Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.02.2003, Az.: 2 LA 5/02

Abschiebungshindernis; Asyl; Existenzgefährdung; Kurde; Syrien; Vollstreckungshindernis; Yezide

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
19.02.2003
Aktenzeichen
2 LA 5/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 47898
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 29.11.2001 - AZ: 2 A 566/00

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Es ist allein Aufgabe der Ausländerbehörde und nicht des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu prüfen, ob trennungsbedingte mittelbare Gefahren im Abschiebezielstaat Abschiebungshindernisse begründen

Gründe

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1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung, wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

2

2. Soweit das Verwaltungsgericht einen Anspruch der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte verneint hat, fehlt es bereits an der erforderlichen Darlegung eines Zulassungsgrundes (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG). Denn die Kläger haben die Feststellung des Verwaltungsgerichts, ein Asylanspruch dürfte auf Grund der Drittstaatenregelung des Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26 a AsylVfG schon deshalb ausscheiden, weil die Nichterweislichkeit der Einreise auf dem Luftweg zu ihren Lasten gehe, nicht mit Zulassungsgründen gemäß § 78 Abs. 3 Nrn. 1 bis 3 AsylVfG angegriffen. Auch wenn das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang die Formulierung "dürfte" verwendet hat, handelt es sich hierbei gleichwohl um eine selbständig tragende Erwägung des angefochtenen Urteils. Denn die sich anschließenden Ausführungen zu Art. 16 a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG leitet das Verwaltungsgericht mit den Worten "...darüber hinaus..." ein, woraus nur geschlossen werden kann, dass den vorausgegangenen Urteilsgründen eine selbständig tragende Bedeutung zukommen soll.

3

3. Der Zulassungsantrag hat aber auch im Übrigen keinen Erfolg. Denn die Voraussetzungen der von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht erfüllt.

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a) Die Berufung ist nicht wegen der von den Klägern geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) zuzulassen.

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Die im Zulassungsantrag als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Fragen, "ob die Abschiebung unbegleiteter Minderjähriger dann, wenn sich im Zielstaat niemand um sie kümmert, weil Verwandte oder staatliche bzw. private Fürsorgestellen fehlen, zur Verwahrlosung oder zu schweren gesundheitlichen (psychischen wie physischen) Schädigungen oder gar zu einer echten Gefährdung der materiellen Existenz führen und somit eine Art Aussetzung darstellen, als Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK i.V.m. § 53 Abs. 4 AuslG bzw. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu werten ist", und "ob die Trennung von den Vormündern in gleicher Weise in den Schutzbereich von Art. 6 GG fällt wie die Trennung von den Eltern", würden sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen und sind daher nicht entscheidungserheblich. Die weiter aufgeworfene Frage, "wer (Bundesamt oder Ausländerbehörde) zuständig ist für die Entscheidung darüber, ob für ein Kind in einer derartigen Situation ein Abschiebungshindernis gegeben ist", ist bereits hinreichend geklärt.

6

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urt. v. 21.9.1999 – 9 C 12.99 –, BVerwGE 109, 305 u. Urt. v. 11.11.1997 – 9 C 13.96 –, BVerwGE 105, 322), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. etwa Urt. v. 24.9.2002 – 2 L 3457/99 –), wird zwischen inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen, die das Vollstreckungsverfahren betreffen und für die sich eine Zuständigkeit der jeweiligen Ausländerbehörde und nicht des Bundesamtes ergibt, und solchen Abschiebungshindernissen unterschieden, die zielstaatsbezogen sind und für die nur das Bundesamt zuständig ist. Geht es – wie nach dem Vorbringen der Kläger – darum, dass für einen Asylsuchenden möglicherweise in seinem Heimatland existenzielle Probleme entstehen, weil er als Minderjähriger ohne familiären Rückhalt oder sonstigen Beistand zurückkehren müsste, handelt es sich um mittelbar trennungsbedingte Folgen im Zielstaat, die gleichwohl zu den inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen gehören, also nicht in die Prüfungszuständigkeit des Bundesamtes fallen. Diese Umstände fließen vielmehr zunächst und vorrangig in die der Ausländerbehörde vorbehaltene Entscheidung über die aufenthaltsrechtliche Behandlung der Asylbewerber und einen etwaigen Vollzug der Abschiebung ein (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.9.1999, a.a.O., 305, 311 m. w. Nachw.; Urt. d. Sen. v. 24.9.2002, a.a.O.). Sie allein, nicht das Bundesamt, hat im Abschiebungsverfahren darüber zu befinden, ob es überhaupt zu einer Trennung von der Familie oder – wie im Falle der Kläger – von den Vormündern kommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.9.1999, a.a.O., 305, 310).

