütze in § 71 Abs. 3 AsylVfG. Denn die dort getroffenen verfahrensrechtlichen Regelungen lassen darauf schließen, daß der Gesetzgeber eingehende Ermittlungen und komplexe Beweiswürdigungen nicht für das Verfahren ins Auge gefaßt hat, daß der Vorbereitung der Entscheidung dient, ob ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wird. Eine Rechtsauffassung, die die beweiskräftige Feststellung der neuen Sachlage bereits dem Verfahren vor dem Folgeverfahren zuweist, würde die im Gesetz vorgezeichneten Schwerpunkte verschieben. Nicht gefolgt werden, kann auch der Ansicht (Kopp, VwGO, 6. Aufl., § 51 Rdnr. 38) nach der zwischen Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrags und der Wiederaufnahme selbst zu unterscheiden ist. Im Rahmen der Zulässigkeit soll der schlüssige Vortrag geeigneter Umstände ausreichen die Wiederaufnahme selbst aber deren Vorliegen voraussetzen. Diese Rechtsmeinung führt lediglich zu einer weiteren Verkomplizierung der Prüfungen im Verfahren vor Durchführung des weiteren Asylverfahrens. Dieses "Vorverfahren" dient jedoch nur dazu, solche Folgeanträge von der tieferen Sachprüfung auszunehmen, bei denen es entweder keines weiteren Verwaltungsverfahrens auf dem Niveau des Erstverfahrens bedarf, um zu erkennen, daß Zweifel an der bestandskräftigen Entscheidung nicht angebracht sind, oder solche, die von Folgeantragsstellern stammen, denen Mitwirkungsdefizite entgegengehalten werden müssen. Jedenfalls aufgrund teleologischer Auslegung ist deshalb der Rechtsauffassung der Vorzug zu geben, die das erkennende Gericht im Anschluß auch an die bisherige Rechtsprechung zum Wiederaufgreifen des Verfahrens im asylrechtlichen Kontrext vertritt.
Daß in Anlegung dieser Maßstäbe das in Rede stehende Vorbringen des Klägers zu 1) eine Änderung der Sachlage zu seinen Gunsten darstellt, ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Wie das Gericht bereits in seinem Urteil vom 26. Februar 1998 - 5 A 5038/95 - unter Hinweis auf ein Gutachten Kayas vom 02. Juli 1997 an das VG Karlsruhe ausgeführt hat, sind durchaus auch Fälle denkbar, in denen ein in die Türkei zurückkehrender Kurde aufgrund einer Fernsehsendung als gefährdet erscheint. Dies setzt jedoch voraus, daß aufgrund ungewöhnlicher Umstände oder eindeutiger Erklärungen davon ausgegangen werden muß, daß ein besonderes Interesse der Sicherheitskräfte an der betreffenden Person geweckt wurde. Als Indiz für ein derartiges besonderes Interesse kommt es auch in Betracht, wenn in Anknüpfung an die Anzeige des Auftritts des Ausländers im Fernsehen dessen Angehörige am Heimatort durch Gendarmerie oder Polizei drangsaliert wurden. Denn ist der Betreffende neben seinem Fernsehauftritt über einen längeren Zeitraum regelmäßig auch anderweitig exilpolitisch aktiv geworden, so wirft solche Mißhandlung von Verwandten die Frage auf, ob sie lediglich als Übergriff örtlicher Sicherheitskräfte zu erklären ist, oder in ihr ein höher anzusiedelndes gezieltes Ermittlungsinteresse seinen Ausdruck gefunden hat. Läge ein derartiges Ermittlungsinteresse tatsächlich vor, müßte es als starkes Indiz dafür gewertet werden, daß aufgrund der exilpolitischen Aktivitäten ein konkreter Verdacht gegen den Exilanten entstanden ist, die militante kurdische Widerstandsbewegung zu unterstützen. Dabei käme es dann nicht mehr darauf an, ob die exilpolitischen Aktivitäten objektiv betrachtet jeweils lediglich von untergeordneter Bedeutung sind. Denn verschiedene, sich in unterschiedlichem Zusammenhängen ergebende Verdachtsmomente können durch türkische Sicherheitskräfte auch dergestalt zusammengeführt und interpretiert worden sein, daß der Eindruck entstand, man habe es bei dem Bemerkten lediglich mit der Spitze eines Eisberges staatsfeindlichen Wirkens zu tun. Ein derartiger Verdacht müßte einem Rückkehrer in die Türkei aber auch dann gefährlich werden, wenn er sich letztlich nicht gerichtsverwertbar erhärten ließe.
Aus dem Datum, unter dem der Kläger zu 1) von den Ereignissen um seinen Bruder erstmals erfahren haben will und dem Zeitpunkt der Asylantragstellung ergibt sich, daß auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 und Abs. 3 VwVfG für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens als eingehalten anzusehen sind.
Wegen der in der Entscheidung vom 26. Februar 1998 - 5 A 5038/95 - im einzelnen dargelegten Bedeutung der Nachfluchtaktivitäten für die Bejahung der inländischen Fluchtalternative bei als objektivem Nachfluchtgrund offengelassener regionaler Gruppenverfolgung ist das Wiederaufgreifen des Verfahrens neben der Gefahr einer individuellen Verfolgung wegen der Nachfluchtaktivitäten auch auf die Gefahr der bezeichneten kollektiven Verfolgung zu erstrecken.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger zu 1) kann sich nicht mit Erfolg auf eine (Gruppen-)Verfolgung wegen seiner ethnischen Abstammung berufen.
Ob in den südöstlichen Gebieten der Türkei eine Gruppenverfolgung der kurdischen Bevölkerung stattfindet, kann letztlich dahinstehen, denn Kurden steht im westlichen Teil der Türkei, insbesondere in den dortigen Großstädten, grundsätzlich eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Dort sind Kurden im allgemeinen hinreichend sicher vor unmittelbarer und mittelbarer Verfolgung, ohne daß ihnen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auf Dauer ein Leben unterhalb des Existenzminimums droht.
Bei der Türkei handelt es sich um einen sog. "mehrgesichtigen Staat", der den Einsatz der von ihm zur Abwehr separatistischer Bestrebungen ergriffenen Maßnahmen, die u.U. als politische Verfolgung einzustufen sind, im wesentlichen auf die Krisengebiete im Osten des Landes beschränkt. Bei einer unterstellten regionalen politischen Verfolgung ist der Prognosemaßstab der hinreichenden Verfolgungssicherheit anzulegen. Kurden in der Westtürkei, sofern sie sich politisch nicht exponiert haben, sind vor politischer Verfolgung hinreichend sicher. Auch nach dem herabgesetzten Prognosemaßstab genügt für eine Verfolgungsgefahr nicht bereits jede noch so geringe Möglichkeit erneuter Verfolgungshandlungen, wie auch eine Verfolgungsgefahr nicht erst dann ausgeschlossen erscheint, wenn die Möglichkeit erneuter Übergriffe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Vielmehr hat sich die rechtliche Prüfung darauf zu erstrecken, ob objektive Anhaltspunkte einen Übergriff als nicht ganz entfernt und damit als durchaus reale Möglichkeit erscheinen lassen (BVerwG, Urt. vom 08.09.1992, NVwZ 1993, 191 m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist nicht allein auf die Zahl der Beispielfälle von Übergriffen abzustellen, sondern die Größe der betroffenen Bevölkerungsgruppe zu berücksichtigen (BVerwG, Urt. vom 30.04.1996, DVBl. 1996, 200).
Die Zahl der Fälle, in denen es zu einer von der Rechtsordnung nicht gedeckten Tötung von Personen seitens staatlicher Organe gekommen sein könnte, ist im Verhältnis zur Größe der hier zu berücksichtigenden Personengruppe (sieben bis acht Millionen Kurden in der Westtürkei) derart gering, daß eine Gefahr für einen nicht durch spezielle Merkmale (z.B. Verdacht der aktiven Mitgliedschaft in einer militanten Organisation) bestimmten Personenkreis nicht angenommen werden kann. Ebensowenig kann festgestellt werden, daß Anknüpfungspunkt für Verhaftung, Verhör und Folter in der Westtürkei allein die kurdische Volkszugehörigkeit des, Betroffenen ist. Zwar wird in der türkischen Presse über zahlreiche Polizeiaktionen gegen Kurden in der Westtürkei berichtet (Oberdiek, Gutachten vom 02.11.1994 an das VG Köln; Kaya, Gutachten vom 20.10.1994 an das VG Köln; Rumpf, Gutachten vom 21.03.1995 an das VG Köln; amnesty international, Stellungnahme vom Oktober 1995). Die dokumentierten Fälle rechtfertigen jedoch nicht die Schlußfolgerung, daß die Gefahr für einen beliebigen in der Westtürkei lebenden Kurden, von der Polizei gerade wegen seines Volkstums als Angehöriger oder Sympathisant einer terroristischen Vereinigung verhaftet und unter Folter verhört zu werden, mehr als eine nur theoretische Möglichkeit ist. Von den dokumentierten Verhaftungen waren im wesentlichen Funktionäre und Mitglieder der pro-kurdischen Parteien betroffen. Darüber hinaus haben sich Festnahmeaktionen der Polizei gegen kurdische Zeitungen und Verlage gerichtet (Taylan, Gutachten vom 29.05.1995 an das. VG Gießen; ai, Stellungnahme vom Oktober 1995). Ferner haben Aktionen der Sicherheitsktäfte gegen kulturelle Einrichtungen der Kurden oder gegen einzelne prominente kurdische Persönlichkeiten, denen von staatlicher Seite eine politische Nähe zur PKK nachgesagt wird, stattgefunden. Zahlreiche polizeiliche Durchsuchungen und Verhaftungen stehen im Zusammenhang mit Hochzeitsund Beschneidungsfeiern, die am Jahrestag der PKK-Gründung (27. November) oder am Jahrestag der Aufnahme des bewaffneten Kampfes durch die PKK (15. August) stattfinden. Derartige Veranstaltungen gelten als Solidaritätskundgebungen für die militante kurdische Bewegung in der Türkei und sind deshalb ebenso Ziel polizeilicher Maßnahmen, wie Festlichkeiten an anderen Tagen (z.B. am 21. März, dem kurdischen Neujahrsfest/Newroz), wenn dort politische Manifestationen der Identität des kurdischen Volkes erfolgen. Darüber hinaus werden zahlreiche. Aktionen der Polizei durch Vorfälle ausgelöst, hinter denen die militante kurdische Bewegung vermutet wird (z.B. Bombenanschläge, bewaffnete Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften, Plakat- und Flugblattaktionen). Daß die türkische Polizei in einem erheblichen Teil der maßgeblichen Referenzfälle ohne konkrete Verdachtsmomente und nur mit Rücksicht auf die Volkszugehörigkeit gegen Kurden in der Westtürkei vorgeht, kann hiernach nicht festgestellt werden. Auch wenn im Zusammenhang mit spektakulären Aktionen nicht selten bis zu mehreren hundert Personen festgenommen werden, sind die polizeilichen Maßnahmen ersichtlich von der Absicht getragen, der für diese Anschläge oder politischen Aktivitäten Verantwortlichen möglichst schnell habhaft zu werden.
