Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 11.12.2017, Az.: L 11 AS 917/16

Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Leistungen für Bildung und Teilhabe; Übernahme der Kosten für die Anmietung eines grafikfähigen Taschenrechners über die Schulbedarfspauschale

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
11.12.2017
Aktenzeichen
L 11 AS 917/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 36215
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 06.09.2016 - AZ: S 5 AS 1222/15

Fundstellen

  • SchuR 2020, 92
  • ZfSH/SGB 2018, 222-225

Amtlicher Leitsatz

1. Die Kosten für die Anmietung eines grafikfähigen Taschenrechners für die Sekundarstufe II sind von der Schulbedarfspauschale des § 28 Abs. 3 SGB II erfasst. Die Höhe der Schulbedarfspauschale (insgesamt 100 € pro Jahr) ist gegenwärtig rechtlich nicht zu beanstanden.

2. Weitergehende Ansprüche auf Übernahme der Kosten für die Anmietung eines Taschenrechners ergeben sich für Bezieher von SGB II-Leistungen weder aus § 21 Abs. 6 SGB II noch aus § 73 SGB XII.

Redaktioneller Leitsatz

1. Eine Pauschalierung von Sozialleistungen unterliegt keinen grundsätzlichen oder sogar verfassungsrechtlichen Bedenken, auch nicht im Bereich existenzsichernder Leistungen.

2. Der Senat weist darauf hin, dass Ansprüche nach dem SGB II (hier für Schulbedarfe) nicht durch den Verweis auf mögliche freiwillige Unterstützungsleistungen privater Dritter (wie etwa eines Fördervereins einer Schule) abgelehnt werden können.

3. Unabhängig davon, ob und unter welchen Voraussetzungen entsprechende Leistungen überhaupt in Betracht kommen, können existenzsichernde Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, nicht mit dem Hinweis auf mögliche Unterstützungsleistungen dritter Privatpersonen abgelehnt werden.

4. Die Sicherstellung des Existenzminimums ist zuvörderst Aufgabe des Staates und muss durch gesetzliche Ansprüche gesichert sein.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 6. September 2016 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Anmietung eines grafikfähigen Taschenrechners, den sie für die Schule benötigt.

Die am I. 1994 geborene Klägerin bezog gemeinsam mit ihren 1959 und 1969 geboren Eltern seit mindestens 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Der Beklagte bewilligte mit Bescheiden vom 12. September 2014, 12. November 2014 und 1. Dezember 2014 der Familie laufende Leistungen für den Zeitraum Oktober 2014 bis September 2015. Als Einkommen berücksichtigte er das für die Klägerin gezahlte Kindergeld (184 EUR monatlich) und die Rente des Vaters wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 605,07 EUR.

Die Klägerin besuchte seit dem Schuljahr 2013/2014 die Sekundarstufe II an dem Beruflichen Gymnasium der Berufsbildenden Schulen des Landkreises J./K. (L.). Für die Anschaffung von Schulbüchern zu Beginn des Schuljahres 2013/2014 gewährte der Beklagte ein Darlehen über 307,40 EUR (Bescheid vom 23. Juli 2013). Mit Schreiben vom 4. Dezember 2014 beantragte die Klägerin die Gewährung von Leistungen für einen Taschenrechner (M.), der für den Schulbesuch benötigt werde. Der Anschaffungspreis betrage etwa 110 EUR.

Tatsächlich konnte die Klägerin einen entsprechenden Taschenrechner von der Schule mieten. Hierfür zahlte sie für drei Schulhalbjahre (2. Halbjahr der 12. Klasse sowie 1. und 2. Halbjahr der 13. Klasse) insgesamt 75 EUR (25 EUR pro Halbjahr, vgl. E-Mail der Klägerin vom 14. April 2016 sowie Quittung des Mathematikkursleiters vom 6. Juni 2015).

Die Übernahme der Kosten lehnte der Beklagte ab. Beim Taschenrechner handele es sich um einen Schulbedarf.

Dieser sei nach § 28 SGB II in zwei pauschalen Teilbeträgen zu leisten. Da der zum 1. August 2014 eigentlich zu zahlende Teilbetrag von 70 EUR noch nicht ausgezahlt worden sei, werde dies nun nachgeholt. Soweit deutlich über den Pauschalen liegende Bedarfe existieren sollten, käme ein Darlehen in Betracht (Bescheid vom 15. Dezember 2014). Mit zwei weiteren Bescheiden vom selben Tag bewilligte der Beklagte die bereits angesprochene Pauschale von 70 EUR und den - eigentlich erst am 1. Februar 2015 fällig werdenden - zweiten Teilbetrag von 30 EUR. Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin am 29. Dezember 2014 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2015 (dem Bevollmächtigten am 3. März 2015 zugegangen) zurückwies. Höhere Leistungen als die Pauschale seien grundsätzlich nicht vorgesehen. Angesichts der Höhe der Pauschalen dürfte der konkret angefallene Betrag, der im Übrigen bislang nicht nachgewiesen worden sei, gedeckt sein.