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Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass sich die ersten beiden der von den Klägern aufgeworfenen Fragen in einem zuzulassenden Berufungsverfahren nicht stellen würden, weil sie sich auf das Vorliegen eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses beziehen. Die dritte Frage ist – wie dargelegt – bereits dahingehend geklärt, dass allein die Ausländerbehörde zu prüfen hat, ob trennungsbedingte mittelbare Gefahren im Abschiebezielstaat Abschiebungshindernisse begründen.

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Auch die von den Klägern des Weiteren aufgeworfenen Fragen, die eine mittelbare Gruppenverfolgung der Yeziden aus dem Nordosten Syriens (Distrikt Hassake) betreffen, führen nicht zur Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Denn in der bisherigen und aktuellen Rechtsprechung des Senats (vgl. dazu die Urt. v. 14.7.1999 – 2 L 4943/97 –, 27.3.2001 – 2 L 5117/97 –, 22.5.2001 – 2 L 3644/99 – u. v. 12.12.2001 – 2 L 5428/97 – sowie d. Beschl. v. 6.12.2002 – 2 LB 833/01 –, m. w. Nachw. zur Rechtspr. d. Sen.), die mit der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte übereinstimmt (vgl. z. B. OVG NW, Urt. v. 21.4.1998 – 9 A 6597/95.A –; OVG Bremen, Urt. v. 4.11.1998 – OVG 2 BA 4/97 –; OVG Saarland, Urt. v. 28.5.1999 – 3 R 74/98 – u. Beschl. v. 11.3.2002 – 3 Q 47/01 –; OVG Magdeburg, Urt. v. 27.6.2001 – A 3 S 461/98 – u. Beschl. v. 11.2.2002 – A 3 S 370/99 –) ist geklärt, dass Angehörige der yezidischen Glaubensgemeinschaft aus dem Nordosten Syriens (Distrikt Hassake) in Syrien weder aktuell noch auf absehbare Zeit einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind. Die für eine Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte kann nämlich weiterhin nicht festgestellt werden. Neue Gesichtspunkte, die Anlass für eine Überprüfung dieser Rechtsprechung geben könnten, liegen nicht vor.

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b) Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG) rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung.

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Eine die Zulassung nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG rechtfertigende Abweichung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung einen entscheidungserheblichen abstrakten Grundsatz tatsächlicher oder rechtlicher Art aufgestellt hat, der mit einem ebensolchen Grundsatz in einer Entscheidung der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG angeführten Gerichte nicht übereinstimmt. Ein solcher Grundsatz, den das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, muss zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen sein; er muss sich aber aus der angefochtenen Entscheidung hinreichend deutlich ergeben. Eine Abweichung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG liegt dagegen nicht vor, wenn das Verwaltungsgericht einen im Einzelfall nicht in Frage gestellten Grundsatz stillschweigend übergeht, nicht hinreichend anwendet, außer Acht lässt oder (rechtsfehlerhaft) für nicht anwendbar erachtet. In diesem Fall liegt nämlich lediglich eine Rechtsanwendungsdivergenz vor, durch die die Rechtseinheit nicht in Frage gestellt wird (vgl. Beschl. d. Sen. v. 6.1.2003 – 2 LA 104/02 –).

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Soweit die Kläger geltend machen, die Berufung sei wegen Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 1999 (a.a.O.) zuzulassen, haben sie nicht mit der gebotenen Deutlichkeit einen entscheidungserheblichen abstrakten Grundsatz tatsächlicher oder rechtlicher Art in dem angefochtenen Urteil bezeichnet, der mit einem ebensolchen Grundsatz in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch steht.

