Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 31.07.2012, Az.: 10 UF 59/12
Möglichkeit der Geltendmachung eines Zugewinnausgleichsanspruchs i.R.d. Scheidungsverbunds bei Nichtbeziehen des begehrten Zugewinnausgleichsanspruchs auf den Endstichtag der Zustellung des Scheidungsantrages
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 31.07.2012
- Aktenzeichen
- 10 UF 59/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 21108
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2012:0731.10UF59.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 17.02.2012 - AZ: 615 F 4341/06
Rechtsgrundlagen
- § 1384 BGB
- § 1386 BGB
- Art. 111 Abs. 5 FGG-ReformG
Fundstelle
- FPR 2012, 6
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Bezieht sich der begehrte Zugewinnausgleichsanspruch nicht auf den Endstichtag der Zustellung des Scheidungsantrages gemäߧ 1384 BGB, sondern auf einen durch gesonderte Entscheidung bereits rechtskräftig festgestellten Zeitpunkt der vorzeitigen Beendigung der Zugewinngemeinschaft gemäß § 1386 BGB, kann er nicht im Rahmen des Scheidungsverbundes geltend gemacht werden (Anschluß an OLG Düsseldorf, Urteil vom 4. Februar 2002 - 2 UF 211/01 - FamRZ 2002, 1572 f. = [...] - noch zum alten Verfahrensrecht).
- 2.
Der vor dem 1. September 2009 fälschlich als Folgesache im Rahmen eines Scheidungsverbundes geltende gemachte vorzeitige Zugewinnausgleichsanspruch nimmt am Rechtswechsel des Verbundes teil, wenn für das bis dahin erstinstanzlich nicht abgeschlossene und den Versorgungsausgleich mitumfassende Verbundverfahren ab dem 1. September 2010 gemäß Art. 111 Abs. 5 FGG-ReformG das zum 1. September 2009 in Kraft getretene Verfahrensrecht nach dem FamFG maßgeblich geworden ist.
- 3.
Ist der Zugewinnausgleichsanspruch durch einen Stufenantrag insgesamt rechtshängig geworden, kann auf der Zahlungsstufe nicht allein über einen (hier: offenen) Teilantrag befunden werden. Zur Vermeidung eines unzulässigen Teilurteiles bedarf es einer instanzbeendenden Entscheidung über den gesamten Ausgleichsanspruch (Bestätigung Senatsurteil vom 28. Juni 2011 - 10 UF 50/11 - BeckRS 2011, 16987 = [...] = FamRZ 2011, 1968 [Ls] = FamFR 2011, 355 [Ls] = FamRB 2011, 1 [Ls] = FD-RVG 2011, 320883 [Ls]). Dies kann namentlich erfolgen durch eine Rücknahme des weitergehenden Anspruches oder durch die - auf Widerantrag des auf Ausgleich in Anspruch Genommenen ausgesprochene - Feststellung, daß dem Ausgleichsbegehrenden (auch) keine weitergehenden Ausgleichsansprüche zustehen.
In der Familiensache
R. A. W.,
Antragsteller, Beschwerdeführer und Anschlußbeschwerdegegner,
Verfahrensbevollmächtigte:
Anwaltsbüro L. & C.,
gegen
J. G. B.-W.,
Antragsgegnerin, Beschwerdegegnerin und Anschlußbeschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt R. B.,
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht W., den Richter am Oberlandesgericht H. und die Richterin am Amtsgericht K. auf die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 2012
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers und die Anschlußbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 17. Februar 2012
im Ausspruch zum vorzeitigen Zugewinnausgleich gemäß § 1386 BGB aufgehoben und das Verfahren insoweit als selbständiges Verfahren zur weiteren Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht zurückverwiesen
sowie im Kostenpunkt dahin geändert, daß die Kosten des Verbundverfahrens - das heißt ohne den vom Senat abgetrennten Antrag zum vorzeitigen Zugewinnausgleich - zwischen den beteiligten Eheleuten gegeneinander aufgehoben werden.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 95.00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Durch den nur im Ausspruch zum Güterrecht und im Kostenpunkt angefochtenen Beschluß des Amtsgerichts vom 17. Februar 2012 ist die am 2. Juli 1990 geschlossene Ehe der Beteiligten auf den am 25. September 2006 zugestellten Scheidungsantrag hin geschieden worden; die Folgesache Versorgungsausgleich war zuvor abgetrennt worden. Zugleich hat das Amtsgericht den Ehemann zur Zahlung eines Zugewinnausgleichsbetrages in Höhe von 61.931,97 € verpflichtet.
