Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 15.02.2008, Az.: L 13 B 40/07 AS
Zulässigkeit des Abzugs einer Warmwasserpauschale von Heizkosten und Höhe eines solchen Abzugs bzw. dessen Berechnung in Fällen mit Hilfe einer Heizung vorgenommener Warmwasserzubereitung; Gewährung von Prozesskostenhilfe bei Annahme grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtsfrage angesichts auch mehrfacher Zulassung einer Revision
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 15.02.2008
- Aktenzeichen
- L 13 B 40/07 AS
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 16931
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2008:0215.L13B40.07AS.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - 02.03.2007 - AZ: S 44 AS 24/06
Rechtsgrundlagen
- § 20 Abs. 1 SGB II
- § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG
- § 183 SGG
Tenor:
Die Beschwerde der Kläger gegen den die Versagung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe betreffenden Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 2. März 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Kläger erhielten von der Beklagten in den Monaten Januar 2005 bis Mai 2005 monatliche Leistungen in Höhe von je 686,54 EUR. Den Widerspruch der Kläger gegen den Ausgangsbescheid vom 9. Dezember 2004 - wegen der ursprünglichen Begründung wird auf das Widerspruchsschreiben vom 17. Dezember 2004 verwiesen - wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2005 zurück. Die Beklagte erläuterte darin ihre Berechnung und verwies u.a. darauf, für die Warmwasserbereitung sei ein Betrag von 16,20 EUR in Abzug gebracht worden. Die Kläger haben am 6. Januar 2006 vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten Klage erhoben, die sie im Wesentlichen damit begründet haben, der anerkannte Freibetrag bei Erwerbstätigkeit sei zu gering; gegen die Regelung des § 3 Nr. 2 Alg II-VO in der bis zum 30. September 2005 geltenden Fassung bestünden verfassungsrechtliche Bedenken. Gleiches gelte für die Begrenzung der vom Einkommen absetzbaren privaten Versicherungsbeiträge auf pauschal 30,00 EUR gemäß § 3 Nr. 1 Alg II-VO, ferner für die Regelung des § 3 Nr. 3 a) bb) Alg II-VO; die Fahrtkostenpauschale in Höhe von 0,06 EUR je Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung sei zu gering, auch wenn der Nachweis höherer Ausgaben möglich sei. Zudem sei vor dem Bundessozialgericht ein Verfahren zu der Frage anhängig, ob es zulässig sei, hinsichtlich der Kosten der Warmwasserbereitung einen Abschlag von den Heizkosten vorzunehmen. Zugleich mit der Klageerhebung haben die Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 2. März 2007 mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, die Ausgestaltung des Freibetrages nach § 30 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) i.V.m. § 3 Nr. 2 Alg II-VO und der Pauschale nach § 3 Nr. 1 und § 3 Nr. 3 a) bb) Alg II-VO begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; der Senat macht sich diese Begründung zu eigen und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ergänzend betont der Senat nochmals die Berechtigung des Gesetz- und Verordnungsgebers, zur Ordnung von Massenerscheinungen typisierende und pauschalierende Regelungen zu erlassen, die nicht notwendig in jedem denkbaren Einzelfall die gerechteste Lösung zur Folge haben müssen, sofern sie die meisten Fälle zutreffend erfassen (Einzelheiten bei Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 9. Aufl. 2007, Art. 3 Rn. 30 f.; Gubelt, in: von Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2000, Art. 3 Rn. 26, jeweils m.w.N.)
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung. Die Kläger stellen darauf ab, u.a. sei auch die Frage der Zulässigkeit des Abzugs einer Warmwasserpauschale von den Heizkosten geltend gemacht worden. Die höchstrichterliche Klärung dieser Frage stehe aus. Auch dieses Vorbringen führt nicht dazu, dass den Klägern Prozesskostenhilfe zu bewilligen wäre.
