Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 19.02.2008, Az.: L 7 AL 213/05

Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Anspruchs aus einem Vermittlungsgutschein nach § 421g Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III); Qualifizierung des Vertrages zwischen dem Vermittler mit dem zu Vermittelnden als ein durch öffentlich-rechtliche Normen modifizierter Maklervertrag i.S.d. § 652 BGB

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
19.02.2008
Aktenzeichen
L 7 AL 213/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 33570
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2008:0219.L7AL213.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 22.04.2005 - AZ: S 9 AL 1047/03

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 22. April 2005 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin beansprucht von der Beklagten eine Vergütung in Höhe von 1.000,00 EUR aus einem Vermittlungsgutschein.

2

Der im Jahr 1976 geborene Beigeladene bezog nach der Erschöpfung des Arbeitslosengeldanspruchs am 12. Dezember 2002 mit Wirkung ab 13. Dezember 2002 Arbeitslosenhilfe (Beschluss vom 19. November 2002).

3

Die Beklagte stellte dem Beigeladenen unter dem 24. April 2003 einen bis 23. Juli 2003 gültigen Vermittlungsgutschein über 2.500,00 EUR aus. Sie übersandte an den Beigeladenen unter dem 16. Juni 2003 ein Arbeitsangebot des Getränkehandels "H." für eine Beschäftigung im Getränkehandel; Beschäftigungsbeginn sollte danach der 01. Juli 2003 sein. Diese Beschäftigung nahm der Beigeladene zum 01. Juli 2003 auch auf und teilte dies der Beklagten mit.

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Die Klägerin beantragte unter dem 03. Juli 2003 bei der Beklagten die Zahlung einer Vergütung in Höhe von zunächst 1.000,00 EUR. Sie legte mit dem Antrag den dem Beigeladenen ausgestellten Vermittlungsgutschein vom 24. April 2003, einen Arbeitsvermittlungsvertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen mit dem Datum vom 24. April 2003 sowie eine Vermittlungsbestätigung der Firma H. vom 27. Juni 2003 vor, wonach der am 26. Juni 2003 mit dem Beigeladenen geschlossene Arbeitsvertrag aufgrund der Vermittlung der Klägerin abgeschlossen worden sei.

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Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 09. Juli 2003 mit der Begründung ab, dass der Arbeitsvertrag zwischen dem Beigeladenen und der "H." nicht aufgrund der Vermittlung der Klägerin zustande gekommen sei, sondern der Kontakt zwischen dem Arbeitgeber und dem Beigeladenen sei durch einen Vermittlungsvorschlag des Arbeitsamts I. bereits am 16. Juni 2003 hergestellt worden. Den Widerspruch der Klägerin hiergegen wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 08. August 2003 als unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte sie ihre Auffassung, dass die Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch nach § 421g Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht erfüllt seien, weil der am 26. Juni 2003 geschlossene Arbeitsvertrag nicht infolge der Vermittlung der Klägerin zustande gekommen sei.

6

Hiergegen hat die Klägerin am 09. September 2003 Klage erhoben und zur Begründung betont, dass der Beigeladene ausschließlich durch ihre Bemühungen vermittelt worden sei. Dies folge aus der Vermittlungsbestätigung. Ein Arbeitsangebot der Beklagten allein schließe die Ursächlichkeit ihrer Vermittlungstätigkeit für das Zustandekommen des Arbeitsvertrages nicht aus. Von der zu besetzenden Stelle bei der Firma "H." habe sie über eine öffentliche Jobbörse im Internet erfahren und daraufhin Kontakt mit der Firma aufgenommen, um zu prüfen, ob der Bewerber den Erwartungen des Arbeitgebers entspreche. Nachdem die Eignung des Beigeladenen für den Arbeitsplatz festgestellt worden sei, habe sie die Qualitäten des Beigeladenen in einem Anschreiben an die Firma besonders herausgestellt und professionelle Bewerbungsunterlagen für den Beigeladenen erstellt. Zudem habe sie ihn durch eine Schulung gezielt auf das Einstellungsgespräch vorbereitet. Aufgrund dieser Tätigkeiten sei das Arbeitsverhältnis zwischen dem Beigeladenen und der Firma zustande gekommen.

7

Das Sozialgericht (SG) Hannover hat die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids am 22. April 2005 verurteilt, an die Klägerin 1.000,00 EUR nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 09. September 2003 zu zahlen. Die Vermittlung sei durch den Kontakt der Klägerin mit dem Beigeladenen und dem Arbeitgeber zustande gekommen, wie dies in der Vermittlungsbescheinigung bestätigt sei. Es bestehe kein Anlass, an der Richtigkeit dieser Bescheinigung zu zweifeln.

8

Gegen das am 12. Mai 2005 zugestellte Urteil führt die Beklagte am 18. Mai 2005 Berufung. Der Arbeitsvertrag zwischen dem Beigeladenen und der "H." sei nicht infolge der Vermittlung der Klägerin zustande gekommen, weil der Kontakt zum Arbeitgeber bereits zuvor durch den Vermittlungsvorschlag der Beklagten vom 16. Juni 2003 aufgenommen worden sei.

