Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 12.07.2005, Az.: 4 A 296/04

Albaner; Kosovo; Mitrovica; Widerruf

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
12.07.2005
Aktenzeichen
4 A 296/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 50750
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Kläger sind Staatsangehörige von Serbien und Montenegro. Sie sind albanische Volkszugehörige und stammen aus Mitrovica, Provinz Kosovo. Sie beantragten im Jahr 1993 zusammen mit ihren Kindern die Anerkennung als Asylberechtigte. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) zunächst mit Bescheid vom 21. Juli 1993 ab; gleichzeitig stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Mit Bescheid vom 23. März 1994 änderte es diesen Bescheid und erkannte die Kläger und ihre Kinder als Asylberechtigte an. Auf Grund des von ihnen geschilderten Sachverhaltes und der vorliegenden Erkenntnisse sei davon auszugehen, sie im Falle der Rückkehr mit asylrechtlich relevanten Maßnahmen zu rechnen hätten. Die hiergegen gerichtete Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wies das erkennende Gericht mit Urteil vom 31. Mai 1994 (4 A 774/94) ab.

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Mit Bescheid vom 1. Juli 2004 widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die mit Bescheid vom 23. März 1994 erfolgte Anerkennung der Kläger als Asylberechtigter sowie die mit Bescheid vom 21. Juli 1993 zu § 51 Abs. 1 AuslG getroffene Feststellung und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen.

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Der Kläger haben am 20. Juli 2004 Klage erhoben. Der Widerruf sei rechtswidrig, weil er nicht unverzüglich erfolgt sei. Sie, die Kläger, seien auch nicht nachhaltig sicher vor erneuter Gruppenverfolgung. Von dem Widerruf hätte auch deswegen abgesehen werden müssen, weil sie sich auf zwingende, auf früherer Verfolgung beruhende Gründe berufen könnten, um die Rückkehr abzulehnen. Ein solch zwingender Grund sei auch die materielle, kulturelle und soziale Zerstörung eines ganzen Landstriches, die auf asylerheblichen Gründen beruhe. Die jetzt im Kosovo nachwirkenden, katastrophalen ökonomischen und sozialen Bedingungen beruhten auf den asylerheblichen Maßnahmen des früheren serbischen Staates. Im Übrigen stammten sie aus Nord - Mitrovica. Ihre Heimat sei nach wie vor von den Serben besetzt. Die ehemalige Wohnung der Familie sei von Serben bewohnt. Der Kläger zu 1. leide an einem durch die früheren Verfolgungen und Traumatisierung verursachten Magengeschwür. Die Klägerin zu 2. sei schwer traumatisiert. Sie sei in ständiger ärztlicher Behandlung. Hintergrund sei, dass viele Familienangehörige, u.a. ihr Bruder, verschollen seien. Auch eine Trennung von den vier in Deutschland lebenden Söhnen werde die Klägerin nicht verkraften. Es sei in diesem Fall mit Suizid zu rechnen . Auch dies sei ein verfolgungsbedingter Umstand, weil die Söhne ohne die Verfolgung nicht nach Deutschland geflohen wären. Es sei ihnen auch nicht möglich, im Kosovo ihren Lebensunterhalt zu erhalten.

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Die Kläger beantragen,

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den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 1. Juli 2004 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie bezieht sich auf die Gründe des angegriffenen Bescheides.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Bezug genommen. Es hat weiter die Akte 4 A 87/04 nebst Beiakten vorgelegen, die einen Sohn der Kläger betrifft.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat die in dem Bescheid vom 23. März 1994 erfolgte Anerkennung der Kläger als Asylberechtigte und die in dem Bescheid vom 21. Juli 1993 zu § 51 Abs. 1 AuslG getroffene Feststellung zu Recht widerrufen. Die Entscheidung des Bundesamtes ist dabei an § 73 AsylVfG in der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung zu messen, die die Vorschrift durch das Zuwanderungsgesetz vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) erhalten hat; denn gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG stellt das Gericht in Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG n. F. sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen.

