Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.01.2010, Az.: 14 K 281/07

Verpflegungsmehraufwendungen, Telefonkosten und Reisekosten der Ehefrau zum Hafen als weitere Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit eines Seemanns; Doppelte Haushaltsführung im Fall einer Tätigkeit auf einem Schiff

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
21.01.2010
Aktenzeichen
14 K 281/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 15817
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2010:0121.14K281.07.0A

Werbungskosten eines Seemanns (Verpflegungsmehraufwendungen, Telefonkosten und Reisekosten seiner Ehefrau zum Hafen)

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

2

Die Kläger sind verheiratet und werden vom beklagten Finanzamt (FA) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie wohnen in ....... Der Kläger erzielte im Streitjahr als Kapitän auf einem Handelsschiff, das im internationalen Verkehr eingesetzt war, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Streitjahr war er 208 Tage an Bord des Schiffes tätig, und zwar vom .....bis zum......, vom ..... bis zum ..... und vom ..... bis zum....... Die erste Seereise vom ..... bis zum ...... endete in ....... Anschließend hatte der Kläger bis zum ..... Urlaub. Die zweite Reise vom ..... bis zum ....... begann in ...... (Holland) und endete ebenfalls in........ Anschließend hatte der Kläger bis zum .......Urlaub. Die dritte Reise vom ..... bis zum ...... begann in ...... (Holland) und endete ebenfalls in ..... (Holland). Anschließend hatte der Kläger bis zum ....... erneut Urlaub. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu sowie zu den Häfen, die das Handelsschiff des Klägers im Rahmen der einzelnen Seereisen anlief, wird auf das in Kopie vorgelegte Seefahrtsbuch des Klägers (vgl. Bl. ..... der Gerichtsakte) sowie auf seine Reiseaufstellung 2006 (vgl. Bl. ..... und ..... der Gerichtsakte) verwiesen.

3

Im Rahmen ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten u.a. Verpflegungsmehraufwendungen von insgesamt 4.992 EUR (208 Bordtage x 24 EUR pro Tag) sowie Telefonkosten während der Bordzeit von insgesamt 2.023 EUR (Handy und Telefonkarte) und Reisekosten der Klägerin für Besuchsfahrten nach ...... (Holland) von 212 EUR geltend. Das FA setzte daraufhin gegenüber den Klägern mit Bescheid vom ...... die Einkommensteuer 2006 auf ...... EUR fest, wobei es jedoch, abweichend von der eingereichten Steuererklärung, lediglich Verpflegungsmehraufwendungen des Klägers in Höhe von 4.008 EUR berücksichtigte. Bei der Berechnung der Verpflegungsmehraufwendungen berücksichtigte das FA 77 Bordtage der zweiten Reise sowie 90 Bordtage der dritten Reise mit jeweils 24 EUR pro Tag. Wegen der Ermittlung der Verpflegungsmehraufwendungen im Einzelnen wird auf Blatt ..... der Steuerakte verwiesen, die das FA für die Kläger unter der Steuernummer ...... führt. Die Telefonkosten während der Bordzeit sowie die Reisekosten der Klägerin berücksichtigte das FA dagegen überhaupt nicht steuermindernd. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein. Zu Unrecht habe das FA die Verpflegungsmehraufwendungen nicht in voller Höhe berücksichtigt. Der Bundesfinanzhof habe bereits mit Urteil vom 19. Dezember 2005 VI R 30/05, BStBl II 2006, 378 entschieden, dass an Bord eines Schiffes eine Auswärtstätigkeit ausgeübt werde und dass die Dreimonatsfrist für die Berechnung der Verpflegungsmehraufwendungen mit jeder Reise des Schiffes erneut beginne. Im Streitfall habe keine der mit dem Schiff des Klägers durchgeführten Reise länger als drei Monate gedauert. Darüber hinaus habe das FA die Telefonkosten und die Reisekosten der Klägerin zu Unrecht nicht steuermindernd berücksichtigt. Der Kontakt zur Familie sei verfassungsrechtlich geschützt. Im Rahmen der doppelten Haushaltsführung des Klägers seien daher die Telefonkosten sowie die Reisekosten steuerlich zu berücksichtigen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der verfassungsrechtliche Schutz der Familie plötzlich nicht mehr existiere, nur weil die Finanzverwaltung das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung verneine. Hierbei sei auch zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht mehr zwischen doppelter Haushaltsführung, Fahrtätigkeit oder Einsatzwechseltätigkeit zu unterscheiden sei. Der Bundesfinanzhof habe vielmehr diese Begriffe unter dem Begriff "Auswärtstätigkeit" zusammengefasst.