Demgegenüber kann nicht angenommen werden, daß in der Westtürkei lebende Kurden, die weder in diesem Bereich noch in der Region ihres Herkunftsortes in der südöstlichen Türkei den türkischen Stellen im Zusammenhang mit Separatismus aufgefallen sind, einem signifikanten Risiko ausgesetzt sind, im Rahmen einer routinemäßigen Personenkontrolle menschenrechtswidrig behandelt zu werden. Häufig kann schon die kurdische Volkszugehörigkeit des Betreffenden nicht ohne weiteres festgestellt werden. Der Personalausweis (Nüfus) gibt keinen sicheren Aufschluß, weil die Geburtenregistrierung nach einem Umzug auf den neuen Wohnort umgeschrieben werden kann. Außerdem gibt es in den Provinzen Ostanatoliens neben dem kurdischen einen beachtlichen türkischen Bevölkerungsanteil. Selbst wenn es sich bei dem im Nüfus eingetragenen Geburtsort um eines der ca. 12.000 im Notstandsgebiet liegenden Dörfer handeln sollte, ist für einen Beamten in der Westtürkei nicht ohne weiteres erkennbar, daß es sich um ein Dorf in einer Kurdehregion handelt. Schließlich ist auch die Sprache nicht immer signifikant (Kaya, Gutachten v. 4.11.1994 an das OVG Hamburg; Gutachten v. 11.4.1995 an das VG Aachen). Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, daß ohne Vorliegen weiterer Verdachtsmomente in nennenswertem Umfang Kurden anläßlich von Routinekontrollen verhaftet, zur Wache mitgenommen und dort unter Folter verhört werden. Dies erscheint schon angesichts der Größe des potentiell hiervon betroffenen Personenkreise von bis zu acht Millionen in der Westtürkei lebenden Kurden nicht realitätsgerecht.
Nach den Veröffentlichungen des Türkischen Menschenrechtsvereins vom Januar 1995 wurden für die Türkei im Jahre 1994 landesweit 1.209 Verhaftungen und 14.473 Festnahmen registriert (Gesellschaft für bedrohte Volker, Gutachten v. 3.3.1995 an das VG Aachen). Bei diesen Zahlen ist aber zu berücksichtigen, daß sie sich auf die gesamte Türkei beziehen und weder zwischen Kurden und ethnischen Türken noch zwischen Inhaftierungen mit politischem Hintergrund und Festnahmen wegen gewöhnlicher Strafverfahren unterscheiden. Selbst wenn dies außer Betracht gelassen wird, belegt diese Größenordnung ebenfalls die Annahme, daß Kurden in der Westtürkei nur bei dem Hinzutreten konkreter Verdachtsmomente einer nennenswerten Gefahr asylerheblicher Verfolgung ausgesetzt sind. Das ist dann der Fall, wenn sie sich durch ihr Verhalten bei den türkischen Sicherheitskräften der Unterstützung der militanten kurdischen Bewegung verdächtig gemacht haben oder insbesondere aufgrund von Denunziationen in dieser Hinsicht verdächtigt werden. Wie noch im einzelnen darzulegen sein wird, kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger zu 1) aufgrund seiner Nachfluchtaktivitäten oder einer Denunziation wegen derselben einem entsprechenden Verdacht ausgesetzt ist. Daran, daß nicht lediglich die kurdische Volkszugehörigkeit und Herkunft aus der Osttürkei ausreicht, die hinreichende Sicherheit von politischer Verfolgung in der Westtürkei in Frage zu stellen, hält das Gericht auch in Anbetracht der Ausführungen in dem Bericht über die Ergebnisse der deutschen Menschenrechtsdelegation in die Türkei vom 17. bis 20. April 1997, in dem Bericht in Kurdistan Rundbrief vom 09. September 1997 über das drastische Vorgehen des türkischen Staates gegen die Teilnehmer einer Friedensdelegation und der Presseberichte im Kurdistan-Rundbrief 7/98 und dem Göttinger Tageblatt fest. Allgemeine Bewertungen der Lage oder Einzelfälle zumal von solchen Personen, die sich politisch besonders für die kurdische Sache engagieren, ersetzen nicht eine hinreichende Anzahl von Referenzfällen solcher Personen, denen in der Osttürkei allein etwas aufgrund der kurdischen Volkszugehörigkeit widerfahren ist, ohne daß sie sich politisch auffällig verhalten hätten.
Selbst wenn man als Bezugspunkt nicht die gesamte im Westen der Türkei lebende kurdisch-stämmige Bevölkerung von sechs bis acht Millionen wählt, sondern auf die ca. zwei bis drei Millionen kurdischen Binnenflüchtlinge aus dem Südosten abstellt (in diesem Sinne: BVerwG, Urt. v. 30.4.1996, DVBl 1996, 1257), ist die Zahl der asylerheblichen Verfolgungseingriffe insgesamt auch unter Berücksichtigung einer gewissen - allerdings nicht allzu hoch zu veranschlagenden - Dunkelziffer zu gering, um die für die Annahme einer realen Verfolgungsgefahr für kurdische Volkszugehörige nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlichen objektiven Anhaltspunkte begründen zu können.
Auch unter dem Gesichtspunkt einer mittelbaren staatlichen Verfolgung ist die Gefahr für Kurden in der Westtürkei, Opfer von Übergriffen der türkischen Bevölkerungsmehrheit zu werden, die von den türkischen Behörden geduldet werden, als gering einzuschätzen. Die Zahl der nicht aufgeklärten Todesfälle ist nach Angaben türkischer Menschenrechtsorganisationen 1995 und 1996 deutlich zurückgegangen (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 20.11.97).
Soweit die asylrechtliche Prognose hinsichtlich einer etwaigen Gefährdungslage im Westen der Türkei auch die sich abzeichnende weitere Entwicklung einzubeziehen hat, führt der Umstand, daß mit dem Zuzug von Kurden aus den südöstlichen Gebieten der Türkei der Einfluß der PKK in der Westtürkei eher zunehmen wird, zu keiner anderen Beurteilung. Zwar kann davon ausgegangen werden, daß damit auch die Aktionen der Polizei in der Westtürkei gegen tatsächliche oder vermeintliche Anhänger der PKK unter den Kurden häufiger werden und die Beziehungen zwischen türkischen und kurdischen Volkszugehörigen stärkeren Belastungen ausgesetzt sein werden. Gleichwohl geht das Gericht mit der weitaus überwiegenden Anzahl der Verwaltungsgerichte davon aus, daß ein Kurde, der sich im Westen der Türkei seinen eigenen Belangen widmet, ohne sich zugleich aktiv für die spezifischen Interessen seines Volkes einzusetzen, nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand auf absehbare Zeit keiner ernstzunehmenden Gefahr ausgesetzt ist, das Opfer von Übergriffen der türkischen Staatsgewalt oder der türkischen Bevölkerungsmehrheit zu werden (VGH Mannheim, Urt. vom 14.12.1995 - A 12 S 2279/93 -; VGH München, Urt. vom 24.7.1995 - 11 BA 93.31837 -; OVG Hamburg, Urt. vom 23.8.1995 - OVG Bf V 88/89 -; OVG Lüneburg, Urt. vom 23.11.1995 - 11 L 6076/91 -; OVG Münster, Urt. vom 11.03.1996 - 25 A 5801/94.A -).
Für kurdische Volkszugehörige, die im Westen der Türkei vor politischer Verfolgung hinreichend sicher sind, liegen regelmäßig auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen einer inländischen Fluchtalternative in diesem Teil des Landes vor. Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, daß dieser Personenkreis bei der gebotenen generalisierenden Betrachtung im Westen der Türkei auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.7.1991, DVBl 1991, 1090[BVerwG 23.07.1991 - 9 C 154/90]; Urt. v. 31.3.1992, NVwZ-RR 1992, 589; Urt. v. 14.12.1993, DVBl 1994, 524 m.w.N.). Der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit ist anzuwenden, weil - anders als im Hinblick auf die Gefahr erneuter politischer Verfolgung - eine vergleichbare Besserstellung auch hinsichtlich der verfolgungsunabhängigen Nachteile und Gefahren, die mit einem Ausweichen innerhalb des Heimatstaates möglicherweise verbunden sind, nicht geboten ist (BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989, BVerfGE 80, 315).
