Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 01.07.2005, Az.: 2 A 2/04
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 01.07.2005
- Aktenzeichen
- 2 A 2/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 43114
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2005:0701.2A2.04.0A
Verfahrensgang
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 2. Kammer -
ohne mündliche Verhandlung am 1. Juli 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. Beyer als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben.
Im Übrigen wird die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen eine Stilllegungs- und Rückbauverfügung sowie gegen die Rücknahme einer Änderungsbaugenehmigung für einen Carport.
Am 21. April 1994 erhielten die Kläger eine Baugenehmigung für den "Neubau eines Wohnhauses mit offener Garage". Das genehmigte Carport sollte mit Flachdach in Holzkonstruktion in 1 m Abstand zum Waldweg errichtet werden. In den Zeichnungen waren die Höhe mit 2,60 m angegeben, die Länge mit 9 m und die Breite mit 6 m. Zur Geländehöhe hieß es "OKG +/- 0,00".
In der Folgezeit wurde das Wohnhaus errichtet. Mit Schreiben vom 13. Juni 1995 beantragten die Kläger eine Baugenehmigung für eine geänderte Lage des Carports. Ausweislich des beigefügten Lageplans war der Baukörper vom vorderen Grundstücksbereich an die östliche Grundstücksgrenze in Verlängerung der hinteren Wohnhauswand verschoben worden. Dabei handelte es sich um den ursprünglich vorgelegten Plan mit entsprechend geänderter Einzeichnung des Standorts. Weitere Unterlagen waren dem Antrag nicht beigefügt. Mit Bescheid vom 19. Juli 1995 wurde die Änderungsgenehmigung erteilt, wobei die Breite des Baukörpers mit Grüneintrag auf 6,00 m begrenzt wurde.
Nachdem die östliche Grundstücksnachbarin der Kläger sich bei dem Beklagten im Dezember 2001 über den Bau einer "Garage" beklagt hatte und sich im Rahmen des nunmehr von ihr gegen die Änderungsbaugenehmigung eingelegten Widerspruchs gegen die Errichtung einer 4 m hohen Wand an ihrer Grenze wandte, führte der Beklagte am 20. März 2002 eine Ortsbesichtigung durch. Dabei stellte er Abweichungen von der Baugenehmigung fest. Eine "offene Kleingarage" befinde sich im Rohbauzustand. Die Außenwände seien in massiver Mauerwerkskonstruktion statt in Holzbauweise errichtet worden. Innenwand und Dachkonstruktion fehlten noch. Die Breite an der Rückseite betrage 7,18 m anstatt der genehmigten 6 m. Anstelle der genehmigten Höhe von 2,60 m liege die tatsächliche Höhe zwischen 3,80 m und 4,20 m. Dabei sei die Geländehöhe auf dem Nachbargrundstück als gewachsenes Gelände entsprechend § 16 NBauO angenommen worden.
Mit hier angefochtenem Bescheid vom 27. März 2002 ordnete der Beklagte die Stilllegung des Garagenbaus - mit Sofortvollzug - und die Beseitigung der bereits begonnenen Anlage an. Angesichts der bei der Ortsbesichtigung festgestellten gravierenden Abweichungen von der erteilten Baugenehmigung habe die Einstellung der Bauarbeiten angeordnet werden müssen. Eine nachträgliche Genehmigung könne nicht in Aussicht gestellt werden, da die zulässige Höhe von 3 m im Grenzbereich erheblich überschritten worden sei. Mit einem weiteren - ebenfalls angefochtenen - Bescheid vom 18. September 2002 nahm der Beklagte die Änderungsbaugenehmigung vom 19. Juli 1995 mit sofortiger Wirkung zurück. Bei Erteilung der Genehmigung sei davon ausgegangen worden, dass die Angaben der Kläger zutreffend und das Grundstück ebenerdig sei. Tatsächlich bestehe aber ein Gefälle auf dem Grundstück, das nicht angegeben worden sei. Die Oberkante des Geländes sei in den Unterlagen mit +/- 0,0 angegeben worden. Aufgrund dieser Umstände weise die Garage eine tatsächliche Höhe von ca. 3,80 m bis 4,20 m auf, da noch zusätzlich Aufschüttungen, die bei der Bemessung der Höhe mitzurechnen seien, vorgenommen worden seien. Ihr Vertrauen in den Bestand der Baugenehmigung sei nicht schützenswert, da sie durch unvollständige Angaben erwirkt worden sei. Darüber hinaus sei die Baugenehmigung von ihrer östlichen Nachbarin angefochtenen worden. Durch die Rücknahme der Baugenehmigung werde dem Nachbarwiderspruch abgeholfen. Auch wegen des anhängigen Widerspruchsverfahrens sei ihr Vertrauen gemäß § 50 VwVfG auf den Bestand der Baugenehmigung nicht schutzwürdig gewesen. Die Überschreitung der maximal zulässigen Höhe um 0,80 m bis 1,20 m sei auch nicht als geringfügig anzusehen, so dass im Rahmen der Ermessensausübung nur eine Rücknahme der Baugenehmigung in Betracht gekommen sei.