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Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 22. April 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

11

Sie tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen und verweist zur Begründung ihrer Auffassung nochmals auf die Vermittlungsbescheinigung des Arbeitgebers.

12

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

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Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Prozessakte Bezug genommen. Die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die den Beigeladenen betreffenden Leistungsakten (Stamm-Nr. J.) liegen vor und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG Hannover hat die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung einer Vergütung in Höhe von 1.000,00 EUR aus dem Vermittlungsgutschein verurteilt.

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Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 421g SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 23. März 2002 (BGBl. I S. 1130). Nach Abs. 1 dieser Regelung haben bestimmte Personen einen Anspruch gegen die Beklagte auf die Erteilung eines Vermittlungsgutscheins (Satz 1). Mit diesem Vermittlungsgutschein verpflichtet sich die Beklagte, den Vergütungsanspruch eines vom Anspruchsberechtigten eingeschalteten Vermittlers, der diesen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vermittelt hat, nach Maßgabe bestimmter Bestimmungen zu erfüllen (Satz 2). Nach § 421g Abs. 2 Satz 3 SGB III wird die Vergütung in Höhe von 1.000,00 EUR bei Beginn des Beschäftigungsverhältnisses, der Restbetrag nach einer sechsmonatigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt. Die Zahlung erfolgt unmittelbar an den Vermittler (§ 421g Abs. 2 Satz 4 SGB III). Die in § 421g Abs. 3 SGB III enthaltenen gesetzlichen Ausschlusstatbestände liegen hier nicht vor.

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§ 421 Abs. 1 S. 2 SGB III setzt ausdrücklich (dem Grunde nach) einen Vergütungsanspruch des vom Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers gegen den Arbeitnehmer voraus. Dieser Vergütungsanspruch kann sich einerseits nur aus einem zivilrechtlichen Vertrag ergeben, dessen Wirksamkeit und nähere Ausgestaltung sich zwar nach den Vorschriften des BGB richtet, die aber überlagert sind von öffentlich-rechtlichen Normen, insbesondere von § 296 SGB III. Bei der jeweiligen vertraglichen Vereinbarung handelt es sich nicht um einen im Hinblick auf §§ 296, 421g SGB III eigenständigen Vertragstypus; vielmehr ist der Vertrag, den der Vermittler mit dem zu Vermittelnden abschließt als ein durch öffentlich-rechtliche Normen modifizierter Maklervertrag im Sinn des § 652 BGB zu qualifizieren. Der Vermittlungsmakler kann an Stelle des privatrechtlichen Vermittlungshonorars nur einen öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte geltend machen, die den Vergütungsanspruch des vom Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers gem. § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III zu erfüllen hat (BSG, Urteil vom 06. April 2006 - B 7a AL 56/05 R -, SozR 4-4300 § 421g Nr. 1 mit weiteren Nachweisen).

17

Die Klägerin hat demnach einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte, wenn sie den Beigeladenen, der Arbeitslosenhilfe bezogen und dessen Arbeitslosigkeit länger als drei Monate angedauert hat in die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei der "H." vermittelt hat. Dies ist indes nicht der Fall. Ein Vergütungsanspruch im Sinn der genannten Regelung setzt eine erfolgte Vermittlung des Arbeitsuchenden durch den privaten Arbeitsvermittler voraus. Hinsichtlich des Erfolgserfordernisses entspricht die Regelung des § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III der Regelung des § 296 Abs. 2 Satz 1 SGB III; für beide Vorschriften gilt insofern der gleiche Vermittlungsbegriff. Danach liegt ein Vermittlungserfolg in diesem Sinn vor, wenn der Vermittler als Dritter in Kontakt mit dem Arbeitsuchenden und dem Arbeitgeber stand und durch seine Tätigkeit aktiv die Abschlussbereitschaft beider derart gefördert hat, dass ein Arbeitsvertrag geschlossen wurde. § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III fordert somit einen Kausalzusammenhang zwischen der Tätigkeit des privaten Vermittlers und dem Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses (Urmersbach in Eicher/Schlegel, SGB III, § 421g Rdnr. 41; Merten in BeckOK, SGB III, § 421g Rdnr. 13 ff). Weil das Arbeitsamt sich trotz der Ausstellung eines Vermittlungsgutscheines weiterhin um die Vermittlung und Eingliederung des Betroffenen bemühen muss, das Arbeitsamt und der private Vermittler damit in einem Wettbewerb stehen, besteht der Vergütungsanspruch des privaten Vermittlers folglich nur, wenn die Einschaltung des Vermittlers zu der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit mindestens 15 Wochenstunden geführt hat. Es handelt sich bei dem Vergütungsanspruch des privaten Vermittlers demnach um ein Erfolgshonorar (BT-Drucksache 14/8546 S. 10 zu Nr. 34). Um einen Vermittlungserfolg im Sinn der o. g. Ausführungen annehmen zu können, der einen Vergütungsanspruch des Vermittlers begründet, ist allerdings nicht jede Tätigkeit eines Vermittlers, die in einem Zusammenhang mit dem Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses steht, ausreichend. Nach dem Zweck der Regelung, der auch in einer Entlastung der Arbeitsagenturen von der Vermittlungstätigkeit zu sehen ist, entsteht der Vergütungsanspruch nur dann, wenn es aufgrund der Vermittlungstätigkeit des Vermittlers zur Aufnahme der genannten Beschäftigung ohne vorherige Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur gekommen ist (BT-Drucks. a.a.O.). Nur in diesen Fällen hat die Arbeitsagentur Aufwendungen erspart, die durch den Vergütungsanspruch an den privaten Vermittler pauschal abgegolten werden. Hat bereits eine Vermittlungstätigkeit der Arbeitsagentur stattgefunden, kann der mit der Regelung verfolgte Zweck, den Vermittlungsaufwand der Arbeitsagenturen zu reduzieren, nicht mehr erreicht werden.