Bei erwerbsfähigen Personen kann erwartet werden, daß sie sich nach Maßgabe der vorhandenen Möglichkeiten ein Auskommen schaffen, auch wenn es in der Anfangsphase möglicherweise an den erforderlichen Fähigkeiten zur Ausübung einer bestimmten Erwerbstätigkeit fehlt. Derartige Erschwernisse und Einarbeitungsschwierigkeiten müssen für eine Übergangszeit hingenommen werden. Dies schließt es ein, daß der Ausländer am Alternativort das zum Lebensunterhalt Erforderliche durch eine andere als die früher ausgeübte Tätigkeit erwirtschaften kann, ohne daß die Art und Weise der ihm hierbei abverlangten Arbeit seine personelle Würde verletzt (BVerwG, Urt. v. 30.4.1991 - Buchholz 402.25, 1 AsylVfG, Nr. 145).
Die Auswertung der dazu vorliegenden Erkenntnismittel ergibt, daß kurdische Volkszugehörige in der Westtürkei - besonders in den dortigen Großstädten - regelmäßig nach einer Übergangsphase die Möglichkeit haben, ein zumindest bescheidenes Auskommen zu finden. Die Lebensverhältnisse in der Türkei sind durch ein starkes West-Ost-Gefälle geprägt. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen in Ostanatolien (300 US-Dollar) beläuft sich auf 1/10 desjenigen in der Westtürkei (3.000 US-Dollar). Darüber hinaus ist die medizinische Versorgung im Südosten der Türkei deutlich schlechter als im Westen der Türkei, und auch die Dorfschulen sind zu einem großen Teil geschlossen. Die im wesentlichen aufgrund der militärischen Auseinandersetzungen ausgelöste Wanderungsbewegung hat dazu geführt, daß derzeit etwa sieben bis acht Millionen Kurden dauerhaft im Westen des Landes leben (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 20.11.1997; Lagebericht vom 31.03.1998). Die Zuwanderer finden zumeist eine Unterkunft in den sogenannten Gecekondus, d.h. in Stadtvierteln, die aus ohne behördliche Genehmigungen gebauten Häusern bestehen (vgl. Rumpf, Gutachten v. 24.4.1997 an OVG Schleswig). Die Zuwanderer sind in der Lage, nach Überwindung von anfänglichen Schwierigkeiten, die zumeist mit Unterstützung durch Verwandte oder mit dem Einsatz von Ersparnissen überbrückt werden, ihren Lebensunterhalt durch selbständige oder unselbständige Erwerbsarbeit zu sichern, Hungersnöte gibt es in den Zuwanderergebieten nicht. Zwar ist nicht zu verkennen, daß die meisten Zuwanderer besonders in der ersten Zeit in ärmlichen Verhältnissen leben; für die Frage eines Existenzminimums am Ort der inländischen Fluchtalternative ist jedoch maßgeblich, daß den Asylsuchenden dort kein Leben erwartet, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt. Es ist vielmehr ausgeschlossen, daß die aus dem Südosten der Türkei zugewanderten Kurden sich in der Westtürkei Wirtschaftlich wesentlich verschlechtern werden. Hierfür sprechen das um das 10-fache höhere Pro-Kopf-Einkommen im Westen, der höhere Beschäftigungsstand, die wesentlich geringe Analphabetenrate und der höhere Grad an medizinischer Versorgung.
Zudem veranlaßt der Umstand, daß inzwischen sieben bis acht Millionen Menschen kurdischer Herkunft und damit mehr als die Hälfte der in der Türkei insgesamt lebenden Kurden in der Westtürkei ansässig geworden sind, ohne daß von einer kurdenspezifischen Verelendung gesprochen werden kann oder Fälle von Hunger und ähnlichem bekannt geworden sind, zu der Annahme, daß es auch den weiteren Zuwanderern gelingen wird, die Übergangsschwierigkeiten zu überwinden und ein bescheidenes Auskommen zu finden, das in aller Regel über demjenigen der Heimatregion liegt (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 13.8.1996; Kaya, Gutachten v. 11.4.1995 an das VG Aachen; Rumpf, Gutachten v. 1.10.1995 an das VG Aachen; Gesellschaft für bedrohte Völker, Gutachten v. 3.3.1995 an das VG Aachen).
Auch in neuerer Zeit sind keine Erkenntnisse bekannt geworden, die zu einer anderen Beurteilung der Problematik Anlaß geben könnten, vielmehr werden die Erkenntnisse fortgeschrieben (vgl. Auswärtige Amt, Lagebericht v. 20.11.1997, Auskünfte v. 28.2.1997 an das OVG Schleswig und v. 7.4.1997 an das OVG Mecklenburg-Vorpommern; Oberdiek, Stellungnahme v. 2.4.1997 an OVG Mecklenburg-Vorpommern; Sen/Akkaya, Gutachten v. 17.3.1997 an OVG Mecklenburg-Vorpommern; Rumpf, Gutachten v. 24.4.1997 an das OVG Schleswig).
Es ist schließlich auch nicht ersichtlich, daß der Kläger nicht in der Lage sein sollte, im Westen der Türkei mit einem bescheidenen Auskommen zu überleben. Es liegen in seiner Person keine Merkmale vor, die eine Abweichung von der hier vorzunehmenden generalisierenden Betrachtungsweise gebieten könnten.
Schließlich hat der Kläger auch die Möglichkeit, die Orte der inländischen Fluchtalternative, insbesondere die türkischen Großstädte des Westens zu erreichen, und muß auch nach einem erfolglosen Asylverfahren bei der Rückkehr in die Türkei nicht damit rechnen, asylerhebliche, als politische Verfolgung zu qualifizierende Maßnahmen erdulden zu müssen.
Das Risiko von Verhaftung, Verhör und Folter ist im Falle der Rückkehr abgelehnter türkischer Asylbewerber kurdischer Volkszugehörigkeit für den Regelfall ausgeschlossen. Im Normalfall wird ein türkischer Staatsangehöriger, der ein gültiges und zur Einreise berechtigendes Reisedokument besitzt, die Grenzkontrolle, insbesondere am Flughafen, ungehindert passieren können. Dies gilt auch für Personen, denen vom zuständigen türkischen Konsulat zum Zwecke der Rückkehr ein Paßersatzpapier ausgestellt worden ist (Auswärtiges Amt, Auskunft v. 4.1.1995 an das OVG Hamburg). Solche Reiseunterlagen werden nach den einschlägigen paßrechtlichen Bestimmungen der Türkei nur den Personen ausgestellt, erneuert oder verlängert, deren weiterer Aufenthalt im Ausland im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage nicht bedenklich erscheint. Hierzu erfolgt in aller Regel eine Rückfrage bei der zuständigen Heimatbehörde (Kaya, Gutachten v. 28.10.1993 an das VG Hamburg; Auswärtiges Amt, Auskunft v. 28.10.1993 an das VG Regensburg). Sofern den türkischen Grenzbehörden bekannt wird, daß eine Person abgeschoben wird, wird diese Person einer eingehenden Befragung vornehmlich im Hinblick darauf unterzogen, daß Grundlage für eine Abschiebung nach allgemeinem Ausländerrecht häufig eine erhebliche Straffälligkeit im Ausland ist. Die Asylantragstellung in Deutschland ist dagegen im allgemeinen kein Umstand, der geeignet wäre, den Argwohn türkischer Stellen zu erwecken. Diesen Behörden ist bekannt, daß ein Großteil der Landsleute mit einem Asylantrag versuchen, ein anders nicht mögliches vorübergehendes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland zu erzwingen (Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 20.11.1997; Kaya, Verhandlungsniederschrift v. 22.6.1995 vor dem OVG Schleswig). Die im Zusammenhang mit der Einreise zurückkehrender, kurdischer Asylbewerber in die Türkei bekannt gewordenen und überprüften Referenzfälle bestätigen die Annahme einer insoweit vorliegenden hinreighenden Sicherheit vor politischer Verfolgung jedenfalls dann, wenn der Betreffende sich bei der Befragung nicht politisch verdächtig gemacht bzw. ein Abgleich mit der Personenstandsbehörde und dem Fahndungsregister zur Personalienfeststellung und Abklärung von eventuellen Fahndungsersuchen nicht den Verdacht staatsfeindlicher Aktivitäten aufkommen lassen hat (Oberdiek, Gutachten v. 1.11.1994 an das OVG Hamburg; Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 20.11.1997, Auskunft v. 4.1.1995 an das OVG Hamburg).
Vor allem die Gesamtzahl der in Betracht zu ziehenden Abschiebefälle (1990: 3549 Personen, darunter 2029 abgelehnte Asylbewerber; bis August 1995: 1539 Personen, darunter 745 abgelehnte Asylbewerber; 1996: 4639 Ab- und 1488 Zurückschiebungen; - 1997: 5979 Ab- und 898 Zurückschiebungen) im Verhältnis zu den wenigen und überdies nach Art und Inhalt nur zum Teil vergleichbaren oder belegten Referenzfällen macht deutlich, daß die Annahme einer generellen Verfolgungsgefahr für abgeschobene kurdische Asylbewerber nicht zu rechtfertigen ist. Zu diesen Abschiebungsfällen aus Deutschland kommen Abschiebungen aus anderen westlichen Staaten hinzu. Angesichts einer solchen Zahl von Rückführungen wären bei einer relevanten Anzahl menschenrechtswidriger Übergriffe gegen abgeschobene Asylbewerber in Polizeihaft entsprechende Berichte zumindest in der kurdenfreundlichen türkischen Presse erschienen oder den Menschenrechtsvereinen in der Türkei bekannt geworden. Dies ist jedoch - soweit ersichtlich - nicht der Fall. Da der Kläger zu 1) als kurdischer Volkszugehöriger und abgelehnter Asylbewerber nicht mit einer Haft in türkischen Gefängnissen zu rechnen hat, kommt es auch nicht darauf an, ob die dortigen Zustände dem entsprechen, was der Kurdische Rote Halbmond nach einer Delegationsreise im September 1997 unter dem Titel "Flucht ins Elend der Städte" darüber berichtet hat.
