Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.06.2007, Az.: 11 B 1601/07
Benachrichtigung; Fehler; Frist; Fristablauf; Ingangsetzen; Mangel; Rechtsnachteil; Unwirksamkeit; Zustellung; öffentliche Zustellung
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 28.06.2007
- Aktenzeichen
- 11 B 1601/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 71918
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 10 VwZG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine öffentliche Zustellung ist unwirksam, wenn in der Benachrichtigung hierüber der Hinweis nach § 10 Abs. 2 Satz 3 VwZG fehlt, dass durch die öffentliche Zustellung Fristen in Gang gesetzt werden, nach deren Ablauf Rechtsnachteile drohen.
Gründe
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet, weil das einstweilige Rechtsschutzbegehren aus den nachfolgenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO).
Das nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilende Begehren der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (11 A 1600/07) gegen die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. April 2007 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte nachträgliche Befristung ihrer Aufenthaltserlaubnis und die Androhung der Abschiebung nach Indien wiederherzustellen bzw. anzuordnen, ist unbegründet.
Dies ergibt sich entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin allerdings nicht schon daraus, dass die o.g. Klage außerhalb der einmonatigen Klagefrist (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO) erhoben worden und deshalb unzulässig wäre. Der Bescheid vom 2. April 2007 ist der Antragstellerin nämlich am 15. Mai 2007 übergeben worden (Bl. 78 der VV). Die Klage ist am 6. Juni 2007 bei Gericht eingegangen.
Die vorangegangene öffentliche Zustellung des Bescheides ist dagegen zunächst unwirksam gewesen und konnte daher die Klagefrist nicht in Gang setzen. Die Antragsgegnerin hat ausweislich der Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung vom 2. April 2007 (Bl. 76 der VV) nämlich unzutreffend § 15 VwZG a.F. angewendet. Nach § 1 Abs. 1 NVwZG vom 23. Februar 2006 (Nds. GVBl. S. 72) gelten seit dem 1. März 2006 auch für die Zustellung der unter der Aufsicht des Landes stehenden Körperschaften des öffentlichen Rechts die §§ 2 - 10 des VwZG vom 12. August 2005 (BGBl. I S. 2354). Nach dessen § 10 Abs. 2 Satz 3 muss in der Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung u.a. den Hinweis enthalten sein, dass durch sie Fristen in Gang gesetzt werden, nach deren Ablauf Rechtsverluste drohen können. In der Benachrichtigung vom 2. April 2007 ist zwar erwähnt, dass der Bescheid als zugestellt gilt, wenn seit dem Tage der Aushängung zwei Wochen verstrichen sind (s. auch § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG). Es fehlt aber der erforderliche Hinweis darauf, dass damit die Klagefrist in Lauf gesetzt und nach deren Ablauf der Bescheid vom 2. April 2007 unanfechtbar wird. Dieser Mangel der Benachrichtigung macht die Zustellung unwirksam und ist gem. § 8 VwZG erst durch die tatsächliche Übergabe des Bescheides an die Klägerin am 15. Mai 2007 geheilt worden. Andere Heilungsmöglichkeiten sieht das VwZG nicht vor (vgl. Engelhardt/App, VwVG/VwZG, 7. Aufl. 2006, Rn. 19 zu § 10 VwZG).
Das öffentliche Interesse an einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung überwiegt jedoch deshalb das Interesse der Antragstellerin bis zum Abschluss des Klageverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben zu können, weil der Bescheid vom 2. April 2007 sehr wahrscheinlich rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Rechtliche Grundlage ist § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, wonach die Frist, für die eine Aufenthaltserlaubnis gilt, nachträglich verkürzt werden kann, wenn eine für die Erteilung wesentliche Voraussetzung nachträglich entfallen ist.
