Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.01.2010, Az.: 1 K 427/06
Ausschließlicher Wohnzweck einer Hofstelle nach Aufgabe der Landwirtschaft; Zuschlag nach § 146 Abs. 5 Bewertungsgesetz (BewG) für eine ehemalige Hofstelle eines landwirtschaftlichen Betriebes
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 08.01.2010
- Aktenzeichen
- 1 K 427/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 23199
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2010:0108.1K427.06.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 28.03.2012 - AZ: II R 37/10
Rechtsgrundlagen
- § 33 Abs. 1 BewG
- § 140 BewG
- § 146 Abs. 5 BewG
Fundstellen
- DStRE 2011, 162-163
- EFG 2010, 1772-1773
- ErbStB 2010, 331
Die ehemalige Hofstelle eines landwirtschaftlichen Betriebes dient nach Aufgabe der Landwirtschaft ausschließlich Wohnzwecken und löst den Zuschlag nach § 146 Abs. 5 BewG aus
Tatbestand
Im Streit ist der für Erbschaftssteuerzwecke festzustellende Bedarfswert eines bebauten Grundstücks.
Der Kläger ist Rechtsnachfolger der am 09.05.2004 verstorbenen K. Die Erblasserin unterhielt einen landwirtschaftlichen Betrieb in B. Zu diesem landwirtschaftlichen Betrieb gehörte die Hofstelle in .......... Mit ihrer Einheitswerterklärung vom 10.06.1991 erklärte die Erblasserin dem Finanzamt, dass sie keine Landwirtschaft mehr betreibe. Die landwirtschaftlichen Nutzflächen habe sie vollständig verpachtet. Vieh halte sie nicht mehr. Die Hofstelle des landwirtschaftlichen Betriebes nutze sie ausschließlich zu Wohnzwecken. Daraufhin nahm das Finanzamt auf den 01.01.1990 eine Nachfeststellung vor und bewertete darin die Hofstelle zusammen mit einem 4.000 qm großen Grundstücksteil als Grundvermögen (Einfamilienhaus).
Mit Bescheid vom 01.03.2005 stellte das Finanzamt den Wert dieser ehemaligen Hofstelle auf den 09.05.2004 für Zwecke der Erbschaftsbesteuerung mit 57.000 EUR fest. Der Wert ist nach Maßgabe des § 146 Bewertungsgesetz (BewG) errechnet worden, wobei in Anwendung von Abs. 5 der Norm ein Zuschlag von 20% angebracht worden ist.
Dagegen wendet sich der Kläger nach erfolglosem Vorverfahren. Er ist der Auffassung, dass der Zuschlag von 20% nicht anzubringen sei, weil es sich bei dem Bewertungsobjekt um ein Niedersächsisches Bauernhaus handele. Der Wohnteil sei mit dem Wirtschaftsteil baulich verbunden, beide Teile befänden sich unter demselben Dach. Der Wohnteil könne auch nur zusammen mit dem Wirtschaftsteil sinnvoll genutzt werden. Deshalb liege die Voraussetzung für den Zuschlag, dass das Grundstück ausschließlich Wohnzwecken diene, nicht vor. Diese Regelung habe die Finanzverwaltung in R 155 Abs. 3 S. 2 ihrer Erbschaftsteuerrichtlinien (ErbStR) selber getroffen. Danach habe der Zuschlag zu unterbleiben, wenn zwischen Wohnteil und Wirtschaftsteil eines landwirtschaftlichen Betriebes eine bauliche Verbindung bestehe. Eine derartige Verbindung gebe es im Streitfall. Außerdem sei der Wert noch einmal um 15% in Anwendung von § 143 Abs. 3 in Verb. mit R 157 der Erbschaftssteuerrichtlinien zu ermäßigen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom ........... und Änderung des Bescheides vom 01.03.2005 den Wert des Grundstücks ........... in B. auf den 09.05.2004 auf 40.000 EUR herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf den Inhalt seines Einspruchsbescheides, in dem er ausgeführt hat, dass das Bewertungsobjekt nach Aufgabe der Landwirtschaft nunmehr dem Grundvermögen zuzuordnen sei. Der Wirtschaftsteil des Gebäudes diene daher nicht mehr landwirtschaftlichen Zwecken. Die ehemalige Hofstelle sei im Bewertungszeitpunkt daher ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt worden. Deshalb sei der Zuschlag nach § 146 Abs. 5 BewG anzubringen gewesen. Eine Ermäßigung von 15% könne aus den gleichen Gründen nicht gewährt werden. Die vom Kläger reklamierte Vorschrift des § 143 Abs. 3 BewG diene der Bewertung landwirtschaftlicher Grundstücke und sei auf die Bewertung von Grundstücken des Grundvermögens nicht anwendbar.
Wegen des Vortrags der Parteien im Übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze im Klage- sowie im Vorverfahren Bezug genommen.
Die Parteien haben durch Schriftsatz des Klägervertreters vom 11.12.2006 und des Beklagten vom 12.03.2007 auf eine mündliche Verhandlung vor Gericht verzichtet und zugleich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters erteilt.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage hat keinen Erfolg.
1.
