Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 29.04.2005, Az.: 8 T 12/05 (004)
Voraussetzungen für die Annahme einer Scheinehe wegen fehlenden Willens zur Begründung einer Verpflichtung gemäß § 1353 Abs. 1 BGB zwischen den Ehewilligen; Zwingende Bestellung des Aufgebotes trotz Zweifel des Standesbeamten an der Ernsthaftigkeit der beabsichtigten Lebensgemeinschaft der Eheschließungswilligen
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 29.04.2005
- Aktenzeichen
- 8 T 12/05 (004)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 32794
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:2005:0429.8T12.05.004.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Braunschweig - 10.11.2004 - AZ: 44 III 62/04
Rechtsgrundlagen
- § 1353 Abs. 1 BGB
- § 47 PStG
- § 48 Abs. 2 PStG
Fundstellen
- InfAuslR 2005, 336-338 (Volltext mit red. LS)
- InfAuslR 2005, 337-338
Verfahrensgegenstand
Anmeldung zur Eheschließung durch das Standesamt
In der Personenstandssache
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig
durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht ...
die Richterin am Landgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
am 29.04.2005
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 10.11.2004 aufgehoben.
Der Standesbeamte wird angewiesen, die Mitwirkung an der Eheschließung der Antragsteller nicht mit der Begründung zu verweigern, dass eine Scheinehe geschlossen werden solle, weil eine Verpflichtung gemäß § 1353 Abs. 1 BGB nicht begründet werden solle.
Beschwerdewert: 3.000,00 EUR.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin ist deutsche Staatsangehörige und am 19.06.1972 geboren. Sie war in erster Ehe mit einem marokkanischen Staatsangehörigen verheiratet, von dem sie geschieden ist. Der Beschwerdeführer ist am 01.01.1982 im Libanon geboren. Sein Asylantrag wurde durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 2. Dezember 2002 zurückgewiesen. Die Ausweisung ist rechtskräftig. Der Beschwerdeführer sollte am 05.04.2005 in den Libanon abgeschoben werden, nachdem eine freiwillige Ausreise nicht erfolgte. Im Wege einer einstweiligen Anordnung wurde die Ausländerstelle der Stadt HH verpflichtet, die Abschiebung bis zur Entscheidung des Landgerichts zurückzustellen.
Die Beschwerdeführer lernten sich im Jahre 2003 kennen. Die Beschwerdeführerin hatte zuvor eine Beziehung zu einem albanischen Staatsangehörigen, dem Zeugen Y- Ob die Beschwerdeführerin zu dem Zeitpunkt, als die Beziehungen zum Beschwerdeführer bestanden haben, noch in einer- mindestens emotionalen -Beziehung zu dem Zeugen Z gestanden hat, hat sich nicht aufklären lassen. Im Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten vom 21.12.2004 wurde Entsprechendes ausgeführt, die Beschwerdeführerin hat bei ihrer Anhörung am 03.02.2005 angegeben, dass es vor dem Beschwerdeführer noch einen anderen Mann, den Zeugen X gegeben habe.
Am 11.09.2003 suchte die Beschwerdeführerin das Standesamt in ... und erkundigte sich nach den Modalitäten einer Eheschließung mit einem Ausländer. Sie gab dort als Namen des Ausländers den Nachnamen ... .Am 09.12.2003 erschienen beide Beschwerdeführer beim Standesamt, um ihre Eheschließungsunterlagen einzureichen. Eine vorherige Erkundigung, welche Personenstandsdokumente erforderlich seien, unterblieb.
Am 05.02.2004 reichte der Beschwerdeführer die Unterlagen für die Eheschließung ein. Mit Schreiben vom 12.03.2004 lehnte die Standesbeamtin, die Zeugin W, die Eheschließung und die Weiterleitung des Antrages auf Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses mit der Begründung ab, dass konkrete Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Scheinehe vorlägen. Ihre Entscheidung wiederholte sie mit Schreiben vom 14.04.2004. Dem Beschwerdeführer solle durch die Eheschließung ein gesichertes Aufenthaltsrecht verschafft werden. Auf die genannten Schreiben wird wegen der genannten Einzelheiten Bezug genommen.