Gegen beide Bescheide legten die Kläger Widerspruch ein. Die Rücknahme der Baugenehmigung sei wegen Überschreitung der Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 VwVfG unzulässig. Aufgrund der Ortskenntnisse des für E. isoliert zuständigen Sachbearbeiters sei bereits bei Erteilung der Änderungsbaugenehmigung am 19. Juli 1995 bekannt gewesen, dass die Flurstücke in diesem Bereich "hängig" im Sinne des § 12 Abs. 3 NBauO seien. Unabhängig davon ergebe sich das auch aus den Genehmigungsplänen. Daneben sei festzustellen, dass der Beklagte das Recht zur Rücknahme auch verwirkt habe. Die Rücknahmeverfügung sei überraschend gekommen, da die Untersagungsverfügung vom 27. März 2002 nicht habe erkennen lassen, dass die ursprünglich erteilte Baugenehmigung als rechtswidrig erachtet werde. Unabhängig davon sei es auch nicht zutreffend, dass die Änderungsbaugenehmigung rechtswidrig sei. § 12 Abs. 3 NBauO gestatte es, Garagen mit Höhen über 3 m u.a. bei hängigem Gelände zu bauen. Auch hätten sie hinsichtlich des Geländes keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben gemacht. Dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, durch welches ihnen - den Klägern - zurechenbares Handeln eine Täuschung des für die Grundstücke im Waldweg in E. zuständigen Bauprüfers über die dort tatsächlich vorhandenen Geländehöhen geführt haben solle. Es gebe keine Angaben oder Unterlagen, die entsprechende Messpunkte beinhalteten. Mangels solcher Messpunkte könne auch nicht nachvollzogen werden, welche Maße bei der behaupteten Geländeaufschüttung in Bezug genommen worden seien. Hinsichtlich der Stilllegungsverfügung vom 27. März 2002 weisen die Kläger darauf hin, dass die behauptete gravierende Abweichung weder durch den Wechsel von der Holzbauweise auf die Mauerwerkskonstruktion noch durch die veränderten Breiten- und Höhenmaße zu begründen sei.
Mit nicht angefochtenem Beschluss vom 7. Januar 2003 wies die erkennende Kammer einen Antrag der östlichen Grundstücksnachbarin, gegen das Garagengebäude auf ihrem Nachbargrundstück einzuschreiten, wegen Verwirkung ab. Sie habe in Kenntnis des begonnenen Garagenbaus 3 bis 3 1/2 Jahre zugewartet, bevor sie beim Beklagten ein Einschreiten beantragt habe (2 B 135/02).
Mit Bescheid vom 5. Dezember 2003 wies die Bezirksregierung Lüneburg die gegen beide Bescheide eingelegten Widersprüche zurück. In Abänderung des Ausgangsbescheides setzte sie die Befolgungsfrist auf zwei Monate nach Bestandskraft ihrer Entscheidung fest. Grundsätzlich sei festzustellen, dass gemäß § 57 Abs. 1 NBauO zunächst der Bauherr dafür verantwortlich sei, dass die von ihm veranlasste Baumaßnahme dem öffentlichen Baurecht entspreche. Daher habe er auch zu jedem Baugenehmigungsverfahren Bauvorlagen einzureichen, aus denen sich das geplante Gebäude selbst und auch die Konstruktion und der Standort eindeutig und konkret ergebe. Aus den vorgelegten Unterlagen habe sich aber nicht entnehmen lassen, dass die gewachsene Geländeoberfläche ab einer bestimmten Grundstückstiefe nach Norden hin abfalle. Es könne auch nicht erwartet werden, dass der regional zuständige Sachbearbeiter über eine so umfassende Ortskenntnis in seinem Gebiet einschließlich der Höhenlagen der Gelände verfüge, dass ihm dieser Umstand bekannt gewesen sei. Der Sachbearbeiter müsse im Genehmigungsverfahren eine Ortsbesichtigung nur dann in Betracht ziehen, wenn sich im Einzelfall Fragen ergeben würden.
