Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 15.06.2000, Az.: 6 A 6104/98

Auslegung; Berichtigung; Bestimmtheit; Entwidmung; Festsetzung; Flurstück; Flurstückbezeichnung; Nichtigkeit; Straße; Straßenbestandsverzeichnis; Straßenkarte; Straßenrecht; Verwaltungsakt; Widmung; Widmungsumfang

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
15.06.2000
Aktenzeichen
6 A 6104/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 42073
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zum Inhalt des Straßenbestandsverzeichnisses bei fehlender Übereinstimmung von Flurstückbezeichnungen mit ausgelegter Straßenkarte.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann eine Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten über die Widmung des in der Gemarkung der Beklagten gelegenen D. Wegs, der zum Teil im Eigentum der Klägerin steht.

2

Noch beim Inkrafttreten des Nds. Straßengesetzes am 01.01.1993 wurde der D. Weg in seiner gesamten Länge als Verbindungsstraße zwischen den Orten I. und D. genutzt. Im Zuge der Errichtung des Erholungsgebietes T., für das im Jahre 1976 ein Bebauungsplan erlassen wurde, in dem der südliche Teil des Wegs als Straßenverkehrsfläche festgesetzt worden war, änderte sich seine Verkehrsbedeutung. Die für das Erholungsgebiet als Zubringer- und Umgehungsstraße angelegte und im Sommer 1979 fertiggestellte "Randstraße", die 1984 zur Kreisstraße 117 aufgestuft wurde, nahm nun anstelle des südlichen Teils des D. Wegs den öffentlichen Kraftfahrzeugverkehr auf. Dementsprechend wurde dieses südliche Teilstück des D. Wegs an den genannten Berührungspunkten mit der Randstraße nach deren Fertigstellung und Verkehrsübergabe durch Schranken gesperrt. Seitdem wird der südliche Teil des D. Wegs von der Allgemeinheit überwiegend (nur noch) als Fuß- und Radweg benutzt. Dieses Teilstück beginnt im Süden mit dem in der Gemarkung I. Flur 5 gelegenen Flurstück 8/10, von wo aus die Randstraße (K117) abzweigt, und erstreckt sich im Norden bis zu der Einmündung der Randstraße in den D. Weg, der an dieser Stelle in der Flur 4 der Gemarkung I. auf dem Flurstück 120/2 verlief, das nunmehr in die Flurstücke 120/5 und 120/6 aufgegangen ist. Nördlich der besagten Einmündung setzt sich der D. Weg in der Gemarkung der Beklagten bis zur Allerbrücke (Flur 5, Flurstück 120/4) fort.

3

Der D. Weg stand ursprünglich vollständig im Eigentum der Beklagten. Im Zuge der Errichtung des Erholungsgebiets T. verkaufte und übereignete die Beklagte der Klägerin u. a. das genannte südliche Teilstück dieses Wegs, für das die Klägerin am 26.04.1977 im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen wurde. Das nördliche Teilstück der Straße gehört weiterhin der Beklagten.

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Mit Beschluss des Rates vom 18.04.1978 richtete die Beklagte für die öffentlichen Gemeindestraßen und sonstigen öffentlichen Straßen in der Gemeinde I. ein Straßenverzeichnis - Bestandsverzeichnis - ein. Dieses in Form von Karteikarten geführte Verzeichnis, dem eine Straßenkarte im Maßstab 1:5000 beigefügt war, wurde in der Zeit zwischen dem 01.09.1979 und dem 01.04.1980 ausgelegt. In der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bekanntmachung wurde darauf hingewiesen, dass Einwendungen gegen die Richtigkeit, insbesondere gegen die Aufnahme oder Nichtaufnahme von Straßen in das Bestandsverzeichnis innerhalb der Auslegungsfrist schriftlich bei der Samtgemeinde I. zu erheben seien. Die vorgeschriebene Frist sei eine Ausschlussfrist. Nach Ablauf der Frist würden die im Bestandsverzeichnis enthaltenen Straßen als gewidmet für den öffentlichen Verkehr gelten. Nicht im Bestandsverzeichnis enthaltene Straßen würden als aufgehoben und eingezogen gelten.

