Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.01.2010, Az.: 12 K 301/07

Anspruch auf gewinnmindernde Berücksichtigung eines Bilanzierungsfehlers in der Bilanz eines zurückliegenden Jahres

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
25.01.2010
Aktenzeichen
12 K 301/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 25842
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2010:0125.12K301.07.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 15.06.2010 - AZ: X B 40/10

Korrektur von Bilanzierungsfehlern bei Durchbrechung des Bilanzenzusammenhangs

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die gewinnmindernde Berücksichtigung eines Bilanzierungsfehlers in der Bilanz auf den 31. Dezember 2003 im Streitjahr 2005.

2

Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger betrieb bis 31. Dezember 2004 einen Handel mit .... In der Bilanz auf den 31. Dezember 2003 vom 28. September 2004 wies er einen Warenbestand von 434.147,92 EUR aus (Vorjahr 125.629,36 EUR). Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte wie erklärt mit bestandskräftig gewordenem Steuerbescheid.

3

Für das Jahr 2004 schätzte das FA zunächst die Besteuerungsgrundlagen. Der Bescheid datiert vom 29. Juni 2006. Mit ihrem Einspruch verwiesen die Kläger auf die einzureichende Steuererklärung. Mit Schreiben vom 9. August 2006 stellten sie zugleich einen Antrag auf Änderung des Steuerbescheids für 2003. Bei der Inventur anlässlich der Aufgabe des ...handels zum 31. Dezember 2004 habe sich herausgestellt, dass in der Bilanz auf den 31. Dezember 2003 wegen Doppelerfassung einer Seite der Inventurliste der Warenbestand um 56.600 EUR zu hoch angesetzt und damit der Gewinn 2003 zu hoch bemessen sei. Die Kläger legten eine geänderte Bilanz für 2003 vom 30. Dezember 2005 mit einem Warenbestand von 369.047,92 EUR vor (Differenz beim Warenwert 65.100 EUR). Die Gewerbesteuerrückstellung verminderte sich um 8.500 EUR. Der Bilanzposten "Kapital" verminderte sich daher von 557.473,80 EUR auf 500.873,80 EUR. Der Klägerseite wurde am 4. September 2006 telefonisch mitgeteilt, dass der bestandskräftige Steuerbescheid für 2003 nicht mehr änderbar sei. Der Änderungsveranlagung für 2004 sei bereits durchgeführt worden. Die Kläger sollten ihr Begehren im Rahmen des Einspruchs gegen den geänderten Steuerbescheid für 2004 weiter verfolgen (erstes offenes Jahr nach Bilanzierungsfehler).

4

In der Bilanz auf den 31. Dezember 2004 erfasste der Kläger nach eigenen Angaben den Warenbestand zutreffend. Beim Anfangskapital vom 500.873,80 EUR ging er aber von der berichtigten Bilanz auf den 31. Dezember 2003 aus, die das FA nicht mehr berücksichtigt hatte. Das FA erkannte diese Änderung bzw. die Durchbrechung des Bilanzenzusammenhangs ausweislich der Anmerkung in der Bilanz bei dem Posten "Kapital". Mit Bescheid vom 7. September 2006 änderte das FA den ursprünglichen Bescheid und setzte den erklärten Gewinn ohne Korrektur durch fehlerhaften Bilanzansatz in 2003 an. Der Bescheid wurde wegen Versäumung der Einspruchsfrist bestandskräftig. Insofern wird auf das Urteil des Gerichts vom heutigen Tage im Verfahren 12 K 85/07 wegen Einkommensteuer 2004 verwiesen.

5

Zum 1. Januar 2005 verpachtete der Kläger den ...handel an eine neu gegründete GmbH. Die Beteiligten gehen von einer Betriebsaufspaltung aus. Der Kläger legte eine Bilanz auf den 31. Dezember 2005 vor. Er führte soweit ersichtlich die Bilanz des Einzelunternehmens fort (kleine Differenz beim Anfangskapital). Der Gewinn betrug 47.682 EUR. Der Einkommensteuerbescheid datiert vom 8. Februar 2007 und stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

6

Am 6. März 2007 legten die Kläger Einspruch ein. Da der in 2003 unzutreffend erfasste Gewinn von 56.600 EUR weder in der Steuerfestsetzung 2003 noch in der Festsetzung 2004 korrigiert worden sei, müsse dies für 2005 geschehen. Der Gewinn betrage ./. 8.918 EUR. Das FA wies den Einspruch mit Bescheid vom 29. Juni 2007 zurück. Der Gewinn sei periodengerecht zu ermitteln. Nach Angaben der Kläger sei die Anfangs- und die Schlussbilanz für 2005 zutreffend und daher für eine Bilanzberichtigung kein Raum. Zudem sei die unzutreffende Erfassung des Warenbestands in 2003 nicht näher dargelegt.

