Finanzgericht Niedersachsen
v. 13.01.2010, Az.: 16 K 337/09

Aufhebung des Bescheids gegenüber den Erben als Voraussetzung der Rückforderung von nach dem Tode des Kindergeldberechtigten weitergezahlten Kindergelds

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
13.01.2010
Aktenzeichen
16 K 337/09
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2010, 14011
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2010:0113.16K337.09.0A

Fundstellen

  • DStR 2010, 11
  • DStRE 2010, 1018-1019
  • EFG 2010, 1011

Amtlicher Leitsatz

Die Rückforderung von nach dem Tode des Kindergeldberechtigten weitergezahlten Kindergelds setzt nicht die Aufhebung des Bescheids gegenüber den Erben voraus

Tatbestand

1

Der Beklagte setzte in der Vergangenheit Kindergeld zugunsten des Vaters K. des am 7. September 1984 geborenen Klägers fest. Da K. keinen Unterhalt an den Kläger leistete, zweigte der Beklagte das Kindergeld mit Bescheid vom 9. April 2005 an den Kläger ab.

2

Im Sommer 2007 prüfte der Beklagte, ob in der Person des Klägers noch die Anspruchsvoraussetzungen für die Kindergeldgewährung vorlagen. Der Beklagte stellte fest, dass ein letzter Kontakt des Klägers zur Berufsberatung der Agentur für Arbeit im September 2006 bestand. Daraufhin hob der Beklagte mit Bescheid vom 18. Juli 2007 die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Vater K. ab Oktober 2006 auf und übersandte dem Kläger eine Durchschrift dieses Bescheides.

3

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein und reichte beim Beklagten diverse Unterlagen, u.a. Bewerbungsschreiben, vor. Der Beklagte beabsichtigte daraufhin, dem Einspruch teilweise stattzugeben und übersandte einen Bescheid an K., in dem das Kindergeld nunmehr erst ab August 2007 aufgehoben wird.

4

Dieser Bescheid konnte unter der angegebenen Anschrift nicht bekanntgegeben werden. Eine Rückfrage beim Einwohnermeldeamt ergab, dass K. bereits am 9. Dezember 2005 verstorben war. Im Rahmen des weiteren Schriftverkehrs mit dem Kläger teilte dieser mit, dass seine Mutter bereits am 26. August 1992 verstorben und er infolgedessen Vollwaise war.

5

Daraufhin forderte der Beklagte mit Bescheid vom 10. März 2009 das für den Zeitraum 2006 bis Juni 2007 gezahlte Kindergeld vom Kläger gem. § 37 Abs. 2 AO zurück, da die Voraussetzungen für eine Kindergeldgewährung nicht gegeben seien. Bei der Gelegenheit wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass er als Vollwaise die Möglichkeit habe, Kindergeld nach demBundeskindergeldgesetz zu beantragen. Insoweit sei ein Antrag bei der Familienkasse Nürnberg zu stellen.

6

Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

7

Der Kläger trägt vor, dass er im fraglichen Zeitraum ausbildungssuchend gewesen sei.

8

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Rückforderungsbescheid vom 10. März 2009 und den Einspruchsbescheid vom 9. September 2009 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass der Rückforderungsbescheid rechtmäßig sei. Nach demEinkommensteuergesetz könne nur zugunsten der Eltern, nicht aber der Kinder Kindergeld festgesetzt werden. Ob der Kläger sich um einen Ausbildungsplatz bemüht hat, sei nicht entscheidungserheblich.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist unbegründet.

12

Der Beklagte fordert zu Recht vom Kläger das für den Zeitraum Januar 2006 bis Juni 2007 gezahlte Kindergeld zurück.

13

Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat gem. § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) derjenige. auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags.

14

Im Streitfall hat der Beklagte für den Zeitraum Januar 2006 bis Juni 2007 Kindergeld, das nach § 31 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) als Steuervergütung gezahlt wird, ohne rechtlichen Grund an den Kläger ausgezahlt.

