Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.09.2000, Az.: 4 U 141/00

Zugrundelegung des Nominalwerts des Grundpfandrechts bei Erteilung einer Löschungsbewilligung für zwei Sicherungshypotheken ; Festsetzung des Streitwerts weit über dem wirtschaftlichen Wert des Verfahrens; Verletzung des Justizgewährungsanspruchs der kostenbelasteten beklagten Partei im Zivilprozess; Problematik des Verhältnisses von Streitwert zur wirtschaftlichen Bedeutung des Rechtsstreits; Voraussetzungen für eine Verfassungswidrigkeit der Streitwertfestsetzung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.09.2000
Aktenzeichen
4 U 141/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 31231
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2000:0905.4U141.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 23.05.2000 - AZ: 3 O 383/99

Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters xxx sowie
der Richter xxx und xxx
am 5. September 2000
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts xxx vom 23. Mai 2000 unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise geändert.

Der Streitwert wird - auch für das Berufungsverfahren - auf 156.274 DM festgesetzt.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

I.

Die Klägerin verlangt die Erteilung der Löschungsbewilligung für zwei Sicherungshypotheken über nominal 500.000 DM, die Beklagte ist dazu nur gegen Zahlung von 85.600 DM bereit, von denen ein Betrag von 70.343 DM auf die Hauptforderung und der Rest auf Zinsen entfällt. Das Landgericht hat den Streitwert auf 567.943 DM festgesetzt, die Beklagte und Beschwerdeführerin erstrebt eine Herabsetzung auf 80.600 DM, jedenfalls auf die zwischen den Parteien streitige Forderung von 85.660 DM.

2

II.

Das Rechtsmittel ist gemäß § 25 Abs. 3 GKG zulässig und teilweise begründet.

3

1.

In Rechtsprechung und Literatur (ausführliche Nachweise bei Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl., Rdn. 16 zu § 3 zum Stichwort Löschung; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 58. Aufl. Rdn. 12 zu § 6; Schneider, Streitwertkommentar, 11. Aufl. Rdn. 2795 ff.) konnte bisher keine Einigung darüber erzielt werden, ob bei einer Klage auf Erteilung der Löschungsbewilligung der Nominalwert des Grundpfandrechts oder nur derjenige Betrag für den Streitwert zu Grunde gelegt werden soll, von dessen Zahlung der Grundpfandrechtsinhaber die Erteilung der Löschungsbewilligung abhängig macht. Sogar für Extremfälle, in denen sich der Beklagte gar keiner Forderung mehr berühmte, die Parteien vielmehr lediglich darüber stritten, wer die Löschungskosten von wenigen 100 DM (vgl. § 68 KostO) zu tragen habe, ist in der Rechtsprechung (OLG Frankfurt, JurBüro 1977, 720; weitere Nachweise bei Schneider, a.a.O.) zum Teil die Auffassung vertreten worden, der Streitwert sei gleichwohl auf den unter Umständen mehrere 100.000 DM betragenden Nominalwert des Rechts festzusetzen.

4

Auch der Senat hat in veröffentlichten Entscheidungen (OLG Celle, MDR 1977, 935 [OLG Celle 29.06.1977 - 3 W 7/77]) auf den Nominalwert abgestellt, in späteren Jahren - ohne diese Änderung der Rechtsprechung allerdings zu publizieren - aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf die Restforderung (4 W 45/96 vom 28. Februar 1996) und später dann wieder mit der vorherrschenden Meinung (4 W 215/98 vom 11. September 1998) den Nominalwert zu Grunde gelegt.

5

2.

Nach einer neueren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (NJW-RR 2000, 946 [BVerfG 16.11.1999 - 1 BvR 1821/94] m. w. Rechtsprechungsnachweisen zum Streitstand) verletzt es den Justizgewährungsanspruch der kostenbelasteten beklagten Partei im Zivilprozess, wenn durch eine Festsetzung des Streitwerts weit über dem wirtschaftlichen Wert des Verfahrens bereits die Kosten einer Gerichtsinstanz ihr wirtschaftliches Interesse an einer Rechtsverteidigung übersteigen. Die Entscheidung bezieht sich ausdrücklich auf den Streitwert eines Anspruchs auf Löschung einer Grundschuld oder Sicherungshypothek.

6

3.

Der erwähnte Beschluss des Verfassungsgerichts gibt dem Senat Anlass, seine Rechtsprechung zum Streitwert bei Löschungsklagen zu modifizieren.

