Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 26.06.2007, Az.: 7 A 5067/04
Anordnung eines Überholverbots für Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 t; Anfechtbarkeit eines Verkehrsschildes; Zulässigkeit einer verkehrsregelnden Maßnahme in Form eines Überholverbots; Gesetzliche Grenzen des Ermessens
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 26.06.2007
- Aktenzeichen
- 7 A 5067/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 36620
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2007:0626.7A5067.04.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 41 StVO
- § 42 StVO
- § 45 Abs. 1 S. 1 StVO
- § 114 VwGO
Verfahrensgegenstand
Überholverbot
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg -7. Kammer-
auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2007
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. Schrimpf,
die Richterin am Verwaltungsgericht Hoeft,
die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Freericks sowie
die ehrenamtlichen Richter Nordbruch und Voet
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung eines Überholverbots für Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 t.
Am 28. Mai 2004 ordnete das Straßenbauamt Oldenburg für die Bundesautobahn A 1 im Abschnitt zwischen der AS Wildeshausen-West und der AS Delmenhorst-Ost (Beginn der Sechsstreifigkeit) ein Überholverbot für Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 t (Zeichen 277) für beide Fahrtrichtungen an. Das Verbot wurde tageszeitlich von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr begrenzt. Die entsprechende Beschilderung erfolgte im Juni 2004. Dem zugrunde lag eine Besprechung unter Beteiligung von Vertretern des Straßenbauamtes Oldenburg, der sogenannten Unfallkommission sowie Vertretern der damaligen Bezirksregierung Weser-Ems.
Gegenstand dieser Besprechung war ausweislich des am 14. Mai 2005 gefertigten Protokolls die Verkehrsunfallentwicklung auf der Bundesautobahn 1 im Bereich Wildeshausen-West bis Delmenhorst-Ost. Als Gründe für das angeordnete Verkehrsverbot wurden die hohe Anzahl der unfallverursachenden Lkw, sogenannte Elefantenrennen, die Zunahme des Schwerlastverkehrs, die Staubildung durch ausscherende und überholende Lkw sowie die dadurch provozierten Überholvorgänge auf der rechten Seite durch Pkw-Fahrer genannt. Konkrete Zahlen oder Unfallstatistiken enthält das Protokoll nicht.
Am 19. Juli 2004 erhob der Kläger Widerspruch und führte im Wesentlichen aus, dass auf dem in Rede stehenden Streckenabschnitt der Bundesautobahn 1 eine aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse bestehende Gefahrenlage nicht offensichtlich sei. Selbst wenn man davon jedoch ausginge, sei das angeordnete Überholverbot kein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel, die Gefahren zu beseitigen. Vielmehr hätte das Straßenverkehrsamt Oldenburg eine Geschwindigkeitsbeschränkung anordnen können. Geschwindigkeitsbeschränkungen seien regelmäßig geeignet, den Verkehrsfluss zu harmonisieren sowie die Verkehrssicherheit zu erhöhen.
Die Anordnung eines Überholverbots für Lkw stelle sich als bloße Maßregelung des Lkw-Verkehrs ohne hinreichenden sachlichen Grund dar. "Elefantenrennen", von denen er sich distanziere, seien bereits nach § 5 Abs. 2 Satz 2 StVO verboten. Lkw-Fahrer seien durch das Überholverbot auch besonders betroffen, da die Verkehrsstärke im Durchschnitt aller Bundesautobahnen 11% betrage, auf dem in Rede stehenden Streckenabschnitt jedoch erheblich über dem Durchschnitt liege.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06. Dezember 2004 wies die Bezirksregierung Weser-Ems den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, das angeordnete Überholverbot beruhe auf § 45 Abs. 1 StVO und sei aus Gründen der Ordnung sowie auch der Sicherheit des Verkehrs angeordnet worden. Auf dem in Rede stehenden Autobahnabschnitt liege eine Störung des Verkehrsflusses vor. Die BAB 1 sei in ihrem Zuständigkeitsbereich eine sehr befahrene Autobahn, die aus diesem Grunde schon in weiten Teilen sechsspurig ausgebaut worden sei. In dem in Rede stehenden Streckenabschnitt sei sie jedoch lediglich vierspurig. Das führe bei einem sehr hohen Verkehrsaufkommen zu erheblichen Verkehrsbelastungen und Störungen.
