Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 30.03.2005, Az.: 3 U 28/05
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 30.03.2005
- Aktenzeichen
- 3 U 28/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 41492
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2005:0330.3U28.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 27.01.2005 - AZ: 8 O 50/98
In dem Rechtsstreit
...
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:
Tenor:
Der Antrag der Klägerin, die im am 27. Januar 2005 verkündeten 2. Teilurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Stade (Kammer für Handelssachen) festgesetzte Sicherheitsleistung gemäß § 718 ZPO auf 1 € - hilfsweise auf einen nach dem Ermessen des Senats zu bestimmenden Betrag - herabzusetzen, wird zurückgewiesen.
Der Antrag der Klägerin, das am 27. Januar 2005 verkündete 2. Teilurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Stade (Kammer für Handelssachen) gemäß § 710 ZPO ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wird zurückgewiesen.
Tatbestand:
I.
Mit dem angefochtenen 2. Teilurteil hat das Landgericht die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, der Klägerin zu näher bezeichneten Positionen insgesamt Schadensersatz in Höhe von 529 221,65 € nebst 5 % Zinsen seit dem 11. Mai 1998 zu zahlen. Wegen weiterer Positionen hat es die Klage - wie die Widerklage - abgewiesen.
Hinsichtlich des Anspruchsgrundes ist der Rechtsstreit wegen einer Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof anhängig, nachdem der Senat gegen das von ihm am 19. Mai 2004 verkündete Grund- und Teilurteil die Revision nicht zugelassen hat. Es ist mithin noch nicht rechtskräftig festgestellt, dass die Beklagten der Klägerin dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet sind.
Das Landgericht hat das 2. Teilurteil für die Klägerin "gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages" für vorläufig vollstreckbar erklärt.
Gegen dieses Teilurteil haben beide Parteien rechtzeitig Berufung eingelegt.
Mit Schriftsatz vom 9. März 2005 macht die Klägerin geltend, die Vollstreckbarkeitsentscheidung des Landgerichts in dem 2. Teilurteil sei unrichtig. Sie ist aus näher bezeichneten Gründen der Auffassung, aus dem Urteil ohne bzw. nur gegen ganz geringfügige Sicherheit vollstrecken zu dürfen.
Die Klägerin beantragt
- 1.
eine Vorab-Entscheidung durch Teilurteil gemäß § 718 ZPO über die vorläufige Vollstreckbarkeit mit der Maßgabe, die Sicherheitsleistung, die die Klägerin aufgrund des angefochtenen 2. Teilurteils zu erbringen hat, auf 1 € herabzusetzen,
hilfsweise,
der Klägerin zu gestatten, die Vollstreckung des Urteilsbetrages nach Leistung einer nach Ermessen des Senats reduzierten Sicherheitsleistung durchführen zu dürfen;
- 2.
der Klägerin gemäß § 710 ZPO zur Verteidigung gegen die hinauszögernde Berufung der Beklagten vom 8. Februar 2005 und zur Vermeidung massiver Nachteile für die Klägerin den Urteilsbetrag für die Klägerin ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Die Beklagten beantragen,
die Anträge der Klägerin auf Herabsetzung der Sicherheitsleistung aus dem
2.Teilurteil des Landgerichts Stade vom 27. Januar 2005 und aus § 710 ZPO
zurückzuweisen,
hilfsweise,
den Beklagten zu gestatten, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung und Hinterlegung in entsprechender Anwendung von § 711 ZPO abzuwenden, wobei die Sicherheit durch unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft der X-Bank AG gestellt werden soll.
Sie vertreten die Auffassung, der Antrag gemäß § 710 ZPO sei unzulässig; im Übrigen sei die Entscheidung des Landgerichts über die vorläufige Vollstreckbarkeit zutreffend, so dass der Antrag aus § 718 ZPO unbegründet sei.
Gründe
II.
Der Antrag auf Vorabentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen 2. Teil-Urteils ist gemäß § 718 Abs. 2 ZPO zulässig. Im vorliegenden Fall haben beide Parteien gegen das genannte Urteil rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Berufungen der Parteien ist fristgerecht begründet worden.
Der Antrag ist indessen nicht begründet. Der Zweck des § 718 ZPO liegt darin, die Korrektur fehlerhafter Entscheidungen der ersten Instanz zur vorläufigen Vollstreckbarkeit für die Dauer der Berufungsinstanz zu ermöglichen (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 1988, 189; OLG Koblenz, NJW-RR 1989, 1024). Die Klägerin hat nicht dargetan, dass die Entscheidung des Landgerichts zur vorläufigen Vollstreckbarkeit zu ihrem Nachteil falsch ist.
1. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist schon deshalb nicht falsch, weil die Klägerin in erster Instanz keinen Antrag nach § 710 ZPO gestellt hat.
Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass dem Landgericht bekannt gewesen sei, dass sie die festgesetzte Sicherheit nicht würde aufbringen können, zumal sie Verbindlichkeiten im siebenstelligen Betrag habe. Dass es eines Antrages nach § 710 ZPO in erster Instanz nicht bedurft hätte - das Landgericht diese Norm also von Amts wegen hätte anwenden müssen - ist angesichts des Wortlautes dieser Bestimmung und der allgemeinen Grundsätze des Zivilprozesses fernliegend. Ohne entsprechenden Antrag durfte das Landgericht die von der Klägerin aufgeführten Umstände nicht berücksichtigen. § 709 ZPO räumt dem Gericht kein Ermessen ein, so dass die Entscheidung jedenfalls nicht zum Nachteil der Klägerin falsch ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist - das sei ergänzend erwähnt - auch nicht ausgeschlossen, dass den Beklagten durch die Vollstreckung aus dem 2. Teil-Urteil ein Schaden entsteht. Bislang steht nicht einmal rechtskräftig fest, ob die Beklagten dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet sind. Erst recht steht nicht fest, ob sie in der vom Landgericht ausgeurteilten Höhe ersatzpflichtig sind. Und gerade die Vermögenslosigkeit der Klägerin lässt erkennen, dass jegliche Vollstreckung ohne oder gegen herabgesetzte Sicherheitsleistung einen Schaden herbeiführen würde, wenn sich im Ergebnis herausstellen würde, dass eine Ersatzpflicht der Beklagten nicht oder aber nur in geringerer Höhe besteht.
2. Die Klägerin kann ihr Begehren nach § 718 in der Berufung nicht mit § 710 ZPO rechtfertigen. Ein Antrag nach § 710 ZPO kann nämlich in zweiter Instanz im Verfahren nach § 718 ZPO nicht nachgeholt werden (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 1989, 1470 [OLG Karlsruhe 26.01.1989 - 16 UF 245/88]; OLG Frankfurt, MDR 1982, 415; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 714 Rn. 1; a.A. OLG Koblenz, NJW-RR 1989, 1024). Der Wortlaut des § 714 ZPO ist eindeutig. Danach sind Anträge nach § 710 ZPO vor Schluss der mündlichen Verhandlung (hier erster Instanz) zu stellen. Eine solche Antragstellung ist einem Kläger auch zumutbar; das gilt selbst in den Fällen, in denen das Gericht - wie hier geltend gemacht - erst am Ende einer Beweisaufnahme mitteilt, es erwäge, ein Teilurteil zu erlassen; sofern diese Mitteilung überraschend ist, kann ein Schriftsatznachlass beantragt werden. Nichts dergleichen hat die Klägerin getan. Im Übrigen weist die Klägerin vorliegend auf eine Vielzahl - auch älterer - Schriftsätze hin, aus denen sich ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten ergebe; mithin hätte sie längst Anlass gehabt, den Antrag zu stellen und hat dies im Ergebnis versäumt.
Die - wenigen - Fälle in denen die genannte Rechtsauffassung zu erhöhtem Aufwand und zusätzlichen Verfahren führen können, sind angesichts des klaren Wortlautes des § 714 ZPO hinzunehmen.
Der Antrag der Klägerin ist indessen auch nicht begründet. Die Klägerin macht vor allem Nachteile geltend, die ihren "Eigentümer" betreffen, und zwar u.a., weil gegen diesen als Privatperson und Gesellschafter aufgrund eines Urteils des Landgerichts München I Vollstreckungshandlungen vorgenommen werden. Die Folgen für die klagende GmbH - auf die es im Rahmen des § 710 ZPO allein ankommt - sind insoweit lediglich indirekt und werden nicht näher aufgezeigt; der Vortrag hierzu ist abstrakt und entbehrt jeder Substanz. Dass ein Urteil, welches gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt worden ist, für den obsiegenden Kläger wirtschaftlich problematisch sein kann, ist nicht ungewöhnlich.
Ergänzend sei angemerkt, dass der Geschäftsführer der Klägerin einerseits seit Anfang 2003 Sozialhilfe bezieht, andererseits aber bei einem Mietzins von monatlich 3 000 € im März 2005 nur einen Mietrückstand von 14 027,09 € hat auflaufen lassen. Das passt nicht zu seinem sonstigen Vortrag, der damit im Ergebnis in weiten Teilen nicht glaubhaft gemacht ist.
III.
Ist der Antrag gemäß § 710 ZPO schon in Verbindung mit § 718 ZPO unzulässig, so gilt dies erst recht, sofern er in der Berufungsinstanz isoliert gestellt worden ist, um das angefochtene 2. Teilurteil im Rahmen einer Vorabentscheidung bereits jetzt teilweise abzuändern.
Soweit der Antrag gemäß § 710 ZPO - was schriftsätzlich klarzustellen wäre - auch für den Fall gestellt worden sein sollte, dass das Urteil des Senats im Berufungsverfahren einen vollstreckbaren Inhalt hat, wäre hierüber im Urteil zu entscheiden, das die Berufungsinstanz abschließt.
IV.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. Aus diesem Teilurteil kann nicht vollstreckt werden, so dass eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit entbehrlich ist.