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Ein Widerruf ist auf der Grundlage des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nur dann möglich, wenn sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung als Asylberechtigter und der Feststellung des Abschiebungsverbotes nach § 51 Abs. 1 AuslG maßgeblichen Verhältnisse nachträglich entscheidungserheblich geändert haben (BVerwG, Urt. v. 19.9.2000 - 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80). Er setzt voraus, dass eine Wiederholung der Verfolgungsmaßnahmen, die der Ausländer erlitten hat oder von denen er bedroht war, wegen zwischenzeitlicher Veränderungen im Verfolgerstaat mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann (BVerwG, Urt. v. 24.11.1992, - 9 C 3.92 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG 1992 Nr. 1). Wie bei der Prüfung, ob dem Betroffenen trotz Vorverfolgung die Asylanerkennung zu versagen ist, ist dabei an die Wahrscheinlichkeit des Ausschlusses erneuter Verfolgung wegen der meist schweren und bleibenden Folgen der schon erlittenen Verfolgung hohe Anforderungen zu stellen. Es muss mehr als nur überwiegend wahrscheinlich sein, dass der Asylsuchende im Heimatstaat vor Verfolgungsmaßnahmen sicher ist. Zwar braucht die Gefahr des Eintritts erneuter politischer Verfolgungsmaßnahmen nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen zu werden, so dass jeder auch noch so geringe Zweifel an der Sicherheit des Asylbewerbers seinem Begehren zum Erfolg verhelfen müsste. Lassen sich aber ernsthafte Bedenken nicht ausräumen, so wirken sie sich nach diesen Maßstäben zugunsten des Betroffenen aus (zum Vorstehenden: BVerwG, Urt. v. 31.3.1981 - 9 C 286.80 - DÖV 1982, 41).

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Der Widerruf setzt weiter voraus, dass auch nicht aus anderen Gründen, als denjenigen, die zur Asylanerkennung geführt haben, die Gefahr politischer Verfolgung besteht (Nds.OVG, Beschl. v. 27.12.2004 - 8 LA 245/04 -). Gründe, die keine Verknüpfung zu dem Verfolgungsgeschehen der Vergangenheit aufweisen, das zu der Rechtsgewährung geführt hat, stehen einem Widerruf allerdings nur dann entgegen, wenn dem Betroffenen deswegen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG bzw. des § 60 Abs. 1 AufenthG droht. Der sog. herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist für solche Gründe nicht heranzuziehen. Seine Anwendung im Rahmen des § 73 Abs. 1 AsylVfG beruht allein auf dem Gedanken, dass an die Anerkennungsvoraussetzungen einerseits und die Widerrufsvoraussetzungen andererseits keine unterschiedlichen Anforderungen zu stellen sind. Wenn demjenigen, der einer verfolgungsbedingten Notlage entkommen ist, die Anerkennung nur bei künftiger Verfolgungssicherheit versagt werden darf, gilt dies erst recht für denjenigen bei dem das Verfolgungsschicksal zur Asylanerkennung geführt hat (BVerwG, Urt. v. 24.11.1992 - 9 C 3.92 - a.a.O.). Besteht ein innerer Zusammenhang zwischen der erlittenen (Vor)Verfolgung und der geltend gemachten Gefahr erneuter Verfolgung nicht mehr, so dass bei Rückkehr nicht mit einem Wiederaufleben der ursprünglichen Verfolgung zu rechnen ist oder auch nicht das erhöhte Risiko einer gleichartigen Verfolgung besteht, so scheidet im Rahmen der Prüfung, ob dem Ausländer Schutz vor Verfolgung auf der Grundlage des Art. 16a GG bzw. nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu gewähren ist, die Anwendung des sog. herabgestuften Prognosemaßstabs aus (vgl.: BVerwG, Urt. v. 18.2.1997- 9 C 9.96 - BVerwGE 104, 97, Urt. v. 27.4.1982 - 9 C 308.81 - BVerwGE 65, 250). Ein Grund für seine Anwendung bei der Prüfung der Voraussetzungen des Widerrufs der in der Vergangenheit gewährten Rechtstellung ist dann ebenfalls nicht mehr ersichtlich.

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Da es sich bei dem Widerruf um eine gebundene Entscheidung handelt, ist das Gericht unabhängig von der Begründung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu der Prüfung verpflichtet, ob der angefochtene Widerrufsbescheid mit objektivem Recht in Einklang steht (BVerwG, Urt. v. 24.11.1998 - 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30). Dabei kann auch ein ursprünglich rechtswidriger anerkennender Bescheid nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG widerrufen werden, wenn sich die Verhältnisse nachträglich geändert haben, auf denen die Entscheidung beruhte (BVerwG, Urt. v. 19.9.2000 - 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80; Urt. v. 25.8.2004 - 1 C 22.03 - NVwZ 2005, 89).