Was nun die Auswirkungen der Nachfluchtaktivitäten des Klägers zu 1) angeht gilt folgendes: Auch der unverfolgt Eingereiste kann auf Grund sogenannter Nachfluchttatbestände Anspruch auf Asyl haben. Nachfluchttatbestände können wegen des Fehlens des Kausalzusammenhanges zwischen Verfolgung und Flucht allerdings nur dann zu einem Asylanspruch führen, wenn dies ausnahmsweise durch Sinn und Zweck der Asylrechtsverbürgung gefordert ist. Dies ist in Betracht zu ziehen, wenn die Nachfluchtgründe durch Vorgänge oder Ereignisse im Heimatland ohne Zutun des Asylbewerbers ausgelöst wurden (sog. objektive Nachfluchtgründe). Selbstgeschaffene Nachfluchttatbestände, die der Asylbewerber nach Verlassen des Heimatlandes aus eigenem Entschluß herbeigeführt hat (sog. subjektive Nachfluchtgründe) - hierzu können etwa eine exilpolitische Betätigung oder die Stellung eines Asylantrages rechnen -, können dagegen nur dann asylrelevant sein, wenn sie sich als Ausdruck und Fortführung einer schon im Heimatland vorhandenen und erkennbar betätigten Überzeugung darstellen und als notwendige Konsequenz einer dauernden, die eigene Identität prägenden und nach außen kundgegebenen Lebenshaltung erscheinen oder (insbesondere bei der Stellung eines Asylantrages) der Asylsuchende sich bei Verlassen des Heimatlandes in, einer zumindest latenten Gefährdungslage befunden hat (BVerwG, Urt. v. 31.3.1992, Buchholz 402.25, 1 AsylVfG Nr. 152; BVerwG, Urt. v. 30.8.1988 - 9 C 80.87 -, BVerwGE 80, 131 (134 f.) [BVerwG 30.08.1988 - 9 C 80/87] = NVwZ 1989, 264; Urt. vom 17.1.1989 - 9 C 56.88 -, BVerwGE 81, 170 (171 ff.) [BVerwG 17.01.1989 - 9 C 56/88]; BVerfG, Beschl. v. 26.11.1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 (65 ff.) [BVerfG 26.11.1986 - 2 BvR 1058/85] = NVwZ 1987, 311 [BVerfG 26.11.1986 - 2 BvR 1058/85]). Eine auf exilpolitische Betätigung gestützte Asylanerkennung kommt in Betracht, wenn wegen dieser Gründe bei Rückkehr eine asylerhebliche Verfolgung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht; der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßst ab ist anzuwenden, weil das Gericht die Frage der regionalen Gruppenverfolgung als objektiver Nachfluchtgrund offen gelassen hat.
Es ist davon auszugehen, daß ein Kurde im Falle der Rückkehr in die Türkei allein wegen einer einfachen exilpolitischen Betätigung - im Unterschied zu exponierter Regimegegnerschaft - eine erhebliche Verfolgung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht zu befürchten hat. Ein Verfolgungsrisiko besteht nur für die an exponierter Stelle auftretenden und agierenden Wortführer staatsfeindlicher Gruppen und sonst in der Öffentlichkeit bekannt gewordene Kritiker der Verhältnisse in der Türkei (z.B. die Leiter von - größeren und öffentlichkeitswirksamen - Demonstrationen und Protestaktionen sowie die Redner auf solchen Veranstaltungen, ferner die Vorstandsmitglieder eingetragener Vereine, die sich aus Sicht der türkischen Behörden zumindest regimekritisch betätigen, vgl. OVG Münster, Urt. v. 11.3.1996, - 25 A 5977/94.A -). Nach übereinstimmender Erkenntnislage kann angenommen werden, daß die türkischen Sicherheitskräfte und der türkische Geheimdienst in der Bundesrepublik Deutschland über ein Netz von Mitarbeitern sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer diplomatischen Vertretungen verfügen. Sie beobachten, überwachen und registrieren die Aktivitäten oppositioneller Gruppen und Einzelpersonen, die für sie unter Staatsschutzgesichtspunkten von Interesse sein könnten. Die türkischen Stellen in Deutschland verfolgen insbesondere die Aktivitäten kurdischer Organisationen aufmerksam und leiten die gesammelten Informationen in die Türkei weiter. Angesichts der Vielzahl der Ereignisse und der oft nur am Rande beteiligten Personen ist indessen wenig wahrscheinlich, daß auch nicht herausragende Aktivitäten wie z.B. einfache Vereinsmitgliedschaft, Teilnahme an Demonstrationen, Hungerstreiks, Informationsveranstaltungen oder Verteilung von Flugblättern den zuständigen türkischen Stellen in einer die Identifizierung des Betroffenen ermöglichenden Weise bekannt werden. Zwar gibt es Hinweise darauf, daß Mitarbeiter türkischer Auslandsvertretungen in Deutschland während des Ablaufs kurdischer Protestveranstaltungen (insbes. von gewalttätigen Aktionen gegen Generalkonsulate) Film- und Videoaufnahmen machen, die dem Zweck der späteren Identifizierung von Beteiligten dienen könnten. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß hierdurch vor allem bereits auf andere Weise bekannte Teilnehmer identifiziert werden. Die Auswertung von Videoaufnahmen oder sonstiger Bilddokumente unter dem Gesichtspunkt, namentlich noch nicht bekannte Personen identifizieren zu können, ist nicht ohne erheblichen Aufwand möglich und setzt bereits weitere Anhaltspunkte wie z.B. ein Hinweis auf den Wohnort für die Ermittlungen voraus. Schon wegen des damit verbundenen umfangreichen Arbeitsaufwandes kann insoweit lediglich angenommen werden, daß türkische Sicherheitsbehörden sich der Mühe der Identifizierung (nur) bei solchen Personen unterziehen (können), deren Aktivität eine herausragende Bedeutung beigemessen wird (Kaya, Gutachten v. 3.4.1996 an VG Neustadt). Demgemäß ist davon auszugehen, daß sich das Ermittlungsinteresse der türkischen Stellen schon aus Kapazitätsgründen auf die an exponierter Stelle auftretenden und agierenden Wortführer staatsfeindlicher Gruppen und auf sonst in der Öffentlichkeit bekanntgewordene Kritiker der Verhältnisse in der Türkei konzentrieren wird (vgl. amnesty international, Stellungnahme v. 31.1.1994 an das VG Ansbach; Auswärtiges Amt, Auskünfte v. 8.6.1994 an das VG Frankfurt/Main und 17.4.1996 an das VG Neustadt; Rumpf, Gutachten v. 15.6.1993 an das VG Hannover und v. 30.6.1994 an das VG Frankfurt/Main; Kaya, Gutachten v. 28.10.1993 an das VG Hamburg und v. 3.4.1996 an das VG Neustadt).
Zusätzlich ist zu berücksichtigen, daß exilpolitische Aktivitäten der vorgenannten, niedrig profilierten Art in der Türkei strafrechtlich in aller Regel nicht verfolgt werden. Es kann angenommen werden, daß solche Aktivitäten nach Art. 8 des Antiterrorgesetzes (ATG) vom 12. April 1991 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 27. Oktober 1995 wahrscheinlich nicht bestraft werden. Nach dieser Vorschrift wird separatistische Propaganda mit Gefängnis von ein bis drei Jahren und mit schwerer Geldstrafe bestraft. Es handelt sich dabei um ein typisches "Intellektuellendelikt", das vorwiegend auf Journalisten und Schriftsteller zielt und daneben auch prominente Persönlichkeiten erfaßt, die Vorträge halten und Konzerte geben. Einschlägige Strafverfahren haben in der Vergangenheit hauptsächlich an Buch- oder Zeitungsveröffentlichungen angeknüpft. Demgegenüber sind Verurteilungen von Personen, die bei einer Demonstration fotografiert worden waren, schon nach der türkischen Strafverfolgungspraxis unter der Geltung der ursprünglichen Fassung des Art. 8 ATG nicht bekannt geworden. Erst recht sind dahingehende Befürchtungen nicht mehr gerechtfertigt, seitdem der bisher ausdrücklich weit gefaßte Tatbestand im Sinne einer Einengung geändert worden ist. Nunmehr kommt eine Verurteilung nur in Betracht, wenn die Äußerung objektiv geeignet ist, zu einer mindestens ernsthaften Beeinträchtigung der Souveränität der türkischen Regierung über einen Teil des Staatsgebietes zu führen. In der Praxis hat diese Reform zur Freilassung von über 100 der etwa 150 bis 180 nach Art. 8 ATG Verurteilten geführt. Des weiteren wurden auch zahlreiche nach dieser Norm angeklagte Personen aus der Untersuchungshaft entlassen (vgl. dazu: Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 13.8.1996; OVG Münster, Urt. v. 11.3.1996, - 25 A 5977/94.A -).
