Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 25.06.1997, Az.: 2 U 94/97

Vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung des Versicherungsagenten; Vorliegen von Mitverschulden

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
25.06.1997
Aktenzeichen
2 U 94/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 21748
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:0625.2U94.97.0A

Fundstelle

  • VersR 1998, 220-222 (Volltext mit red. LS)

Amtlicher Leitsatz

Schadensersatz bei vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung durch Versicherungsagenten. Mitverschulden.

Gründe

1

Das Landgericht hat zu Recht der Klage wegen eines Schadensersatzanspruchs der Erblasserin der Klägerin aus culpa in contrahendo in dem erkannten Umfang stattgegeben und dabei richtig der

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Klägerin einen Mitverschuldensanteil ihrer Erblasserin in Höhe von 1/3 zugerechnet (§ 254 BGB). Der Senat tritt der vom Landgericht vorgenommenen Beweiswürdigung und Bewertung bei (§ 543 Abs. 1 ZPO). Dagegen bringt weder die Beklagte mit ihrer Berufung noch die Klägerin mit ihrer Anschlussberufung etwas Durchgreifendes vor.

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I.

1.

Die Beklagte bezweifelt zu Unrecht, dass der Abschluss beider Verträge auf eine unzureichende Belehrung durch ihre Mitarbeiter zurückzuführen ist. Der damalige Verkaufsleiter der Beklagten M hat als Zeuge vor dem Landgericht bekundet, er habe der Erblasserin und der Beklagten erklärt, dass die Erblasserin die Rente auf jeden Fall lebenslänglich erhalte und die Garantiezeit nur Bedeutung für die Hinterbliebenen habe, die Verträge seien daraufhin abgeschlossen worden (Unterstreichungen vom Senat). Beide Verträge sind also auf Grund des maßgeblichen Gesprächs mit dem Zeugen zustandegekommen.

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Entgegen der Ansicht der Berufung hat das Landgericht auch zutreffend eine Verletzung der Aufklärungspflicht seitens des Verkaufsleiters M und der Beklagten angenommen. Der Versicherer ist auf Grund des Vertrauensverhältnisses während der Vertragsverhandlungen dem Antragsteller zu Auskunft und Beratung verpflichtet, soweit dieser sie benötigt. Diese Pflichten erfüllt er durch den Agenten, der insoweit sein Erfüllungsgehilfe ist (BGH VersR 1992, 217 [BGH 18.12.1991 - IV ZR 299/90]; BGH VersR 1986, 329).

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Das Landgericht hat der Aussage des Zeugen M, es sei angesprochen worden, was passiere, wenn die Erblasserin sterbe, zutreffend entnommen, dass insoweit seitens der Antragstellerin Zweifel bestanden haben und sie weitere Informationen gewünscht hat. Die dergestalt gewünschte und benötigte Auskunft hat M falsch erteilt, wie ebenfalls aus seiner Aussage folgt. Seine Angabe, "dass dann in jedem Fall das für die Rentenzahlungen nicht verbrauchte Geld zurückgezahlt wird", war unstreitig unzutreffend; denn es kann bei einem frühen Ableben des Versicherungsnehmers - wie auch hier - durchaus der Fall eintreten, dass bis zum Ablauf der Rentengarantiezeit die eingezahlten so genannten Einmalbeträge nicht wieder ausgekehrt sind und der Restbetrag sodann dem Versicherer zufällt.

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2.