Dabei war die durch die Eheschließung begründete Zugewinngemeinschaft der Beteiligten bereits durch das in dem gesonderten Verfahren Amtsgericht Hannover 615 F 3760/06 GÜ ergangene rechtskräftige Teilurteil vom 15. Dezember 2006 mit Wirkung für den 16. August 2006 als Zeitpunkt der Zustellung des dortigen Klageantrages beendet worden. Den im genannten Vorverfahren im Wege der Stufenklage zugleich betriebenen Zahlungsantrag, zu dessen Vorbereitung der Ehemann in dem besagten Teilurteil bereits rechtskräftig zur Auskunftserteilung verurteilt worden war, hatte die Ehefrau in jenem Verfahren in einem Termin am 9. März 2007 zurückgenommen.
Bereits am 27. Februar 2007 hatte die Ehefrau einen - unverändert auf den Stichtag 16. August 2006 bezogenen - Zugewinnausgleichsanspruch ebenfalls in Gestalt einer Stufenklage im vorliegenden Scheidungsverbund eingebracht, der alsbald rechtshängig wurde. Nach Abschluß der ersten beiden Stufen hat die Ehefrau mit Schriftsatz vom 17. April 2009 für die Zahlungsstufe sodann - ganz ausdrücklich als "Teilklage" bezeichnet und begründet - den Antrag über einen (Teil-) Betrag von 130.000 € angekündigt, der in der Folgezeit in den wiederholten Terminen - so auch im abschließenden Termin vom 27. Januar 2012 - ausdrücklich so gestellt wurde. Der Ehemann hatte seinerseits neben Zurückweisung des Antrages der Ehefrau zum Güterrecht auch ausdrücklich widerbeantragt festzustellen, daß der Ehefrau (insgesamt) kein Zugewinnausgleichsanspruch zusteht.
In den Gründen bezüglich der güterrechtlichen Entscheidung wird ausdrücklich der Charakter des von der Antragsgegnerin auf der Zahlungsstufe gestellten Antrages als Teilanspruch wiedergegeben. Im übrigen ergeben sich auch weder aus den Gründen des Beschlusses noch aus der differenzierten Herleitung des Verfahrenswertes irgendwelche Anhaltspunkte dazu, daß das Amtsgericht auch über den Feststellungswiderantrag befunden hätte.
Gegen den seinen Verfahrensbevollmächtigten am 28. Februar 2012 zugestellten Beschluß hat der Ehemann (neben der zugleich beim Senat eingelegten "Berufung") mit am 26. März 2012 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz - ausdrücklich beschränkt auf die Entscheidung zum Güterrecht und zu den Kosten - Beschwerde eingelegt und diese innerhalb antragsgemäß verlängerter Frist am 29. Mai 2012 begründet. Dabei verfolgt er sein auf Antragsabweisung und Feststellung des Nichtbestehens von Zugewinnausgleichsansprüchen der Ehefrau gerichtetes Begehren vollinhaltlich weiter und beantragt hilfsweise Aufhebung der amtsgerichtlichen Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens an das Amtsgericht. Die Ehefrau hat sich fristgerecht der Beschwerde angeschlossen und begehrt ihrerseits einen Zuspruch in Höhe von insgesamt 91.221,12 €.