Selbst wenn die hier in Rede stehenden exilpolitischen Aktivitäten türkischen Straftatbeständen unterfielen, schiede eine Strafverfolgung nach Art. 8 ATG auch aus einem weiteren Grunde aus. Da es sich bei solchen Aktivitäten - ihre Strafbarkeit unterstellt - aus der Sicht des türkischen Staates um Auslandsstraftaten handelt, kommen die einschlägigen Vorschriften des internationalen Strafrechts im Türkischen Strafgesetzbuch zur Anwendung. Nach Art. 5 TStGB findet eine Strafverfolgung statt, wenn für das fragliche Delikt eine Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren vorgesehen ist; dies ist bei Art. 8 ATG nicht der Fall. Nach Art. 4 TStGB wird eine Auslandsstraftat darüber hinaus verfolgt, wenn sie sich gegen die "Persönlichkeit des Staates" richtet. Die türkische Strafrechtslehre, der die Rechtsprechung offensichtlich gefolgt ist, meint indessen, daß Art. 8 ATG nicht zu den Straftaten gegen die Persönlichkeit des Staates zählt (vgl. Auswärtiges Amt, Auskünfte v. 3.11.1994 an das VG Freiburg und v. 17.4.1996 an das VG Neustadt; vgl. dazu ferner: Rumpf, Gutachten v. 25.8.1994 an das VG Köln, Seite 5 ff., sowie OVG Münster, Urt. v. 11.3.1996, - 25 A 5977/94.A -). Eine Bestrafung wegen Volksverhetzung nach Art. 312 Abs. 2 TStGB scheitert ebenfalls an Art. 4 und 5 v TStGB. Eine Bestrafung wegen Mitgliedschaft in einer bewaffneten Bande nach Art. 168 Abs. 2 TStGB scheidet aus, weil diese Vorschrift allenfalls Personen erfaßt, die sich über einen längeren Zeltraum häufig öffentlich und prominent für die Ziele einer militanten Organisation, wie z.B. der PKK, eingesetzt haben. Eine Bestrafung wegen Unterstützung einer bewaffneten Bande nach Art. 169 TStGB kommt schließlich vornehmlich in Betracht, wenn das fragliche Verhalten als Anstiftung zu (konkreten effizienten) separatistischen Aktionen in der Türkei gewertet werden kann; dies ist bei exilpolitischen Aktivitäten der hier in Rede stehenden Art regelmäßig nicht der Fall (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 13.8.1996; OVG Münster, Urt. v. 11.3.1996, - 25 A 5977/94.A -).
Insoweit ist schließlich zu erwägen, daß die häufige Teilnahme türkischer Asylbewerber an exilpolitischen Aktivitäten im Bundesgebiet in auffälligem Gegensatz zu der berichteten Anzahl von einschlägigen Referenzfällen steht, in denen eine menschenrechtswidrige Behandlung in der Türkei allein durch exilpolitische Tätigkeit ausgelöst worden ist. Auch Kaya bestätigt in seinem Gutachten vom 3. April 1996, daß zahlreiche ("Hunderte, ja sogar Tausende") Personen (kurdischer und türkischer Herkunft), die sich an Demonstrationen, Veranstaltungen und Hungerstreiks beteiligt hatten und von denen Bilder in der Presse veröffentlicht worden waren, weder bei Konsulatsangelegenheiten noch bei Reisen in die Türkei Schwierigkeiten bekommen haben. Kaya führt dies auf die mangelnde Auswertung der Bilddokumentationen zurück. Zumindest ebenso plausibel erscheint daneben aber auch die Annahme, daß die türkischen Stellen sich auf die aus ihrer Sicht ernsthaften Gegner konzentrieren und dabei auch erkennen, daß einfache exilpolitische Aktivitäten offenbar nicht selten vorwiegend mit dem Ziel unternommen werden, sich einen Vorteil im laufenden Asylverfahren zu verschaffen und dadurch einen sonst nicht zu erreichenden vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet zu erzwingen.
An dieser Einschätzung hält das Gericht auch in Anbetracht der neuen Beweismittel fest, auf die sich der Kläger zur Begründung seines Asylfolgebegehrens berufen hat. Das Schreiben des Herrn Halil Murat vom 12. Dezember 1996 ist schon deshalb ohne Belang, weil von dem Gericht nicht in Abrede gestellt wird, daß der türkische Geheimdienst exilpolitische Aktivitäten beobachtet. Soweit in dem Interview mit Rechtsanwalt Ercan Demir vom 16. September 1997 von der Gefahr einer Verurteilung nach § 312 des Türkischen Strafgesetzbuches die Rede ist, ist darauf hinzuweisen, daß die Verurteilung in Anknüpfung an eine Demonstration in Izmir erfolgt sein soll, also in der Türkei. Dies läßt die Einschätzung des erkennenden Gerichts, daß aufgrund der Art. 4 und 5 des TStGB eine Verurteilung nach der vorgenannten Norm bei Auslandsstraftaten nicht in Betracht kommt, unberührt. Ein etwas differenzierteres Bild werfen allerdings die Stellungnahme des Rechtsanwalts Sezai Denel, das Interview mit Ercan Demir und das Urteil gegen Ahmet Karakus auf die Möglichkeit einer Bestrafung nach den §§ 168 und insbesondere 169 des TStGB. Das Urteil gegen Herrn Karakus belegt aber zumindest, daß es im allgemeinen eindeutiger Beweise bedarf, damit eine Verurteilung nach § 169 des TStGB erfolgt. Es kann jedoch für den Fall einer Rückkehr des Klägers zu 1) nicht davon ausgegangen werden, daß derartige Beweismittel vorliegen. Einen Koffer, der sie enthalten könnte, wird er selbst wohl kaum mit in die Türkei zurücknehmen. Und abgesehen davon, daß das Gericht aufgrund der Angaben des Herrn Demir nicht zu glauben vermag, daß der Bundesgrenzschutz - gegen den Willen des Betroffenen - einen Koffer mit solchem Material im Falle Karakus den türkischen Behörden übergeben haben soll, könnte es sich dabei - hätte es sich tatsächlich so zugetragen - nur um ein pflichtwidriges Vorgehen einzelner deutscher Beamter handeln, mit dessen Wiederholung nicht gerechnet werden muß. Entscheidend ist aber letztlich nicht, ob es für den Fall, daß alle Aktivitäten des Klägers zu 1) bekannt und beweisbar wären, zu einer Verurteilung nach türkischem Recht käme, sondern, ob überhaupt damit zu rechnen ist, daß den Sicherheitskräften in der Türkei bekannt wird, daß der Kläger zu 1) - als identifizierte Person - diese Aktivitäten unternommen hat. Insoweit hält das Gericht auch unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen Kaya vom 20. Februar 1998 an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen daran fest, daß die erforderliche Wahrscheinlichkeit in Anbetracht des niedrigen Profils der Aktivitäten des Klägers nicht gegeben ist. So unterscheidet sich etwa der auch von Kaya angeführte Referenzfall des Mehmet Ali Akbas von demjenigen des Klägers dadurch, daß dem Betreffenden die Teilnahme an einer Konsulatsbesetzung zur Last gelegt wurde. Mit einer solchen Aktion ist die Veranstaltung vom 16. Mai 1998, an der der Kläger zu 1) teilgenommen haben will, schon vom Ansatz her nicht zu vergleichen. Insoweit wird auf die Auskunft der Polizeidirektion Hannover vom 28. August 1998 verwiesen. Bei der Versammlung wurde von keinem Teilnehmer versucht, in das Generalkonsulat einzudringen, man verhielt sich diszipliniert und der Geschäftsbetrieb der Vertretung wurde nicht beeinträchtigt. Die Teilnahme am Newroz-Fest in Braunschweig am 20. März 1998 als Ordner, die Teilnahme an der Veranstaltung am 06. Juni 1998 in Dortmund und die Organisation der Busfahrt dorthin stellen ohnehin keine Aktionen dar, durch die der Kläger zu 1) besonders ins Blickfeld der türkischen Sicherheitskräfte geraten sein könnte. Daß der Kläger nicht zum Vorstand im Sinne des § 26 BGB des Deutsch-Kurdischen Freundschaftsvereins Salzgitter e.V. gehört, ergibt sich eindeutig aus der Kopie aus dem Vereinsregister, die das Gericht von dem Amtsgericht Salzgitter erhalten hat. Andere Positionen im Verein als diejenigen des im Vereinsregister eingetragenen Vorsitzenden oder stellvertretenden Vorsitzenden können ihrer Bedeutung nach diesen Funktionen nicht gleichgestellt werden.
Die im übrigen nicht bewiesene Behauptung des Klägers, er sei gleichsam ein stellvertretender Vorsitzender, ist daher ohne Belang. Denn Mitglied des Vorstands ist er eindeutig nicht.
Die Mitgliedschaft in dem Verein, dessen Mitglieder allerdings als Sympathisanten der PKK einzustufen sind (vgl. Nds. Innenministerium, Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) - Lagebild Bund und Niedersachsen - vom 24. Juli 1997), reicht nicht aus, um als herausgehobenes exilpolitisches Engagement zu gelten. An der Beurteilung der bereits im Vorprozeß vorgebrachten Aktivitäten des Klägers zu 1) als niedrig profiliert hält das Gericht fest.
Ein Verfolgungsrisiko des Klägers zu 1), das seine hinreichende Sicherheit vor politischer Verfolgung in der Westtürkei in Frage stellte, läßt sich auch nicht mit seinen Auftritten in Sendungen des MED-TV begründen.
