Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 13.02.2008, Az.: L 5 V 15/05

Streit über den Anspruchszeitraum für Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG); Fristen für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Versorgungsleistungen; Voraussetzungen für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
13.02.2008
Aktenzeichen
L 5 V 15/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 14195
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2008:0213.L5V15.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Osnabrück - 11.10.2005 - AZ: S 2 V 11/03

Fundstelle

  • NZS 2009, 62 (amtl. Leitsatz)

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, der seit 1. Januar 1995 Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhält, begehrt entsprechende Leistungen auch für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis Ende 1994.

2

Der am I. 1926 geborene Kläger wurde im Juli 1943 als 16jähriger Schüler als Flakhelfer verpflichtet. Im Februar 1944 wurde er zum Reichsarbeitsdienst eingezogen, später zur Wehrmacht, wo er an der Westfront eingesetzt wurde. Am 14. April 1945 kehrte er aus dem Krieg zurück. Anschließend arbeitete er in dem im Familienbesitz befindlichen landwirtschaftlichen Betrieb und besuchte in den Winterhalbjahren 1946/1947 und 1947/1948 die Landwirtschaftsschule in J ... Seit November 1987 bezieht er Altersruhegeld von der Hannoverschen Landwirtschaftlichen Alterskasse (HLAK), zunächst als vorzeitiges Altersgeld an ehemalige landwirtschaftliche Unternehmer.

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Am 11. Mai 1992 beantragte der Kläger beim Beklagten Versorgungsleistungen nach dem BVG aufgrund psychischer Schäden infolge der Kriegserlebnisse. Diesen Antrag lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 3. März 1993 i.d.F. des zurückweisenden Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 1993). Die hiergegen eingelegte Klage nahm der Kläger zurück, nachdem der gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Sachverständiger gehörte Neurologe und Psychiater Dr. K. das Vorliegen von Schädigungsfolgen i.S.d. BVG verneint hatte (Sozialgericht (SG) Osnabrück - S 9 V 25/93). Auf den erneuten Antrag des Klägers vom 9. Januar 1998 nahm der Beklagte nach Einholung des Gutachtens des Neurologen und Psychiaters Dr. L. und des Assistenzarztes Dr. M. vom 23. Mai 2000 den Bescheid vom 3. März 1993 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) teilweise zurück: Er erkannte die Gesundheitsstörung "chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung" als Schädigungsfolge i.S.d. BVG an, lehnte jedoch zunächst weiterhin die Gewährung von Versorgungsleistungen ab, da eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nicht vorliege. Dem Widerspruch des Klägers half der Beklagte insoweit ab, als eine MdE von 30 v.H. festgestellt und eine entsprechende Beschädigtengrundrente ab 1. Januar 1995 gewährt wurde (Bescheid vom 9. August 2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2001 - vgl. zur MdE-Bewertung: Beratungsärztliche Stellungnahme der Dr. N. vom 27. April 2001). Mit Ausführungsbescheid vom 16. Oktober 2002 änderte der Beklagte die Bezeichnung der Schädigungsfolgen in "Posttraumatische Anpassungsstörung" und erhöhte die MdE nochmals auf nunmehr 50 v.H. (m.W. ab 1. Januar 1995). Neben den laufenden Versorgungsbezüge wurde dem Kläger - nachdem dieser bereits im Jahre 2001 eine Nachzahlung von 17.079,00 DM erhalten hatte - eine weitere Nachzahlung von 9.578,00 EUR (zzgl. Zinsen) gewährt. Der Ausführungsbescheid vom 16. Oktober 2002 beruhte auf dem Teil-Anerkenntnis des Beklagten vom 19. August 2002 in dem Klageverfahren S 2 V 6/01 (SG Osnabrück). In diesem vom Kläger gegen den Bescheid vom 9. August 2000 (i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2001) geführten Klageverfahren war auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. O. vom 29. Mai 2002 eingeholt worden, in dem die schädigungsbedingte MdE auf 50 v.H. geschätzt worden war.