4

Mit Einspruchsbescheid vom ...... wies das FA den Einspruch der Kläger gleichwohl als unbegründet zurück. Aus dem o.g. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. Dezember 2005 VI R 30/05, BStBl II 2006, 378, auf das sich die Kläger ausdrücklich berufen hätten, ergebe sich, dass ein Seemann eine Auswärtstätigkeit in Form einer Fahrtätigkeit ausübe, wenn, wie im Streitfall, landseitig keine (ortsfeste) regelmäßige Arbeitsstätte vorliege. Außerdem habe der Bundesfinanzhof den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen für diese Tätigkeit auf drei Monate begrenzt. Für die Berechnung der Dreimonatsfrist sei nach dem Bundesfinanzhof entscheidend, dass die gleichbleibende, nämliche Auswärtstätigkeit bei Rückkehr des Schiffes in den Heimathafen ende und mit Auslaufen zu einem späteren Zeitpunkt eine neue Dreimonatsfrist beginne. Bei Handelsschiffen könne hierbei jedoch nicht auf den Hafen abgestellt werden, der in das Schiffsregister als Heimathafen eingetragen sei. Entscheidend sei vielmehr, wo der Seemann an Bord anmusterte oder seine Versetzung bzw. Abordnung auf das Schiff erfolge. Darüber hinaus könnten auch die Telefonkosten sowie die Reisekosten der Klägerin nicht steuermindernd berücksichtigt werden, da aufgrund der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für Seeleute im internationalen Schiffsverkehr keine doppelte Haushaltsführung mehr angenommen werden könne.

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Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Kläger ihr bisheriges Begehren in der Sache weiterverfolgen. Das Schiff des Klägers sei in ......., Antigua registriert. Dort liege der Heimathafen des Schiffs. Der Bundesfinanzhof habe in seinem Urteil vom 19. Dezember 2005 VI R 30/05, BStBl II 2006, 378 verkannt, dass in der heutigen Handelsschifffahrt der Heimathafen nichts anderes als ein Registrierungsort sei und dass die Schiffe im Übrigen keinerlei Bezug zu diesem Hafen hätten. Es gäbe zahlreiche Handelsschiffe, die niemals den Hafen anliefen, in dem sie registriert seien. In der Handelsschifffahrt werde vielmehr ein bestimmter Hafen als Heimathafen gewählt, weil die Bemannungs- und Sicherheitsvorschriften für die Reeder dort besonders günstig seien. Auch bei einem Lkw-Fahrer bzw. bei Flug- und Zugpersonal werde bei der Berechnung der Verpflegungsmehraufwendungen nicht gefragt, ob der Lkw, das Flugzeug oder der Zug an den Ort der Registrierung zurückkehre. Dies müsse auch für die Seeschifffahrt gelten. Im Ergebnis seien daher für weitere 41 Tage jeweils 24 EUR pro Tag als Verpflegungsmehraufwand steuermindernd zu berücksichtigen. Die Telefonkosten sowie die Reisekosten der Klägerin seien ebenfalls zum Abzug zuzulassen. Während der Seereisen habe er, der Kläger, nicht nach Hause fahren können, so dass die einzige Möglichkeit, Kontakt zu seiner Familie zu halten, in Telefongesprächen oder durch Besuche der Familie auf dem Schiff bestanden habe. Im Interesse einer verfassungsrechtlich gebotenen Lastengleichheit seien daher die Telefonkosten sowie die Reisekosten der Klägerin bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als beruflich veranlasste Erwerbsaufwendungen zu berücksichtigen. Dies folge unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG), der die Familie schütze. Im Übrigen gehe das deutsche Einkommensteuerrecht traditionell davon aus, dass die steuerlich erhebliche Berufssphäre nicht erst am Werktor beginne und dass auch im Schnittbereich von beruflicher Sphäre und privater Lebensführung liegende Mobilitätskosten als Werbungskosten anzuerkennen seien. Überdies könne ein Seemann durchaus, entgegen der Auffassung des FA, Aufwendungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung geltend machen. Ein Seemann habe naturgemäß an Bord des Schiffes seinen Haushalt, denn hier lebe er während einer Seereise für mehrere Wochen.