Die über einen längeren Zeitraum vorliegenden polizeilichen Verkehrsbeobachtungen hätten gezeigt, dass der Verkehrsfluss insbesondere durch überholende Lkw behindert und so der Durchfluss von Fahrzeugen auf der linken Spur deutlich gesenkt werde. Dadurch komme es vermehrt zu Staubildungen. Zudem verbessere das Überholverbot für Lkw auch die Verkehrssicherheit.
Der betreffende Bereich der Bundesautobahn 1 stelle einen Unfallschwerpunkt dar.
Nach den Erkenntnissen der Polizei entstünden oftmals gefährliche Verkehrssituationen, wenn Lkw-Fahrer zum Zwecke des Überholens ausscherten, dadurch andere Fahrzeugführer zu gefährlichen Bremsmanövern zwängen und es weiter hinten vermehrt zu Auffahrunfällen komme.
Die Anordnung sei auch verhältnismäßig, denn sie sei auf das notwendige Maß beschränkt und gelte nur für die stark befahrenen Zeiten am Tag zwischen 6.00 Uhr und 20.00 Uhr. Zudem sei es Lkw-Fahrern sowohl vor als auch hinter dem Bereich des Überholverbots möglich, zu überholen (Ventilfunktion).
Am 30. Dezember 2004 hat der Kläger Klage erhoben.
Er trägt im Wesentlichen vor, dass sich aus den vom Beklagten vorgelegten Statistiken ein Rückgang der Unfallzahlen aufgrund des streitigen Überholverbots nicht belegen lasse. Vielmehr zeichneten sie lediglich den allgemeinen Trend des Rückgangs von Unfallzahlen nach.
Die von der Behörde angeführten Ziele seien mit dem Überholverbot nicht zu erreichen. Die angeordnete Maßnahme führe zu steigenden Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen dem Schwerverkehr und dem übrigen Verkehr und verhindere damit einen harmonischen und homogenen Verkehrsfluss. Der Begriff des Verkehrsflusses sei auf den gesamten Verkehr zu beziehen und nicht lediglich auf eine möglichst hohe durchschnittliche Geschwindigkeit des Pkw- Verkehrs. Gegen sogenannte Elefantenrennen könne mit dem Überholverbot nicht vorgegangen werden. Es handele sich dabei -ohne dies beschönigen zu wollen -um folgenlos verbleibende Formalverstöße gegen die StVO. Um diese zu verhindern, dürfe man nicht gegen alle Lkw über 3,5 t vorgehen. Zudem würde es sich anbieten, die nach dem Protokoll offenkundigen und öfter unfallursächlichen Abstandsverstöße von Schnellfahrern zu unterbinden. Insgesamt gesehen wäre eine Geschwindigkeitsbeschränkung geeigneter gewesen, den Verkehrsfluss zu harmonisieren und homogenisieren. Dergleichen sei aber gar nicht erwogen worden. Schließlich sei es nach der StVO auch nicht zulässig, der ständigen Zunahme des Schwerlastverkehrs durch Anordnung von Überholverboten von Lkw zu entgegnen. Das Überholverbot belaste ihn deshalb besonders, weil es eine Vielzahl von Fahrzeuge gebe, die eine geringere Geschwindigkeit als 80 km/h führen, etwa dänische Urlauber mit Wohnwagenanhänger oder Fahrzeuge, die im Anhänger Fohlen mit sich führten.
Der Kläger beantragt,
die verkehrsrechtliche Anordnung des Straßenbauamts Oldenburg vom 28. Mai 2004 (Anordnung eines Überholverbots für Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 t -Zeichen 277 -im Abschnitt zwischen der Anschlussstelle Wildeshausen-West und der Anschlussstelle Delmenhorst-Ost -Beginn der Sechsstreifigkeit -im Zuge der Bundesautobahn 1 für beide Fahrtrichtungen und für die Zeit von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 06. Dezember 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert, die streitige verkehrsbehördliche Anordnung stütze sich auf §§ 35, 41 Abs. 2, 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 StVO. Die Voraussetzungen für die Anordnung seien im Vorfeld zwischen der Polizei und dem Straßenbauamt intensiv diskutiert worden. Insbesondere die Verkehrspolizei habe sich energisch für die Einführung eines Überholverbots ausgesprochen.