12

Die Kläger tragen hierzu zum einen vor, der angefochtenen Entscheidung liege ein anderer Sachverhalt als der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde, da in ihrem Fall – anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall – keine bleibeberechtigten Familienangehörigen im Sinne von Art. 6 GG in Deutschland lebten, sondern die sie – die Kläger – betreuenden Vormünder. Diese unterschiedlichen Sachverhalte schließen jedoch für sich allein bereits aus, hier divergierende abstrakte Grundsätze anzunehmen.

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Die Kläger rügen weiter, das Verwaltungsgericht sei von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 1999 (a.a.O.) abgewichen, weil es davon ausgegangen sei, der Anwendungsbereich des Art. 8 EMRK decke sich mit dem des Art. 6 GG, obwohl kein Eltern-Kind-Verhältnis in Rede stehe, sondern lediglich das Verhältnis von Geschwistern zueinander. Inwieweit Art. 8 EMRK einen anderen Schutz vermittele als Art. 6 GG, wenn sich der Anwendungsbereich beider Vorschriften gerade nicht decke, habe das Verwaltungsgericht nicht geprüft. Diese Rüge der Kläger trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass sich der Anwendungsbereich des Art. 8 EMRK im vorliegenden Fall mit dem des Art. 6 GG decke. Es hat vielmehr ausdrücklich unter Hinweis auf die maßgebliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 29.7.1993  – 1 C 25.93 –, BVerwGE 94, 35, 49) festgestellt, dass die in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 1999 (a.a.O.) entwickelten Grundsätze auch im vorliegenden Fall zu berücksichtigen seien, weil der in Art. 8 EMRK gewährleistete Anspruch auf Achtung des Familienlebens – über den Schutzbereich des Art. 6 GG hinausgehend – auch das Familienleben zwischen Geschwistern erfasse (vgl. S. 8 UA).

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Soweit die Kläger mit ihrem Zulassungsantrag geltend machen, das angefochtene Urteil weiche von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Februar 1999 (- 9 B 381.98 –, NVwZ-Beilage Nr. I 9/1999 S. 89) zum Erfordernis der Einholung von Sachverständigengutachten ab, weil das Verwaltungsgericht seine eigene Sachkunde (zur Anzahl der Yeziden im Nordosten Syriens und zur Anzahl der "Verfolgungsfälle") nicht deutlich gemacht habe, haben die Kläger schon nicht hinreichend dargelegt, welchen abstrakten Grundsatz tatsächlicher oder rechtlicher Art das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil insoweit aufgestellt haben soll, und mit welchem, in dem genannten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten – ebenfalls abstrakten – Grundsatz dieser abstrakte Grundsatz nicht übereinstimmen soll. Das Bundesverwaltungsgericht betont nämlich in seiner Entscheidung vom 11. Februar 1999 (a.a.O.) ausdrücklich, dass es von den Umständen des Einzelfalles abhänge, wie konkret die eigene Sachkunde des Gerichts sein könne, und dass lediglich ein plausibler und nachvollziehbarer Nachweis der eigenen Sachkunde des Gerichts erfolgen müsse. Dass das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil auch nur sinngemäß von diesen Grundsätzen bewusst abgewichen ist, kann dem Urteil aber nicht entnommen werden. Mithin liegt allenfalls eine nicht auf den Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG führende Rechtsanwendungsdivergenz vor (vgl. dazu auch Beschl. d. Sen. 11.9.2002 – 2 LA 2/02 –).

15

Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil auch der Sache nach nicht von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Februar 1999 (a.a.O.) abgewichen. Das Verwaltungsgericht hat nämlich auf die Rechtsprechung des Senats zu der – nach Einschätzung des Senats nicht zu bejahenden – Gruppenverfolgung der Yeziden im Nordosten Syriens Bezug genommen (vgl. S. 4 f. UA) und seiner Entscheidungsfindung ausdrücklich unter anderem das ausführlich begründete Urteil des Senats vom 27. März 2001 (a.a.O.) zugrunde gelegt. Weiter hat es bei seinen Überlegungen – wie der Senat in seinem Urteil vom 27. März 2001 (a.a.O.) – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Yezidischen Kulturforums e.V. vom 18. November 2000 sogar nur eine Zahl von 4.093 (für das Jahr 2000) im Nordosten Syriens lebender Yeziden berücksichtigt und auch unter diesem Blickwinkel – zu Recht (vgl. d. Urt. d. Sen. v. 27.3.2001, a.a.O.) – das Vorliegen einer gruppengerichteten Verfolgung verneint.

