Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 26.06.1997, Az.: 8 U 210/96

Mitveschulden des Beifahrers bei einer Trunkenheitsfahrt

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
26.06.1997
Aktenzeichen
8 U 210/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 21747
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:0626.8U210.96.0A

Fundstellen

  • Blutalkohol 1998, 239-240
  • DAR 1998, 277-278 (Volltext mit amtl. LS)
  • VersR 1998, 1390-1391 (Volltext mit red. LS)

Amtlicher Leitsatz

Vertraut sich ein Mitfahrer einem Fahrzeugführer an, obwohl er dessen alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit hätte erkennen können, trifft ihn bei einem anschließenden Unfall an seinen Verletzungen ein Mitverschulden.

Gründe

1

Vertraut sich ein Mitfahrer einem Fahrzeugführer an, obwohl er dessen alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit bei gehöriger Sorgfalt hätte erkennen können, trifft ihn an seinen Verletzungen, die er durch einen anschließenden alkoholbedingten Unfall erleidet, ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB (BGH, NJW1988, 2365, 2366 mit weit. Nachw.). Unstreitig hatte der Fahrzeugführer R. zum Unfallzeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von 1,13 o/oo. Bei gehöriger Sorgfalt hätte das Mitglied der Klägerin die dadurch bedingte Fahruntüchtigkeit Rs erkennen und rechtzeitig von seiner Mitfahrt Abstand nehmen können.

2

R. hat als Zeuge vor dem Senat ebenso wie schon vor dem Landgericht eingeräumt, nach der Arbeitsschicht auf dem Parkplatz gemeinsam mit Arbeitskollegen aus zwei Kisten so viel Bier getrunken zu haben, dass seine Blutalkoholkonzentration schließlich 1,13 o/oo betrug. Nach seiner Aussage hatte er zuvor im Betrieb keinen Alkohol zu sich genommen. Seinen Bierkonsum auf dem Parkplatz hat er auf insgesamt vier oder fünf 0,33-Liter-Flaschen geschätzt. W. sei eine oder anderthalb Stunden dabei gewesen.

3

Der Zeuge R. hat nach dem Eindruck des Senats versucht, die Ereignisse auf dem Parkplatz trotz der seitdem vergangenen Zeit von nahezu sechs Jahren wahrheitsgemäß wiederzugeben. Erinnerungslücken - auch wegen seines damals genossenen Alkohols - sind dabei unausweichlich. In Anbetracht der festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,13 o/oo stellen vier oder fünf 0,33-Liter-Flaschen die Mindest-Trinkmenge dar. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Blutalkoholkonzentration allein durch das Trinken auf dem Parkplatz zustande gekommen ist, - R. mithin nicht bereits zuvor alkoholische Getränke zu sich genommen hatte. Auch die Zeugen A., H. und D. haben das Alkoholverbot im Betrieb hervorgehoben. Mag dieses Alkoholverbot nach der Aussage des Zeugen D. "schon mal"übertreten worden sein, so wird es doch - wie der Zeuge H. bekundet hat - normalerweise eingehalten. Vorliegend gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass R. am fraglichen 29. Mai 1991 trotz des Alkoholverbots bereits zuvor im Betrieb alkoholische Getränke zu sich genommen hatte. Als er sich während des ca. zwei Stunden dauernden Beisammenseins eine Blutalkoholkonzentration von 1,13 o/oo antrank, war W. mindestens eine Stunde lang mit dabei. Der Senat ist davon überzeugt, dass ihm in dieser Zeit der Alkoholkonsum Rs nicht entgangen war. Denn die Zeugen A., H. und D. haben wahrgenommen, dass R. mitgetrunken hatte. Ebenso hat der Zeuge P., dessen Aussagen vor dem Landgericht und der Polizei der Senat im Einverständnis mit den Parteien urkundenbeweislich verwertet hat, bemerkt, dass R. vier Flaschen und der nachher schwer verletzte W. vier bis fünf Flaschen Bier getrunken hatte. Vor der Polizei hat sich der Zeuge P., der ebenso wie W. Mitinsasse im Pkw Rs war, zu dessen anschließender Fahrweise dahin geäußert, dass R. vor dem Unfall bereits einmal kurz nach rechts auf den Seitenstreifen geraten sei, wobei noch nichts passierte. Erst danach - als R. beabsichtigt habe, ein vorausfahrendes Fahrzeug zu überholen -, sei der Pkw außer Kontrolle geraten, habe an gefangen zu schleudern, sei nach links von der Fahrbahn abgekommen, gegen einen Baum gestoßen, habe sich mehrmals überschlagen und sei dann nochmals gegen einen Baum gestoßen.

4

Durch diese Aussage ist die Behauptung der Klägerin widerlegt, Rs Alkoholgenuss sei für den Unfall nicht kausal gewesen, weil er sich nur kurz nach unten gebeugt habe, um die verrutschte, unter dem Gaspedal festgeklemmte Fußmatte zurückzuziehen und dadurch von der Straße abgekommen sei. Abgesehen davon, dass W. wegen des beobachteten Alkoholkonsums Rs schon vor Fahrtantritt von seinen Mitfahrplänen hätte Abstand nehmen müssen (vgl. OLG Oldenburg, r + s 1988, 133), hätte er darüber hinaus R. sogleich nach dem ersten kurzen Abkommen von der Fahrbahn zum Anhalten auffordern müssen, um dessen Pkw zu verlassen. dass er dies vergeblich getan habe, behauptet die Klägerin nicht.

5

Mithin hat W. seine schweren Unfallverletzungen dadurch, dass er sich wissentlich dem alkoholbedingt fahruntüchtigen R. anvertraut hat, mitverschuldet. Sein Mitverschulden ist allerdings nur als halb so schwer zu bewerten wie jenes Rs, der in erster Linie die Pflicht hatte, sich nach dem gemeinschaftlichen Trinken vor Fahrtantritt über seine Fahrtüchtigkeit Rechenschaft abzulegen. Demnach hat die Klägerin für ihr Mitglied W. ein Drittel der diesem entstandenen und noch entstehenden Aufwendungen selbst zu tragen.