Sie habe die hohe Anzahl von Lkw-Überholmanövern als kausal für die Störungen im Verkehr gesehen. Die BAB 1 verbinde insbesondere das Ruhrgebiet und große Teile der westlich gelagerten Benelux-Ländern mit insbesondere dem Wirtschaftsraum Cuxhaven und Hamburg. Auch werde der aus und in Richtung skandinavische Länder fließende Verkehr über die BAB 1 abgewickelt. Über den normalen Individualverkehr hinaus sei die Strecke gekennzeichnet von einem hohen Anteil an Lastwagen über 3,5 t (Anschlussstelle Delmenhorst-Ost bis Anschlussstelle Groß Ippener 25,7%, Anschlussstelle Groß Ippener bis Anschlussstelle Wildeshausen- Nord 26,5%, Anschlussstelle Wildeshausen-Nord bis Anschlussstelle Wildeshausen- West 29,6%). Die Entwicklung der Unfallzahlen belege die Richtigkeit der angeordneten Maßnahme. Auf dem in Rede stehenden Streckenabschnitt seien die Verkehrsunfälle seit Einführung des Überholverbots um nahezu ein Drittel zurückgegangen. Die durchschnittliche Zahl der Verkehrsunfälle zwischen dem Jahr 2000 und der Jahresmitte 2004 habe rund 190 Unfälle pro Jahr betragen. Die durchschnittliche Unfallzahl zwischen dem Sommer 2004 bis zum Jahresende 2006 habe nur rund 133 betragen. Auch die Zahl der Unfälle mit Lkw-Beteiligung sei deutlich zurückgegangen. Durchschnittlich seien vom Jahr 2000 bis zur ersten Jahreshälfte des Jahres 2004 51 Unfälle mit Lkw-Beteiligung zu verzeichnen gewesen. Nach Einrichtung des Überholverbotes bis zum Jahr 2006 seien es durchschnittlich 31,6 Unfälle gewesen. Es sei mithin ein Rückgang der Unfallzahlen mit Lkw-Beteiligung von rund 40% zu verzeichnen. Als Kontrollüberlegung könne ein Vergleich der Unfallentwicklung im hier streitigen Bereich mit dem Bereich der BAB 1 zwischen der Anschlussstelle Wildeshausen-West und der Anschlussstelle Ahlhorner Heide herangezogen werden. Auch dort sei die Autobahn zweistreifig und ein Überholverbot sei bisher nicht angeordnet worden. In diesem Streckenbereich sei in den Jahren 2000 -2006 die durchschnittliche Unfallhäufigkeit im Wesentlichen konstant geblieben. Bezogen auf die auf dem Streckenabschnitt jährlich gefahrenen Gesamtkilometer ergebe sich eine durchschnittliche Unfallhäufigkeit von ca. 0,43% vor Anordnung des Überholverbots und ca. 0,39% nach Anordnung des Überholverbots. Im Gegensatz dazu habe im letztgenannten Zeitraum der Durchschnitt in der Überholverbotszone lediglich ca. 0,32% betragen. Nach alledem sei die angeordnete Maßnahme als geeignet anzusehen, da sie eine Gefahrensituation entschärft habe. Sie sei insbesondere verhältnismäßig, denn es gehe um Schutz von Menschenleben, Gesundheit und Sachwerten. Der Verkehrsfluss werde stetig und verbessert und die Leistungsfähigkeit der Strecke nehme zu. Für den Lkw-Verkehr hingegen handele es sich lediglich um eine geringe Erschwernis, denn die gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h könne auf dem in Rede stehenden Teilstück praktisch von jedem betriebsfähigen Lkw erreicht und auch gehalten werden.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Anfechtungsklage ist zulässig.