An dieser Einschätzung, die das Gericht bereits in seinem Urteil vom 26. Februar 1998 - 5 A 5038/95 - auch bezogen auf den speziellen Charakter gerade der bis dahin erfolgten Fernsehauftritte des Klägers zu 1) begründet hat, wird auch in Anbetracht der nunmehr im Folgeverfahren zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel festgehalten. In seinem Gutachten vom 20. Februar 1998 vermag Kaya keine hinreichende Anzahl von Referenzfällen zu nennen, in denen es allein aufgrund eines Fernsehauftritts in Verbindung mit niedrig profilierter Exilpolitik zu asylerheblichen Übergriffen auf einen Rückkehrer in die Türkei gekommen ist. Es dürfen nicht Fälle prominenter kurdischer Parteifunktionäre, Abgeordneter, Schriftsteller oder sonstiger Intellektueller mit denjenigen der Asylbewerber vermengt werden, die lediglich einfach exilpolitisch tätig sind und sich nicht hinreichend deutlich aus der Masse der sich in dieser Weise artikulierenden abheben. Die Einschätzung des erkennenden Gerichts, daß eine Rückkehrgefährdung für kurdische Asylbewerber im Falle exilpolitischer Aktivitäten niedrigen Profils selbst dann nicht anzunehmen ist, wenn diese im MED-TV zu sehen waren, wird im übrigen sowohl von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (Entscheidung vom 19. Mai 1998 - 11 L 5709/97 -) als auch von dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 31. März 1998 - 25 A 5198/96.A -) geteilt. Ausdrücklich weist das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung darauf hin, daß die in jüngster Zeit bekanntgewordenen Fälle Mehmet Ali Akbas, Hasan Kutgan und Ahmet Karakus auch unter Berücksichtigung weiterer Referenzfälle angesichts der überaus großen Zahl von unproblematisch verlaufenen Abschiebungen nicht die Annahme einer generellen Verfolgungsgefahr für exilpolitisch tätige kurdische Asylbewerber rechtfertigten. Dem ist in Würdigung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel nichts hinzuzufügen.
Eine andere Bewertung des vorliegenden Einzelfalles ist im Ergebnis auch nicht aufgrund des Vorbringens des Klägers zu 1) geboten, er habe erfahren, er sei wegen der Auftritte in MED-TV angezeigt worden und daraufhin habe man seinen Bruder Sait mißhandelt. Denn das Gericht konnte nicht die Überzeugung gewinnen, daß dergleichen tatsächlich geschehen ist. Es hat sich dabei vom persönlichen Eindruck leiten lassen, den es in der mündlichen Verhandlung von dem Kläger zu 1) und den beiden Zeugen gewonnen hat sowie davon, daß die Angaben dieser drei Personen in verschiedenen Punkten nicht miteinander in Einklang zu bringen waren. Auszugehen war allerdings davon, daß wegen des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich ein Asylbewerber hinsichtlich solcher Vorgänge befindet, die sich im Verfolgerland abgespielt haben sollen, bereits die Glaubhaftmachung der behaupteten Vorgänge ausgereicht hätte (vgl. Hailbronner, Auslanderrecht, Art. 16 a GG, Rdnr. 256). Trotz des reduzierten Beweismaßes können jedoch die Einlassungen des Klägers zu 1) und der beiden Zeugen nicht für wahr erachtet werden. Gegen die Glaubwürdigkeit der beiden Zeugen spricht zum einen, daß sie und der Kläger zu 1) keine übereinstimmenden Angaben dazu gemacht haben, wie genau es sich abgespielt hat, als der Kläger zu 1) am 24. April 1998 von den Zeugen über das Schicksal seines Bruders erfahren haben will. Der Kläger zu 1) hatte nämlich in der mündlichen Verhandlung berichtet, er sei damals in. Salzgitter mit den beiden Zeugen ins Gespräch gekommen, als er ihnen Tee gebracht habe. Zunächst habe der Zeuge Öktem erzählt, dann habe der Zeuge Özcan berichtet und inhaltlich praktisch dasselbe erzählt. Dagegen erklärte der Zeuge Özcan in seiner Vernehmung vor dem erkennenden Gericht, zwar sei der Zeuge Öktem damals in Salzgitter auch dabei gewesen, zu dritt unterhalten hätten sie sich jedoch nicht. Vielmehr habe der Kläger zu 1) zunächst mit ihm gesprochen, dann sei der Zeuge Öktem gekommen und habe sich mit dem Kläger zu 1) unterhalten. Davon, daß der Kläger zu 1) mit beiden Zeugen ins Gespräch gekommen sei, als er ihnen Tee gebracht habe, berichtete der Zeuge Özcan also nichts. Auch hat seinen Angaben zufolge der Kläger zunächst mit ihm und erst dann mit dem anderen Zeugen gesprochen. Der Zeuge Öktem machte zwar keine Angaben dazu, wer von den beiden Zeugen zuerst mit dem Kläger zu 1) gesprochen habe, gab aber ebenfalls an, zu dritt hätten sie nicht miteinander geredet. Das wiederum muß aber erstaunen, da es aus der Sicht des Klägers zu 1) doch nahegelegen hätte, beide anwesenden Zeugen am 24. April 1998 zusammenzubringen, weil ein solches Gespräch erfahrungsgemäß dazu führen kann, daß sich jeder der Zeugen angeregt durch die Angaben des anderen an weitere Einzelheiten erinnert. Und hätte der Kläger zu 1) tatsächlich mit jedem der Zeugen getrennt gesprochen, so muß es erstaunen, daß keiner der Zeugen dem Gericht erklärte, als er mit dem Kläger zu 1) gesprochen habe, sei diesem der wesentliche Inhalt dessen, was er ihm zu sagen gehabt habe, bereits aufgrund der Mitteilung des anderen Zeugen bekannt gewesen. Auch wenn man in Rechnung stellt, daß der Kläger zu 1) angegeben hat, am 24. April 1998 habe eine Feierlichkeit stattgefunden, die die Möglichkeiten eingeschränkt habe, sich mit den Zeugen zu unterhalten, bleiben doch erhebliche Unstimmigkeiten in der Schilderung der Gesprächssituation. Befremden muß zudem die Angabe des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung, er habe die Zeugen seit 1997 das erste Mal dort (in den Räumen des Freundschaftsvereins in Salzgitter) gesehen. Dies gilt um so mehr, als er auf Nachfrage erklärte, er habe sie noch nie zuvor in diesen Räumen gesehen und mit der Angabe "seit 1997" habe er nichts Besonderes sagen wollen. Als dann das Gericht weiter nachfragte, wann der Kläger zu 1) die Zeugen denn das letzte Mal vor jenem Tage gesehen habe, redete auf einmal die Ehefrau des Klägers zu 1) mit ihm, und stellte ein Gespräch in Abrede, als das Gericht sie darauf ansprach. Gegen die Glaubhaftigkeit der Angabe des Zeugen Özcan, er habe mit dem Bruder Sait des Klägers zu 1) gesprochen, ist auch ins Feld zu führen, daß die Personenbeschreibungen des Klägers zu 1) und des Zeugen betreffend diesen Bruder nicht übereinstimmen. Denn der Kläger zu 1) hatte seinen Bruder als eine Person mit hellerer Haut grauen Haaren und einem blonden Oberlippenbart beschrieben. Der Zeuge gab dagegen an, der Bruder Sait habe schwarze Haare und einen schwarzen Bart. Erst auf Nachfrage des Gerichts erklärte er, er glaube der Bruder sei etwas grau gewesen, so genau wisse er das aber nicht mehr. Sie hätten sich am Abend getroffen. Diese Erklärung vermag das Gericht aber schon deshalb nicht zu überzeugen, weil er auch am Abend zumindest den blonden Oberlippenbart hätte bemerken müssen. Der Zeuge Öktem will von den Ereignissen um den Bruder des Klägers zu 1) ohnehin nur vom Hörensagen erfahren haben. Darüber hinaus differiert sein Bericht insoweit von demjenigen des Zeugen Özcan, als er erklärte, nicht der Kläger zu 1), sondern der Bruder des Klägers zu 1) sei wegen des Klägers zu 1) angezeigt worden. Berücksichtigt man schließlich, daß der Kläger zu 1) und beide Zeugen aus demselben Dorfe stammen und das Gericht den Eindruck gewann, daß zwischen dem Kläger zu 1) und den Zeugen eine gewisse Solidarität besteht, so ließ sich auch bei Berücksichtigung des herabgesetzten Beweismaßes die erforderliche Gewißheit von der Wahrhaftigkeit der Angaben der Zeugen nicht gewinnen. Vor diesem Hintergrund ist weiter daran festzuhalten, daß der Kläger zu 1) in der Westtürkei vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß auch die sonstigen Voraussetzungen für die Annahme einer dortigen inländischen Fluchtalternative vorliegen, ist deshalb sowohlunter dem Blickwinkel der Individualverfolgung als auch unter dem der Gruppenverfolgung ein. Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter und auf Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG zu verneinen.
Auch bezüglich der Abschiebungshindernisse des § 53 Abs. 1, Abs. 4 und Abs. 6 Satz 1 war das Verfahren wiederaufzugreifen, und zwar im Hinblick auf den Vortrag des Klägers zu 1) betreffend die Geschehnisse um seinen Bruder. Im Ergebnis, liegen derartige Abschiebungshindernisse jedoch nicht vor, weil der Kläger zu 1), wie im asylrechtlichen Kontext ausgeführt, im Westen der Türkei vor politischer Verfolgung sogar hinreichend sicher und im übrigen jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit gefährdet ist. Betreffend Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 2 und 3 AuslG, liegen nicht einmal die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens vor. Im übrigen sind Anhaltspunkte für derartige Abschiebungshindernisse auch nicht ansatzweise erkennbar. Eine Verpflichtung der Beklagten, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 AuslG festzustellen, scheidet betreffend dem Kläger zu 1) also ebenfalls aus.