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Auf der unter dem "02.04.1980" aufgestellten Karteikarte für den D. Weg, die mit ihrem maschinenschriftlichen Inhalt (nicht auch mit dem handschriftlichen Zusatz) ausgelegen hat, ist dessen "Anfangspunkt" mit "Randstraße" angegeben. In der Rubrik "Anfangspunkt nach dem Liegenschaftskataster: Gemarkung - Flur - Flurstück" ist hinzugesetzt "IB - 4 - 120/2". Als "Endpunkt" ist die "Brücke - Allerkanal" angegeben, wobei der Endpunkt nach dem Liegenschaftskataster mit "IB - 4 - 120/4" bezeichnet ist. Ferner enthält die Karteikarte unter der Rubrik "Baulast Dritter (Beschreibung, Länge in Meter)" den Eintrag: "T.betriebsges. mbH 2310 m". Gegen den Ratsbeschluss vom 18.04.1978 legte die Klägerin Widerspruch nicht ein.

6

Nachdem zwischen den Beteiligten streitig geworden war, in welchem Umfang der D. Weg als öffentlicher Weg (fort-)besteht, fasste die Beklagte am 30.09.1997 folgenden Ratsbeschluss::

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"Zur Klarstellung des Umfangs der Widmung des D. Weges wird das Bestandsverzeichnis gem. § 4 (1) der Verordnung über die Bestandsverzeichnisse für Gemeindestraßen und sonstige öffentliche Straßen fortgeführt. Die gewidmete Straße beginnt an der südlichen Grenze des Flurstücks 8/10, Flur 5, Gemarkung I., und endet an der nördlichen Grenze des Flurstücks 120/4, Flur 4, Gemarkung I.. Die Fortführung wird analog zu § 6 NStrG öffentlich bekannt gemacht und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen."

8

Dieser Beschluss wurde mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen und in der Zeit vom 21.10.1997 bis zum 22.11.1997 öffentlich bekannt gemacht. Die schriftliche Bekanntmachung ist mit dem Ausdruck "Widmung" überschrieben.

9

Gegen diesen Ratsbeschluss hat die Klägerin mit Schreiben vom 12.11.1997 Widerspruch eingelegt. Sie hat sich darin im Wesentlichen auf den Standpunkt gestellt, der Rat habe das streitige Teilstück des D. Weges durch den Ratsbeschluss vom 30.09.1997 öffentlich widmen wollen, so dass ihre Zustimmung als Eigentümerin der Straße dafür erforderlich gewesen sei.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.1998, der der Klägerin am 08.03.1999 zugestellt worden ist, hat die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Zustimmung der Klägerin sei nicht erforderlich gewesen. In dem Bestandsverzeichnis von 1980 sei der D. Weg versehentlich nur mit einem Teilstück aufgeführt worden. Es sei eindeutig gewollt gewesen, dass der gesamte D. Weg dem öffentlichen Verkehr gewidmet werde. Bei dem Fehler im Bestandsverzeichnis habe es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit gehandelt, die jederzeit gemäß § 42 VwVfG berichtigt werden könne. Der Beschluss des Rates vom 30.09.1997 habe nur zur Feststellung und zur Berichtigung der falschen Angabe im Bestandsblatt gedient und stelle keine Widmung dar.

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Mit der am 08.04.1998 erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend:

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Die Beklagte habe bei der Aufnahme des D. Weges in das Bestandsverzeichnis diesen nur vom Flurstück 120/2 bis zum Flurstück 120/4, mithin nur den noch im gemeindlichen Eigentum stehenden nördlichen Teil gewidmet, nicht aber den streitigen südlichen Teil, der damals schon in ihrem Eigentum gestanden habe. Der Ratsbeschluss vom 18.04.1978 sei infolge fehlender Zuständigkeit für die Widmung des im Eigentum der Klägerin stehenden Wegeteils nichtig. Es handele sich dabei um einen offenkundigen Mangel im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG. Eine stillschweigende Zustimmung der Klägerin zur Widmung sei nicht erfolgt. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.10.1997 habe die Beklagte (erneut) versucht, den streitigen Teil zu widmen. Dieser Bescheid sei aber rechtswidrig bzw. sogar nach § 44 VwVfG nichtig, da der Beklagten zur Widmung des D. Weges auf dem streitigen Teilstück weiterhin die Zuständigkeit fehle. Zuständig sei nämlich die Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks. Diese habe ihre Zustimmung ausdrücklich verweigert. Für die Anwendung des § 42 VwVfG ergebe sich kein Raum, da sich aus dem Karteiblatt des Bestandsverzeichnisses vom 02.04.1980 Anfangs- und Endpunkt des gewidmeten Teils des D. Weges eindeutig ergäben.

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Die Klägerin beantragt;

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den Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 1997 i.d.F. ihres  Widerspruchsbescheids vom 05. März 1998 aufzuheben, soweit der D. Weg im Eigentum der Klägerin steht.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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hilfsweise,

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Beweis zu erheben nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 17. Juli und vom 01. Dezember 1998.