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Die Kläger beantragen,

den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2006 dergestalt abzuändern, dass weitere Werbungskosten in Höhe von 6.428,98 EUR berücksichtigt werden.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Er hält auch im vorliegenden Klageverfahren an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest. Mit Urteil vom 19. Dezember 2005 VI R 30/05, BStBl II 2006, 378 habe der Bundesfinanzhof den Begriff des Heimathafens für die Handelsschifffahrt weitläufiger ausgelegt und die Auffassung vertreten, dass jeder Hafen, den das Schiff anlaufe, Heimathafen sein könne, sofern der Seemann seine nämliche Reise dort beginne bzw. beende. Da der Kläger in den Zeiträumen vom ...... bis zum ...... und vom ....... bis zum ...... weder in den Heimathafen des Schiffes zurückgekehrt sei und auch keine An- bzw. Abmusterung erfolgt sei, könnten die Verpflegungsmehraufwendungen nach Ablauf des Zeitraums von drei Monaten nicht mehr als Werbungskosten berücksichtigt werden. Die Telefonkosten des Klägers und Reisekosten der Klägerin für Besuchsfahrten könnten ebenfalls nicht steuermindernd berücksichtigt werden. Diese Kosten stünden zumindest auch im Zusammenhang mit der privaten Lebensführung der Kläger, so dass es sich grundsätzlich nicht um Werbungskosten des Klägers handele. Zu Unrecht gingen die Kläger in diesem Zusammenhang davon aus, dass die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung vorlägen. Der Bundesfinanzhof habe bereits mit Urteil vom 19. Dezember 2005 VI R 30/05, BStBl II 2006, 378 ausdrücklich entschieden, dass ein Schiff keine regelmäßige Arbeitsstätte eines Arbeitnehmers sei, da es sich nicht um eine ortsfeste, betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers handele. Der Kläger führe daher mangels einer landseitigen, ortsfesten, regelmäßigen Arbeitsstätte eine Auswärtstätigkeit in Form einer Fahrtätigkeit aus. Die Grundsätze der doppelten Haushaltsführung könnten im Streitfall somit nicht angewendet werden. Zudem sei auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG im Streitfall nicht ersichtlich.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zum Teil begründet.

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I.

Zu Unrecht hat das FA bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit lediglich Verpflegungsmehraufwendungen für die Seereisen des Klägers vom ..... bis zum ...... und vom ..... bis zum ....... in Höhe von 4.008 EUR als Werbungskosten berücksichtigt. Die Verpflegungsmehraufwendungen des Klägers für diese Seereisen betragen insgesamt 6.828 EUR, so dass zugunsten des Klägers weitere Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 2.820 EUR (6.828 EUR abzügl. 4008 EUR) zum Abzug zuzulassen sind.

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Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG dürfen Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen nicht als Werbungskosten steuermindernd berücksichtigt werden, soweit in § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 bis 6 EStG nichts anderes bestimmt ist. Wird der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig, ist nach § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 Buchstabe a EStG für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt 24 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von 24 EUR abzuziehen. Wird der Steuerpflichtige bei seiner individuellen betrieblichen Tätigkeit typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder auf einem Fahrzeug tätig, gilt § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 EStG entsprechend, wobei in diesem Fall allein die Dauer der Abwesenheit von der Wohnung maßgebend ist. Bei einer Tätigkeit im Ausland treten nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 4 EStG an die Stelle des Pauschbetrags nach § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 EStG länderweise unterschiedliche Pauschbeträge, deren Höhe vom Bundesministerium der Finanzen im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder auf der Grundlage der höchsten Auslandstagegelder nach dem Bundesreisekostengesetz festgesetzt werden. Die Höhe des Pauschbetrags bestimmt sich dann gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 4 EStG nach dem Ort, den der Steuerpflichtige vor 24 Uhr Ortszeit zuletzt erreicht, oder, wenn dieser Ort im Inland liegt, nach dem letzten Tätigkeitsort im Ausland. Bei einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt sich gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 5 EStG der pauschale Abzug nach § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 2 EStG auf die ersten drei Monate. Diese Regelungen gelten gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG sinngemäß für die steuermindernde Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten.