Der Beklagte hat den Wert des Grundstücks zutreffend nach dem Regelwerk des § 146 BewG festgestellt. Nach dieser Norm sind bebaute Grundstücke der Vermögensart Grundvermögen zu bewerten. Diese Form der Wertfeststellung unterscheidet sich von der Wertfeststellung nach Abschnitt B des vierten Abschnitts des BewG (§§ 140 - 144), die nur für Grundstücke des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens gelten.
2.
Der Beklagte hat das streitige Grundstück zutreffend der Vermögensart Grundvermögen zugeordnet.
Es war zunächst als Hofstelle Teil des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens der Erblasserin. Die Erblasserin hat dann allerdings ihre landwirtschaftliche Betätigung eingestellt. Wie sie dem Finanzamt gegenüber erklärt hat, hat sie alle landwirtschaftlichen Flächen verpachtet und hat auch kein Vieh mehr gehalten. Ob damit der landwirtschaftliche Betrieb insgesamt aufgegeben worden ist, mag für die hier zu stellende Frage nach der Vermögensart der Hofstelle dahinstehen. Nach § 33 Abs. 1 BewG - das Normengefüge des allgemeinen Bewertungsrechtes gilt auch für die Abgrenzung der Vermögensarten bei der Bedarfsbewertung, § 140 BewG - gehören zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen nämlich nur solche Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind. Bei Wohngebäuden ist das nur dann der Fall, wenn ein funktioneller Zusammenhang zwischen dem Gebäude und dem landwirtschaftlichen Betrieb besteht. Zwischen Wohnung und Betrieb muss nach den jeweiligen wirtschaftlichen Gegebenheiten eine unlösbare Einheit bestehen (vgl. Bundesfinanzhof, BFH, Urteil vom 17. Januar 1980 IV R 33/76, BFHE 129, 543, BStBl II 1980, 323). Das ist nach der vorgenannten Entscheidung z.B. der Fall, wenn es die Bewirtschaftung des Betriebes erforderlich macht, dass der Betriebsinhaber ständig beim Betrieb wohnt, um die laufende Versorgung und Überwachung des Betriebes, insbesondere des Viehbestandes durch seine Anwesenheit und Arbeitsbereitschaft sicherzustellen (Rdnr. 30 der Entscheidung). Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegt der funktionelle Zusammenhang zwischen Wohngebäude und landwirtschaftlichem Betrieb bei Kleinstbetrieben ebenfalls vor, wenn mindestens noch eine Vieheinheit oder bei Geflügel zwei Vieheinheiten gehalten werden oder wenn noch eine Zugkraft vorhanden ist, die dem landwirtschaftlichen Betrieb dient (A 1.02 Abs. 7 BewR L).
Im Streitfall steht das Wohngebäude in keinem funktionellen Zusammenhang mit dem - möglicherweise noch bestehenden - land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mehr. Vieheinheiten werden nicht mehr gehalten, eine eigene Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen findet nicht mehr statt. Die Wohnung muss nicht mehr zu dem Zweck aufrechterhalten werden, um den Betrieb laufend zu überwachen und eine Arbeitsbereitschaft dazu vorzuhalten. Um die Verpachtung der Nutzflächen sicherzustellen, bedarf es der Anwesenheit des Klägers in dem Wohngebäude nicht.
Damit ist das Wohngebäude Teil des Grundvermögens und nicht mehr dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzuordnen.
3.
Als Folge dieser bewertungsrechtlichen Zuordnung - die mit einer ertragssteuerlichen Zuordnung nicht identisch sein muss - war das Grundstück nach Abschnitt C des vierten Abschnitts des BewG zu bewerten. Allein maßgeblich ist für bebaute Grundstücke§ 146 BewG und nach Abs. 5 dieser Norm ist der Grundstückswert um 20 v. H. zu erhöhen, wenn das Grundstück ausschließlich Wohnzwecken dient. Das ist nach den vorangestellten Ausführungen der Fall, weil in dem Wirtschaftsteil des Gebäudes keine landwirtschaftliche Betätigung mehr ausgeübt wird. Allein der Umstand, dass neben dem Wohnteil noch ein Wirtschaftsteil existiert, der mit dem Wohnteil baulich verbunden ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Wirtschaftsteil hat keine anderweitige landwirtschaftliche Zweckbestimmung (mehr).
Dem stehen auch nicht die Verwaltungsanweisungen entgegen, auf die sich der Kläger stützt. Die Regelung in R 155 der ErbStR gilt nur für die Bewertung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, der das streitige Grundstück nicht - mehr - angehört.
Der vom Kläger weiterhin beanspruchte Abschlag von 15 v. H. nach § 143 Abs. 3 BewG ist nicht zu gewähren. Die Norm ist eingebettet in Abschnitt B des vierten Teils desBewG und gilt daher nur die Bewertung land- und forstwirtschaftlichen Vermögens. Das gleiche gilt auch für die entsprechende Regelung der Finanzverwaltung in R 157 ErbStR. Beide Regelungen korrespondieren mit den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen in § 47 S. 3 BewG, die ebenfalls nur für land- und forstwirtschaftliches Vermögen gelten.
4.
Die weiteren Bewertungsgrundlagen des streitigen Bescheides werden vom Kläger nicht angegriffen. Sie entsprechen der Aktenlage. Das Gericht tritt ihnen bei.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Finanzgerichtsordnung.