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Sie trägt vor: Der D. Weg sei schon vor dem angegriffenen Bescheid in seiner gesamten Länge als öffentliche Straße gewidmet worden. Der angegriffene Bescheid sei ein Klarstellungsbeschluss und stelle lediglich die Berichtigung einer offensichtlichen Unrichtigkeit im ansonsten rechtlich unbeachtlichen Bestandsverzeichnis dar. Der D. Weg sei in seiner gesamten Länge bereits auf der Grundlage des Bebauungsplanes im Jahre 1976, in jedem Fall aber durch den Ratsbeschluss vom 18.04.1978 gewidmet worden. Auf dem Plan, der den Ratsherren bei der Beschlussfassung vorgelegen habe, sei der D. Weg auf seiner gesamten Länge als sonstiger öffentlicher Weg unter Nr. 17 in der Farbe Orange als "sonstige öffentliche Straße" eingezeichnet. Auf die Eigentumsverhältnisse zum Zeitpunkt der Widmung komme es nicht an. Mangels Widerspruchseinlegung durch die Klägerin sei die Widmung in jedem Fall bestandskräftig geworden. Ferner stelle die unveränderte Duldung des Gemeingebrauchs auf dem gesamten D. Weg durch die Klägerin vor und nach 1978 eine stillschweigende Zustimmung zur Widmung dar. Der Inhalt der Karteikarte des Straßenbestandsverzeichnisses sei demgegenüber nur von untergeordneter rechtlicher Bedeutung. Der Widerspruch der darin enthaltenen Angaben zu dem Widmungsbeschluss des Rates vom 18.04.1978 sei offensichtlich.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Ratsbeschluss der Beklagten vom 16.10.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 05.03.1998 ist im Ergebnis als feststellender Verwaltungsakt rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

22

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die umstrittene Entscheidung allerdings nicht als eine Berichtigung eines offenkundigen Fehlers im Sinne des § 42 VwVfG qualifiziert werden. Nach § 42 Satz 1 VwVfG können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt jederzeit berichtigt werden. Für eine nicht notwendig in der Form eines Verwaltungsaktes vorzunehmende Berichtigung eines Verwaltungsaktes ist nur dort und insoweit Raum, als es nicht um Aspekte des Verwaltungsakts geht, die ihn rechtswidrig oder gar nichtig sein lassen; die (bloße) Berichtigung des Verwaltungsakts nach § 42 VwVfG muss dessen Inhalt unangetastet lassen; bei einem zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führende Fehler ginge sie ins Leere. Dies ist hier der Fall.

23

Das in der Form einer Allgemeinverfügung (eines Verwaltungsaktes) erlassene Bestandsverzeichnis ist hinsichtlich der von den sonstigen Bestimmungen und Feststellungen des Bestandsverzeichnisses abtrennbaren Eintragungen für die Straße Nr. 17, den D. Weg, nichtig.

24

Nach § 44 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Ein offenkundiger Fehler liegt in diesem Sinne vor, wenn die Schwere der Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich ist, sich ihm gleichsam aufdrängt. Ein solcher Nichtigkeitgrund ist insbesondere auch dann anzunehmen, wenn offenkundig ist, dass dem Verwaltungsakt ein hinreichend bestimmter Inhalt nicht zukommt und sich dieser Fehler auch durch Auslegung nicht beheben lässt (vgl. dazu etwa Kopp, VwVfG, 6.A., § 44 Rn. 22). So liegen die Dinge hier.

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Bei der gebotenen verständigen Würdigung der zur Straße Nr. 17 geschriebenen Karteikarte und unter Einbeziehung der näheren Umstände bei der Aufstellung des Bestandsverzeichnisses lässt sich auch durch Auslegung nicht ermitteln, in welchem Umfang der D. Weg als "sonstige öffentliche Straße" fortbestehen sollte.