Sie richtet sich gegen die verkehrsbehördliche Anordnung des Straßenbauamts Oldenburg vom 28. Mai 2004 (in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Weser-Ems vom 06. Dezember 2004), die durch die an der Bundesautobahn 1 im Abschnitt zwischen der AS Wildeshausen West und der AS Delmenhorst Ost aufgestellten Verkehrszeichen 277 umgesetzt worden ist. Die amtlichen Verkehrszeichen gemäß §§ 41, 42 StVO sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anfechtbare Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung (§ 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i.V.m. § 35 Satz 2 VwVfG). Sie verkörpern die ihnen zugrunde liegenden Anordnungen und werden mit ihrem Aufstellen gegenüber den Verkehrsteilnehmern, die sich den von ihnen erfassten Streckenabschnitten nähern, bekannt gemacht und damit fortlaufend neu erlassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.6.1967 -VII C 18.66 -, BVerwGE 27, 181; Urteil vom 13.12.1974 -VII C 19.71 -, VRS 49, 70; Urteil vom 13.12.1979 -7 C 46.78 -, BVerwGE 59, 221; vgl. auch Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 41 StVO Rdnr. 247; Jahn, DAR 1995, 315, 317). Der Kläger ist als Verkehrsteilnehmer des entsprechenden Streckenabschnitts der Bundesautobahn A 1 und damit Adressat der Verkehrsbeschränkung gemäß § 42 Abs. 2 VwGO grundsätzlich klagebefugt (BVerwG, Urteil vom 27.1.1993 -11 C 35.92 -, BVerwGE 92, 32; Urteil vom 9.9.1993 -11 C 37.92 -, Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 27; Urteil vom 14.12.1994 -11 C 25.93 -, DAR 1995, 170; Urteil vom 21.8.2003 -3 C 15.03 -, NJW 2004, 698 [BVerwG 21.08.2003 - 3 C 15/03]).
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die angegriffenen Verfügungen sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Sie müssen daher Bestand haben, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die angegriffenen Verfügungen ist § 45 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsordnung -StVO -, wonach die Straßenverkehrsbehörden u.a. die Benutzung bestimmter Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken können. Voraussetzung ist danach eine konkrete Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs, was wiederum voraussetzt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in überschaubarer Zukunft mit einer Gefährdung zu rechnen ist. § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO schränkt die Regelungsbefugnis der Straßenverkehrsbehörden insoweit weiter ein, als dass Beschränkungen des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden dürfen, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, unterliegt in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung (BVerwG, Beschluss vom 03. April 1996 -11 C 3/96 -zitiert nach Juris).
Nach Auffassung der Kammer liegen die tatsächlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer verkehrsregelnden Maßnahme in Form eines Überholverbots für Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 t auf dem in Rede stehenden Streckenabschnitt der Bundesautobahn 1 vor. Wie die Beklagte zutreffend vorgetragen hat, ist maßgeblich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, so dass es nicht darauf ankommt, mit welchen Fakten der angegriffene Bescheid des Straßenbauamtes Oldenburg vom 28. Mai 2004 versehen ist. Nach den Angaben des Beklagten, die auch vom Kläger nicht bestritten werden und als gerichtsbekannt vorausgesetzt werden können, ist die Bundesautobahn 1 im streitigen Streckenabschnitt eine besonders stark frequentierte Autobahn mit einem im Gegensatz zum Bundesdurchschnitt überdurchschnittlich hohen Anteil an Schwerlastverkehr. Aus den Erklärungen der Beklagten ergibt sich, dass der Schwerlastverkehr rund ein Viertel bis ein Drittel des Gesamtverkehrs ausmacht. Der auf Autobahnen durchschnittlich zu verzeichnende Schwerlast verkehr beträgt demgegenüber 11%. Die Belastung mit Schwerlastverkehr auf dem in Rede stehenden Streckenabschnitt führt angesichts der Größe der Fahrzeuge zwangsläufig dazu, dass zu "Stoßzeiten" die rechte der beiden Fahrspuren zum überwiegenden Teil nur noch von Schwerlastverkehr, Bussen und Fahrzeuggespannen benutzt wird. Dieser Umstand ist der Kammer aus eigener Erfahrung bekannt. Auch liegt es