Die Stilllegungsverfügung sei bereits angesichts der massiven Abweichung von der Baugenehmigung hinsichtlich Material und Maßen gerechtfertigt gewesen. Angesichts der Höhenüberschreitung sei auch eine nachträgliche Genehmigungsfähigkeit nicht in Betracht gekommen. Die Kläger könnten sich insoweit bereits deshalb nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 12 Abs. 3 NBauO berufen, da das Carportgebäude, wie die Baugenehmigung von 1994 belege, nicht zwangsläufig an dem jetzigen Standort errichtet werden müsse und im vorderen Grundstücksbereich eine Höhe von 2,60 m ausreiche. Unabhängig davon hätten die Kläger bei der nunmehr vorgenommenen Grenzbebauung das hängige Gelände von vornherein berücksichtigen müssen und durch geeignete Maßnahmen (Dachneigung nach hinten, geneigte Fußbodenfläche) der Höhenüberschreitung von 3 m entgegenwirken müssen. Wegen des groben Verstoßes gegen die Abstandsvorschriften (mehr Höhe bis 1,20 m), die explizit zum Schutze der Nachbarn erlassen worden seien, komme eine nachträgliche Genehmigungsfähigkeit nicht in Betracht.
Bei dieser Sachlage sei eine Rücknahme der Baugenehmigung rechtlich nicht zu beanstanden. Die Kläger hätten dem Landkreis im Nachtragsbaugenehmigungsverfahren Informationen über die tatsächlichen Geländeverhältnisse vorenthalten und dadurch die Baugenehmigung "erwirkt". Durch Vorlage nur eines geänderten Lageplans hätten sie suggeriert, dass es sich um ein gleichartiges Gebäude und einen entsprechenden planebenen Standort, wie 1994 dargestellt, handle. So sei die Baumaßnahme als offensichtlich unproblematisch genehmigt worden. Bei Vorlage von Bauvorlagen mit allen tatsächlich erforderlichen Informationen hätte insoweit keine Baugenehmigung erteilt werden können und dürfen. Die Rücknahme sei auch nicht wegen Fristablaufs rechtswidrig, da der Beklagte erstmals durch den konkreten Hinweis der Nachbarin vom 18. März 2002 auf die ausgeführten Baumaßnahmen mit einer 4 m hohen Mauer an der Grenze hingewiesen worden sei.
In der nunmehr gegen diese Bescheide erhobenen Klage vertiefen die Kläger ihr bisheriges Vorbringen. Es sei nicht zutreffend, dass beim Änderungsbaugenehmigungsverfahren "ungenügende" Bauvorlagen vorgelegt worden seien. Nach der geltenden Erlasslage bestimme sich nach der Baumaßnahme, ob im Einzelfall überhaupt ein Lageplan erforderlich sei oder ob ggf. ein einfacher Lageplan ausreichend sei. Der genehmigende Bauprüfer werde angesichts seiner intimsten Ortskenntnisse bestätigen, dass ihm bekannt gewesen sei, dass ihr - der Kläger - Grundstück "hängig" sei. Er sei zu keiner Zeit davon ausgegangen, dass die Maßangaben +/- 0 in den Bauvorlagen bedeuten sollten, dass es sich um ein gleichartiges Gebäude und einen entsprechenden planebenen Standort wie 1994 handele. Der Widerspruchsbescheid zeige keine Norm auf, nach deren Maßgabe die im Juli 1995 erteilte Baugenehmigung rechtswidrig wäre. Die dort angegebenen tatsächlichen Höhen von ca. 3,80 m bis 4,20 m seien nicht vorhanden. Bei der Fristberechnung nach § 48 Abs. 4 VwVfG sei nicht auf "zu hohes Bauen", sondern auf die Kenntnis der vermeintlichen Rechtswidrigkeit des zurückgenommenen Bescheides abzustellen.