Am 08.06.2004 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte, den Standesbeamten anzuhalten, den Antrag auf Anmeldung zur Eheschließung anzunehmen und den Antrag auf Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses an das Oberlandesgericht Braunschweig weiterzuleiten. Der Schriftsatz weist im Rubrum nur den Namen des Beschwerdeführers auf. Wegen der Einzelheiten wird auf die Antragsschrift nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Amtsgericht hörte den Beschwerdeführer Beschwerdeführerin als Beteiligte an. Auf das Protokoll vom 15.07.2004 wird Bezug genommen. Das Amtsgericht erforderte die Ausländerakte. Auf den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge wird Bezug genommen. Mit Beschluss vom 23.11.2004 sah das Amtsgericht davon ab, den Standesbeamten antragsgemäß anzuweisen. Der Beschluss und der Tenor weisen beide Beschwerdeführer als Beteiligte aus. Auf den Beschluss wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Der Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten am 15. Dezember 2004 zugestellt. Mit einer am 21. Dezember 2004 eingegangenen sofortigen Beschwerde wenden sich beide Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des Amtsgerichts. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung Bezug genommen. Die Kammer hat Beweis erhoben durch Anhörung der Beschwerdeführer am 03.02.2005. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Anhörung Bezug genommen. Die Kammer hat weiter Beweis erhoben durch ergänzende Anhörung der Beteiligten und Vernehmung der Standesbeamtin Frau ... der Zeugin ... des Zeugen ... und des Zeugen ... Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11.04.2005 Bezug genommen. Dem Standesamt wurde gemäß § 47 des Personenstandsgesetzes Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Auf die Stellungnahme vom 28.04.2005 nebst Anlagen wird Bezug genommen.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Da auch die Beschwerdeführerin durch die Entscheidung des Amtsgerichts Braunschweig beschwert wird, steht ihr ein selbstständiges Beschwerderecht, zu. Sie kann dem Verfahren jederzeit beitreten, da sie Beteiligte ist ( § 48 Abs. 2 PStG).
Die Entscheidung des Amtsgerichts Braunschweig war aufzuheben. Die Kammer hat in freier Beweiswürdigung darüber zu entscheiden, ob die Beschwerdeführer eine eheliche Gemeinschaft nach § 1353 BGB begründen wollen oder eine Scheinehe beabsichtigt ist. Verbleiben auch nur die mindesten Zweifel, muss das Aufgebot bestellt und die Ehe geschlossen werden, Zweifel an der Ernsthaftigkeit der beabsichtigten Lebensgemeinschaft gehen nicht zu Lasten der Eheschließungswilligen (vgl. zum Ganzen LG Mainz, Beschluss vom 28.05.2002 8 T 293/01; Amtsgericht Heilbronn, FamRZ 2000, Seite 1364; OLG Frankfurt FamRZ 1995, Seite 1409 bis 1411) In einem solchen Fall ist der Standesbeamte verpflichtet, die Eheschließung vorzunehmen, der Personenstandsrichter ist verpflichtet, den Standesbeamten zur Eheschließung anzuhalten. Da die Standesbeamtin die Mitwirkung verweigert hat, weil eine Scheinehe ( §§ 1310 Abs. 1 S. 3, 1314 Abs. 2 Nummer 5 BGB) geschlossen werden solle, war auszusprechen, dass die Mitwirkung aus diesem Grund nicht verweigert werden darf.
Maßgeblich war die nachstehende Gesamtwürdigung der erhobenen Beweise: Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass Widersprüche in den Aussagen der Beschwerdeführer vorhanden sind.
Die Beschwerdeführerin hat angegeben, sie habe den Beschwerdeführer im August 2003 kennen gelernt, einen Monat später hätten sie sich verlobt. Der Beschwerdeführer hat angegeben, sie hätten sich im August 2003 kennen gelernt und verlobt. Die Verlobung sei erfolgt etwa zehn Tage nach dem Kennenlernen. Widersprüchliche Angaben haben die Beschwerdeführer auch zum Ort der Verlobung gemacht, die Beschwerdeführerin hat angegeben, das Gespräch habe in einem italienischen Cafe stattgefunden, der Beschwerdeführer hat erklärt, das Gespräch habe in der Wohnung der Beschwerdeführerin stattgefunden. Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Eheschließung begründet zunächst auch der Umstand, dass zwischen den Verlobten offenbar eine Abstimmung darüber, wie viele Brautkleider benötigt werden, nicht stattgefunden hat. Weitere Zweifel gründen darauf, dass die Beschwerdeführerin zehn Jahre älter ist als der Beschwerdeführer. Es ist gerichtsbekannt, dass Scheinehen häufig von lebensälteren Frauen mit lebensjüngeren Männern geschlossen werden. Der Verdacht einer möglichen Scheinehe wird auch dadurch begründet, dass der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet abgeschoben werden soll und dem durch die Eheschließung mit einer Deutschen entgehen kann.