auf der Hand, dass angesichts des hohen Anteils des Schwerlastverkehrs eine im Vergleich zu weniger belasteten oder mehr als vierspurig ausgebauten Teilstrecken von Autobahnen deutlich erhöhte Unfallgefährdung vor liegt. Zu vergleichbaren Verkehrsverhältnissen hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig in seinem Beschluss vom 27. April 2006 (-4 LB 8/05 -, zitiert nach juris) zutreffend ausgeführt: "Dies zeigt bereits die vergleichsweise schlichte Überlegung auf, dass der Schwerlastverkehr nach Art und Motorleistung der Lkw die zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h jeweils ohne weiteres erreichen und einhalten kann, und darüber hinaus auch durch den weitgehend üblichen Rückgriff auf Geschwindigkeitsbegrenzer im Rahmen des Schwerlastverkehrs nahezu durchgängig eine "Einheitsgeschwindigkeit" eingehalten wird, die es - bei Beachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit - nahezu ausschließt, den an sich vom Gesetzgeber für Überholvorgänge vorgeschriebenen deutlichen Geschwindigkeitsüberschuss zu erreichen. Demgemäß müssen sich Überholvorgänge in aller Regel nach Art - mehr oder weniger lang andauernder - "Elefantenrennen" vollziehen. Dies hat bei entsprechend hohem Verkehrsaufkommen - wie beispielhaft ganzjährig zwischen den Anschlussstellen Quickborn und Kaltenkirchen bzw. in Zeiten der ferienbedingten Spitzenbelastungen auch zwischen den Anschlussstellen Kaltenkirchen und Neumünster- Süd - gleichsam nahezu "automatisch" zur Folge, dass sich hinter den überholenden Lkw auf dem linken Fahrstreifen dichte Fahrzeugkolonnen mit weitgehend zu geringen Fahrzeugabständen zum jeweils vorausfahrenden Kraftfahrzeug aufbauen, eine Erscheinung, die sich offenbar dadurch verstärkt, dass die Einhaltung des an sich gebotenen Sicherheitsabstandes häufig dazu "missbraucht" wird, von der rechten in die linke Fahrspur zu wechseln, um sich in den "nach Art einer Ziehharmonika" zusammenziehenden Kolonnenverkehr der Fahrzeuge auf dem linken Überholfahrstreifen einzureihen. Dass solche Verkehrsabläufe bei entsprechender Verkehrsdichte und derart hohem Lkw- Anteil, wie er im vorliegenden Streitverfahren zur rechtlichen Beurteilung ansteht, in kurzer Abfolge stattfinden und dann in hohem Maße Unfallgefahren bergen, bedarf keiner näheren Erläuterung." Das Problem der Staubildung und der Verkehrsgefährdung durch ausscherende LKW hat die Beklagte unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Polizeikommissariats BAB Ahlhorn vom 15. Juni 2007 für die hier in Rede stehende Strecke in vergleichbarer Weise schlüssig und nachvollziehbar erläutert. Was das tatsächliche Unfallgeschehen betrifft, so lässt sich den nun mehr vorgelegten Statistiken entnehmen, dass auf dem Streckenabschnitt vom Jahr 2000 bis zur Einrichtung des Überholverbots Mitte 2004 an mehr als jedem zweiten Tag ein Verkehrsunfall zu verzeichnen war (durchschnittlich 190 Unfälle pro Jahr gem. Statistik auf S. 4 des Schriftsatzes des Beklagten vom 10. Mai 2007). Nach alledem ist die Sichtweise des Beklagten, vor Anordnung des Überholverbots habe aufgrund der örtlichen Verhältnisse eine überdurchschnittlich hohe Gefahrenlage sowohl für die Sicherheit als auch die Ordnung des Verkehrs vorgelegen, nicht zu beanstanden.
Die Ermessensentscheidung des Straßenbauamtes Oldenburg bzw. des Beklagten ist rechtsfehlerfrei.
Hinzuweisen ist insoweit zunächst darauf, dass der gerichtlichen Überprüfung einer Ermessensentscheidung Grenzen gesetzt sind. Das Gericht ist lediglich zur Prüfung befugt, ob die in § 114 VwGO genannten besonderen Voraussetzungen eingehalten worden sind, nicht aber, ob vielleicht andere Lösungen als die beanstandete zweckmäßiger gewesen wären. Hier sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten. Das streitige Überholverbot für Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 t ist aus Sicht der Kammer geeignet, eine Gefahrensituation zur entschärfen, angemessen, weil der Beklagte auf ein milderes Mittel nicht verwiesen werden kann, und auch verhältnismäßig im engeren Sinne, da die Interessen des Klägers als Lastkraftfahrer und die Interessen der übrigen Verkehrsteilnehmer in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen worden sind.
