Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.03.2005, Az.: 8 W 118/04

Auflassungsreife; Betreuungsgebühr; Eigentumsumschreibung; Fälligkeitsvoraussetzung; Gebührenanfall; Grundstückskaufvertrag; Lastenfreistellung; Löschungsbewilligung; Nebengeschäft; Notargebühr; notarielle Beurkundung; Notarkosten; Notartätigkeit; Treuhandauftrag; Umschreibungsreife; Urkundstätigkeit; Vertragsvollzug; Vollzugsgebühr; Überwachung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
17.03.2005
Aktenzeichen
8 W 118/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50917
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG - 16.02.2004 - AZ: 16 T 36/03

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Kostenrechnung des Notars vom 12.06.2001, zur UR-NR. ..., über 44,48 EUR, wird wiederhergestellt.

Die Beschwerdeentscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 44,48 € festgesetzt.

Gründe

1

1. Unter der UR-Nr. ... beurkundete der Notar am 8. Oktober 2001 einen Grundstückskaufvertrag (KV) über den dem Beteiligten zu 2) gehörende Grundbesitz zum Kaufpreis von 127.685 DM (Bl. 38 ff. d.A).

2

Gemäß § 3 Ziff. 5 f. KV war vorgesehen, dass das Recht in Abt. III Nr.1 vom Käufer nicht übernommen werden sollte und der Notar mit der Einholung der Löschungsunterlagen beauftragt wurde. Der Käufer sollte bei Vorliegen der Fälligkeitsvoraussetzungen nach § 3 Ziff. 4 KV aus dem Kaufpreis zunächst die nicht übernommenen Belastungen durch Überweisung des gesamten Kaufpreises auf das bezeichnete Konto des Verkäufers bei der Volksbank H. ablösen.

3

In § 6 des Grundstückskaufvertrages ist ferner u.a. bestimmt:

4

„ .......Die Beteiligten erteilen für sich und ihre Erben oder Rechtsnachfolger dem Notar - über § 15 GBO hinaus - die unwiderrufliche und unbedingte Vollmacht, die Eintragungsbewilligung zum Grundbuch wegen des Eigentumsübergangs abzugeben und die Umschreibung zu beantragen.

5

Von dieser Vollmacht darf der Notar, was vom Grundbuchamt nicht zu beachten ist, nur Gebrauch machen, wenn die Kaufpreiszahlung nachgewiesen ist. ....“

6

Der Verkäufer übernahm (lediglich) die Kosten der Lastenfreistellung (§ 9 Abs. 3 KV).

7

Die Kaufpreiszahlung wurde vom Verkäufer nachgewiesen (Bl. 61 d.A.). Löschungsantrag und Umschreibungsantrag wurden gestellt.

8

Am 12. Juni 2001 stellte der Notar dem Beteiligten zu 2. u.a. eine 5/10 Betreuungsgebühr nach §§ 32, 147 Abs. 2 KostO (nach einem Geschäftswert von 30% des Kaufpreises, somit von 38.305,50 DM) in Höhe von 70 DM dafür in Rechnung, dass er im Rahmen der von ihm wahrgenommenen Treuhandauftragstätigkeit von den übersandten Löschungsunterlagen, erst nach Prüfung, ob der Ablösebetrag beim Gläubiger des abzulösenden Grundpfandrechtes eingegangen war, durch Vorlage beim Grundbuchamt Gebrauch gemacht hatte.

9

Aufgrund einer beim Notar erfolgten Prüfung beanstandete der Beteiligte zu 3) die Rechnung. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage zum Prüfungsbericht vom 22. August 2001 zu Ziff. II 5 und 5a (Bl. 34 f. d.A.) Bezug genommen. Da der Notar sich der dort vertretenen Auffassung nicht anschloss, erteilte der Beteiligte zu 3) ihm mit Schreiben vom 26. August 2003 und 30. November 2001 (Bl. 3 f. d.A.) die Weisung, die Entscheidung des Landgerichts herbeizuführen.

10

Der Beteiligte zu 3. vertrat u.a. die Ansicht (Bl. 63 ff. d.A.), Voraussetzung der Entstehung einer Betreuungsgebühr sei eine ausgeübte Tätigkeit des Notars. Die schlichte Entgegennahme der Anzeige des Grundpfandgläubigers oder Verkäufers vom Zahlungseingang stelle keine eigenverantwortliche Überwachungstätigkeit dar.