Zweifelhaft ist auch das Verhalten der Beschwerdeführerin, soweit der Zeuge betroffen ist. Die Beschwerdeführerin hat ausgesagt, sie habe den Zeugen vor dem Beschwerdeführer kennen gelernt. In der Beschwerdebegründung ist hingegen ausgeführt, dass eine gleichzeitige Beziehung zum Zeugen ... Beschwerdeführer bestanden habe. Da der Verfahrensbevollmächtigte sich naturgemäß nur auf Aussagen der Beschwerdeführerin stützen konnte, ist auch hier ein widersprüchliches Aussageverhalten zu erkennen. Zweifelhaft ist zunächst auch das Verhalten der Beschwerdeführerin, soweit die Vorfälle im Standesamt HBH am 11.09.2003 betroffen sind. Zu diesem Zeitpunkt will die Beschwerdeführerin den Beschwerdeführer bereits gekannt haben. Warum sie sich in dieser Situation einer Anfrage unterzieht, zu den Voraussetzungen einer Eheschließung für einen albanischen Staatsangehörigen zu fragen, ist nicht nachvollziehbar.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Zeugin ... den Vorfall zutreffend geschildert hat. Die Zeugin hat glaubhaft bekundet, was sie mitbekommen hat und sich zu ihrer Erinnerung auf ihre Niederschriften gestützt. Danach hat die Beschwerdeführerin für einen Staatsangehörigen mit dem Namen ... den sie erst auf Nachfrage genannt habe, nach den Voraussetzungen für eine Eheschließung gefragt. Die Zeugin habe der Beschwerdeführerin deutlich gemacht, dass sie Herrn ü als Verlobten ansehe. Den Namen ... im Nebenzimmer in Erfahrung gebracht, wo eine Liste über angemeldete Eheschließungen geführt werde. Die Kammer hat nicht den geringsten Zweifel, dass die Zeugin ... wahrheitsgemäß ausgesagt hat. Unglaubhaft ist hingegen die Reaktion der Beschwerdeführerin auf die Aussage der Zeugin ... Sie hat im Termin am 11.04.2005 in Abrede genommen, von der Zeugin kurze Zeit allein in deren Zimmer zurückgelassen worden zu sein. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Beschwerdeführerin mit dieser abweichenden Darstellung versucht hat, in Unkenntnis der Anforderungen an die gerichtliche Überzeugungsbildung ihre vermeintlich ungünstige Position zu stärken und die Glaubwürdigkeit der Zeugin ...in Frage zu stellen.
Die vorstehend dargestellten Zweifel gegen die Darstellung der Beschwerdeführer sind jedoch nicht ausreichend, die Überzeugung der Kammer zu begründen, dass die Beschwerdeführer zweifelsfrei beabsichtigen, eine Scheinehe zu schließen, um dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik zu verschaffen. Es verbleiben Restzweifel, die zu der aus dem Tenor ersichtlichen Anweisung führen mussten.