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Die Modifizierung des Maklervertrags gemäß § 652 BGB durch öffentlich-rechtliche Normen bedeutet unter anderem, dass der private Arbeitsvermittler keinen Anspruch darauf hat, exklusiv für den jeweiligen Arbeitsuchenden vermittelnd tätig zu werden. Die Modifizierung schließt auch aus, dass die erfolgreiche Vermittlung durch Vorlage des Maklervertrags, der Maklerleistungen und des Arbeitsvertrags nachgewiesen werden kann. Weil der Arbeitgeberseite nicht bekannt ist, welche Vermittlungsbemühungen die Beklagte hinsichtlich der Vermittlung des arbeitsuchenden Beigeladenen unternommen hatte, ist die von der Klägerin vorgelegte Bescheinigung der "H." ohne Bedeutung für den hier streitigen Vergütungsanspruch. Allerdings war der Klägerin bekannt, dass sich der Beigeladene trotz Inanspruchnahme der Klägerin als privater Arbeitsvermittlerin der Arbeitsvermittlung der Beklagten weiter zur Verfügung zu stellen hatte und den von der Beklagten vorgelegten Arbeitsangeboten vorrangig nachgehen musste, um gegebenenfalls ein Ruhen des Leistungsanspruchs aufgrund des Eintritts einer Sperrzeit zu vermeiden. Die schutzwürdigen Vertragsinteressen des privaten Arbeitsvermittlers, wie hier der Klägerin, werden angesichts einer derartigen Konstellation aber dadurch gewahrt, dass der private Arbeitsvermittler sich beim Arbeitsuchenden über ein etwaiges Arbeitsangebot der Beklagten zu informieren hat, will er es vermeiden, einen Vergütungsanspruch trotz eigener Tätigkeit nicht realisieren zu können. Der private Arbeitsvermittler kann demnach eine Vergütung auch dann nicht beanspruchen, wenn ein Arbeitsangebot der Beklagten Anlass für eine eigene Vermittlungstätigkeit geworden ist. Vielmehr folgt aus Sinn und Zweck des Vermittlungsgutscheins nach §§ 296, 421g SGB III, dass ein öffentlich-rechtlicher Vergütungsanspruch nur dann entsteht, wenn keine Vermittlungsaktivitäten der Agentur für Arbeit vorliegen, sondern die private Vermittlungstätigkeit zum Abschluss eines Arbeitsvertrags geführt hat.

19

Die Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch der Klägerin liegen demnach hier nicht vor. Die Beklagte hat unter dem 16. Juni 2003 dem Beigeladenen ein Arbeitsangebot des späteren Arbeitgebers übersandt. Das bedeutet, dass die Beklagte in Bezug auf das später eingegangene Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen konkret vermittelnd tätig geworden ist im Sinn der Verschaffung des Nachweises der Gelegenheit zum Abschluss des später geschlossenen Arbeitsvertrags (vgl. § 35 Abs. 1 SGB III). Weil der Kontakt des Beigeladenen zu dem späteren Arbeitgeber demnach bereits vor der Einschaltung der Klägerin hergestellt worden ist, ist die erforderliche Kausalität im Sinne des § 421g Abs. 1 Satz 4 SGB III zwischen dem arbeitsuchenden Beigeladenen und der Klägerin nicht mehr gegeben (s. a. Brandts in Niesel, SGB III, Kommentar, 4. Aufl., § 421g Rdnr. 15). Das bedeutet zugleich, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des § 421g Abs. 1 Satz 4 SGB III für den Vergütungsanspruch der Klägerin nicht vorliegen.

20

Weil die Klägerin im Verfahren unterlegen ist, hat sie gemäß § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

21

Dem Beigeladenen werden gemäß § 197a Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 54 Abs. 3 VwGO keine Kosten auferlegt.

22

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 3 GKG.

23

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).-