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Am 8. April 2003 stellte der Kläger den streitbefangenen Antrag, die Kriegsopferrente auch rückwirkend für die Zeit vor dem 1. Januar 1995 zu gewähren. Er leide bereits seit 1945 unter der posttraumatischen Anpassungsstörung (vgl. hierzu: Attest des Dr. P. vom 11. Februar 2003). Diese Erkrankung habe ihn an einer früheren Antragstellung gehindert. Der Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Versorgungsansprüche auf der Grundlage des vor dem SG Osnabrück abgegebenen Anerkenntnisses gewährt würden. Es bestehe kein Anlass, in eine erneute Überprüfung einzutreten, zumal der Kläger das damalige Teil-Anerkenntnis zur Erledigung des Rechtsstreits angenommen habe (Bescheid vom 14. Juli 2003). Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger unter Bezugnahme auf eine weitere Bescheinigung des ihn behandelnden Arztes Dr. P. vom 15. August 2003 geltend, erst im Jahre 1998 den Zusammenhang zwischen seiner seelischen Erkrankung und den Kriegserlebnissen erkannt zu haben. Der Beklagte wies den Widerspruch mit der ergänzenden Begründung zurück, dass Leistungen nach dem BVG grundsätzlich erst ab Antragstellung gewährt werden könnten (§ 60 Abs. 1 BVG). Der Kläger sei auch nicht ohne Verschulden an einer früheren Antragstellung gehindert gewesen. Da er Vater von acht Kindern geworden sei und über Jahrzehnte auf dem im Familienbesitz befindlichen Hof mitgearbeitet habe, gebe es keine Anhaltspunkte, weshalb er an einer früheren Antragstellung gehindert gewesen sein sollte (Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2003).

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Hiergegen hat der Kläger am 28. Oktober 2003 beim SG Osnabrück Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, dass die Anzahl seiner Kinder nicht entscheidungserheblich sei, da es für die Fähigkeit, Kinder zu zeugen, keiner Einsichts- bzw. Erkenntnisfähigkeit bedürfe. Nicht er, sondern seine Ehefrau, seine ältere Schwester und später sein Sohn hätten - jeweils mit Hilfe von Landwirtschaftsgehilfen - den Hof geführt. Er selbst habe als Kriegsheimkehrer gerade nicht in "verantwortlicher, tragender Weise" mitarbeiten können. Er dürfte zwar auch bereits vor 1992 Kenntnis über die Ansprüche von Kriegsopfern gehabt haben. Dagegen sei seine damalige Kenntnis über den Umfang seiner gesundheitlichen Schädigung "weniger sicher". Es liege im Wesen seiner Erkrankung, dass er diese nicht habe erkennen können. Ergänzend hat sich der Kläger auf eine weitere Bescheinigung seines behandelnden Arztes Dr. P. bezogen (ohne Datum, Bl. 26 der Gerichtsakte). Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11. Oktober 2005 abgewiesen. Es hat offen gelassen, ob nicht bereits das Ergebnis des vorangegangenen Klageverfahrens S 6 V 6/01 oder aber die Fristbestimmung des § 44 Abs. 4 SGB X etwaigen Versorgungsansprüchen für die Zeit vor 1995 entgegen ständen. Auf alle Fälle sei der Kläger trotz seiner schweren psychischen Erkrankung nicht nachweisbar ohne Verschulden an einer früheren Antragstellung gehindert gewesen. Bei dem Vortrag, dass posttraumatische Anpassungsstörungen vom Betroffenen nicht selbst erkannt werden könnten, handele es sich um eine aus der Luft gegriffene Behauptung. Aufgrund des Zeitablaufs stehe auch nicht konkret fest, wann genau welche schädigungsbedingten Störungen welche Auswirkungen gezeigt hätten. Damit lasse sich nicht feststellen, für welche Zeiten der Kläger tatsächlich an einer früheren Antragstellung gehindert gewesen sei.

6

Gegen das dem Kläger am 2. November 2005 zugestellte Urteil richtet sich seine am 22. November 2005 eingelegte Berufung. Der Kläger trägt vor, bereits bei der Beantragung von Erwerbsunfähigkeitsrente im Jahre 1987 seine damaligen Bevollmächtigte Frau Q. (Landwirtschaftlicher Kreisverein R.) darauf hingewiesen zu haben, dass seine Erwerbsunfähigkeit auf der kriegsbedingten psychischen Erkrankung beruhe. Obwohl er dies damals auch gegenüber der HLAK angegeben habe, hätten ihn weder Frau Q. noch die HLAK auf eine Antragstellung beim Versorgungsamt hingewiesen. Erst nach einer erneuten Rechtsberatung durch Frau Q. sei dann der Antrag gestellt worden.

7

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    das Urteil des SG Osnabrück vom 11. Oktober 2005 sowie den Bescheid des Beklagten vom 14. Juli 2003 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2003 aufzuheben,

  2. 2.

    den Beklagten zu verpflichten, die Bescheide vom 3. März 1993 (i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 1993) und 9. August 2000 (i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2001 und des Ausführungsbescheides vom 16. Oktober 2002) insoweit zurückzunehmen, als Versorgungsleistungen für die Zeit vor dem 1. Januar 1995 abgelehnt wurden,

  3. 3.

    den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger auch für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Dezember 1994 Versorgungsleistungen nach einer MdE von 50 v.H. zu gewähren.