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Zwar hat die Karteikarte einen in Verbindung mit den Flurstücksangaben noch hinreichend bestimmbaren Anfangs- und Endpunkt der Straße festgelegt, der die von der Klägerin gewünschte Auslegung tragen würde, wonach nunmehr nur noch das nördliche Stück des D. Wegs öffentliche Straße bleiben und der in ihrem Eigentum stehende südliche Teil eingezogen werden sollte. Da eine Straße jedoch auch ohne Bezugnahme auf das Liegenschaftskataster wirksam in ein Bestandsverzeichnis aufgenommen werden könnte (vgl. dazu Nds. OVG Urteil vom 08.03.1993, OVGE 43, 402 = dgn1994, 95; Wendrich, Niedersächsisches Straßengesetz, 3. Aufl., § 63 Rn. 4; Sauthoff, NVwZ 1998, 239, 240 m.w.Nw.; a.A. insoweit Bay. VGH, Urteil vom 15.05.1990 - 8 B 86.558 - NVwZ-RR 1991,57) und selbst die damals einschlägige Verordnung über die Bestandsverzeichnisse für Gemeindestraßen und sonstige öffentliche Straßen vom 29.08.1966 (Nds. GVBl. 1966, 181) gemäß dem als Anlage zu der Verordnung beigefügten Formblatt die Angabe anhand des Liegenschaftskatasters nur "nach Möglichkeit" vorgesehen hat, kann nicht allein anhand der Flurstücksbezeichnungen beurteilt werden, welches der Inhalt des Bestandsverzeichnisses ist. Vielmehr müssen auch die aus der Urkunde ersichtlichen sowie die für die Beteiligten sonst als bedeutsam erkennbaren weiteren Umstände mitberücksichtigt werden.

27

Im Widerspruch zu den von der Klägerin herangezogenen Angaben steht indessen bereits die Beibehaltung des (alten) Namens der (gesamten) Straße. Denn wenn es der Beklagten mit Blick auf die ursprüngliche Verkehrsbedeutung des D. Wegs als Gemeindeverbindungsstraße (lediglich) darum gegangen wäre, das nördliche Stück dieses Wegs als öffentliche Straße beizubehalten und im Übrigen auf die Randstraße zu verweisen, hätte es bereits nahe gelegen, einen einheitlichen Namen für diese Straßenverbindung festzulegen. Dass es darum ersichtlich nicht gegangen ist, ergibt sich auch aus dem Folgenden. Die in der Rubrik "Baulast Dritter" enthaltene Längenangabe von "2310 m" bezeichnet offenkundig - und insoweit unstreitig - mehr als das vergleichsweise kurze nördliche Stück der Straße. Auch wenn mit der vom Gericht eingeholten Auskunft des Katasteramtes Gifhorn vom 13.06.2000 davon auszugehen sein wird, dass die gesamte Länge des D. Wegs (nur) 2150 m beträgt, spricht insbesondere diese Längenangabe gegen eine Einziehung des südlichen Teils der Straße, für den es im Übrigen gemäß § 54 NStrG konsequent erscheint, eine Straßenbaulast der Eigentümerin anzunehmen, da es sich um eine "sonstige öffentliche Straße" im Sinne der §§ 53 f NStrG handeln sollte. Dies ergibt sich schließlich aus der als Anlage zum Bestandsblatt ausgelegte Straßenkarte (Maßstab 1: 5000), in der der D. Weg auch mit dem hier streitigen südlichen Stück in der Farbe Orange gekennzeichnet ist, mithin in der Farbe, die nach § 2 der zum damaligen Zeitpunkt noch geltenden Verordnung über die Bestandsverzeichnisse für die Kennzeichnung von "sonstigen öffentlichen Straßen" vorgesehen war. Diese Farbkennzeichnung, die ausdrücklich nur für die Farbe der Karteiblätter solcher Straßen vorgeschrieben war, drückt für jeden Betrachter ersichtlich den Willen der Beklagten aus, auch den südlichen Teil der Straße (weiterhin) im Bestand der öffentlichen Straßen zu behalten. Im Zuge der mündlichen Verhandlung hat die Kammer die Überzeugung gewonnen, dass diese Karte mit der genannten Einzeichnung tatsächlich bei der Veröffentlichung des Bestandsverzeichnisses ausgelegen hat; auch die Klägerin hat dies nicht mehr bezweifelt. Mit der beibehaltenen Benennung, den Eintragungen in der Rubrik "Baulast Dritter" sowie der Darstellung in der dem Bestandsverzeichnis anliegenden Karte hat die Beklagte im Übrigen auch die entsprechenden Festsetzungen im Bebauungsplan nachvollzogen.

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Einer Auslegung des Bestandsverzeichnisses in dem von der Beklagten herangezogenen Sinne steht gleichwohl die katastermäßige Bezeichnung des Anfangs der Straße entgegen, die nicht unbeachtet bleiben darf. Umgekehrt lässt sich Entscheidendes zugunsten der Klägerin aus den in § 2 des vorgelegten Vertragsentwurfs über die Nutzung und Unterhaltung des T.gebiets vom Mai 1976 niedergelegten Absichten der Beklagten (vollständige Privatisierung aller öffentlichen Verkehrsflächen im Zuge einer Bebauungsplanänderung), schon deshalb nicht herleiten, weil sie diesen Vertragsentwurf nicht unterzeichnet hat und außerdem nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte auch noch bei der späteren Aufstellung des Bestandsverzeichnisses daran festhalten wollte. Dies gilt umso mehr als bereits § 3 des genannten Entwurfs darauf bedacht war, dass der Zugang zum T. (Entgelt-)frei bleiben müsse.

