Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.01.2010, Az.: 1 K 102/09

Steuerliche Anerkennung von Fahrtenbüchern

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
28.01.2010
Aktenzeichen
1 K 102/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 37768
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2010:0128.1K102.09.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 09.06.2011 - AZ: X B 47/10

Einkommensteuer 2003 - 2006
Umsatzsteuer 2003 - 2006

Zur Bezeichnung des Klagebegehrens durch den Antrag in der Klageschrift

Tatbestand

1

Streitig ist in formeller Hinsicht, ob die Klage unzulässig geworden ist. Materiell geht es um die Frage, ob Fahrtenbücher steuerlich anzuerkennen sind.

2

Der Kläger ist Versicherungsvertreter. Im Anschluss an eine Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2003 bis 2005 lehnte es der Beklagte (das Finanzamt) dem Prüfer folgend ab, die vom Kläger geführten Fahrtenbücher, aus denen sich eine private Nutzung des betrieblichen Kraftfahrzeugs von 0 v. H. ergab, der Besteuerung zugrunde zu legen. Es berücksichtigte bei der Gewinnermittlung eine Privatnutzung nach der sog. 1 v. H. - Regelung und erhöhte auch die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage. Die Verwerfung der Fahrtenbücher war die einzige Prüfungsfeststellung. Für das Jahr 2006 führte der Prüfer insoweit Einzelermittlungen nach§ 88 Abgabenordnung (AO) durch. In den Einspruchsverfahren gegen die so geänderten Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 2003 - 2006 vom 28. August 2008 war nur dieser Punkt streitig. Das Finanzamt wies die Einsprüche mit Bescheiden vom 31. Februar 2009 als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die Klage.

3

Der Kläger beantragte in seiner Klageschrift, die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerfestsetzungen 2003 - 2006 aufzuheben und "eine neue geänderte Entscheidung zu treffen" bzw. "durch neue abgeänderte Bescheide zu ersetzen". Eine Begründung der Klage sollte folgen, wurde aber trotz Aufforderung nicht vorgelegt.

4

Durch richterliche Verfügung vom 28. Juli 2009 ist dem Kläger gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgegeben worden, bis zum 30. August 2009, einem Sonntag, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen. Die Verfügung enthält den Hinweis, die Klage werde bei nicht fristgerechter Bezeichnung des Klagebegehrens unzulässig. Die Verfügung ist den Prozessbevollmächtigten am 4. August 2009 zugestellt worden. Der Kläger äußerte sich bis zum Fristablauf nicht.

5

Der Berichterstatter wies die Klage durch Gerichtsbescheid vom 19. Oktober 2009 mit der Begründung, das Klagebegehren sei nicht bezeichnet worden, als unzulässig ab. Der Gerichtsbescheid wurde den Prozessbevollmächtigten am 28. Oktober 2009 zugestellt. Sie beantragten mit einem am 25. November 2009 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz mündliche Verhandlung.

6

Der Kläger meint, das Klagebegehren sei bereits in der Klageschrift, nämlich in den Anträgen, bezeichnet worden. Auf die Amtsermittlungspflicht des Gerichts werde hingewiesen. Aus der Finanzamtsakte hätte der in Rede stehende Sachverhalt leicht ermittelt werden können. In einem Schriftsatz vom 2. September 2009 wird ausgeführt, zur Begründung der Klage werde auf die dem Finanzamt vollständig vorliegenden Steuererklärungen verwiesen. Es habe eingereichte Unterlagen des Klägers ohne jegliche Begründung nicht berücksichtigt. Mit der Klage werde das außergerichtlich geltend gemachte Begehren weiterverfolgt.

7

Der Kläger beantragt,

unter Änderung der Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide 2003 bis 2006 vom 28. August 2008 und der Einspruchsbescheide vom 31. März 2009 die Steuerfestsetzungen insoweit herabzusetzen, als sie auf der Annahme einer privaten Nutzung des betrieblichen Kraftfahrzeugs beruhen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Er meint, die Klage sei aus den im Gerichtsbescheid aufgeführten Gründen unzulässig. Im Übrigen seien die Fahrtenbücher nicht ordnungsgemäß.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage ist unzulässig. Der Kläger hat den Gegenstand des Klagebegehrens innerhalb der zum 30. August 2009 richterlich gesetzten Frist mit ausschließender Wirkung nicht bezeichnet.