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Hieran gemessen ist der mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Widerruf nicht zu beanstanden. Die Kläger können zunächst zum gegenwärtigen Zeitpunkt, der nach § 77 Abs. 1 AsylVfG für die Beurteilung maßgebend ist, die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a Abs. 1 GG nicht (mehr) beanspruchen. Die tatsächlichen Verhältnisse haben sich seit den Entscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22. April 1994 und vom 21. Juli 1993 durch den vollständigen Abzug aller serbischen bzw. jugoslawischen Armeetruppen, sonderpolizeilichen Einheiten und paramilitärischen Gruppen aus dem Kosovo und das Einrücken der UN-Friedenstruppe Kosovo Force (KFOR) im Sommer 1999 maßgeblich verändert. Vor einer erneuten Verfolgung durch die Organe der (ehemaligen) Bundesrepublik Jugoslawien in der Provinz Kosovo sind die Kläger hinreichend sicher, weil ihnen dort jedenfalls eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht. Die vorliegenden Berichte und Auskünfte bieten auch keinen Anlass zu der Annahme, es könne in absehbarer Zeit wegen eines Abzuges der internationalen Kräfte zu dem Einmarsch serbischer Streitkräfte und zu einer erneuten Verfolgung der albanischen Volkszugehörigen kommen. Unerheblich ist dabei, dass die Kläger aus Nord - Mitrovica stammen, wo die albanischen Volkszugehörigen eine Minderheit darstellen. Diese Gruppe wird allerdings von dem UNHCR weiter als besonders schutzbedürftig angesehen (Position zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo, März 2005). Während der Unruhen im März 2004 ist es auch zu Übergriffen in Nord - Mitrovica auf albanische Familien gekommen. Mittlerweile hat die KFOR die Situation zwar wieder unter Kontrolle. Die Situation zwischen den einzelnen Ethnien ist aber noch sehr gespannt. Die KFOR hat mehrere Check - Points eingerichtet, in einigen Enklaven besteht eine 24 - Stündige Präsenz, andere werden regelmäßig patrolliert (UNHCR, Bericht vom Juni 2004, „Update on the Kosovo Roma, Ashkaelia, Egyptian, Serb, Bosniak, Gorani and Albanian communities in a minority situation“). Mögliche Bedrohungen durch Angehörige der serbischen Bevölkerung stellen aber keine asylerhebliche staatliche Verfolgung dar und sind deswegen im Rahmen der Prüfung, ob die Kläger hinreichend sicher vor erneuter Verfolgung im Sinne des Art. 16a GG sind, nicht zu berücksichtigen. Sie können dem Staat von Serbien und Montenegro auch nicht zugerechnet werden, denn dieser übt in der Provinz Kosovo keine Gebietsgewalt mehr aus. Er hat deswegen keine Mittel, um die Übergriffe gegen Angehörige der albanischen Minderheit zu unterbinden. Im Übrigen steht den Klägern jedenfalls das Gebiet der restlichen Provinz Kosovo als inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Dort sind sie hinreichend sicher vor politischer Verfolgung und es drohen ihnen dort keine anderen Nachteile und Gefahren, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen. Die vorliegenden Berichte und Auskünfte bieten insbesondere keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Kläger dort auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum zu erwarten haben, das zu Hunger, Verelendung letztlich zum Tode führt. Den Erkenntnismitteln ist zwar zu entnehmen, dass in der Provinz Kosovo erhebliche wirtschaftliche Probleme, auch mit der Wohnraumversorgung, bestehen. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 4. November 2004 ist die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln aber gesichert. Dem Bericht ist weiter zu entnehmen, dass Gemeinschaftsunterkünfte vorhanden sind. Auch wenn - wie es in dem Bericht heißt - der UNHCR angesichts von Kapazitätsengpässen Bedenken im Hinblick auf deren Nutzung habe, rechtfertigt dies nicht die Annahme, auf diese Unterkünfte könne im Allgemeinen nicht zurückgegriffen werden. Im Übrigen lässt sich den vorliegenden Berichten und Auskünften nicht ersehen, dass albanische Volkszugehörige, die nicht in ihre ursprüngliche Wohnung zurückkehren können, generell ohne Obdach bleiben werden.

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Der Widerruf der nach der alten Rechtslage zu § 51 Abs. 1 AuslG getroffenen Feststellung ist ebenso rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Seit Inkrafttreten des AufenthG, ist die Prüfung dabei am Maßstab des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorzunehmen. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 kann ausgehen von dem Staat (§ 60 Abs. 1 Satz 4 a) AufenthG), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (§ 60 Abs. 1 Satz 4 b) AufenthG) oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat oder die Parteien oder Organisationen im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 b) AufenthG einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 60 Abs. 1 Satz 4 c) AufenthG).

