Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 31.03.2005, Az.: 6 T 726/04 (124)
Begründetheit einer sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss des Amtsgerichts in einer Wohnungseigentumssache; Adressaten bestimmter Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung; Übereinstimmung bestimmter Beschlussauslegungen mit rechtsstaatlichen Grundsätzen
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 31.03.2005
- Aktenzeichen
- 6 T 726/04 (124)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 32835
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:2005:0331.6T726.04.124.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Braunschweig - AZ: 34 II 89/03
Fundstelle
- ZMR 2005, 654-655 (Volltext mit red. LS)
In der Wohnungseigentumssache
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
nach mündlicher Verhandlung vom 21.12.2004
am 31.03.2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Ml
den Richter am Landgericht B und
den Richter am Landgericht BHI
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 11.06.2004 abgeändert.
Die Antragsgegner werden als Gesamtschuldner verpflichtet, an die Antragstellerin 3.260,51 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 11.07.2003 zu zahlen.
Die Antragsgegner tragen die gerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert beträgt 3.260,51 EUR.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist Verwalterin der Liegenschaft x in x. Die Antragsgegner waren Eigentümer der im Aufteilungsplan mit Nr. 14 bezeichneten Dachgeschosswohnung. Sie verkauften die Wohnung am 21.09.1995 an x der sie am 01.11.1995 übernahm und vermietete. Die Kaufvertragsparteien vereinbarten in § 6 des Kaufvertrages ferner, dass von diesem Zeitpunkt an sämtliche Rechte und Pflichten der Wohnung auf den Käufer übergehen sollten. Die Antragstellerin übernahm im Jahre 1997 die Verwaltung des Grundstückes. Erst am 25.06.2001 erfolgte die Eintragung des Herrn x als Eigentümer im Grundbuch, weil es lange Zeit unklar war, ob der Kaufvertrag vollzogen werden sollte. Schon seit 1997 richtete die Antragstellerin Aufforderungen zur Zahlung von Hausgeldern an Herrn x- in einem Protokoll über eine Wohnungseigentümerversammlung vom 14.07.1999 wird die Antragsgegnerin zu 2) unter TOP 9 als Alleinerbin der verstorbenen x des Wohnungseigentums Nr. 14 bezeichnet. In der Anwesenheitsliste für die Wohnungseigentümerversammlung vom 26.04.2000 wird x als Eigentümer der Wohnung Nr. 14 aufgeführt. Unter TOP 7 beschloss die Wohnungseigentümerversammlung am 26.04.2000 den Einzelwirtschaftsplan 2000, der solange Gültigkeit haben sollte, bis er durch einen neuen ersetzt wird. Der für die Wohnungseinheit Nr. 14 vorgesehene Einzelwirtschaftsplan sieht als monatliche Hausgeld 206,00 DM vor. Er ist an x adressiert (Bl. 132, Bl. 133 d.A.). In der Versammlung vom 11.04.2001 beschlossen die Wohnungseigentümer unter TOP 4 a und 4 b die Jahresabrechnung und Einzelabrechnung für das Jahr 2000 und unter TOP 8 a und 8 b den Wirtschaftsplan für 2001 sowie die Einzelwirtschaftspläne für 2001. Die Hausgrundabrechnung für 2000 ist an x adressiert. Im Einzelwirtschaftsplan vom 07.03.2001 ist das Hausgeld auf monatlich 192,00 DM festgesetzt worden. Dieser Einzelwirtschaftsplan ist ebenfalls an x gerichtet. Dieser Einzelwirtschaftsplan ist später gerichtlich für ungültig erklärt worden. In der Anwesenheitsliste zur Versammlung vom 11.04.2001 sind als Eigentümer der Wohnungseinheit Nr. 14 die Antragsgegner bezeichnet, die in dieser Versammlung auch durch Vollmacht vertreten waren.
Die Antragstellerin macht rückständiges Hausgeld für die Zeit bis zur Eigentumsumschreibung geltend und zwar eine Nachforderung aus der Hausgeldabrechnung vom 07.03.2001 in Höhe von 5.170,94 DM (2.643,86 EUR) und monatliche Hausgeldvorauszahlungen für den Abrechnungszeitraum 2001 bis zur Umschreibung in Höhe von monatlich 192,00 DM, insgesamt 1.120,00 DM (572,64 EUR). Die Antragsschrift ist am 11.07.2003 zugestellt worden.
Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, dass sich die Beschlussfassung am 11.04.2001 und die Abrechnung an den jeweiligen Eigentümer der Wohnungseinheit Nr. 14 gerichtet habe. Dass die Abrechnung an Herrn x adressiert worden sei, sei unschädlich. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass der Kaufvertrag damals noch nicht abgewickelt gewesen sei. Die Abrechnungen seien auf Herrn x ausgestellt worden, weil ihr der Verkauf der Wohnung angezeigt worden sei.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu verpflichten, an sie 3.260,51 EUR zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Antragsschrift zu zahlen.
Die Antragsgegner haben beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie haben die Ansicht vertreten, dass die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 11.04.2001 zu dem TOP 4a und b und TOP 8 a und b keine Wirkung gegen sie entfalten könnten, weil die Einzelabrechnung nicht an sie gerichtet gewesen seien und sie deshalb auch keine Möglichkeiten gehabt hätten, die Beschlüsse anzufechten. Die Antragstellerin habe damals gewusst, dass sie noch Eigentümerin der Wohnung Nr. 14 gewesen seien.