8

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

9

Er hält das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Auch eine etwaige Unkenntnis der Rechtslage könne keine Versorgungsansprüche für die Zeit vor Antragstellung begründen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die den Kläger betreffenden Versorgungs- und Schwerbehinderten-Akten des Beklagten, die Gerichtsakten S 9 V 25/93 und S 2 V 6/01 (SG Osnabrück) und die erst- und zweitinstanzliche Gerichtsakte verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

11

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Beklagte und das SG haben einen Anspruch des Klägers auf Versorgungsleistungen für die im Berufungsverfahren nur noch streitbefangene Zeit vom 1. Oktober 1950 (Inkrafttreten des BVG) bis 31. Dezember 1994 zutreffend verneint. Entsprechende Versorgungsansprüche scheiden bereits aufgrund der vierjährigen Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X aus.

12

Bei dem streitbefangenen Antrag vom 8. April 2003 auf Versorgungsleistungen für die Zeit vor dem 1. Januar 1995 handelt es sich nicht um einen Erstantrag nach dem BVG. Vielmehr hatte der Beklagte bereits mit Bescheiden vom 3. März 1993 (i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 1993) und 9. August 2000 (i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2001 und des Ausführungsbescheides vom 16. Oktober 2002) die Gewährung von Versorgungsleistungen für die Zeit vor 1995 bestandskräftig abgelehnt. Schließlich hatte der Kläger mit seinem Erstantrag vom 6. Mai 1992 nicht nur Versorgungsleistungen für die Zukunft beantragt, sondern eine Entscheidung über seinen Versorgungsanspruch insgesamt. Auf diesen und auf den Folgeantrag vom 9. Januar 1998 hat der Beklagte mittels der genannten Bescheide entschieden, dass ein Anspruch auf Versorgungsleistungen erst ab dem 1. Januar 1995 besteht; für den davor liegenden Zeitrum wurden Leistungen dagegen ausdrücklich abgelehnt. Mangels eines (weiteren) Rechtsbehelfs gegen den Ausführungsbescheid vom 16. Oktober 2002 ist diese Regelung bestandskräftig geworden (§ 77 SGG). Dementsprechend ist - noch vor der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für Versorgungsansprüche für die Zeit vor 1995 - vorab zu prüfen, ob und ggf. inwieweit verfahrensrechtlich überhaupt noch eine Abänderung der bereits bestandskräftig gewordenen vorangegangenen Bescheide möglich ist. Zwar können nach 44 SGB X Verwaltungsakte, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn bei Erlass dieser Verwaltungsakte das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Zu Unrecht nicht erbrachte Sozialleistungen können jedoch längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahre vor der Rücknahme erbracht werden (§ 44 Abs. 4 SGB X). Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die als zwingendes Recht - also unabhängig von einer Geltendmachung durch die Versorgungsverwaltung - zu beachten ist (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juli 1986 - 1 Ra 31/85, BSGE 60, 158; Kasseler Kommentar/Steinwedel, § 44 SGB X Rn. 49). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der Frist ist im vorliegenden Fall der Zeitpunkt der Antragstellung (§ 44 Abs. 3 Satz 3 SGB X). Da der Kläger den streitbefangenen Antrag auf Leistungen auch für die Zeit vor 1995 erst am 8. April 2003 gestellt hat, kommt nach § 44 Abs. 4 SGB X eine rückwirkende Leistungsgewährung allenfalls für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 7. April 2003 in Betracht. In diesem Zeitraum hat der Kläger die ihm zustehenden Versorgungsleistungen jedoch bereits auf der Grundlage des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2001 und des Ausführungsbescheides vom 16. Oktober 2002 erhalten. Ansprüche für davor liegende Zeiten sind dagegen nach § 44 Abs. 4 SGB X endgültig ausgeschlossen (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit dieser Ausschlussfrist: BSG - Großer Senat - , Beschluss vom 15. Dezember 1982 - GS 2/80, BSGE 54, 223; BSG, Urteil vom 23. Juli 1987 - 1 RA 31/85, BSGE 60, 158).