11

Der Kostenschuldner hat sich zur Sache nicht geäußert (Bl. 9 d.A.)

12

Auf den Antrag des Notars auf gerichtliche Entscheidung (Bl. 1, 11 d.A.) hat das Landgericht die Kostenrechnung des Notars vom 12. Juni 2001 mit Beschluss vom 16. Februar 2004 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Betreuungsgebühr für die Überwachung der Eintragungsreife entstehe nicht, soweit der Notar Vollzugsmaßnahmen oder die Eigentumsumschreibung erst dann veranlasse, wenn der Gläubiger oder Verkäufer ihm bestätige, im Besitz des Ablösungsbetrages bzw. des Kaufpreises zu sein. Insofern liege ein bloßes Abwarten mit Vollzugsmaßnahmen, nicht jedoch eine eigenständig ausgeübte Tätigkeit zur Feststellung der Umschreibungsreife vor. Ein rein passives Abwarten löse die Gebühr nicht aus

13

Hiergegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde des Notars vom 15.03.2004. Er meint, die Überwachung der Eintragungsreife werde nicht durch die Vollzugsgebühr nach § 146 KostO erfasst, da es sich hinsichtlich der Überprüfung der Zahlungsbestätigungen um eine eigenständige Betreuungstätigkeit nach § 147 Abs. 2 KostO handele.

14

Der Notar beantragt,

15

den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

16

Auf die Stellungnahme des Beteiligten zu 3. (Blatt 87 ff. d. A.) wird hingewiesen.

17

2. Die weitere Beschwerde ist infolge Zulassung durch das Landgericht statthaft (§ 156 Abs. 2 S. 2 KostO). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt (§ 156 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1 KostO) und in der Sache begründet.

18

a. Der Senat teilt nicht die Auffassung des angefochtenen Beschlusses, dass im vorliegenden Fall eine Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO neben den anzusetzenden Gebühren aus § 146 Abs. 1 Satz 1 KostO nicht angesetzt werden könne. Zu dieser Frage hat sich der Senat bereits mehrfach geäußert, darunter in den Beschlüssen vom 18. Oktober 2004 - 8 W 280/04 - und vom 10. August 2004 - 8 W 249/04 - (OLG Report 2004, 569).

19

Zwar entsprach es der früheren Rechtsprechung des Senats, dass die Einholung von Löschungsbewilligungen zum Vollzug einer Grundstücksveräußerung zählt und durch die Gebühr nach § 146 Abs. 1 KostO abgegolten wird, sodass daneben keine Betreuungsgebühr nach § 147 Abs. 2 KostO anfällt (Beschlüsse des Senats vom 14. Mai 1987 - 8 W 183/87 -, Nds. Rpfl. 1987, 184; vom 23. November 1990 - 8 W 273/90 -, Nds. Rpfl. 1991, 29; vom 17. Juni 1992 - 8 W 252/01 -, Nds. Rpfl. 1992, 216; vgl. auch Rohs/Wedewer, KostO, Stand 2002, § 146 Rn. 27 und § 147 Rn. 13 f.; a. A. etwa Korintenberg, KostO, 15. Aufl. 2002, § 146 Rr. 30 und § 147 Rn. 91; Bengel/Tiedtke, DNotZ 2004, 258, 278f.). Begründet wurde dies damit, bei natürlicher und lebensnaher Betrachtungsweise sei ein Geschäft, aufgrund dessen dem Erwerber lastenfreies Eigentum zu verschaffen ist, nicht vollzogen, wenn er zwar Eigentum erworben hat, jedoch nach wie vor Belastungen vorhanden sind, welche der Verkäufer zu beseitigen hat.