Maßgeblich hierfür sind folgende Umstände:
Die Beschwerdeführer halten inzwischen seit einem und einem drei viertel Jahr persönlichen Kontakt. Wie sich im Termin gezeigt hat, sind sie auch in der Lage, miteinander zu kommunizieren. Sie verfolgen auch das Eheschließungsbegehren nachdrücklich seit geraumer Zeit. Das ist ein Anzeichen dafür, dass es ihnen mit dieser Eheschließung ernst ist. Beide haben auch bei ihrer Anhörung beteuert, sich zu lieben. Der vorstehend dargestellte Umstand, dass die Beschwerdeführer sich nicht einig sind, wie viele Brautkleider benötigt werden, wirkt nicht nur be- sondern gleichzeitig auch entlastend, weil er dagegen spricht, dass die Antragsteller sich abgesprochen haben um das Gericht von der Ernsthaftigkeit ihrer Absicht zu überzeugen. Denn die Beschwerdeführer hatten zwischenzeitlich ausreichend Zeit, ihr Vorgehen abzustimmen. Hätte eine solche Abstimmung zum Zwecke der Aufenthaltserlangung für den Beschwerdeführer stattgefunden, wären Widersprüche, wie derjenige bezüglich des Brautkleides, nicht zu erwarten gewesen. Dann hätte insoweit eine Abstimmung stattgefunden.
Dasselbe gilt auch für die Übergabe eines Bildes der Beschwerdeführerin an die Eltern des Beschwerdeführers in Libanon. Es handelt sich hierbei um eine individuelle Einzelfallschilderung, die erst im Termin zur Sprache gekommen ist. Die Beschwerdeführer waren insoweit zur Überzeugung der Kammer nicht in der Lage, ihre Aussagen aufeinander abzustimmen.
Die Zeugen |H haben zudem bekundet, dass die Beschwerdeführer nach islamischem Ritus ein Eheversprechen abgegeben haben. Dieses Eheversprechen entfaltet zwar nach bundesdeutschem Recht keinerlei Wirkung, bestätigt aber immerhin, dass es den Beschwerdeführern mit der Eheschließung ernst ist. Die Aussage des Zeugen ... war nicht geeignet, die Überzeugung der Kammer zu begründen, dass eine Scheinehe beabsichtigt ist. Der Zeuge ... hat im Termin offensichtlich einen "Rückzieher" gemacht. Er hat in einem Telefongespräch gegenüber der Vorsitzenden zunächst spontan erklärt, die Vorsprache beim Standesamt sei nicht abgesprochen gewesen und hat nicht in Abrede genommen, die Beschwerdeführerin zu kennen; im Termin hat er verneint, überhaupt mit der Beschwerdeführerin befreundet gewesen zu sein; Sein Aussageverhalten ist in sich widersprüchlich und ersichtlich von dem Bemühen getragen gewesen, sich nicht selbst in aufenthaltsrechtliche Schwierigkeiten zu bringen. Da auch die Beschwerdeführerin, insoweit übereinstimmend mit der Zeugin ... den sie eher belastenden Umstand eingeräumt hat, dass sie am 11.09.2003 im Standesamt vorgesprochen hat bestehen durchgreifende Bedenken an der Aussage des Zeugen .... Das von der Zeugin Heidester glaubhaft und glaubwürdig geschilderte Verhalten der Beschwerdeführerin am 11.09.2003 im Standesamt ist ebenfalls gleichermaßen be- wie entlastend. Denn, wenn die Beschwerdeführerin bei diesem Termin am 11.09.2003 tatsächlich eine ernsthafte Eheschließungsabsicht mit dem Zeugen ... verfolgt hätte, hätte es nahe gelegen, dass sie dann auch dessen richtigen Namen und nicht den offenbar erfundenen Namen ... angegeben hätte.
Daher kann die Kammer bei einer Gesamtbewertung trotz bestehender Zweifel die sichere Überzeugung nicht gewinnen, dass die Beschwerdeführer nur eine Scheinehe eingehen wollen. Demzufolge war das Standesamt anzuweisen, von den bisher geäußerten Bedenken Abstand zu nehmen und an der Eheschließung mitzuwirken. Hierzu gehört auch die Weiterleitung des Antrags auf Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses an das OLG.
Andere Beweismittel stehen nicht mehr zur Verfügung, insbesondere war auch eine Vernehmung der Beamtin des Standesamtes ... die in der Urkundenstelle sitzt, nicht erforderlich, weil die Beschwerdeführerin dort den Namen Hü genannt hat und dieser Umstand in der vorstehend geschilderten Weise zu bewerten ist.
Kosten sind nicht zu erheben gemäß §§ 127 Abs. 2, 131 KostO, weil die sofortige Beschwerde Erfolg gehabt hat. Die Auslagen tragen die Beteiligten selbst ( § 13a FGG).
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 3.000,00 EUR.