11

§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO erfordert für eine Anfechtungsklage neben der Angabe des Klägers, des Beklagten und des angefochtenen Verwaltungsakts sowie der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zusätzlich die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens. Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende oder der von ihm bestimmte Berichterstatter den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern (§ 65 Abs. 2 Satz 1 FGO). Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Erfordernisse fehlt (§ 65 Abs. 2 Satz 2 FGO). Entspricht die eingereichte Klage den in § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO genannten Erfordernissen, ist eine gleichwohl verfügte Ausschlussfrist hinfällig (BFH-Beschluss vom 17. Oktober 1996 V B 75/96, BFH/NV 1997, 415); entspricht sie ihnen nicht, ist die Klage unzulässig.

12

Im Streitfall genügt die Klage den Anforderungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht. Zu der Bezeichnung des Klagegegenstands gehört, dass das Ziel der Klage hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird (Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 26. November 1979 GrS 1/78, BStBl II 1980, 99); denn das Gericht kann dem aus § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO sich ergebenden Verbot, über das Klagebegehren hinauszugehen, nur entsprechen, wenn der Kläger den Umfang des begehrten Rechtsschutzes bestimmt hat. Für eine ausreichende Bezeichnung des Streitgegenstandes ist es daher erforderlich, dass der Kläger substantiiert darlegt, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze.

13

Daran fehlt es hier. Aus den Akten ergibt sich zwar, dass die Änderungen der Steuerfestsetzungen im Anschluss an die Außenprüfung nur auf einer Prüfungsfeststellung - bezüglich der privaten Kfz-Nutzung - beruhten und im Einspruchsverfahren auch nur diese Feststellung streitig war. Der Kläger hatte bis zum Fristablauf aber nicht mitgeteilt, dass er an seinem bisher verfolgten Begehren festhalten wolle. Hätte der Kläger nur die Aufhebung der nach der Außenprüfung ergangenen Bescheide beantragt, hätte daraus möglicherweise geschlossen werden können, dass er auch im Klageverfahren nur anstrebt, die Änderungen im Anschluss an die Außenprüfung rückgängig zu machen. Durch die Aufhebung wären die vor der Außenprüfung gültigen Bescheide wieder aufgelebt. Der Kläger hat jedoch zusätzlich zu der Aufhebung der nach der Außenprüfung ergangenen Bescheide auch beantragt, hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzungen "eine neue geänderte Entscheidung zu treffen" bzw. die angefochtenen Einkommensteuerbescheide "durch neue abgeänderte Bescheide zu ersetzen". Dieser Antrag deutet darauf hin, dass die Klage aus anderen, im bisherigen Verfahren nicht erörterten Gründen erhoben worden ist und der Kläger nicht etwa nur die Aufhebung der angefochtenen Bescheide anstrebt. Das Gericht war damit aufgrund der Angaben in der Klageschrift nicht - wie erforderlich (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, § 65, 47) - in der Lage, die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis zu bestimmen.

14

Dass durch die bloße Bezeichnung des angefochtenen Bescheids der Gegenstand des Klagebegehrens nicht in ausreichender Weise bezeichnet ist, folgt bereits daraus, dass gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO neben der Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts der Gegenstand des Klagebegehrens anzugeben ist.

15

Das Gericht hat seine Amtsermittlungspflicht nicht verletzt. Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen (§ 76 Abs. 1 Satz 2 FGO). Aus § 65 FGO folgt jedoch, dass es Sache des Klägers ist, mit bindender Wirkung für Gericht und Prozessgegner, das "Streitprogramm" abzustecken (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, § 65, 5). Seiner Amtsermittlungspflicht kann das Gericht daher erst nachkommen, wenn der Kläger mitgeteilt hat oder aus den Umständen erkennbar ist, inwiefern Rechtsschutz begehrt wird. Um dies zu erfahren, hat das Gericht mit der Eingangsverfügung vom 13. Mai 2009 und - unter Setzung einer Ausschlussfrist - mit der Verfügung vom 28. Juli 2009 den Kläger aufgefordert, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen. Der Kläger ist diesen Aufforderungen nicht nachgekommen.

16

Für die Bezeichnung des Klagebegehrens ist dem Kläger eine Ausschlussfrist gesetzt worden. Auf die Folgen eines Fristversäumnisses ist ausdrücklich hingewiesen worden. Da diese Ausschlussfrist nicht eingehalten worden ist, ist die Klage unzulässig.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.