20

Der Senat hat jedoch bereits mit seinem Beschluss vom 4. Juni 1999 - 8 W 313/97 - (Nds. Rpfl. 2000, 34) unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (vgl. etwa Beschluss vom 14. März 1995 - 8 W 17/95 -, Nds. Rpfl. 1995, 268) den Begriff des Vollzugs bei § 146 KostO enger gefasst und entschieden, die Überwachung der Umschreibungs- und Auflassungsreife lasse grundsätzlich einen Anspruch auf die Betreuungsgebühr nach § 147 Abs. 2 KostO, neben der Vollzugsgebühr nach § 146 Abs. 1 KostO, entstehen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, durch die Einführung der Vollzugsgebühr sollten alle Tätigkeiten des Notars gebührenpflichtig gemacht werden, die bis dahin ein gebührenfreies Nebengeschäft waren. Als unter § 146 Abs. 1 KostO fallend seien demgemäss nur solche Maßnahmen anzusehen, die zu dem Urkundengeschäft notwendigerweise hinzu kommen müssen, um dessen Rechtswirksamkeit herbeizuführen und es grundbuchmäßig durchzuführen. Demgegenüber seien Tätigkeiten des Notars, die nicht sein Amtsgeschäft fördern, sondern lediglich der Abwicklung des durch den Grundstückskaufvertrag zwischen den Parteien begründeten Rechtsverhältnisses dienten, nicht dem Vollzug des Amtsgeschäfts im Sinne des § 146 Abs. 1 KostO zuzurechnen. Infolgedessen stellten die Überwachung der Umschreibungs- bzw. Auflassungsreife und insbesondere alle Tätigkeiten des Notars, welche die Bezahlung des Kaufpreises betreffen, eine eigenständige Betreuungstätigkeit dar, die eine Gebühr nach § 147 Abs. 2 KostO auslösen könnten. Voraussetzung sei allerdings, dass die Tätigkeit des Notars über die bloße Entgegennahme von Bestätigungen hinausgehe und eine hinreichend eigenverantwortliche Tätigkeit darstelle (so auch Hartmann KostG, 34. Aufl. 2004, zu § 147 KostO Rn. 39, vgl. auch Assenmacher/Matthias, 15.Auflage 2004, „Beratungsgebühr“ Ziff. 5.2.1., einschränkend auch OLG Oldenburg Nds. Rpfl. 1994, 330).

21

b. Nach diesen Grundsätzen, unter Anwendung eines engeren Begriff des Vollzuges in § 146 Abs. 1 KostO, bewertet der Senat die Verpflichtung des Notars, für die Ablösung der Grundpfandrechte Sorge zu tragen, jedenfalls dann als gesondert nach § 147 Abs. 2 KostO zu vergütende Tätigkeit, wenn sie - wie hier - mit einer selbstständigen und eigenverantwortlichen Tätigkeit verbunden ist.

22

Die zusätzliche Tätigkeit bestand hier darin, die Löschungsbewilligungen bzw. Pfandentlassungserklärungen zu beantragen und treuhänderisch entgegenzunehmen und diese und die Erfüllung der Auflagen (einschließlich der Frage, ob die Mittel zur Ablösung der Verbindlichkeit ausreichen) zu prüfen. Diese Tätigkeit war nicht notwendigerweise mit der Vollzugstätigkeit, die nach § 146 Abs. 1 KostO zu vergüten ist, verbunden, weil es sich um Maßnahmen handelt, die mit dem Urkundengeschäft nicht regelmäßig gekoppelt sind.

23

Darauf, ob schon der Antrag auf Eigentumsumschreibung allein eine solche eigenständige Prüfung nach Anzeige des Verkäufers von der Kaufpreiszahlung erfordert hätte - worauf das Landgericht besonders abgestellt hat -, kam es hingegen nicht entscheidend an, weil die an den Verkäufer gerichtete Kostenrechnung darauf nicht (und schon gar nicht vorwiegend) gestützt war.

24

c. Dem Grunde nach ist der Kostenansatz der Kostennote des Notars nicht zu beanstanden.

25

Die Voraussetzungen einer Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 156 Abs. 4 S. 4 KostO i.V.m. § 28 Abs. 2 f. FGG sind nicht ersichtlich, da der Senat hinsichtlich des hier zu entscheidenden Falles nicht von der aktuellen Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte oder des Bundesgerichtshofs abweicht. Es handelte sich nicht um den besonderen Fall des Fehlens einer eigenverantwortliche Prüfung seitens des Notars.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 156 Abs. 5 ,131 Abs. 1 S. 2 KostO, 13a Abs. 1 FGG.