7

a)

In diesem Zusammenhang sei zunächst darauf hingewiesen, dass sich die angesprochene Problematik des Verhältnisses von Streitwert zur wirtschaftlichen Bedeutung des Rechtsstreits auch in anderen Bereichen stellt. In einer Entscheidung des Senats aus dem Jahre 1997 (OLG Celle, NdsRpfl. 1997, 140 = NJW-RR 1998, 141) ging es um einen Fall, in dem der Kläger sich vom Beklagten ein Haus im Werte von mehreren 100.000 DM hatte errichten lassen und der Beklagte die Auflassung mit der Begründung verweigerte, ihm stehe noch ein verhältnismäßig geringfügiger Restwerklohn zu, während der Kläger diesen auf Grund von Mängeln meinte nicht mehr zu schulden. Auch bei dieser Konstellation konnten sich die Gerichte (ausführliche Rechtsprechungsnachweise in der zitierten Entscheidung sowie bei OLG Frankfurt, NJW-RR 1996, 636) bisher nicht darauf verständigen, ob § 3 oder § 6 ZPO heranzuziehen und der Streitwert auf einen Bruchteil des Wertes des Hausgrundstücks oder nur auf den meist wesentlich geringeren Betrag festzusetzen ist, von dem der Beklagte die Auflassungserklärung abhängig macht.

8

b)

Obwohl das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich eine Verfassungswidrigkeit der Streitwertfestsetzung nur dann annimmt, wenn bereits die Kosten der ersten Instanz das wirtschaftliche Interesse des Beklagten überschreiten, liegt es auf der Hand, dass die Maßstäbe für die Streitwertfestsetzung für sämtliche Fallkonstellationen einheitlich sein sollten und es geradezu abwegig wäre, bei einem Grundpfandrecht über 500.000 DM dann, wenn nur über Löschungskosten oder über eine Restforderung von 5.000 DM gestritten wird, nur diese Löschungskosten oder die 5.000 DM als Streitwert anzunehmen, bei einer Restforderung des Grundpfandrechtsinhabers von 200.000 DM aber den Nominalbetrag von 500.000 DM zu Grunde zu legen.

9

4.

Der Senat vermag sich im Ergebnis nicht der Meinung einiger Oberlandesgerichte (OLG Hamburg, MDR 1975, 846; OLG Köln, MDR 1980, 1025 [OLG Köln 02.07.1979 - 20 W 18/79]) anzuschließen, der Streit sei nur nach dem Betrag der zu sichernden Forderung anzusetzen (wobei das OLG Hamburg allerdings bereits die Idee hatte, 5 % des Nennbetrages für den Streitwert zu Grunde zu legen).

10

a)

In Rechtsprechung und Literatur besteht bisher Einigkeit, dass sich der Streitwert nach dem Interesse des Klägers (im Rechtsmittelverfahren: nach dem des Berufungsklägers) richtet. Der Senat hat sich in diesem Zusammenhang für den Fall einer Klage auf Abgabe einer Auflassungserklärung (NdsRpfl. 1997, 140 = NJW-RR 1998, 141) bereits ausführlich mit dem Aspekt befasst, dass sich das Interesse des Klägers sowohl bei einer Auflassungserklärung als auch bei der hier interessierenden Löschungsbewilligung n i c h t darauf beschränkt, den vom Beklagten noch geforderten - möglicherweise sehr geringen - Restbetrag der Forderung oder die Löschungskosten nicht zahlen zu müssen, denn ein Haus mit einem Verkehrswert von 700.000 DM, auf dem Grundpfandrechte von 500.000 DM lasten, hinsichtlich derer man um die Löschungsbewilligung streitet, ist nur noch sehr bedingt verkehrsfähig, d. h. schwer veräußerlich und scheidet als Beleihungsobjekt und damit als Kreditsicherungsmittel aus, denn jeder Käufer müsste die Grundschulden übernehmen und deshalb damit rechnen, in Höhe des Grundschuldbetrages nebst dinglicher Zinsen - die häufig 15 % oder mehr betragen - in Anspruch genommen zu werden. Dem Grundeigentümer würde es auch nichts nützen, einem potenziellen Käufer mitzuteilen, dass der Grundschuldinhaber sich nur noch einer verhältnismäßig geringen Restforderung berühme, weil der Interessent nicht sicher sein könnte, über den letzten Stand der Dinge informiert zu sein und vor allem auch nicht davor geschützt ist, dass zu Lasten des Eigentümers in Zukunft weitere Forderungen entstehen oder jedenfalls - wenn auch möglicherweise zu Unrecht - geltend gemacht werden. Dementsprechend dürfte auch kaum eine Bank bereit sei, in der geschilderten Konstellation Kredite zu gewähren. Bei Grundschulden besteht darüber hinaus die Gefahr eines gutgläubigen Erwerbs zum Nominalwert (§ 892 BGB).