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Im Streitfall sind nach diesen Grundsätzen für die oben genannten Seereisen jeweils für die ersten drei Monate Verpflegungsmehraufwendungen des Klägers bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit als Werbungskosten zu berücksichtigen, und zwar für die erste Seereise für den Zeitraum vom ...... bis zum ....... und für die zweite Seereise vom ...... bis zum ....... Hinsichtlich der Höhe der Pauschbeträge ist jedoch wie folgt zu differenzieren: Hinsichtlich der Tage, an denen das Schiff des Klägers in ..... oder im Ausland im Hafen lag, ist das Tagegeld für den Hafenort des jeweiligen Landes anzusetzen. Für die Tage auf See ist dagegen gemäß R 39 Abs. 3 Nr. 2 Lohnsteuerrichtlinie 2006 das für Luxemburg geltende Tagegeld anzusetzen. In R 39 Abs. 3 Nr. 2 Lohnsteuerrichtlinie 2006 heißt es ausdrücklich unter dem Stichwort "Besonderheiten bei Auslandstätigkeiten", dass bei Schiffsreisen das für Luxemburg geltende Tagegeld und für die Tage der Ein- und Ausschiffung das für den Hafenort geltende Tagegeld maßgebend ist.

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Die Bedeutung des Begriffs der Tätigkeit im Ausland muss bei einer Tätigkeit auf einem Seeschiff im Zusammenhang mit der völkerrechtlichen Rechtslage gesehen werden. Der Bundesfinanzhof hat bereits mehrfach entschieden, dass Schiffe auf hoher See völkerrechtlich als schwimmender Gebietsteil des Landes anzusehen sind, dessen Flagge sie führen, und dass dies auch für die steuerrechtliche Einordnung einer Tätigkeit auf einem Seeschiff maßgebend ist (BFH-Urteil vom 5. Februar 1992 I R 9/90, BStBl II 1992, 607; BFH-Urteil vom 12. November 1986 I R 38/83, BStBl II 1987, 377; BFH-Urteil vom 5. Oktober 1977 I R 250/75. BStBl II 1978, 50; BFH-Urteil vom 19. März 1997 I R 37/96, BFH/NV 1997, 666; vgl. auch Urteil des FG Düsseldorf vom 28. September 2007 18 K 638/06 E, DStRE 2008, 673).

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Das Handelsschiff, auf dem der Kläger im Streitjahr tätig war, ist in ....., Antigua in das Schiffregister eingetragen und fährt im internationalen Seeverkehr unter der Flagge Antiguas. Es gehört somit auf hoher See nicht zum Inland. Hiervon sind in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend nunmehr auch die Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits ausgegangen.

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Die Höhe der Pauschbeträge für die jeweiligen Hafenorte und für die Tage auf hoher See (Luxemburg) ergeben sich für das Streitjahr aus dem BMF-Schreiben vom 9. November 2004, BStBl I 2004, 1052, abgedruckt als Anhang 39 im amtlichen Lohnsteuerhandbuch 2006.

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Die Verpflegungsmehraufwendungen des Klägers für das Streitjahr ermitteln sich demnach, ausgehend von der Reiseaufstellung 2006, die der Kläger dem Gericht vorgelegt hat (vgl. Bl. ..... und ..... der Gerichtsakte), wie folgt:

Anzahl der TagePauschbetragGesamt
Inlandshafen (.......)224 EUR48 EUR
Auslandshäfen
Holland739 EUR273 EUR
Finnland1942 EUR798 EUR
Schweden660 EUR360 EUR
Vereinigtes Königreich342 EUR126 EUR
Frankreich239 EUR78 EUR
Polen424 EUR96 EUR
Dänemark542 EUR210 EUR
Russland136 EUR36 EUR
Lettland118 EUR18 EUR
Estland127 EUR27 EUR
Tage auf hoher See (55 Tage zzgl. 67 Tage)12239 EUR4.758 EUR
Summe6.828 EUR
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II.

Dagegen hat das FA zu Recht nicht, wie von den Klägern beantragt, für die gesamte Zeit, die der Kläger im Streitjahr an Bord des Schiffes verbracht hat, Verpflegungsmehraufwendungen bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit steuermindernd berücksichtigt, obwohl der Kläger im Streitjahr insgesamt ungefähr sieben Monate während seines Einsatzes auf dem Schiff beruflich auswärts tätig war. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG ist, wie oben bereits dargelegt, bei einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte der pauschale Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen jedoch auf die ersten drei Monate beschränkt.

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1.