In der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2004 vereinbarten die Beteiligten, eine einvernehmliche Erledigung des Rechtsstreites auf der Basis eines von den Klägern eingereichten Änderungsantrages vom 27. Dezember 2002 herbeizuführen. Sollte es zu keiner einvernehmlichen Lösung kommen, erklärten sie sich mit einer gerichtlichen Entscheidung ohne erneute mündliche Verhandlung einverstanden. Mit Bescheid vom 12. Mai 2005 erteilte der Beklagte den Klägern eine Nachtragsbaugenehmigung für den Neubau eines Carports unter Berücksichtigung der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2004. Daraufhin nahmen die Kläger mit Schriftsatz vom 30. Mai 2005 ihre Klage hinsichtlich des Bescheides vom 27. März 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2003 (Stillegung und Rückbauverpflichtung) zurück. Eine einvernehmliche Regelung hinsichtlich der Rücknahme der Baugenehmigung vom 19. Juli 1995 (Bescheid vom 18. September 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2003) kam zwischen den Beteiligten nicht zustande.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 18. September 2002 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. Dezember 2003, soweit er diesen Widerspruch zurückweist, aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertieft zur Begründung die Ausführungen aus den angefochtenen Bescheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, war das Verfahren mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 2 VwGO einzustellen. Im Übrigen ist die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte ( § 101 Abs. 2 VwGO ), unbegründet. Der Beklagte hat in zutreffender Anwendung des § 48 VwVfG die den Klägern erteilte Änderungsbaugenehmigung wieder zurückgenommen.
Gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
1. Die Änderungsbaugenehmigung vom 19. Juli 1995 ist rechtswidrig gewesen, weil sie zwingende Abstandsvorschriften verletzt. Gemäß § 12 Abs. 1 Ziffer 3 NBauO darf eine Grenzgarage die Höhe von 3,00 m nicht übersteigen. Diese Höhenbegrenzung bereitete auf dem zunächst mit der Baugenehmigung vom 21. April 1994 genehmigten Standort am Waldweg keine Probleme, weil bei ebenerdigem Gelände eine Höhe von 2,60 m beantragt und auch problemlos eingehalten werden konnte. Mit Schreiben vom 13. Juni 1995 beantragten die Kläger die Genehmigung, die Lage für diesen Carport zu ändern. Sie gaben dabei nicht an, dass der Standort nunmehr auf ein hängiges Gelände verschoben werden sollte mit der Folge, dass die genehmigten 2,60 m und auch die maximal zulässigen 3,00 m nicht mehr eingehalten werden konnten. Da die Höhenberechnung stets vom gewachsenen Boden aus zu erfolgen hat ( § 16 NBauO ), war eine Standortverschiebung unter Beachtung der Höhenbegrenzung des § 12 Abs. 1 Ziffer 3 NBauO nicht möglich. Vielmehr hätte ein neuer Bauantrag gestellt werden müssen, in dem entweder durch Anpassung an das hängige Gelände oder Abtragen des erhöhten Bodens die Einhaltung der 3-m-Begrenzung sichergestellt ist. Ohne erneute Höhenberechnung hätte jedenfalls die Änderungsbaugenehmigung nicht erteilt werden dürfen. Sie ist wegen Verstoßes gegen § 12 Abs. 1 Ziffer 3 NBauO rechtswidrig.
2. Die Kläger können sich in diesem Zusammenhang nicht auf § 12 Abs. 3 NBauO berufen. Danach kann ausnahmsweise eine größere als die vorgeschriebene Höhe zugelassen werden, u.a. wenn das Gelände hängig ist. Diese Vorschrift ist ausdrücklich als Ausnahmevorschrift gekennzeichnet. Gerade eine höhere Grenzgarage kann wegen nachteiliger Auswirkungen hinsichtlich der Belichtung und Belüftung des bebauten Nachbargrundstücks die Schutzgüter der Abstandsvorschriften berühren und von daher auch nicht ausnahmsweise zulässig sein (Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, Komm., 7. Aufl. 2002, § 85 Rdnr. 6; OVG Münster, Urt.v. 7. 4. 1983 - 11 A 2447/81 -, BRS 40 Nr. 134 ). Im Gegensatz zur Auffassung der Kläger rechtfertigt also die Hängigkeit des Geländes allein noch nicht die Anwendung des § 12 Abs. 3 NBauO. Hinzu kommen muss die Nachbarverträglichkeit. Daran fehlt es vorliegend aber. Die in den Verwaltungsvorgängen auf Blatt 60 enthaltenen Fotos verdeutlichen die baurechtliche Situation eindrucksvoll. Jedenfalls ist eine von 3,80 m auf 4,20 m ansteigende massive auf der Grenze errichtete Wand dem östlichen Grundstücksnachbarn nicht zuzumuten.
3. Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, dass der Beklagte die Änderungsbaugenehmigung in Kenntnis des hängigen Geländes erteilt habe. Zu Recht weisen der Beklagte und auch die Widerspruchsbehörde in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Änderungsbauantrag keinen Lageplan enthielt, aus dem die Hängigkeit des Geländes hätte ersehen werden können. Gemäß § 57 Abs. 1 NBauO ist zunächst der Bauherr dafür verantwortlich, dass die von ihm veranlasste Baumaßnahme dem öffentlichen Baurecht entspricht. Er hat daher die Unterlagen einzureichen und Umstände vorzutragen, die eine Beurteilung des Bauvorhabens unter dem Gesichtspunkt ermöglichen, ob das Vorhaben das öffentliche Baurecht einhält. Ist ein Gelände hängig und hat dieser Umstand Einfluss auf die Genehmigungsfähigkeit des Baukörpers, z.B. - wie hier - wegen der veränderten Höhenberechnungen, so sind entsprechende Höhenmaße in den eingereichten Unterlagen anzugeben. Anders ist der Bauaufsichtsbehörde eine verantwortungsvolle Prüfung des Bauvorhabens nicht möglich. Der im Änderungsverfahren eingereichte Lageplan war identisch mit dem im Ausgangsverfahren eingereichten Plan. Nur der Standort des Carports war verschoben worden. Hinweise auf ein hängiges Gelände enthielt der Plan nicht. Die Unterlagen, die die Kläger in dem Verfahren auf Erteilung einer Abänderungsgenehmigung eingereicht haben, waren damit in wesentlicher Beziehung unrichtig und unvollständig (§ 48 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 und Abs. 2 Satz 3 Ziffer 2 VwVfG). Die Kammer folgt nicht der Auffassung der Kläger, dass aus den Bauzeichnungen für das Haus ein nach Norden abfallendes Gelände ersichtlich sei. Die vorgelegte Nordansicht mit einer Tür und Fenstern unterhalb der Geländeoberfläche +/- 0,0 lässt nicht erkennen, ob es sich dabei um Abgrabungen oder um ein Gefälle handelt. Entscheidend ist, dass in den eingereichten Lageplänen keinerlei Höhenangaben enthalten sind, die auf ein hängiges Gelände schließen lassen könnten.
Die Kläger können sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass dem Bauprüfer des Beklagten die Hängigkeit des Geländes hätte bekannt sein müssen. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass entscheidend nicht mehr oder weniger zufällige Kenntnisse über örtliche Gegebenheiten von Bauprüfern sind, sondern die Klarheit und Nachvollziehbarkeit von eingereichten Unterlagen.
4. Ermessensfehler sind bei der Rücknahme der Änderungsbaugenehmigung nicht ersichtlich. Da das Bauvorhaben gegen die zwingende Höhenbegrenzung nach § 12 Abs. 1 Ziffer 3 NBauO verstößt und eine Heilung dieses Verstoßes unter Beachtung der Hängigkeit des Geländes und der funktionsgerechten Nutzung einer Garage nicht möglich ist, ist eine weniger eingreifende Entscheidung als die Baugenehmigung für den Carport wieder zurückzunehmen, nicht ersichtlich. Der baurechtliche Verstoß konnte nur durch die neue Baugenehmigung vom 12. Mai 2005, in der - erstmals - Anlass bestand, die Frage der ausnahmsweisen - nachbarverträglichen - Erhöhung nach § 12 Abs. 3 NBauO zu prüfen, beseitigt werden.
5. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG steht der Rücknahme ebenfalls nicht entgegen. Für den Lauf der Frist ist entscheidend, wann die Behörde von Tatsachen Kenntnis erlangt, welche die Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen. Dieses ist erst durch die schriftliche Eingabe der östlichen Grundstücksnachbarin vom 9. Dezember 2001 geschehen. Wie bereits ausgeführt, folgt die Kammer nicht der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Kläger, dass die örtliche Situation dem Bauprüfer des Beklagten bekannt gewesen sei. Weder liegen für diese Auffassung nachvollziehbare Anhaltspunkte vor, noch ist generell davon auszugehen. Im Übrigen ist § 48 Abs. 4 VwVfG wegen § 50 VwVfG nicht anwendbar. Denn die Änderungsbaugenehmigung ist von der östlichen Grundstücksnachbarin angefochten worden, so dass die Kläger kein Vertrauen in die Bestandskraft der Änderungsbaugenehmigung geltend machen können.
Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass die Kläger entsprechende notwendige Angaben über die Hängigkeit des nunmehr beantragten Standortes unterlassen haben. Sie haben damit die Änderungsbaugenehmigung durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Hinsicht unrichtig und unvollständig waren. Hätten sie diese Angaben gemacht, wäre die Baugenehmigung so wie geschehen nicht erteilt worden. Eine Rücknahme der Baugenehmigung als begünstigender Verwaltungsakt ist daher auch unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 bis Abs. 4 VwVfG rechtlich zulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§ 124a Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO ).
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
15 000 EUR
und danach auf festgesetzt.