11

b)

Die je nach den Umständen aufgehobene oder jedenfalls stark eingeschränkte Verkehrsfähigkeit des Objekts rechtfertigt es, den Streitwert in der Weise festzusetzen, dass jedenfalls im Regelfall zunächst die noch streitige Restforderung und von dem dann verbleibenden Nominalbetrag 20 % zu Grunde gelegt werden. Dementsprechend beträgt der Streitwert bei einer Grundschuld über 500.000 DM dann, wenn der Grundschuldinhaber sich einer Restforderung von 100.000 DM berühmt, 180.000 DM. Eine derartige Festsetzung trägt dem wirtschaftlichen Interesse beider Parteien Rechnung, ermöglicht sachgerechte Ergebnisse und enthält auch keinen Systembruch, weil der Streitwert umso höher gesetzt wird, je höher die vom Beklagten geltend gemachte Restforderung und damit das wirtschaftliche Interesse der Beteiligten ist.

12

c)

Wie der Senat bereits in der mehrfach zitierten Entscheidung zur Erteilung einer Auflassung ausgeführt hat, besteht Anlass, von der zuvor erwähnten typisierenden Betrachtungsweise dann Abstand zu nehmen, wenn der Kläger zusätzliche konkrete Nachteile vorträgt, z.B. denkbar für einen Gewerbebetrieb, der in Konkurs zu geraten droht, weil er wegen der verweigerten Löschungsbewilligung keine Kredite aufnehmen kann.

13

4.

Nach dem zuvor Gesagten ist der Streitwert bei einer Auseinandersetzung um die Löschungsbewilligung einer Grundschuld über 500.000 DM auf ca. 100.000 DM selbst dann festzusetzen, wenn der Beklagte die Löschung nur von der Zahlung der Kosten in Höhe von - gerundet - 500 DM abhängig macht.

14

a)

Die Festsetzung auf 20 % des Nominalwertes könnte allerdings unter Berücksichtigung der erwähnten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Problemen führen, denn dort heißt es, Verfassungswidrigkeit sei schon anzunehmen, wenn das Gebührenrisiko für eine Instanz das wirtschaftliche Interesse eines Beteiligten überschreite. Wenn damit zwingend stets auch der Beklagte gemeint sein sollte, dessen Interesse nur mit wenigen hundert DM zu veranschlagen ist, würde dies, weil die Gerichte an die Entscheidung des Verfassungsgerichts gemäß § 31 BVerfGG gebunden sind, zu der Annahme nötigen, den Streitwert nur auf die Kosten der ersten Instanz nach diesem Streitwert festzusetzen (sechs Anwalts- und drei Gerichtsgebühren sowie eventuelle Sachverständigenkosten). Wenn man die Entscheidung des Verfassungsgerichts in diesem Sinne verstehen müsste, wäre aber die gesamte unumstrittene Zivilrechtsprechung aus den Angeln gehoben, die davon ausgeht, dass es für den Streitwert auf das Interesse des Klägers ankommt und dieser eben nach dem zuvor Gesagten kaum mehr in der Lage ist, seinen Grundbesitz zu verwerten oder zu belasten.

15

b)