Der Senat hat die Beteiligten bereits vor dem Verhandlungstermin schriftlich ausführlich darauf hingewiesen, daß es sich bei dem geltend gemachten vorzeitigen Zugewinnausgleichsanspruch nicht um eine Folgesache handelt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 4. Februar 2002 - 2 UF 211/01 - FamRZ 2002, 1572 f. = [...]; KG - Urteil vom21. März 2000 - 13 UF 9188/99 - FamRZ 2001, 166 - jeweils noch zum alten Verfahrensrecht; Zöller29-Lorenz, FamFG § 137 Rz. 18; Prütting/Helms2-Helms, FamFG § 137 Rz. 37) und es sich bei der amtsgerichtlichen Entscheidung angesichts der Endscheidung lediglich über einen Teil des rechtshängig gewordenen Anspruches um ein unzulässiges Teilurteil handeln dürfte.
Im Verhandlungstermin vom 31. Juli 2012 hat der Senat bereits durch Beschluß klarstellend den bislang fälschlich als Folgesache behandelten Verfahrensgegenstand betreffend den vorzeitigen Zugewinnausgleich gemäß § 1386 BGB aus dem Scheidungsverbund abgetrennt und als selbständiges Verfahren fortgeführt. Die Beteiligten haben im Termin im übrigen weder eine - vom Senat konkret angeregte - abschließende Vereinbarung zum vorzeitigen Zugewinnausgleich insgesamt geschlossen noch - durch Vereinbarung oder Antragsrücknahme insofern - eine Erledigung des beim Amtsgericht rechtshängig gebliebenen Teils des Zugewinnausgleichsanspruches herbeigeführt.
II.
Für das vorliegende Verfahren ist - nachdem das Amtsgericht in dem vor dem 1. September 2009 anhängigen und die Folgesache Versorgungsausgleich mitumfassenden Verfahren vor dem 1. September 2010 keine erstinstanzliche Entscheidung getroffen hatte - gemäß Art. 111 Abs. 5 FGG-ReformG das seit dem 1. September 2009 geltende Verfahrensrecht maßgeblich. Dies gilt unabhängig davon, daß es sich bei dem für das Beschwerdeverfahren maßgeblichen Verfahrensgegenstand bei zutreffender Betrachtung nicht um eine Folgesache gehandelt hat. Das seit 2007 bis zur Abtrennung durch den Senat im Scheidungsverbund geführte Verfahren betreffend den vorzeitigen Zugewinnausgleich teilt aufgrund seiner - von den Beteiligten mitgetragenen - tatsächlichen Einbeziehung den für den Verbund am 1. September 2010 erfolgten Wechsel des Verfahrensrechts.
III.
Die Rechtsmittel der Beteiligten sind jeweils zulässig und führen zu dem aus dem Tenor ersichtlichen vorläufigen Erfolg.
1.
Dabei hatte der Senat die amtsgerichtliche Entscheidung zum vorzeitigen Zugewinnausgleich aufzuheben und auf den Hilfsantrag des Antragstellers, dessen es gemäß §§ 117 Abs. 2 FamFG, 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO allerdings nicht bedurfte, zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen, da es sich um eine unzulässige Teilentscheidung im Sinne von § 301 ZPO handelt.
In der höchstrichterlichen wie obergerichtlichen Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, daß ein - wie streitgegenständlicher - Zugewinnausgleich nicht in Teilentscheidungen vollzogen werden kann (Brandenburgisches OLG - Urteil vom 8. Mai 2003 - 9 UF 113/02 - FamRZ 2004, 384 ff.; OLG Köln, Urteil vom 1. Dezember 1988 - 14 UF 102/88 - FamFZ 1989, 296; OLG Naumburg - Urteil vom 22. September 2009 - 3 UF 97/09 - FamRZ 2010, 393 f.); es stellt ein unzulässiges Teilurteil dar, wenn mit der Entscheidung über einen bezifferten Zahlungsanspruch nur teilweise über den insgesamt rechtshängigen Anspruch auf Zugewinnausgleich befunden wird (BGHZ 107, 236, Urteil vom 26. April 1989 - IVb ZR 48/88 - FamRZ 1989, 954 = NJW 1989, 2821 ff. = MDR 1989, 895 f. [Tz. 19]; OLG Jena, Urteil vom 26. Februar 2009 - 1 UF 7/08 - FamRZ 2009, 1508 ff,. [Tz. 78]) (vgl. insgesamt bereits Senatsurteil vom 28. Juni 2011 - 10 UF 50/11 - BeckRS 2011, 16987 = [...] = FamRZ 2011, 1968 [Ls] = FamFR 2011, 355 [Ls] = FamRB 2011, 1 [Ls] = FD-RVG 2011, 320883 [Ls]). Ein solches unzulässiges Teilurteil liegt im Streitfall vor, wobei sich aus dem Gesichtspunkt, daß der Zugewinnausgleich auf einem anderen Ende des Güterstandes als der Zustellung des Scheidungsantrages beruht, keine Besonderheiten ergeben.