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Wie bereits dargelegt, sind die Kläger im Falle einer Rückkehr hinreichend sicher vor erneuter Verfolgung durch staatliche oder dem Staat zurechenbare Maßnahmen (§ 60 Abs. 1 Satz 4 a und b) AufenthG. Einem Widerruf der zu § 51 Abs. 1 AuslG getroffenen Feststellung steht auch die oben dargestellte Situation der albanischen Bevölkerungsminderheit in Nord - Mitrovica nicht entgegen. Dabei kann offen bleiben, ob diese Lage die Annahme rechtfertigt, albanische Volkszugehörige seien in Nord - Mitrovica von einer politischen Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 c) AufenthG bedroht, denn auch insoweit steht den Klägern das Gebiet der restlichen Provinz Kosovo als inländische Fluchtalternative zur Verfügung.

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Der Widerruf der Asylanerkennung und der zu § 51 Abs. 1 Satz 3 AuslG getroffenen Feststellung ist auch nicht nach § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG ausgeschlossen. Danach ist von einem Widerruf abzusehen, wenn sich der Ausländer auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Rückkehr in den Staat abzulehnen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Solche Gründe sind hier nicht ersichtlich. Die allgemeine soziale und ökonomische Situation in der Provinz Kosovo, auf die sich die Kläger berufen stellt keinen Grund im Sinne dieser Vorschrift dar.

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Zwingende, auf früherer Verfolgung beruhende Gründe sind solche, die ihre Ursache in einer früheren politischen Verfolgung haben und eine Rückkehr in den Heimatstaat objektiv unzumutbar erscheinen lassen. Damit trägt § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG der psychischen Sondersituation Rechnung, in der sich ein Ausländer befindet, der ein besonders schweres, nachhaltig wirkendes Verfolgungsschicksal erlitten hat und dem es deshalb selbst Jahre danach ungeachtet der veränderten Verhältnisse in seinem Heimatland nicht zumutbar ist, in den früheren Verfolgerstaat zurückzukehren (NdsOVG, Urt. v. 28.6.2002 - 8 LB 10/02 -). Die Vorschrift entspricht Art. 1 C Nr. 5 Satz 2 und Nr. 6 Satz 2 GK. Sie bezieht sich auf Fälle, in denen Flüchtlinge oder ihre Familienangehörigen einer außergewöhnlich menschenverachtenden Verfolgung ausgesetzt waren und in denen deshalb von diesen eine Rückkehr in ihr Herkunftsland nicht erwartet werden kann. Darunter fallen z.B. Personen, die interniert oder inhaftiert waren, Opfer von Gewalt einschließlich sexuellen Missbrauchs waren, oder Gewaltanwendung gegen Familienmitglieder ansehen mussten und schwer traumatisierte Personen. Es wird davon ausgegangen, dass die Betreffenden schwerwiegende Verfolgung erlitten haben und von ihnen vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, zurückzukehren (vgl. zum Vorst.: UNHCR, Richtlinien zum Internationalen Schutz, „Beendigung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Artikels 1 C [5] und [6] des Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung von Flüchtlingen“, vom 10.2.2003). Solche konkreten individuelle Nachwirkungen der vergangenen Verfolgung auf die Kläger sind hier nicht hinreichend dargetan. Insbesondere ist nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, dass die Kläger unter körperlichen oder psychischen Erkrankungen leiden, die auf die vergangene Verfolgung zurückgehen. Den Angaben der Kläger im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung lässt sich bereits nicht entnehmen, dass sie gegenwärtig noch fortlaufend ärztlich behandelt werden. Ärztliche Bescheinigungen über die geltend gemachten Erkrankungen oder mögliche Behandlungen haben sie ebenfalls nicht vorgelegt.

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Die Kläger können sich weiter nicht mit Erfolg darauf berufen, der Widerruf sei nicht unverzüglich erfolgt. Die Pflicht zum unverzüglichen Widerruf ist dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht im Interesse des einzelnen Ausländers als Adressaten des Widerrufsbescheides, sondern ausschließlich im öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Beseitigung der ihm nicht (mehr) zustehenden Rechtsposition des anerkannten Asylberechtigten auferlegt. Subjektive Rechte für den Betroffenen ergeben sich hieraus nicht (BVerwG, Beschl. v. 27.6.1997 - 9 B 280.97 - NVwZ-RR 97, 741).

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.