Darüber hinaus hat der Senat in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1997 bereits den Gedanken anklingen lassen, dass es aus Gründen der Gerechtigkeit schwerlich geboten sein kann, den Streitwert herabzusetzen, wenn die Parteien eine bestimmte Verfahrensweise gerade deshalb wählen, um auf den Gegner Druck auszuüben und ihm möglicherweise sogar Schaden zuzufügen, während ihnen auch eine Handhabung zur Verfügung steht, bei der Kosten in dieser Höhe überhaupt nicht anfielen. Wenn die Parteien nämlich lediglich um die Löschungskosten einer Grundschuld von 500.000 DM streiten, so würden sie, wenn sie nur ein Minimum von Vernunft an den Tag legen würden, die Löschungskosten von wenigen 100 DM unter Vorbehalt zahlen oder hinterlegen, die Löschungsbewilligung erteilen und um diesen geringen Betrag sodann einen Prozess führen. Beide Parteien könnten einander in einem derartigen Fall auch eine Teillöschungsbewilligung hinsichtlich eines Betrages von 499.000 DM anbieten - der Beklagte könnte in dieser Höhe anerkennen -, wenn ihnen denn an einer Minimierung der Verfahrenskosten gelegen wäre, wobei das Problem weniger im juristischen als im praktischen Bereich liegt, weil nicht gewährleistet ist, dass die Parteien in diesem Zusammenhang richtig beraten werden und auch die Gerichte nach der Erfahrung des Senats in derartigen Fällen bedauerlicherweise nur selten den Vorschlag unterbreiten, den streitigen Betrag (zuzüglich Prozesskosten) zu hinterlegen oder eine Teillöschungsbewilligung zu erteilen. Ein Streitwert von lediglich 2.000 DM bis 3.000 DM bei einer Auseinandersetzung nur um die Löschungskosten würde für den Beklagten geradezu einen Anreiz bieten, angesichts seines geringen wirtschaftlichen Risikos und der Probleme des Klägers mit der Verwertung des Grundstücks sich einer der zuvor angesprochenen vernünftigen Lösungsmöglichkeiten (Teillöschungsbewilligung, Hinterlegung der Löschungskosten) zu verschließen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Übrigen selbst auf den vernünftig abwägenden Rechtsuchenden abgestellt (BVerfG NJW 1992, 1673, 1674); es ist aber in grobem Maße unvernünftig, bei Löschungskosten von 500 DM eine Grundschuld von 500.000 DM zu blockieren und dem Gegner einen möglichst hohen Schaden zuzufügen, anstatt die Hinterlegung der 500 DM vorzuschlagen.

16

c)

Ausschließlich auf das Interesse der Partei abzustellen, die das geringere wirtschaftliche Interesse am Prozess hat, verbietet auch § 48 Abs. 3 WEG, weil nach dieser Vorschrift bei der Festsetzung des Geschäftswerts das Interesse sämtlicher Wohnungseigentümer zu berücksichtigen ist. Die Vorschrift trägt dem Gedanken Rechnung, dass es dann, wenn beispielsweise ein Eigentümer einen Beschluss über die Ersetzung der alten einfach verglasten Holzfenster durch doppelverglaste Fenster anficht, für den Geschäftswert nicht ausschließlich auf den Betrag ankommen soll, den dieser Eigentümer nicht zahlen müsste, wenn die Beschlussanfechtung Erfolg hat, weil dem Gesetzgeber bewusst ist, dass in diesem Fall der Eigentümergemeinschaft unter Umständen erheblich größere Nachteile durch zusätzlichen Lärm sowie höhere Heiz- und Reparaturkosten entstehen. Das Bundesverfassungsgericht (NJW 1992, 1673) hat aber zu dieser Vorschrift aber auch nur eine verfassungskonforme Auslegung in dem Sinne angemahnt, dass ein vernünftiges Verhältnis zwischen Einzel- und Gesamtinteresse bestehen müsse, nicht jedoch gefordert, dass der Geschäftswert nur nach den Interessen e i n e s Wohnungseigentümers festzusetzen sei. Dem ist durch die Einfügung von § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG auch Rechnung getragen worden.

17

d)

Der Gedanke, den Streitwert ausschließlich an derjenigen Partei zu orientieren, deren wirtschaftliches Interesse geringer ist, ohne die der anderen Seite drohenden wirtschaftlichen Nachteile zu berücksichtigen, würde nach Auffassung des Senats auch den Grundsatz der Waffengleichheit verletzen, denn der Gedanke des Verfassungsgerichts, der Beklagte müsse in seiner Entscheidung, ob er sich auf einen Prozess einlasse, frei sein, gilt auch für den Kläger. Wenn sich indessen jemand ein Haus für 500.000 DM bauen lässt und der Beklagte unter Berufung auf einen Restwerklohn von 5.000 DM die Auflassung verweigert, während der Kläger diesen Betrag wegen Mängeln glaubt nicht zu schulden, dann wäre, wenn man den Streitwert ausschließlich nach dem Interesse des Beklagten nach den Prozesskosten erster Instanz bei einem Streitwert von 5.000 DM festsetzt, der Kläger, der das Haus nicht verkaufen, keinen Kredit aufnehmen kann und dem - wie in der Entscheidung aus dem Jahre 1996 vorgetragen - die Banken die Kreditkündigung androhen, weil er ihnen kein verwertbares Objekt zur Sicherheit zur Verfügung stellt, in seiner Entscheidung auch nicht ansatzweise mehr frei, denn es bliebe ihm überhaupt nichts anderes übrig, als 5.000 DM unter Vorbehalt zu zahlen und seinerseits den Klageweg zu beschreiten, denn er könnte sich schlechterdings nicht auf einen jahrelangen Prozess mit Sachverständigengutachten über die Existenz von Mängeln einlassen.