Der Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau ist von dieser in Form einer Stufenklage uneingeschränkt rechtshängig gemacht und auf der Auskunfts- und Versicherungsstufe bis zu deren Erledigungserklärung auch so betrieben worden. Erstmals auf der Zahlungsstufe hat sie ihren bezifferten Antrag ausdrücklich als "Teilklage" bezeichnet. Sie hat auch inhaltlich ausdrücklich geltend gemacht, daß die beantragten 130.000 € nicht den gesamten Ausgleichsanspruch umfaßten, und hat sich die Geltendmachung eines weitergehenden Restbetrages vorbehalten. Diese - erstmals auf der Zahlungsstufe - beschränkte Geltendmachung des einheitlich rechtshängig gewordenen Anspruches ist ausweislich der ausdrücklichen Aufnahme in den Tatbestand der amtsgerichtlichen Entscheidung sowie des - bei dieser Vorgehensweise der Ehefrau zur Ermöglichung eines Verfahrensabschlusses folgerichtigen und sachgerechten - Feststellungswiderantrages des Ehemannes den Beteiligten wie dem Gericht grundsätzlich bewußt gewesen.
Jedoch hat das Amtsgericht mit seinem - nach Tenor, Gründen wie Verfahrenswertfestsetzung unzweifelhaft auf eine Antragsabweisung beschränkten - Beschluß allein über den bezifferten Teilantrag der Ehefrau erkannt. Damit ist ein darüber hinaus gehender Teil des einheitlichen Ausgleichsanspruches, dessen sich die Ehefrau auch nach wie vor berühmt, vom Amtsgericht nicht abschließend beschieden und dort rechtshängig geblieben. Die Rechtshängigkeit eines weitergehenden Zahlungsanspruches ist weder durch eine - ausdrücklich (offenbar nicht zuletzt im Hinblick auf die angesichts der bereits Anfang 2007 rechtskräftig beendeten Zugewinngemeinschaft brisanten Frage der Verjährung) nicht erfolgte - Rücknahme des weitergehenden Zahlungsantrages noch durch - vom Ehemann seinerseits zwar beantragte, aber jedenfalls nicht vom Amtsgericht getroffene - Feststellung insoweit (noch nachträglich durch vom Senat im Beschwerdeverfahren mit angeregte übereinstimmende Erledigungserklärung) beendet worden.
2.
Angesichts der vom Senat - wie geboten - vorgenommenen Abtrennung, durch die insbesondere verhindert wird, daß der zurückverwiesene Gegenstand des vorzeitigen Zugewinnausgleichs nicht mit der beim Amtsgericht noch anhängigen Folgesache Versorgungsausgleich erneut in einen Verbund fällt, ist auch die Kostenentscheidung hinsichtlich des verbliebenen Verbundes zu ändern. Da insofern keine Gesichtspunkte im Sinne von § 150 Abs. 4 FamFG (mehr) vorliegen, sind die Kosten gemäß § 150 Abs. 1 FamFG gegeneinander aufzuheben.
3.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht angesichts der Zurückverweisung auf dem beim Senat angefallenen Umfang der amtsgerichtlichen Entscheidung, der durch die Beschwerde des Ehemannes gegen die amtsgerichtliche Entscheidung (Verurteilung in Höhe von 61.931,97€) und die Anschlußbeschwerde der Ehefrau (weitere 29.289,15 € im Rahmen des Teilantrages), nicht aber durch die vom Amtsgericht nicht beschiedene Feststellungswiderklage bestimmt wird.