Mit den Verpflichtungsbegehren zu a) bis c) bleibt daher die Klage des Klägers zu 1) erfolglos. Da jedoch - wie ausgeführt - die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Asylverfahrens als gegeben anzusehen sind, ist der Bescheid, mit dem die Durchführung eines solchen Asylverfahrens für den Kläger zu 1) abgelehnt wurde, aufzuheben. Das Rechtschutzbedürfnis für eine solche isolierte Aufhebung der ablehnenden Entscheidung ergibt sich daraus, daß sie den Rechtsschein erzeugt, es bedürfe im vorliegenden Falle gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG keiner erneuten Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger zu 1). Daß es einer solchen Abschiebungsandrohung nicht bedarf, kann jedoch für den Kläger zu 1) aus § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG nicht gefolgert werden. Zwar hat sein Folgeantrag im Ergebnis nicht zur Durchführung eines weiteren (Verwaltungs-)Verfahrens geführt. Das Gericht hat jedoch im einzelnen dargelegt, daß die Voraussetzungen für die Durchführung eines solchen Verfahrens vorlagen. Wenn dann gleichsam das Gerichtsverfahren das Verwaltungsverfahren ersetzen muß, so kann dies nicht zu Rechtsnachteilen für den Rechtsuchenden führen. Der Gesetzgeber geht aus nachvollziehbaren Gründen davon aus, daß es bei einem unbeachtlichem Folgeantrag der mit dem Erlaß einer Abschiebungsandrohung verbundenen Prüfungen nicht bedarf und 1 deshalb eine solche Abschiebungsandrohung unterbleiben kann. Ist jedoch das Vorbringen des Asylbewerbers beachtlich, so greift diese Überlegung nicht. Auch die von dem Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 - erwogene analoge Anwendung des § 37 Abs. 2 AsylVfG kommt in Fällen, in denen überhaupt keine erneute Abschiebungsandrohung ergangen ist, nicht in Betracht. Entsprechend anwendbar ist hingegen § 39 Abs. 1 AsylVfG. Die dort bestimmten Rechtsfolgen treten auch dann ein, wenn das Verwaltungsgericht die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens aufhebt und das Bundesamt zuvor unter Berufung auf § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG keine Abschiebungsandrohung erlassen hatte.
Auch die Klage der Kläger zu 2) bis 5) bleibt mit dem Hauptantrag erfolglos. Diese Kläger können bereits deshalb keine Anerkennung als Asylberechtigte oder Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG verlangen, weil es an den Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens fehlt.
Anders als im Falle des Klägers zu 1) stellt der Vortrag der Kläger zu dem, was der Kläger zu 1) am 24. April 1998 von den beiden Zeugen Özcan und Öktem erfahren haben will, mit Blick auf die Kläger zu 2) bis 5) keine nachträgliche Änderung der Sachlage zu ihren Gunsten dar. Dasselbe gilt für die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers zu 1) anläßlich des Newroz-Festes am 20. März 1998 in Braunschweig und vor dem türkischen Generalkonsulat in Hannover am 16. Mai 1998, für die angebliche Intensivierung der Vereinstätigkeit des Klägers zu 1) im Deutsch-Kurdischen Freundschaftsverein und seine Vorbereitung der Fahrt zu und die Teilnahme an der Veranstaltung vom 06. Juni 1998 in Dortmund. Selbst dann, wenn der Kläger zu 1) anläßlich der letztgenannten Teilnahme erneut in MED-TV zu sehen gewesen sein sollte erwächst daraus für die Kläger zu 2) bis 5) kein Wiederaufgreifensgrund. Die vorgenannten Umstände sind nämlich für das durch den Asylantrag (§. 13 Abs. 2 AsylVfG) der Kläger zu 2) bis 5) umrissene Begehren unerheblich. Diese Kläger haben für sich selbst exilpolitische Aktivitäten nach Art des Klägers zu 1) nicht geltend gemacht. Dessen Aktivitäten und daran anknüpfende Reaktionen der Sicherheitskräfte gegenüber Verwandten des Klägers zu 1) können für sie folglich nur unter dem Blickwinkel einer Einbeziehung in eine etwaige dem Kläger zu 1) drohende politische Verfolgung bedeutsam sei. Betreffend eine derartige Gefahr gilt jedoch folgendes:
Einem politisch Verfolgten nahestehende Personen, insbesondere Verwandte, können auch dann, wenn sie weder eine abweichende politische Überzeugung besitzen noch eine solche bei ihnen vermutet wird, in die gegen ihren Verwandten gerichtete politische Verfolgung in der Weise einbezogen werden, daß dessen politische Verfolgung zu ihrer eigenen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.05.1994 - 9 B 14.94 -, NVwZ 1994, 1122). Sind Fälle festgestellt worden, in denen der Verfolgerstaat Repressalien gegenüber Ehefrauen politisch Verfolgter ergriffen hat, wird eine aus dem Schutzgedanken des Art. 16 a GG folgende - allerdings widerlegliche - Vermutung dafür wirksam, daß ihnen das gleiche Schicksal droht (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.7.1985 - 9 C 35.84 -, InfAuslR 1985, 274). Diese Vermutungsregel kommt auch minderjährigen Kindern des politisch Verfolgten zugute (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.1.1987 - 9 C 53.86 -, InfAuslR 1987, 168), nicht jedoch anderen Verwandten. Sofern diese aber ihre eigene Verfolgung aus der ihren Verwandten drohenden Verfolgung herleiten, kann dies als ein für die Gefahr eigener Verfolgung sprechender Umstand gewürdigt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.4.1988 - 9 C 28.86 -, Buchholz 402.25 1 AsylVfG Nr. 84 = InfAuslR 1988, 256).
Das Institut der Sippenhaft ist dem türkischen Strafrecht fremd. Kein türkischer Staatsangehöriger kann deshalb wegen der Tat eines Familienangehörigen strafrechtlich verfolgt werden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei v. 20.11.1997 und Auskunft v. 19.11.1997 an VG Gießen; amnesty international, Stellungnahme v. 22.7.1996 an VG Stuttgart; Kaya, Gutachten v, 20.5.1995 an VG Mainz). Gleichwohl kommt es in der Polizeipraxis relativ häufig zu Übergriffen auf nahe Verwandte von politischen Straftätern (vgl. amnesty international, Stellungnahmen v. 10.11.1993 an VG Braunschweig und v. 22.7.1996 an VG Stuttgart; Kaya, Gutachten v. 22.6.1994 an VG Regensburg, v. 3.4.1996 an VG Neustadt und v. 7.12.1996 an VG Hamburg; Oberdiek, Gutachten v. 13.2.1993 an VG Stade; Rumpf, Gutachten v. 30.6.1994 an VG Frankfurt/M.). Dies ist auch dem Auswärtigen Amt bekannt (vgl. Auskunft v. 16.8.1994 an VG Regensburg). Allerdings drückt es sich bei der Beschreibung derartiger Fälle - wohl aus diplomatischer Zurückhaltung - vorsichtig aus: So sei es im Rahmen vom Fahndungsmaßnahmen üblich, daß türkische Sicherheitsbehörden Kontakt mit Verwandten eines Verdächtigen aufnähmen (Auskunft v. 2.12.1996 an VG Augsburg). Bei Nichtbefolgung von Ladungen zu Vernehmungen (z.B. über den Aufenthalt von Verdächtigen) könne es zur zwangsweisen Vorführung kommen (Lagebericht vom 20.11.1997). Es sei nicht völlig auszuschließen, daß es bei solchen Befragungen in Einzelfällen zu Übergriffen kommen könne (Auskunft an VG Ansbach v. 22.4.1997). Dies ist angesichts des rigorosen Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen separatistische Bestrebungen und der landesweit verbreiteten Anwendung von Folter im Polizeigewahrsam auch durchaus glaubhaft. Es läßt sich jedoch nicht feststellen, daß in der Türkei landesweit generell und regelmäßig sippenhaftähnliche Maßnahmen praktiziert werden. Vielmehr geht das erkennende Gericht davon aus, daß von derartigen Übergriffen grundsätzlich nur nahe Verwandte von Personen betroffen sind, die der PKK oder anderen militanten staatsfeindlichen Organisationen angehören oder im Verdacht stehen, deren politische Ziele aktiv zu unterstützen und deswegen von den türkischen Behörden aufgrund eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens per Haftbefehl gesucht werden (vgl. etwa Nds. OVG, Urt. v. 21.11.1996 - 11 L 1629/92 -; ebenso OVG NW, Urt. v. 11.3.1996 - 25 A 5800/94.A -). Allerdings besteht auch die Gefahr, daß nahe Verwandte einer Person, die dem führenden Kreis der PKK angehört bzw. angehört hat, bei den Verhören menschenrechtswidrig behandelt werden, um den Aufenthaltsort des Gesuchten zu erfahren bzw. Informationen über sein Umfeld zu gewinnen. Eine derartige Gefahr ist aber nicht ohne weiteres anzunehmen, sondern hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab.
Der Kreis der von sippenhaftähnlichen Maßnahmen betroffenen Personen ist im allgemeinen auf nahe Angehörige beschränkt. Darunter fallen Ehegatten, Eltern, Kinder und Geschwister des politisch Verfolgten (vgl. Kaya, Gutachten v. 16.3.1997 an VG Gießen). Es liegen jedoch keine gesicherten Erkenntnisse dafür vor, daß Kinder unter 14 Jahren in die Verfolgung einbezogen werden. Entferntere Verwandte können im Einzelfall von Repressalien betroffen sein. Die wenigen insoweit bekannt gewordenen Fälle (vgl. Oberdiek, Gutachten v. 17.2.1997 an VG Hamburg; amnesty international, Stellungnahme v. 22.7.1996 an VG Stuttgart; Kaya, Gutachten v. 20.5.1995 an VG Mainz) rechtfertigen aber nicht die Annahme einer generell bestehenden Verfolgungsgefahr (vgl. OVG NW, Urt. v. 11.3.1996 - 25 A 5800/94.A).