15

Gem. § 62 Abs. 1 EStG besteht ein Anspruch auf Kindergeld "für Kinder", wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Daraus folgt aber im Umkehrschluss, dass den Kindern selbst kein Kindergeldanspruch zusteht. Dies wird bestätigt durch die Regelung in§ 74 Abs. 1 EStG, wonach in bestimmten Fällen das "für ein Kind" festgesetzte Kindergeld an das Kind selbst ausgezahlt werden kann, d.h. nicht gegenüber dem Kind wird das Kindergeld festgesetzt, sondern das zugunsten eines Elternteils festgesetzte Kindergeld wird an das Kind gezahlt.

16

Sind - wie im Streitfall ab Januar 2006 - beide Eltern des Kindes verstorben, so besteht folglich materiell-rechtlich kein Kindergeldanspruch nach dem EStG. Stattdessen kann die Vollwaise Kindergeld nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) beanspruchen. Ein etwaiger Anspruch des Klägers nach dem BKGG kann jedoch keinen Rechtsgrund für das Behaltendürfen des an ihn gezahlten Kindergeldes nach EStG bilden, zum einen, weil, soweit ersichtlich, bislang noch kein Kindergeld für den fraglichen Zeitraum nach dem BKGG zugunsten des Klägers festgesetzt worden ist, zum andern schon deshalb, weil Gegenstand dieses Verfahrens allein das einkommensteuerliche Kindergeld bildet und für Streitigkeiten über Ansprüche nach dem BKGG nicht der Finanzrechtsweg, sondern gem. § 15 BKGG der Sozialrechtsweg gegeben wäre.

17

Rechtsgrund für das an den Kläger gezahlte Kindergeld ist aber auch nicht der einstmals gegenüber dem Vater des Klägers ergangene Kindergeldbescheid. Zwar ist der Kindergeldbescheid ein Dauerverwaltungsakt (BFH Beschluss vom 28. Oktober 2005 III B 107/05, BFH/NV 2006, 549), der Zeit seines Bestehens monatsweise neue Ansprüche auf Kindergeld begründet. Es handelt sich bei dem Kindergeldbescheid allerdings - wie etwa auch beim Rentenbescheid - um einen personenbezogenen Verwaltungsakt, der mit dem Tod des Bescheidadressaten erlischt und der deshalb für die auf den Monat des Todes des Kindergeldberechtigten nachfolgenden Kalendermonate keine Ansprüche auf Kindergeld mehr begründen kann (so ausdrücklich für den Rentenbescheid geregelt in § 102 Abs. 5 SGB VI). Die Personenbezogenheit des Kindergeldbescheides ergibt sich daraus, dass ein Kindergeldanspruch nur zugunsten von Personen, die in einem bestimmten verwandtschaftlichen oder verwandtschaftsähnlichen Näheverhältnis zu einem konkreten Kind stehen, festgesetzt wird, wie sich aus § 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 EStG ergibt. Zugunsten eines Erben eines Kindergeldberechtigten - von dem unter der hier erörterten Fragestellung nicht erheblichen Fall einmal abgesehen, dass diese Person ihrerseits zum Personenkreis nach § 32 Abs. 1 EStG gehört - oder einer Erbengemeinschaft kann von vornherein kein Kindergeld festgesetzt werden. Im Streitfall brauchte der Kindergeldbescheid aus diesem Grunde nicht deklaratorisch gegenüber den Erben des Vaters aufgehoben zu werden.

18

Hat aber der Beklagte das Kindergeld auf seine Rechnung an den Kläger als Leistungsempfänger ohne Rechtsgrund ausgezahlt, so hat er nach § 37 Abs. 2 AO gegen den Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung.

19

Da nach dem Tod der Eltern des Klägers grundsätzlich kein Kindergeldanspruch mehr nach dem EStG bestand, kommt es nicht darauf an, ob sich der Kläger im streitbefangenen Zeitraum in Ausbildung befand oder mangels Ausbildungsplatzes eine Ausbildung nicht hat beginnen können.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.