Die Geeignetheit des Überholverbots zur deutlichen Verminderung der zuvor bestehenden Gefährdungen von Sicherheit und Ordnung des Verkehr wurde zunächst prognostiziert und ist nunmehr belegt durch die von dem Beklagten angefertigten Unfallstatistiken. Das anlässlich der Besprechung vom 24. Mai 2004 erstellte Protokoll vom 14. Mai 2004 enthält Hinweise der Autobahnpolizei darauf, dass die Unfälle des Jahres 2003 zu einem Großteil auch von Lkw verursacht worden seien. Die Polizei vertrat dabei sogar die Auffassung, dass nach ihren Beobachtungen die Zahl der unfallverursachenden Lkw statistisch nicht voll umfänglich umfasst werden könne, nämlich wenn es infolge von ausscherenden Lkw, die andere Fahrzeugführer zu gefährlichen Bremsmanövern zwängen, weiter hinten zu Auffahrunfällen komme. Des weiteren wies die Autobahnpolizei auf das Problem der Staubildung durch ausscherende und überholende Lkw hin sowie die dadurch provozierten Vorgänge des Rechtsüberholens durch Pkw-Fahrer.
Diese Behauptungen der Verkehrspolizei hat der Beklagte nunmehr durch Vorlage von Verkehrsstatistiken im Wesentlichen untermauern können. Die allgemeinen Unfallzahlen haben sich nach Einführung des streitigen Überholverbots verringert. Die durchschnittliche Anzahl der Verkehrsunfälle in der Zeit vom 01. Januar 2000 bis zum 30. Juni 2004 betrug 190 Unfälle pro Jahr. Für den Zeitraum vom 01. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2006 wurden demgegenüber durchschnittlich 133 Unfälle pro Jahr dokumentiert (s. Statistik auf S. 4 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Mai 2007). Nach Einführung des Überholverbots ist mithin ein Rückgang der Verkehrsunfälle um rund ein Drittel zu verzeichnen. Ein deutlicher Rückgang der Unfallzahlen ergäbe sich auch dann, wenn man zu Gunsten des Klägers, der die statistische Aufbereitung der Zahlen für das Jahr 2004 rügt, die Unfallzahlen des Jahres 2004 völlig außer Betracht ließe.
In diesem Fall ergäben sich für die Zeit vom 01. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2003 durchschnittliche Unfallzahlen in Höhe von ebenfalls rund 190 Unfällen pro Jahr, demgegenüber für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2006 durchschnittlich 145,5 Unfälle pro Jahr. Dies entspricht einem Unfallrückgang von 24%. Die Unfälle mit festgestellter Lkw- Beteiligung haben sich sogar deutlicher vermindert als die allgemeinen Unfallzahlen, nämlich um rund 40%. Während in der Zeit vom 01. Januar 2000 bis zum 30. Juni 2004 durchschnittlich 51 Unfälle pro Jahr zu verzeichnen waren, sank diese Zahl auf durchschnittlich 31,6 Unfälle in den Jahren Mitte 2004 bis 2006 (s. Seite 6 des Schriftsatzes des Beklagten vom 10. Mai 2007).
Würde man zugunsten des Klägers wiederum die Zahlen des Jahres 2004 außer Betracht lassen, so ergäben sich durchschnittlich 48,6 Unfälle für die Zeit vom 01. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2005 pro Jahr und demgegenüber durchschnittlich 36,5 pro Jahr für den Zeitraum vom 01. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2006. Dies entspricht einem Rückgang von 25%. Die insgesamt gänzlich andere Bewertung des Klägers beruht darauf, dass er einen Vergleich zwischen den Unfallzahlen des Jahres 2003 mit den Zahlen der Jahre 2005 und 2006 anstellt, mithin allein mit der für ihn günstigsten Unfallzahl des Jahres 2003 operiert. Diese Aufbereitung des von dem Beklagten vorgelegten Zahlenmaterials hält die Kammer für unrichtig.