29

Da mithin verschiedene einander widersprechende Angaben und Umstände vorliegen, die eine hinreichend eindeutige Aussage über den Umfang der im Bestandsverzeichnis (vermeintlich) aufgeführten Straße Nr. 17 nicht erlauben, drängt sich die Fehlerhaftigkeit dieser Maßnahme geradezu auf. Vor diesem Hintergrund des von beiden Beteiligten mit jeweils nicht unbeachtlichen Gründen geführten Streits bedurfte es demnach einer Klarstellung, die der angegriffene Ratsbeschluss zu leisten bestimmt und in der Lage ist. Mit ihm wird nicht eine Widmung konstitutiv geregelt, sondern der Inhalt der (fort-)bestehenden Widmung festgestellt. Als einem nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen (vgl. dazu Kopp, aaO, § 44 Rn. 70) entsprechend § 44 Abs. 5 VwVfG zulässigen feststellenden Verwaltungsakt kommt ihm nach der Auffassung der Kammer die Bedeutung zu, den insoweit bei der Aufstellung des Bestandsverzeichnisses aufgetretenen Widerspruch aufzulösen und im Ergebnis (mit Blick auf die Regelung des § 62 Abs. 2 NStrG: klarstellend) festzustellen, dass insoweit die Rechtsfolge des § 63 Abs. 5 Satz 2 NStrG a.F. nicht eingetreten ist.

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Nach der in der ursprünglichen Gesetzesfassung enthaltenen Übergangsvorschrift des § 63 Abs. 5 Satz 2 NStrG gelten Gemeindestraßen und sonstige öffentliche Straßen, die im Bestandsverzeichnis nicht mehr als solche ausgewiesen worden sind, als aufgehoben und eingezogen. Für den Fall einer wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtigen Festsetzung gilt diese Regelung jedoch nicht. Schon ihrem Wortlaut nach ist die Vorschrift nicht auf die hier gegebene Konfliktsituation zugeschnitten; sie setzt die Wirksamkeit der Ausweisung nicht voraus und überbürdet der Gemeinde nicht das (volle) Risiko einer nichtigen Ausweisung. Auch der Sinn der Regelung erfordert eine dahingehende Auslegung nicht. Sie war dazu bestimmt, die Gemeinden zu einer Bereinigung und Vervollständigung ihrer Bestandsverzeichnisse anzuhalten und auch dadurch Rechtsklarheit zu schaffen, dass mit der Nichterwähnung einer Straße deren Öffentlichkeitscharakter verloren ging. Dies erfordert nicht, für den Fall einer grob fehlerhaften (nichtigen) Ausweisung auch anzunehmen, dass damit eine Entwidmung der Straße verbunden wäre.

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Dagegen spricht insbesondere auch die Regelung des § 62 Abs. 2 NStrG, die den Grundsatz aufstellt, dass alle bei Inkrafttreten des Gesetzes (zum 01.01.1963) nach bisherigem Recht öffentlichen Straßen diesen Status behalten, bis über eine Aufnahme in das Bestandsverzeichnis (wirksam) entschieden worden ist. Nach dieser Bestimmung ist auch der D. Weg, der unstreitig bei Inkrafttreten des Nds. Straßengesetzes im Jahre 1963 als öffentliche Straße gewidmet war, weiterhin als öffentliche Straße zu behandeln.

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Demgegenüber verfängt das Argument der Klägerin nicht, bereits aus der Überschrift der Veröffentlichung des Ratsbeschlusses vom 30.09.1997 ("Widmung") ergebe sich, dass die Beklagte eine neue Widmungsverfügung habe erlassen wollen. Auch wenn die Veröffentlichung des Beschlusses - missverständlich - auf eine "Widmung" hindeuten mag, was freilich auch ein Hinweis auf den Gegenstand einer Feststellung sein kann, war solches, wie sich aus dem weiteren Wortlaut des Beschlusses ergibt, ersichtlich nicht gewollt. In dem Beschluss heißt es ausdrücklich, dass er "zur Klarstellung des Umfangs der Widmung" ergangen ist und sich auf die (bereits) "gewidmete Straße" bezieht.

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Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit sowie zur Abwendungsbefugnis ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.