18

Darüber hinaus sollten auch die praktischen Konsequenzen einer Entscheidung nicht außer Betracht gelassen werden, die sich beispielsweise daraus ergeben, dass der Beklagte die geradezu auf der Hand liegende Strategie wählt, dem Kläger am Telefon zu erklären, er werde auch bei einer Zahlung unter Vorbehalt keine Löschungsbewilligung bzw. Auflassungserklärung abgeben. Dem Kläger bliebe in einer derartigen Situation angesichts der dargelegten ihm drohenden wirtschaftlichen Nachteile überhaupt nichts anderes übrig, als ohne Vorbehalt zu zahlen und dann im Folgeprozess den schwierigen Nachweis zu führen, dass der Beklagte dies von ihm gefordert hatte. Selbst wenn ihm dieser Beweis gelingt, müsste er dann noch ein Gericht finden, das diese Praktiken des Beklagten als rechtswidrig ansieht. Wie gering die Chancen des Klägers dann einzuschätzen sind, vermag man zu ermessen, wenn man die Rechtsprechung zu dem im Baurecht häufigen Fall betrachtet, bei dem ein Unternehmer in der Überzeugung, ein mangelfreies Werk erstellt zu haben, einen Restwerklohn von 100.000 DM fordert und der Besteller ihm 50.000 DM per Scheck mit der ausdrücklichen Bedingung übersendet, diesen nur einlösen zu dürfen, wenn der Unternehmer auf seine Restforderung verzichte. Die Rechtsprechung hält eine derartige Verfahrensweise grundsätzlich für zulässig (BGH BGH NJW-RR 1986, 415; weitere Rechtsprechungsnachweise bei Schneider, MDR 2000, 857 [BGH 15.06.2000 - III ZR 305/98]) und prüft nur selten noch die Frage, ob das Verhalten des Bestellers, der möglicherweise sogar weiß, dass keine oder nur minimale Mängel bestehen, eine "Erpressung" ist, während ein Bauunternehmen leicht in Konkurs gehen kann, wenn mehrere Auftraggeber - zu Unrecht - derartige Abschläge in beträchtlicher Höhe vornehmen. Man könnte deshalb jedem Rechtsanwalt des Beklagten nur empfehlen, dem Kläger die Löschungsbewilligung bzw. die Auflassungserklärung zu übersenden mit der Treuhandauflage, davon nur Gebrauch zu machen, wenn er die Löschungskosten oder die restliche Forderung bezahle. Ein Eigentümer, der auf diese Erklärungen, weil er Kredite braucht oder verkaufen will, angewiesen ist, hat nahezu keinen Entscheidungsspielraum mehr. Es kann verfassungsrechtlich jedoch schwerlich geboten sein, Streitwerte festzusetzen, die es einer Partei ermöglichen, mit minimalem Kostenrisiko der anderen Seite unter Umständen erheblichen Schaden zuzufügen.

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5.

Der Senat hält es für geboten, Sicherungshypotheken - obwohl akzessorisch zur Forderung - sowie Grundschulden gleich zu behandeln, weil der Gesichtspunkt der eingeschränkten Verkehrsfähigkeit für beide gilt.

20

6.

[s. Streitwertbeschluss]

21

7.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 25 Abs. 4 GKG.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird - auch für das Berufungsverfahren - auf 156.274 DM festgesetzt.

Die konkrete Streitwertfestsetzung ergibt sich daraus, dass Zinsen gemäß § 4 ZPO nicht zu berücksichtigen sind und der Antrag zu 2 keine selbstständige wirtschaftliche Bedeutung hatte. Somit betrug die Gegenforderung gemäß der Klageerwiderung 70 343 DM, hinzuzusetzen sind 20% der Differenz zu 500 000 DM, d.h. 85 931 DM. Die Beweisaufnahme hat nicht nur nach einem Wert von 50.000 DM stattgefunden, weil die gesamte Klage hätte abgewiesen werden müssen, sofern noch 50.000 DM geschuldet waren.