Welche anderen Umstände als das hier streitige Überholverbot für den Rückgang der Unfallzahlen verantwortlich sein könnten, ist nicht ersichtlich, zumal die Anzahl der Verkehrsunfälle auf dem Verkehrsabschnitt zwischen den Anschlussstellen Wildeshausen-West und Ahlhorner Heide in Fahrtrichtung Osnabrück bis zum Beginn des Überholverbotes in/aus Fahrtrichtung Osnabrück, relativ konstant geblieben sind. Lediglich das Jahr 2006 hatte einen erheblichen Unfallrückgang zu verzeichnen ( s. Statistik auf S. 8 des Schriftsatzes des Beklagten vom 10. Mai 2007). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die von dem Beklagten vorgelegten Statistiken lediglich den allgemeinen Trend allgemein sinkender Unfallzahlen widerspiegelten und sich die Kausalität der streitigen Verkehrsanordnung für den Unfallrückgang aus den Statistiken nicht belegen lasse. Dem folgt die Kammer nicht. Denn neben den vorgenannten Ausführungen ist weder dem Kläger noch dem Gericht bekannt, ob und in welchem Umfang verkehrsregelnde Anordnungen zu dem vom Kläger behaupteten Rückgang von Verkehrsunfällen geführt haben.
Das streitige Überholverbot ist auch ein zur Erreichung des gewünschten Zwecks angemessenes Mittel. Soweit der Kläger demgegenüber vorträgt, dass die Polizei zur Vermeidung von Unfällen gegen Schnellfahrer, die zu geringen Abstand hielten, vorgehen müsse und auch eine Geschwindigkeitsbeschränkung ebenso effektiv wie das angeordnete Überholverbot gewesen sei, jedoch ein milderes Mittel zur Beseitigung der Gefahr dargestellt hätte, teilt die Kammer diese Rechtsauffassung nicht. Eine für alle Kraftfahrer geltende Geschwindigkeitsbeschränkung stellte schon deshalb kein milderes Mittel dar, weil von dieser Verkehrsbeschränkung wesentlich mehr Kraftfahrer betroffen wären als durch das angeordnete Überholverbot. Allein für den Schwerlastverkehr würde sich dies als milderes Mittel darstellen, weil für diesen ohnehin nach § 18 Abs. 5 Ziffer 1 StVO eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h gilt. Den angesprochenen deutlich vermehrten Verkehrskontrollen stehen nach glaubhaften Angaben der Beklagten die personelle Ausstattung der Autobahnpolizei entgegen. Zudem würden sie das Problem der Staubildung durch ausscherende LKW nicht beseitigen.
Schließlich stellt sich das Überholverbot für LKW mit einem Gesamtgewicht über 3,5 t auch als ermessensfehlerfrei im engeren Sinne dar. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung nur im Hinblick auf die Verletzung eigener Rechte geltend machen kann (s. u.a. Hentschel, Straßenverkehrsrecht 36. Aufl., § 45 StVO, Rz 28 a m.w.N.). Die Interessen und Rechte des Klägers überwiegen die von der Beklagten ins Feld geführten öffentlichen Belange und Interessen der anderen Verkehrsteilnehmer nicht. Für die verkehrsrechtliche Anordnung des Straßenverkehrsamtes Oldenburg bzw. des Beklagten streiten der Schutz von Leben und Gesundheit sowie die Verbesserung des Verkehrsflusses im Allgemeinen. Demgegenüber kann sich der Kläger auf seine allgemeine Handlungsfreiheit berufen, die jedoch infolge des streitigen Überholverbots eine nur geringe Beeinträchtigung erfährt. Das in Rede stehende Teilstück der BAB 1 ist nahezu ebenes Gelände, auf dem die gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h von der überwiegenden Anzahl der betriebsfähigen Lkw erreicht und auch gehalten werden kann. Langsamer fahrende Fahrzeuge, wie die von dem Kläger benannten langsam fahrenden dänischen Urlauber oder Fahrzeuggespanne mit Pferdeanhängern, behindern den Kläger beim Vorankommen in gleicher Art und Weise, wie Pkw-Fahrer durch überholende Lkws und Busse, aber auch durch langsamer fahrende Pkws behindert werden können. Ebenso wie Pkw-Fahrer haben allerdings auch Lkw-Fahrer keinen Anspruch darauf, sich ohne Behinderung durch andere, langsamer als sie selbst fahrende Verkehrsteilnehmer mit der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf einer bundesdeutschen Autobahn fortzubewegen. Im Übrigen haben das Straßenbauamt Oldenburg und der Beklagte darauf geachtet, dass Lkw-Fahrern wie dem Kläger vor und nach dem hier streitigen, nur rund 28 km langen Teilstück der BAB 1 die Möglichkeit verbleibt, Überholvorgänge vorzunehmen (Ventilfunktion).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4, § 124 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Hoeft
Dr. Freericks