Wie der Senat bereits zuvor entschieden hat (Beschluss des Senats vom 10. Oktober 2007, L 13 B 136/07 AS), hat der Gesetzgeber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Kosten für die Haushaltsenergie aus der Regelleistung zu bestreiten sind. Wird aber die Warmwasserzubereitung mit Hilfe der Heizung vorgenommen, so hat dies zwingend zur Folge, dass die insoweit entstehenden Kosten für die Warmwasserzubereitung aus den Heizkosten herausgerechnet und angesichts der Übernahme dieser Kosten in den Unterkunftskosten bei den Regelleistungen wieder in Abzug gebracht werden müssen, weil anderenfalls Hilfeempfänger mit einer zentralen Warmwasserzubereitung ohne rechtfertigenden Grund bevorzugt würden. Diese Sach- und Rechtslage bestand schon vor dem 1. August 2006 und damit in dem hier interessierenden Bewilligungszeitraum. Hinzu kommt, dass durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) in § 20 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) der klarstellende Hinweis aufgenommen wurde, dass es sich bei den Kosten für Haushaltsenergie - ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile - um einen Bedarf handelt, der von der Regelleistung umfasst ist. Mit diesem Verständnis befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit den übrigen Senaten des Gerichts, die sich mit der Rechtsanwendung des SGB II befassen, und weicht auch nicht von einer Rechtsansicht des Bundessozialgerichts (BSG) ab. Das BSG hat sich zu dieser Frage noch nicht entscheidungstragend geäußert, allerdings bereits einmal (mit Verweis auf Rothkegel, in: Gagel, § 22 SGB II Rn. 35) ausgeführt, die Warmwasserzubereitung sei mit der Regelleistung abgegolten (BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 R- SozR 4-4200 § 20 Nr. 3 - FEVS 58, 353 - Breithaupt 2007, 775, Rn. 27 des [...]Umbruchs). Die Einwände des Sächsischen LSG (Urteil vom 29. März 2007 L 3 AS 101/06 - info also 2007, 167) überzeugen demgegenüber bereits im Ansatz nicht und verhalten sich letztlich zur Verfassungsmäßigkeit der Regelsätze, über die das BSG ebenfalls bereits entschieden hat (a.a.O., Rn. 46 ff. des [...]Umbruchs). Die Verfassungsmäßigkeit der Regelsätze kann aber nicht in der Weise relativiert bzw. unter einen Vorbehalt der Nichterfassung von Warmwasserkosten gestellt werden, wie das Sächsische LSG (a.a.O.) meint. Bezeichnenderweise geht auch das Sächsische LSG davon aus, dass der Gesetzgeber die Warmwasserkosten in Anknüpfung an das Sozialhilferecht nach dem Bundessozialhilfegesetz a.F. bei der Bemessung des Regelsatzes berücksichtigen wollte (a.a.O., Rn. 79 des [...]Umbruchs).
Der Senat erachtet die Rechtsfrage der Zulässigkeit des Abzugs einer Warmwasserpauschale von den Heizkosten mithin dem Grunde nach für einfach. Das Rechtsinstitut der Prozesskostenhilfe bezweckt eine weitgehende Angleichung, aber keine vollständige Gleichstellung Unbemittelter mit Bemittelten (BVerfG, Beschluss des 2. Senats vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347 (356 f.)). Die hinreichende Erfolgsaussicht ist i.d.R. dann gegeben, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang unbeantworteten Rechtsfrage abhängt (BVerfG, a.a.O. S. 358, m.w.N.). Die - auch mehrfache (vor dem 14. Senat des BSG sind derzeit eine Vielzahl von Revisionsverfahren zu den Kosten der Warmwasserbereitung anhängig) - Zulassung einer Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG impliziert die Annahme grundsätzlicher Bedeutung, rechtfertigt jedoch nicht ohne Weiteres die Schlussfolgerung, die Rechtsfrage sei eine schwierige. Grundsätzliche Bedeutung kommt nach ständiger Rechtsprechung einer Rechtsfrage aber nur dann zu, wenn sie sich nach der Gesetzeslage und dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne weiteres beantworten lässt, eine verallgemeinerungsfähige Antwort des Revisionsgerichts zu erwarten ist und wenn die aufgeworfene Frage nach den Gegebenheiten des Falles klärungsfähig ist (BSG, Beschluss vom 23. November 2006, B 11b AS 17/06 B, SozR 4-4225 § 2 Nr. 1 = FEVS 58, 304). Eine Zulassung kann folglich darin begründet sein, dass eine verallgemeinerungsfähige Antwort durch eine Entscheidung des BSG möglich ist und dies die Schaffung von Rechtsfrieden erwarten lässt, ohne dass damit darauf geschlossen werden müsste, dass das BSG die Beantwortung der Rechtsfrage für schwierig hält (näher Senat, Beschluss vom 31. Januar 2008, L 13 B 66/07 AS).