Die Antragstellerin ist zu der Verfügung vom 2. April 2007 ordnungsgemäß angehört worden (§§ 28 Abs. 1 VwVfG, 1 Abs. 1 NVwVfG). Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 16. November 2006, welches an ihre damalige Anschrift H. übermittelt worden ist, Gelegenheit bekommen zu einer nachträglichen Befristung der Aufenthaltserlaubnis Stellung zu nehmen. Dass sie wegen eines mehrmonatigen Auslandsaufenthalts von diesem Schreiben tatsächlich keine Kenntnis genommen hat, ändert nichts daran, dass mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass dieses in ihren Machtbereich gelangt ist. Wie die Antragsgegnerin zutreffend vorgetragen hat musste die Antragstellerin dafür Sorge tragen, dass sie rechtserhebliche Dokumente auch erhält. Abgesehen davon wäre ein Anhörungsmangel gem. §§ 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG, 1 Abs. 1 NVwVfG auch durch die Berücksichtigung der in der Klage- und Antragsschrift vorgetragenen Gesichtspunkte im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 14. Juni 2007 geheilt.
Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG liegen vor. Der Antragstellerin ist nach ihrer Einreise am 13. Oktober 2005 wegen der ehelichen Lebensgemeinschaft mit dem deutschen Staatsangehörigen N. am 17. Oktober 2005 für die Dauer von drei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden. Wie auch die Antragstellerin einräumt, ist die eheliche Lebensgemeinschaft jedoch spätestens am 16. November 2006 beendet worden. Es ist daher hier ohne rechtliche Bedeutung, ob sich die Eheleute - wie die Antragsgegnerin auf Grund einer Erklärung des Ehemannes vom 19. Oktober 2006 (Bl. 55 der VV) angenommen hat - möglicherweise bereits im Juli 2006 getrennt haben.
Es besteht auch - was bereits Tatbestandsvoraussetzung des § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG und keine Frage der Ermessensausübung ist („wesentliche“ Voraussetzung vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 1995 - 1 C 5.94 - BVerwGE 99, 28 <30>) - kein Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus anderen Gründen.
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich - wie ebenfalls nicht streitig ist -, dass der Antragstellerin kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach §§ 28 Abs. 3, 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zusteht, weil die eheliche Lebensgemeinschaft nicht zwei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat.
Die Antragstellerin macht allerdings geltend, dass gem. §§ 28 Abs. 3, 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG eine besondere Härte vorliege, so dass von der Voraussetzung des zweijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet abzusehen sei. Nach § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG liegt eine besondere Härte insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der sich aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht. Der Ehegatte muss durch die Rückkehr in das Herkunftsland ungleich härter getroffen werden als andere Ausländer, die nach kurzer Aufenthaltszeit das Bundesgebiet verlassen müssen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 23. Mai 2007 - 10 ME 115/07 -).
Die Antragstellerin trägt insoweit vor, dass eine Rückkehr in ihre Herkunftsfamilie in Indien nach der Trennung von ihrem Ehemann nicht möglich sei. Ein eigenständiges Leben als geschiedene Ehefrau ohne Vermögen und Einkommen sei nicht möglich; sie müsse mit Ausgrenzung und Verelendung rechnen.
Dieser Vortrag überzeugt nicht, weil er mit den übrigen Angaben der Antragstellerin nicht in Einklang zu bringen ist. Sie hat in der Klage- und Antragsschrift vorgetragen, dass es von vornherein Schwierigkeiten mit ihrem Ehemann gegeben habe. Dieser habe ständig Kontakt mit einer Geliebten gehalten, die sogar ein Kind von ihm erwartet habe. Sie habe deshalb ihre Eltern um Vermittlung gebeten, die ab Ende Oktober 2006 für gut drei Wochen nach Deutschland gekommen seien. Sie sei dann, um dem Ehemann Zeit zur Klärung der Verhältnisse zu geben, am 16. November 2006 mit ihrem Vater nach Italien gereist, wo sie sich bis zum 14. April 2007 aufgehalten habe. Diese Umstände legen die Annahme nahe, dass die Antragstellerin trotz der ehelichen Schwierigkeiten weiter mit der erheblicher finanzieller und persönlicher Unterstützung ihrer Eltern rechnen kann.
Der Antragstellerin steht nach der Rechtsprechung der Kammer auch ein Aufenthaltsrecht (§ 25 Abs. 5 AufenthG) für die Durchführung eines Scheidungsverfahrens nicht zu. Sie kann, wie sie selbst angibt, die Scheidung der in Indien geschlossenen Ehe in ihrem Heimatland beantragen. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin von ihren Eltern die hierfür erforderliche Unterstützung erhalten wird.
Die Ermessenserwägungen im Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. April 2007 (S. 3) sind unter dem Blickwinkel des § 114 Satz 1 VwGO rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.