Das Amtsgericht Braunschweig hat mit Beschluss vom 11.06.2004 den Antrag zurückgewiesen, weil die gefassten Beschlüsse keine Wirkung gegen die Antragsgegner entfaltet hätten, denn sie seien an Herrn x gerichtet. Die Eigentümergemeinschaft habe an der Eigentümerstellung des Herrn x nicht gezweifelt und gerade ihn verpflichten wollen.
Gegen diesen Beschluss, welcher der Antragstellerin am 25.06.2004 zugestellt worden ist, haben diese mit Schriftsatz vom 01.07.2004, der bei Gericht am 02.07.2004 eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt.
In der Beschwerdebegründung vertreten sie weiter die Auffassung, dass eine Wohnungseigentümerversammlung von vorne herein nur die Wohnungseigentümer selbst verpflichten wolle, weil es rechtlich auch gar nicht möglich sei, Dritten Verpflichtungen aufzuerlegen, die Ausfluss des Wohnungseigentums seien. Auch die Einzelabrechnungen bezögen sich auf das Objekt. Die Abrechnung nenne die Wohnungsnummer. Die irrtümliche Annahme, Herr x sei Eigentümer, sei deshalb unschädlich. Sie könne auch den Inhalt des Beschlusses selbst nicht ändern. In ihrem Schriftsatz vom 14.01.2005 (Bl. 128 d.A.) macht die Antragstellerin die Hausbezahlung für 2001 nach dem Wirtschaftsplan für das Jahr 2000 geltend, der ein monatliches Hausgeld von 206,00 DM vorsieht. Dafür macht sie die von Anfang an geforderten 192,00 DM als Teilforderung geltend.
Die Antragstellerin beantragt dem Sinne nach,
den Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 11.06.2004 abzuändern und nach dem erstinstanzlich gestellten Antrag zu erkennen.
Die Antragsgegner beantragen,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die in der Wohnungseigentümerversammlung vom 11.04.2001 gefassten Beschlüsse zu TOP 4 und TOP 8 nur die wirklichen Wohnungseigentümer berechtigen und verpflichten sollten. Dies ergibt sich aus der Natur der Sache, weil die Lasten und Kosten einer Wohnungseigentümergemeinschaft immer von dem Wohnungseigentümer zu tragen sind. Sie entstehen aus dem Gemeinschaftsverhältnis und können deshalb Dritten nicht auferlegt werden. Dies ist allen Wohnungseigentümern bewusst. Es drückt sich in den Beschlüssen selbst auch aus, denn so werden im letzten Absatz der Beschlussfassung zu TOP 4 b hinsichtlich der Zahlungsweise ausdrücklich die Miteigentümer angesprochen. Ebenso verhält es sich bei TOP 8 b. Hinzu kommt, dass in der Anwesenheitsliste zur Versammlung vom 11.04.2001 die Antragsgegner als Eigentümer der Wohnungseinheit 14 aufgeführt sind (Bl. 125 d.A.) und auch durch Vollmacht vertreten waren. Deshalb ist es auch unschädlich, dass unstreitig Herr x zu dieser Versammlung eingeladen war. Angesichts des Umstandes, dass der Beschluss vom 11.04.2001 die Wohnungseigentümer verpflichten sollte, spielt es keine Rolle, dass die jeweiligen Einzelabrechnungen an Herrn x adressiert waren. Dies entsprach zum einen dem Willen der Antragsgegner, die im Kaufvertrag Herrn x verpflichtet haben, ab 01.11.1995 alle Lasten des Wohnungseigentums zu übernehmen. Zum anderen erscheint auch die Behauptung der Antragsgegner plausibel, dass der Verwalterin entgegen ihrem Bestreiten bekannt war, dass Herr x noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen war. Dafür spricht die dem Protokoll vom 11.04.2001 beigefügte Eigentümerliste, die wohl von der Antragstellerin gefertigt worden sein wird. Unter diesen Umständen ist - auch wenn es auf die Vorstellung der Verwalterin von den Eigentumsverhältnissen gar nicht ankommt- davon auszugehen, dass sie die Einzelabrechnungen an Herrn x adressierte, weil dies dem Wunsch der Antragsgegner entsprach, der einer Vereinfachung der Abrechnung diente, weil Herr x die Wohnung durch Vermietung bewirtschaftete.
Die Antragsgegner können sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass eine solche Beschlussauslegung rechtsstaatlichen Grundsätzen widerspreche. Die Einziehung des Hausgeldes von Herrn x ist nichts anderes als eine Vereinfachung der Zahlungswege gewesen, die den Antragsgegnern Arbeit ersparte, ohne dass eine Verlagerung der rechtlichen Verpflichtungen von ihnen auf Herr x erfolgte. Insofern handelten sie auf eigenes Risiko, wenn sie die Abrechnungen nicht überprüften. Die maßgeblichen Informationen hätten sie dazu von ihrem Mieter einziehen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG.
Streitwertbeschluss:
Der Beschwerdewert beträgt 3.260,51 EUR.