Wenn ein Gericht - wie vorliegend der Senat - eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage als einfach (oder geklärt) ansieht und deswegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweigert, ist es eine Frage des Einzelfalles, wann der Zweck der Prozesskostenhilfe in verfassungsrechtlich relevanter Weise verfehlt würde, dem Unbemittelten den gleichen Zugang zum Gericht ermöglichen (BVerfG, a.a.O., S. 359 f.). Dies hängt vornehmlich von der Eigenart der jeweiligen Rechtsmaterie und der Ausgestaltung des zugehörigen Verfahrens ab. So sind etwa die Voraussetzungen (Kostenvorschusspflicht, Anwaltszwang) und die weiteren Modalitäten (Schriftlichkeit oder Mündlichkeit des Verfahrens, Amtsermittlung, weiterer Rechtsmittelzug) des jeweiligen Rechtsschutzweges zu berücksichtigen (BVerfG, a.a.O. S. 360). Vor diesem Hintergrund wird der Rechtsschutz der Hilfebedürftigen angesichts der einschlägigen Bestimmungen des Sozialgerichtsgesetzes (SGG; das Verfahren ist für Leistungsempfänger nach der Bestimmung des § 183 SGG kostenfrei; vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gilt der Untersuchungsgrundsatz, näher Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 8. Aufl. 2005, Vorbem. vor § 60 Rn. 4 ff.) nicht in verfassungsrechtlich relevanter Weise unzumutbar verkürzt.
Ist die Rechtsfrage der Zulässigkeit des Abzugs einer Warmwasserpauschale von den Heizkosten dem Grunde nach einfach und Prozesskostenhilfe demzufolge für eine hiergegen gerichtete Klage nicht zu bewilligen, so gilt dies nicht in gleicher Weise für die Frage der Höhe des zulässigen Abzugs. Hierbei kann es sich um eine möglicherweise nicht ohne Weiteres zu beantwortende Rechtsfrage handeln, deren Klärung durch das BSG bislang aussteht. Da diese Rechtsfrage der zulässigen Höhe des Abzugs letztlich aber häufig nur eine (nicht genau bezifferbare) wirtschaftliche Bedeutung im Bagatellbereich hat - sie bewegt sich in aller Regel in einer Größenordnung, die auch im konkreten Fall wenige Euro monatlich nicht überschreiten wird - gebieten die Bestimmungen über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe in ihrem verfassungsrechtlichen Kontext es vorliegend nicht, den Klägern zur Klärung dieser Frage Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Das Gericht muss vielmehr auch bei der Frage der Höhe des Abzuges zusätzlich erwägen, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragen würde (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Mai 2007, L 10 B 217/07 AS PKH, mit Verweis auf BVerfG 1. Senat, 3. Kammer , Beschluss vom 20. Juni 2006 - 1 BvR 2673/05 = info also 2006, 279 ff). Es ist nämlich nach Sinn und Zweck des Inhalts der Prozesskostenhilfebewilligung nicht erforderlich, den Unbemittelten in den (dem Bemittelten eröffneten) Stand zu versetzen, einen Rechtsanwalt ohne Beachtung der Relation des Wertes der durchzusetzenden Position zum Kostenrisiko zu beauftragen; der Unbemittelte muss vielmehr nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt (BVerfG, Beschluss des 2. Senats vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347 (357) m.w.N.). Diese Relation vernünftiger wirtschaftlicher Risikoabwägung ist vorliegend auch unter Berücksichtigung der beengten finanziellen Verhältnisse der Kläger, die eine erhöhte Motivation zur Verfolgung auch geringer Ansprüche in anerkennenswerter Weise begründen, nicht mehr gewahrt, da der Wert des Streitgegenstandes in Bezug auf die Höhe der Warmwasserkostenpauschale lediglich einen Bruchteil der zu erwartenden Rechtsanwaltsgebühren für eine Instanz ausmacht. Letztere können im konkreten Falle leicht das Zwanzigfache des Wertes der insoweit allein maßgeblichen Rechtsfrage, in welcher Höhe die ohnehin in Abzug zu bringende Warmwasserkostenpauschale zu berücksichtigen ist, betragen. Angesichts der oben bereits genannten Verfahrensprinzipien des SGG ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, dass die unbemittelten Kläger den Rechtsstreit - aufgrund der steuerfinanzierten Sozialleistung der Prozesskostenhilfe ohne wirtschaftliches Risiko - optimal (also anwaltlich vertreten) führen dürfen, während ein Bemittelter bei Betrachtung dieser Relationen vermutlich auf anwaltlichen Beistand verzichten würde.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gemäß § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).