7

Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Die Bilanz auf den 31. Dezember 2004 als Anfangsbilanz 2005 und die Bilanz auf den 31. Dezember 2005 enthielten zutreffende Bilanzansätze. Allerdings müsse der Fehler bei Ermittlung des Kapitals in der Bilanz auf den 31. Dezember 2003 im ersten offenen Jahr der Steuerveranlagung korrigiert werden. Die Durchbrechung des Bilanzenzusammenhangs und damit die überhöhte Steuerfestsetzung 2003 seien zu berücksichtigen. Wenn die Klage 12 K 85/07 keinen Erfolg habe, sei 2005 die erste noch offene Steuerfestsetzung.

8

Die Kläger beantragen,

den Bescheid für 2005 über Einkommensteuer vom 8. Februar 2007 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 29. Juni 2007 zu ändern und die Steuer unter Berücksichtigung eines Verlust des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von 8.918 EUR festzusetzen.

9

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Es verweist auf die Begründung des Einspruchsbescheids. Die für die Gewinnermittlung 2005 maßgeblichen Bilanzen seien korrekt.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Ein früherer Fehler in der Gewinnermittlung, so denn ein solcher überhaupt vorliegt, kann nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung für 2005 korrigiert werden.

12

Unstreitig hat der Kläger den Gewinn aus seinem Gewerbebetrieb (Verpachtung des ...handels) in Streitjahr zutreffend nach§ 4 Abs. 1 EStG ermittelt. Sowohl die Bilanz auf den 31. Dezember 2004 als Anfangsbilanz 2005 als auch die Bilanz auf den 31. Dezember 2005 enthalten zutreffende Bilanzansätze.

13

Entsprechen Bilanzansätze dagegen nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, sind sie im ersten offenen Veranlagungsjahr zu berichtigen. Damit werden Fehler der Gewinnermittlung in früheren Jahren, die auf einem Bilanzierungsfehler beruhen, in einem späteren Veranlagungszeitraum rückgängig gemacht (vgl. dazu Schmidt EStG § 4 Rz. 680 ff. mit weiteren Nachweisen). Im Streitfall sollte ausweislich des Aktenvermerks vom 4. September 2006 der geltend gemachte Bilanzierungsfehler bei der Änderungsveranlagung 2004 beseitigt und der Gewinn im Wege der Bilanzberichtigung verringert werden. Das ist verfahrensmäßig nicht gelungen, weil die Änderungsveranlagung für 2004 schon durchgeführt war und der Änderungsbescheid wegen Versäumung der Einspruchsfrist bestandskräftig geworden ist. Bei Entdeckung und Geltendmachung des Bilanzierungsfehlers war die Veranlagung für 2004 indes noch verfahrensrechtlich offen. Aus Gründen, die allein die Kläger zu vertreten haben, war letztlich die hier streitige Gewinnkorrektur verfahrensmäßig nicht mehr möglich. Aus diesen Gründen brauchen Fragen der fehlerhaften Erfassung des Warenbestands am 31. Dezember 2003 sowie der Möglichkeiten zur Berichtigung von Bilanzansätzen dem Grunde und des Zeitpunktes bzw. des Veranlagungsjahrs nach nicht nachgegangen zu werden. Abgesehen davon erscheint fraglich, ob der Bilanzansatz "Warenbestand" in der Bilanz auf den 31. Dezember 2005 berichtigt werden kann, denn diese Bilanz weist wegen der Verpachtung des Wohnwagenhandels im Wege der Betriebsaufspaltung - laut Kläger zutreffend - keinen Warenbestand auf. Der Bilanzposten "Kapital" ist kein zu korrigierender Bilanzansatz für ein Wirtschaftsgut, sondern eine Rechengröße, die sich aus dem Unterschied von Aktiva und Passiva ergibt.

14

Dem FA ist bei der Veranlagung 2004 ein Fehler jedoch dahingehend unterlaufen, dass es den Bilanzenzusammenhang nicht beachtet hat. Das hat es auch erkannt, wie eine Berechnung bei der Position "Kapital" ausweist. Dieser Fehler hat möglicherweise den Gewinn für 2004 beeinflusst und hätte bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Rechtswidrigkeit des Bescheids für 2004 geführt. Der Steuerbescheid für 2004 ist aber, wie bereits ausgeführt, bestandskräftig geworden. Wegen der Grundsätze der periodengerechten Gewinnermittlung und der Abschnittsbesteuerung kann ein etwaiger Fehler nicht bei der Gewinnermittlung 2005 beseitigt werden. Das Gericht hält es für steuerrechtlich ausgeschlossen, dass der Steuerpflichtige bei einer gegebenen und von ihm erkannten Möglichkeit der Bilanzberichtigung oder bei Nichtbeachtung des Bilanzenzusammenhangs Bescheide für Jahre, für die die Veranlagung noch durchgeführt oder ein Steuerbescheid noch geändert werden kann, gewollt oder ungewollt bestandskräftig werden lässt und auf diese Weise über den Zeitpunkt der Gewinnkorrektur und damit auch über deren steuerliche Auswirkung etwa bei unterschiedlich hohen Steuersätzen in verschiedenen Streitjahren disponieren kann.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.