Der Auffassung der Berufung, die Aussage des Zeugen M sei nur so zu verstehen, dass mit dem "nicht verbrauchten Geld" derjenige Betrag gemeint sei, der bis zum Ablauf der Rentengarantiezeit hätte gezahlt werden müssen, kann nicht gefolgt werden. Aus dem protokollierten Inhalt der Aussage kann eine solche Einschränkung nicht abgeleitet werden. Dem widerspricht insbesondere, dass der Zeuge erklärt hat, dann - das heißt nach dem Tode der Versicherungsnehmerin - werde "in jedem Fall" das nicht verbrauchte Geld zurückgezahlt. Von einer Begrenzung bis zum Ablauf der Garantiezeit war danach keine Rede. Zudem war der Agent O, der ebenfalls bei der Beklagten tätig war, die Verbindung zur Erblasserin hergestellt hatte und an den Verhandlungen teilgenommen hat, nach seiner Aussage seinerzeit ebenso der Auffassung, dass jedenfalls die Differenz zwischen den ausgezahlten Renten und den eingezahlten Beträgen ausgezahlt werden müsse; er ist erst anlässlich des vorliegenden Falls durch Telefongespräche mit der Hauptverwaltung der Beklagten eines anderen belehrt worden.......

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3.

Die Rechtsnachfolge der Klägerin i.S.v. § 1922 BGB hat das Landgericht zu Recht dem notariellen Testament vom 17.03.1992 entnommen, in dem die Versicherungsnehmerin die Klägerin als Alleinerbin eingesetzt hat. Das Fehlen eines Erbscheins ist unschädlich; ein Erbe kann den Beweis der Rechtsnachfolge auch durch andere Beweismittel führen. Dazu reicht auch dem Senat vorliegend das - eröffnete - notarielle Testament aus; denn für eine konkrete Möglichkeit, dass auch jemand anders als Erbe der Versicherungsnehmerin in Betracht kommt, ist weder etwas dargetan noch sonst ersichtlich.

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4.

Die Berufung bezweifelt schließlich zu Unrecht, dass der Erblasserin bereits ein Schaden entstanden ist. In einem Fall der vorliegenden Art geht der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens, bei einer unrichtigen Auskunft ist der Geschädigte so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn ihm die richtige Auskunft erteilt worden wäre (vgl. Palandt/Heinrichs, 56. Aufl., Vorb. vor § 249 Rn. 18). In derartigen Fällen unrichtiger Auskunft ist ohne weiteres davon auszugehen, dass der Betreffende das Geschäft nicht abgeschlossen hätte, wenn ihm die richtige Auskunft erteilt worden wäre, und etwas anderes trägt auch die Beklagte nicht vor. In diesem Fall wären also die so genannten Einmalbeträge zur Zeit des Todes der Erblasserin noch in ihrem Vermögen gewesen. Der entsprechende Differenzbetrag bestand als Schaden schon zur Zeit ihres Todes, und der Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo war Teil ihres - nach § 1922 BGBübergegangenen - Vermögens.

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II. Das Landgericht hat zu Recht einen Erfüllungsanspruch der Klägerin auf Grund der so genannten gewohnheitsrechtlichen Vertrauenshaftung für Erklärungen des Agenten (vgl. Prölss-Martin, VVG, 25. Aufl., Anm. 7 m.w.N.) abgelehnt. Ein solcher Anspruch entfällt bei erheblichem Eigenverschulden des Antragstellers; dieses wird angenommen, wenn die Auskunft des Agenten dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Versicherungsbedingungen widerspricht (vgl. Prölss-Martin, a.a.O., Anm. 7 A a, m.w.N.). Das Landgericht hat insoweit festgestellt:

"Aus den Versicherungsbedingungen ergibt sich eindeutig kein Anspruch auf Rückzahlung der Differenz zwischen den eingezahlten Kapitalbeträgen und den bis zum Tod von Frau B ausgezahlten Rentenbeträgen. Es sind lediglich Rentengarantiezeiten vereinbart worden."

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Diese tatsächliche Feststellung wird von der Anschlussberufung nicht angegriffen, und vor diesem Hintergrund sind ihre Angriffe gegen die Würdigung des

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Landgerichts unbegründet. Der Senat folgt unter den gegebenen Umständen der Bewertung des Landgerichts, dass die Antragstellerin bei verständiger Auslegung der Versicherungsbedingungen hätte erkennen können und müssen, dass ein Anspruch auf Rückzahlung der Differenz zwischen den eingezahlten Beträgen und den bis zu ihrem Tode ausgezahlten Rentenbeträgen nicht bestand (§ 543 Abs. 1 ZPO)