Die Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG gilt für alle Formen einer Auswärtstätigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs liegen keine hinreichenden Gründe dafür vor, bei bestimmten Formen von Auswärtstätigkeiten von der typisierenden Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG Ausnahmen zuzulassen. Das vom Gesetzgeber mit der Neuregelung des Verpflegungsmehraufwands durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995, Bundesgesetzblatt I 1995, 1250 verfolgte Ziel, allen Arbeitnehmern mit Auswärtstätigkeiten die gleichen Pauschalen zuzumessen, dient der steuerlichen Gleichbehandlung und der Vereinfachung, indem Abgrenzungsprobleme zwischen den einzelnen Formen der Auswärtstätigkeit beseitigt werden (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2005 VI R 30/05, BStBl II 2006, 378; BFH-Urteil vom 27. Juli 2004 VI R 43/03, BStBl II 2005, 357).

19

2.

Zutreffend ist das FA zudem davon ausgegangen, dass der Kläger im Streitjahr lediglich zwei Seereisen auf seinem Schiff begonnen hat und dass, wie oben bereits dargelegt, für die zweite Seereise für den Zeitraum vom ..... bis zum ....... und für die dritte Seereise vom ...... bis zum ...... dem Grund nach Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten zum Abzug zugelassen werden können. Der Bundesfinanzhof hat bereits mit Urteil vom 16. November 2005 VI R 12/04, BStBl II 2006, 267 und mit Urteil vom 19. Dezember 2005 VI R 30/05, BStBl II 2006, 378 ausdrücklich entschieden, dass die gleichbleibende, nämliche Auswärtstätigkeit i.S.d. § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 5 EStG bei Reisen auf einem seegehenden Schiff regelmäßig ihr Ende findet, sobald das Schiff in den Heimathafen zurückkehrt. Läuft das Schiff zu einem späteren Zeitpunkt zu einer neuen Reise aus, besteht die Möglichkeit zum Abzug der Verpflegungspauschalen daher von Neuem.

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Im Streitfall ergeben sich Beginn und Ende der einzelnen Seereisen des Klägers, entgegen der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung, eindeutig aus dem Seefahrtsbuch, das der Kläger dem Gericht in Kopie vorgelegt hat. In dem Seefahrtsbuch sind ausdrücklich Beginn und Ende der jeweiligen Seereisen vermerkt, da für jede Seereise in den Spalten "Date and Place of Embarkation" (Einschiffung) und "Date and Place of Discharge" (Ausschiffung) das Datum und der Ort der Ein- und Ausschiffung eingetragen sind (vgl. Bl. ....der Gerichtsakte). Zudem hatte der Kläger, wie sich aus seiner Reiseaufstellung 2006 ergibt, zwischen den einzelnen Seereisen, wie sie in seinem Seefahrtsbuch dokumentiert sind, jeweils über einen längeren Zeitraum Urlaub, und zwar vom ....... bis zum ..... und vom ....... bis zum ....... sowie ab dem ........ bis zum ........ Auch hierdurch sind die einzelnen Seereisen des Klägers im Streitjahr deutlich voneinander abgegrenzt. Ohne Bedeutung ist daher für den Beginn und das Ende der Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG, entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Kläger, dass im Streitfall das Schiff des Klägers niemals in seinem Heimathafen in Antigua gewesen ist.

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3.

Zudem kann im Streitfall auch nicht davon ausgegangen werden, wie der Prozessbevollmächtigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung ebenfalls geltend gemacht hat, dass in jedem Auslandshafen, den das Schiff des Klägers auf seinen Reisen angelaufen hat, die Dreimonatsfrist i.S.d. § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 5 EStG von Neuem zu laufen beginnt. Der Senat vermag sich dieser Sichtweise des Prozessbevollmächtigten der Kläger nicht anzuschließen, da anderenfalls die im Seefahrtsbuch des Klägers als Einheit dokumentierte Seereise willkürlich in einzelne Teilreisen aufgeteilt werden würde.

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Im Übrigen können nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27. Juli 2003 VI R 43/03, BStBl II 2005, 357 [BFH 27.07.2004 - VI R 43/03] nur erhebliche Unterbrechungen einer Auswärtstätigkeit von über vier Wochen dazu führen, dass die Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG erneut zu laufen beginnt. Diese Überlegungen gelten auch für die Auswärtstätigkeit eines Seemanns auf einem Hochseeschiff (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2005 VI R 30/05, BStBl II 2006, 378). Im Streitfall hat das Schiff des Klägers jedoch jeweils nur einen Tag in den Häfen gelegen, die es während seiner Seereisen angelaufen hat.