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Lediglich hilfsweise weist der erkennende Senat darauf hin, dass - wie der Beklagte und das SG zutreffend ausgeführt haben - der Kläger auch nicht die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung für die Zeit vor Antragstellung erfüllt. Grundsätzlich sind Versorgungsleistungen ab dem 1. Tag des Antragsmonats zu gewähren (§ 60 Abs. 1 S. 1 BVG). Erst mit Wirkung ab 1. Januar 1979 wurde das BVG dahingehend geändert, dass für den Fall, dass der Betroffene an einer früheren Antragstellung ohne sein Verschulden verhindert war, Versorgungsleistungen auch für die Zeit vor Antragstellung gewährt werden können (§ 60 Abs. 1 S. 3 BVG i.d.F. von Art. 1 Nr. 37 und Art. 8 des Zehnten Anpassungsgesetzes-KOV vom 10. August 1978, BGBl. I, S. 1217). Entgegen dem Vortrag des Klägers war dieser jedoch nicht gehindert, bereits vor 1992 einen Antrag auf Entschädigungsleistungen nach dem BVG zu stellen. Auch wenn der Kläger durch seine psychische Erkrankung sowohl in seiner allgemeinen Lebensführung als auch im Erwerbsleben erheblich eingeschränkt war bzw. ist, stand diese Erkrankung einer Antragstellung beim Beklagten in der Zeit ab 1. Oktober 1950 (Inkrafttreten des BVG) nicht entgegen. Die Biographie des Klägers zeigt, dass er trotz seiner Erkrankung in der Lage war, seine Angelegenheiten zu regeln: So ging er nach dem Kriege einer Erwerbstätigkeit in der Landwirtschaft nach, besuchte über zwei Winterhalbjahre die Landwirtschaftsschule J., ging eine partnerschaftliche Beziehung ein und heiratete im Jahre 1950. In der Folgezeit war er in der Lage, in seinem Familienverband mehrere eigene Kinder aufzuziehen. Er regelte auch seine Sozialversicherungsangelegenheiten, indem er z.B. im Juli 1987 bei der HLAK vorzeitiges Altersruhegeld beantragte. In diesem Verwaltungsverfahren machte der Kläger - wenn auch u.U. nur mit Hilfe seiner Ehefrau bzw. der Rechtsberaterin des Landwirtschaftlichen Kreisvereins R. - die erforderlichen sachdienlichen Angaben. Zudem hat der Kläger auch bereits in der Zeit vor seinem Erstantrag nach dem BVG zu Kriegsereignissen sowie zu aktuellen politischen Fragen schriftlich Stellung nehmen können (vgl. Leserbrief des Kläger vom Februar 1991, Bl. 13 der Verwaltungsakte). Dementsprechend kann die ärztliche Bescheinigung des Dr. P. vom 15. August 2003, wonach dem Kläger eine Antragstellung frühestens ab 1998 (nämlich erst nach eingehenden ärztlichen Gesprächen mit dem Kläger) möglich gewesen sein soll, nicht überzeugen: Der Kläger hat nicht erst 1998, sondern bereits im Jahre 1992 seinen Erstantrag auf Versorgungsleistungen gestellt. Nach dem Gesamtergebnis der Ermittlungen dürfte die späte Antragstellung somit nicht auf die gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers, sondern in erster Linie auf die Unkenntnis bzgl. etwaiger Entschädigungsansprüche zurückzuführen sein (so der Kläger auch ausdrücklich gegenüber den Gutachtern Dres. L. und S. (vgl. S. 16 des Gutachtens vom 23. Mai 2000) und Dr. O. (vgl. S. 7 des Gutachtens vom 29. Mai 2002)). Sogar im Berufungsverfahren hat der Kläger erneut vorgetragen, dass die Antragstellung erst nach einer erneuten Rechtsberatung durch den Landwirtschaftlichen Kreisverein R. erfolgt sei (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 18. Januar 2007). Rechtsunkenntnis (also das fehlende Wissen um einen möglicherweise bestehenden Anspruch bzw. Entschädigungstatbestand) stellt jedoch keinen Anwendungsfall des § 60 Abs. 1 Satz 3 BVG dar (BSG, Urteil vom 15. August 2000 - B 9 VG 1/99 R, SozR 3-3100 § 60 Nr. 3; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. Oktober 2002 - L 10 V 16/02 m.w.N.; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. November 2003 - L 7 (5) VG 22/02, Breithaupt 2004, 676; Rohr/Strässer, Bundesversorgungsrecht, § 60 - K 4). Dass diese Unkenntnis nach dem Vortrag des Klägers im Jahre 1987 von der Rechtsberaterin Q. (Landwirtschaftlicher Kreisverein R.) nicht beseitigt worden sein soll, vermag ein mangelndes Verschulden des Klägers i.S.d. § 60 Abs. 1 S. 3 BVG nicht zu begründen. Vielmehr muss sich der Kläger ein etwaiges Verschulden seiner Bevollmächtigten zurechnen lassen (Kasseler Kommentar/Krasney § 13 Rn 8; von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005, § 13 Rn 3; vgl. auch § 27 Abs. 1 S. 2 SGB X). Der Vortrag des Klägers, im Jahre 1987 auch gegenüber der HLAK seine Kriegsbeschädigung angegeben zu haben und gleichwohl nicht richtig beraten worden zu sein, steht im Widerspruch zu seinem am 31. Juli 1987 unterschriebenen Rentenantrag (vgl. Antwort des Klägers zur Frage C.2, wonach eine Kriegsverletzung als (mögliche) Ursache der Erwerbsunfähigkeit ausdrücklich verneint wurde).

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

15

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.