Hiervon ausgehend ist die geltend gemachte Sachlagenänderung mit Blick auf die Kläger zu 2) bis 5) unerheblich, weil auch die weiteren exilpolitischen Aktivitäten des Klägers zu 1) und eine etwaige Mißhandlung seines Bruders in der Türkei infolge der Anzeige von Auftritten des Klägers zu 1) in MED-TV nicht den Schluß zulassen, der Kläger zu 1) würde nunmehr in der Türkei von den türkischen Behörden aufgrund eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens per Haftbefehl gesucht. Dergleichen haben nicht einmal die Kläger selbst geltend gemacht. Die Kläger zu 3) bis 5) hätten im übrigen schon deshalb nichts zu befürchten, weil sie noch wesentlich jünger als 14 Jahre sind. Selbst nach den Angaben des Rechtsanwalts Ercan Demir in dem Interview vom 16. September 1997 ist es bei der Rückkehr des Herrn Karakus, gegen den ja ein ganzer Koffer von belastendem Material vorgelegen haben soll, nicht zu Übergriffen auf die zugleich einreisenden Angehörigen gekommen. Diese sind vielmehr nach Beendigung der Vernehmung des Ehemanns und Vaters freigelassen worden. Vor diesem Hintergrund rechtfertigen die von den Klägern zu 2) bis 5) geltend gemachten Änderungen der Sachlage nicht das Wiederaufgreifen des Verfahrens mit dem Argument, nunmehr sei davon auszugehen, die hinreichende Sicherheit in der Westtürkei sei entfallen. Das Verfahren ist auch nicht deshalb wiederaufzugreifen, weil die angesprochenen Umstände den Schluß darauf rechtfertigten könnten, betreffend die Kläger zu 2) bis 5) seien nunmehr die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine inländische Fluchtalternative entfallen. Denn es ist nicht nur davon auszugehen, daß bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise notfalls auch die Klägerin zu 2) die Ernährung ihrer Person und der Kläger zu 3) bis 5) sicherstellen könnte, vielmehr muß zudem der Prognose zugrunde gelegt werden, daß auch der Kläger zu 1) als Ernährer der Familie zur Verfügung steht. Denn im Zuge der Prüfung der Gefahr politischer Verfolgung ist die Rückkehr der Kläger zu 2) bis 5) im Familienverband mit dem Kläger zu 1) zu unterstellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.09.1992 - 9 C 8.91 -, BVerwGE 90, 364 <369>[BVerwG 08.09.1992 - 9 C 8/91]). Selbst wenn aber ein rückkehrender kurdischer Asylbewerber vor politischer Verfolgung im Westen der Türkei nicht hinreichend sicher sein sollte, etwa weil er im Anschluß an die Einreisekontrolle ein Verhör unter Mißhandlungen fürchten muß, ist deshalb noch nicht beachtlich wahrscheinlich, daß er auf Dauer der Familie als Ernährer nicht zur Verfügung steht.
Schließlich sind die behaupteten Änderungen der Sachlage mit Blick auf die Kläger zu 3) bis 5) auch nicht deshalb erheblich, weil diese Kläger im Falle der Asylanerkennung ihres Vaters, des Klägers zu 1), möglicherweise einen Anspruch auf Familienasyl hätten. Denn nach der Neufassung des § 26 Abs. 1 AsylVfG, ist davon auszugehen, daß auch die Gewährung von Familienasyl an Kinder eines Asylberechtigten die Unanfechtbarkeit der Anerkennung des Ausländers voraussetzt. Daß in § 26 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG eine ausdrückliche Verweisung auf die neugefaßte Nr. 1 des § 26 Abs. 1 AsylVfG unterblieben ist, stellt lediglich ein Redaktionsversehens dar (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 11. März 1998 - 2 L 3674/94 -). Vor diesem Hintergrund gehört zu einer unter dem Blickwinkel des Familienasyls erheblichen Sachlagenänderung nach neuem Recht stets der Vortrag, die Anerkennung des Stammberechtigten sei unanfechtbar. Der Vortrag, eine unanfechtbare Anerkennung des Vaters sei zu erwarten, ist unerheblich. Denn erst zu erwartende Änderungen der Sachlage fallen nicht unter die Regelung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG (Kopp, VwVfG, 6. Aufl., § 51 Rdnr. 15).
Zu Unrecht berufen sich die Kläger zu 2) bis 5) auch darauf, das Wiederaufgreifen des Verfahrens sei wegen des Vorliegens neuer Beweismittel gerechtfertigt, die eine ihnen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG). Das Gutachten des Sachverständigen Kaya vom 20. Februar 1998, die Stellungnahme des Rechtsanwalts Sezai Denel vom 04. Dezember 1997, das Schreiben des Herrn Halil Murat vom 12. Dezember 1996 sowie das Interview des Rechtsanwalts Ercan Demir vom 16. September 1997 und das gegen Ahmet Karakus ergangene Urteil hätten schon deshalb nicht zu einer günstigeren Entscheidung betreffend die Kläger zu 2) bis 5) führen können, weil sich diese Kläger selbst exilpolitisch nicht betätigt haben. Die exilpolitische Betätigung ihres Mannes und Vaters ist jedoch - wie soeben dargelegt - unter dem Blickwinkel einer Gefahr der Einbeziehung in dessen etwaige politische Verfolgung für sie ohne Belang. Beweismittel die sich in erster Linie auf derartige exilpolitische Betätigung beziehen, sind daher für das Begehren der Kläger zu 2) bis 5) unerheblich. Dasselbe gilt für den Bericht des Kurdischen Halbmondes nach einer Delegationsreise im September 1997 betreffend die Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen. Denn Haft in solchen Gefängnissen haben die Kläger zu 2) bis 5), die selbst nicht exilpolitisch tätig geworden sind und eine Einbeziehung in eine etwaige Verfolgung des Mannes und Vaters nicht befürchten messen, eindeutig nicht zu erwarten. Weder der Bericht über die Ergebnisse der deutschen Menschenrechtsdelegation in die Türkei vom 17. bis 20. April 1997 noch der Bericht im Kurdistanrundbrief vom 09. September 1997 die Presseberichte im Kurdistanrundbrief 7/98 und dem Göttinger Tageblatt sind schließlich geeignet, die auf einer Vielzahl - teilweise weitaus differenzierterer - Erkenntnismittel beruhende Rechtsprechung des erkennenden Gerichts und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zum Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative kurdischer Volkszugehöriger in der Westtürkei zu erschüttern. Diese Beweismittel würden eine Entscheidung zugunsten der Kläger eindeutig nicht herbeigeführt haben. Im übrigen stellen die aus dem Jahre 1996 und 1997 datierenden Erkenntnismittel aber auch deshalb keinen Grund für das Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG dar, weil es einem substantiierten Vortrag der Kläger dazu fehlt, warum die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 VwVfG vorliegen. Zwar haben die Kläger geltend gemacht, von den im Tatbestand unter 2) bis 6) aufgelisteten Beweismitteln erstmals anläßlich der Beratung in der Kanzlei ihrer gegenwärtigen Prozeßbevollmächtigten im März 1998 Kenntnis erhalten zu haben. Die Kläger sind aber vor ihren gegenwärtigen Prozeßbevollmächtigten durch andere Anwälte vertreten gewesen. Die Kenntnisse dieser Anwälte von Beweismitteln müssen ihnen in Anwendung des Rechtsgedankens des § 166 Abs. 1 BGB zugerechnet werden (vgl. Kopp, VwVfG, 6. Aufl., § 51 Rdnr. 32). Da die Kläger nichts dafür vorgetragen haben, daß auch den Rechtsanwälten Vollmer und andere die von ihnen nunmehr bezeichneten Beweismittel unbekannt gewesen seien, kann nicht angenommen werden, daß sie ohne grobes Verschulden außerstande gewesen sind, diese Beweismittel bereits in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
Ohne Erfolg begehren die Kläger zu 2) bis 5) auch eine Verpflichtung der Beklagten, das Vorliegen von Abschiebungshindernissen gemäß § 53 AuslG festzustellen. Denn da solche Abschiebungshindernisse bereits im letzten Asylverfahren der Kläger zu 2) bis 5) durch das Bundesamt verneint worden sind, setzt ein Anspruch, daß sie nunmehr festgestellt werden, ebenfalls das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens voraus (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 11.11.1996 - 6 A 61085/96 - m.w.N.). Wie bereits im asylrechtlichen Kontext dargelegt, fehlt es jedoch an Gründen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens. Im übrigen könnte das Begehren der Kläger zu 2) bis 5) nach Abschiebungsschütz auch dann keinen Erfolg haben, wenn die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 53 AuslG losgelöst von den Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zu prüfen wäre (so wohl OVG-NW, Urt. v. 24.02.1997 - 25 A 3389/95 -; siehe dagegen aber auch BVerwG, Urt. v. 11.11.1997 - 9 C 13.9.6 -, Seite 10 des Entscheidungsabdrucks, 1. Absatz, vorletzter Satz). Denn gemäß § 53 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, wenn er dort der konkreten (individuellen) Gefahr ausgesetzt ist, der Folter unterworfen zu werden, wenn ihn dieser Staat wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Todesstrafe besteht, wenn ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen vorliegt, oder wenn Abschiebungshindernisse nach der Konvention zum Schütze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04. November 1950 gegeben sind. Von der Abschiebung des Ausländers in einen anderen Staat kann abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Derartige Abschiebungshindernisse sind aber betreffend die Kläger zu 2) bis 5) nicht ersichtlich. Liegen sie doch nicht einmal betreffend den Kläger zu 1) vor.
Der Verzicht auf eine erneute Abschiebungsandrohung für die Kläger zu 2) bis 5) ist auf der Grundlage des einschlägigen § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG nicht zu beanstanden, deshalb kommt auch insoweit die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht in Betracht.
Mit dem Hilfsantrag bleibt die Klage aller Kläger erfolglos, da für eine Verpflichtung der Beklagten, ein weiters Asylverfahren durchzuführen, kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Denn - wie mit dem Hauptantrag geschehen - haben die Kläger die Möglichkeit unmittelbar auf eine Verpflichtung zu klagen, jene Entscheidungen zu treffen, zu denen das weitere Asylverfahren ihrer Ansicht nach hätte führen müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und 83 b Abs. 1 AsylVfG. Die Nebenentscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.