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III.

Überdies können auch weder die Telefonkosten des Klägers noch die Aufwendungen für die Besuchsreise der Klägerin als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit steuermindernd berücksichtigt werden. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG allerdings nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Zu den notwendigen Mehraufwendungen wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung gehören im Regelfall auch die Kosten für ein 15-minütiges Telefongespräch mit Angehörigen, das in einer Woche geführt wird, in der der auswärts beschäftigte Steuerpflichtige keine Familienheimfahrt durchgeführt hat (BFH-Urteil vom 18. März 1988 VI R 90/84, BStBl II 1988, 988). Darüber hinaus ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Rahmen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung auch eine Besuchsreise der Ehefrau zu ihrem dienstlich unabkömmlichen Ehemann nicht schon deshalb privat veranlasst, weil der Ehemann im Ausland beschäftigt ist und der Aufenthalt der Ehefrau von längerer Dauer ist (BFH-Urteil vom 28. Januar 1983 VI R 136/79, BStBl II 1983, 313).

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Im Streitfall liegen jedoch die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung nicht vor. Der Kläger ist während seines Einsatzes auf dem Schiff nicht, wie wohl sein Prozessbevollmächtigter meint, entsprechend § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Satz 2 EStG an einem Ort außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist unter dem Begriff "Beschäftigungsort" nur der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers zu verstehen. Dies ist im Regelfall der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers. Wird ein Seemann auf einem Schiff eingesetzt, so stellt dieses jedoch keine (weitere) regelmäßige Arbeitsstätte und auch keinen (weiteren) Tätigkeitsmittelpunkt dar, weil unter diesem Begriff nur ortsfeste betriebliche Einrichtungen des Arbeitgebers zu verstehen sind und sich ein Seemann auf einem Schiff auf Auswärtstätigkeit befindet (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2005 VI R 30/05, BStBl II 2006, 378). Eine auswärtige Tätigkeitsstätte wird zudem auch nicht durch bloßen Zeitablauf von drei Monaten zum Tätigkeitsmittelpunkt bzw. zur regelmäßigen Arbeitsstätte (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2005 VI R 30/05, BStBl II 2006, 378). Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28. Januar 1983 VI R 136/79, BStBl II 1983, 313, in dem der Bundesfinanzhof noch vom Vorliegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung ausgegangen ist, wenn ein Seemann außerhalb seines Beschäftigungsorts, dem Schiff, einen eigenen Haushalt unterhält und außerdem auf dem Schiff wohnt, ist durch die oben dargelegte neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs überholt.

25

IV.

Darüber hinaus können im Streitfall die Telefonkosten des Klägers sowie die Reisekosten der Klägerin auch nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten steuermindernd berücksichtigt werden. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 EStG nur Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach § 12 Nr. 1 Satz 1 EStG dürfen dagegen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge. Nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören dazu auch Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

26

Bei den Telefonkosten des Klägers sowie bei den Reisekosten der Klägerin handelt es sich, wie das FA bereits zutreffend ausgeführt hat, um nicht abzugsfähige Aufwendungen i.S.d. § 12 Nr. 1 EStG, da diese Aufwendungen zumindest auch durch die private Lebensführung der Kläger mitveranlasst sind.

27

Aus Art. 6 Abs. 1 GG ergibt sich, entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Kläger, nichts anderes. Zwar stehen nach Art. 6 Abs. 1 GG Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt jedoch nicht, wie wohl der Prozessbevollmächtigten der Kläger meint, dass alle Aufwendungen eines Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit seiner Ehe und Familie auch in irgendeiner Weise steuermindernd berücksichtigt werden müssten. Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG erfasst lediglich die Eheschließung und das eheliche Zusammenleben sowie die Familiengründung und alle Bereiche des familiären Zusammenlebens (Jarass/Pieroth, GG, 8. Auflage 2006, Art. 6 Rdz. 3 und 5). Dieser Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht allein dadurch verletzt, dass Telefonkosten des Klägers sowie die Reisekosten der Klägerin nicht (mehr) steuermindernd berücksichtigt werden können, weil der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung, wie oben dargelegt, zur doppelten Haushaltsführung bei Seeleuten geändert hat.

28

V.

Die Neuberechnung der Einkommensteuer 2006 ist dem FA nach Maßgabe dieses Urteils gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 bis 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgegeben worden.

29

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

30

VII.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708, Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).