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Allerdings ist von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2001 (unter Beweisantritt) die Behauptung aufgestellt worden, die Anzahl der im Nordosten Syriens lebenden Yeziden betrage maximal noch 3.000 Personen. Aber selbst wenn man den Überlegungen eine derart niedrige Personenzahl zugrunde gelegt hätte, wäre damit die Schwelle für das Vorliegen einer (mittelbaren), örtlich begrenzten Gruppenverfolgung noch nicht überschritten; auch wäre die Anzahl der Yeziden noch nicht so klein, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausnahmsweise ein geänderter Maßstab – ohne Quantifizierung der Verfolgungsschläge – anzuwenden wäre (vgl. Urt. d. Sen. v. 27.3.2001, a.a.O.). Es ist mithin hinreichend nachvollziehbar und plausibel im Sinne des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Februar 1999 (a.a.O.), dass das Verwaltungsgericht auch ohne Erhebung der zur Anzahl der im Nordosten Syriens lebenden Yeziden beantragten Beweise (Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, Zeugenvernehmung) mit dem angefochtenen Urteil über die Klage entschieden hat. Gleiches gilt für die Anzahl der Verfolgungsschläge, zumal nicht nur eine rein quantitative, sondern auch eine qualitative Betrachtungsweise angebracht war, also zu fragen war, inwieweit den Maßnahmen, denen die Yeziden ausgesetzt waren, überhaupt asylrechtliche Bedeutung zugemessen werden konnte.

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c) Die Berufung ist auch nicht wegen der von den Klägern geltend gemachten Verletzung des Gebots, rechtliches Gehör zu gewähren (Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO), zuzulassen.

18

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschl. v. 18.6.1993 – 2 BvR 1815/92 –, DVBl. 1993, 1002 m. w. Nachw.; Beschl. v. 23.1.1998 – 2 BvR 1898/97 –, FamRZ 1998, 606) verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG, der – soweit hier von Interesse – mit § 138 Nr. 3 VwGO übereinstimmt, das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die von dem Fachgericht zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Allerdings bietet diese Vorschrift keinen Schutz dagegen, dass ein angebotener Beweis aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts nicht erhoben wird. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt jedoch dann gegen § 138 Nr. 3 VwGO, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.6.1993 – 2 BvR 22/93 –, InfAuslR 1993, 349; Beschl. d. Sen. v. 11.9.2002, a.a.O.).

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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann nach der Darlegung des Zulassungsantrags die Berufung gegen das angefochtene Urteil nicht wegen eines Verstoßes gegen das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, zugelassen werden. Die Kläger machen allerdings geltend, das aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Gehörsgebot sei hier deshalb verletzt, weil das Verwaltungsgericht die in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2001 gestellten Beweisanträge (zur Anzahl der Yeziden im Nordosten Syriens und zur Anzahl der asylrelevanten Übergriffe) abgelehnt habe. Dies rechtfertigt indessen nicht eine Zulassung nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, weil die Ablehnung der Beweisanträge im Prozessrecht eine Stütze findet. Die Ablehnung war von dem dem Verwaltungsgericht insoweit zuzubilligenden Ermessen noch gedeckt. Dies ergibt sich aus den Ausführungen zur Divergenzrüge, auf die insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Ergänzend ist lediglich hervorzuheben, dass auch bei der behaupteten (geringeren) Anzahl von maximal 3.000 im Nordosten Syriens lebenden Yeziden die Grenze zu einer gruppengerichteten Verfolgung noch nicht überschritten gewesen wäre und dass die Angaben des von den Klägern benannten Sachverständigen zur Anzahl der Yeziden derart schwankend gewesen sind, dass auch von daher für das Verwaltungsgericht keine Verpflichtung bestanden hat, die beantragten Beweise zusätzlich vor einer Entscheidungsfindung zu erheben (vgl. ebenso Beschl. d. Sen. v. 11.9.2002, a.a.O.).