Am 7. April 2015 (Dienstag nach Ostern) hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben. Der Anspruch werde auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. Februar 2010 (- 1 BvL 1/09 u.a. -), auf Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sowie hilfsweise auf § 73 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) gestützt. Sie könne die Kosten für die Anmietung des Taschenrechners weder aus der Regelleistung noch aus dem Schulbedarfspaket finanzieren, da nach den Bestimmungen des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) in den regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben die Positionen für Bildung nicht annähernd in der Höhe enthalten seien, die für den Besuch der Sekundarstufe II notwendig wären. Außerdem werde auf die Begründung des Urteils des SG Hildesheim vom 22. Dezember 2015 (- S 37 AS 1117/15 -) Bezug genommen, mit dem weitere SGB II-Leistungen für die Anschaffung von Schulbüchern zugesprochen worden seien.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 6. September 2016 abgewiesen. Ein weitergehender Anspruch nach § 28 SGB II bestehe nicht. Es könne dahinstehen, ob die Kosten für den Taschenrechner dem Regel- oder dem Schulbedarf zuzuordnen seien. Das BVerfG habe bereits entschieden (Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12 u.a. -), dass das Schulbedarfspaket ausreichend sei. Ein Rückgriff auf § 21 Abs. 6 SGB II oder § 73 SGB XII komme unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ebenfalls nicht in Betracht. Die Berufung hat das SG zugelassen.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 17. September 2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Oktober 2016 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie bezieht sich zur Begründung auf ihr Vorbringen vor dem SG. Sie habe gemäß § 21 Abs. 6 SGB II einen Anspruch auf Übernahme der für den Taschenrechner angefallenen Mietkosten.

Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 6. September 2016 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für die Anmietung des Taschenrechners in Höhe von 75 EUR zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die Entscheidung des SG. Zudem bestünde im Landkreis J. die Möglichkeit, Unterstützungsleistungen von einem Verein zu erhalten, der sozial benachteiligten Menschen helfe. Schließlich könne auch eine kostenfreie Handy-App statt des Taschenrechners benutzt werden.

Auf Anfrage des Senats hat die Schule der Klägerin mitgeteilt, dass der stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins, der für diesen Anträge auf Unterstützung bei der Beschaffung von Lernmitteln entgegennehme, sich nicht erinnern könne, mit der Klägerin gesprochen oder von ihr einen Antrag erhalten zu haben. Eine Förderung wäre erfahrungsgemäß unbürokratisch erfolgt, ohne dass genaue Kriterien festgeschrieben seien (Schreiben der BBS J. vom 11. September 2017). Die Klägerin hat daraufhin vorgetragen, dass ihr gegenüber eine mögliche Unterstützung durch den Förderverein in "keiner Weise erwähnt" worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, sowie die von dem Beklagten als Verwaltungsvorgänge vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerechte Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft, weil das SG sie zugelassen hat und der Senat an diese Entscheidung gebunden ist (§ 144 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitergehende Übernahme der Kosten für die Anmietung des Taschenrechners.

Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 15. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 2015. Inhaltlich regelt der Bescheid die Versagung der Gewährung einer Beihilfe für die Anschaffung eines Taschenrechners zu Schulzwecken. Im Klage- und Berufungsverfahren begehrt die Klägerin die Übernahme eines Betrages von 75 EUR, den sie für die Miete des Rechners von der Schule aufwenden musste. Im Übrigen regelt der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides bei am Rechtsschutzziel orientierter Auslegung die Ablehnung der begehrten Leistungen unter allen rechtlichen Voraussetzungen, so dass im Hinblick auf das klägerische Begehren nicht nur die laufenden Alg II-Leistungen nach §§ 19 Abs. 1 Satz 1, 20, 21 SGB II sondern auch alle sonstigen möglichen Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, u.a. die daneben gewährten Leistungen für Bildung (§ 28 SGB II), in den Blick zu nehmen sind (vgl. zu Ansprüchen nach § 28 SGB II als isolierte, abtrennbare Streitgegenstände: BSG, Urteil vom 19. Juni 2012 - B 4 AS 162/11 R - juris Rn. 12).

Ein Anspruch auf die Gewährung eines (weiteren) Zuschusses für die geltend gemachten Aufwendungen gegen den beklagten Grundsicherungsträger besteht allerdings nicht.

Zwar ist die Klägerin grundsätzlich nach dem SGB II leistungsberechtigt, denn sie erfüllte im Zeitraum Oktober 2014 bis September 2015 durchgehend die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 SGB II, insbesondere war sie hilfebedürftig. Sie bildete eine Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II), wobei ihr Vater mangels Erwerbsfähigkeit einen Sozialgeldanspruch nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II hatte. Ihrem Regelbedarf zzgl. eines Mehrbedarfes für Warmwasserbereitung in Höhe von monatlich insgesamt 320,20 EUR und ab Januar 2014 von 327,36 EUR (§§ 20 Abs. 2 Satz 2, 21 Abs. 7 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung - a.F. - i.V.m. Bekanntmachung vom 16. Oktober 2013 über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Absatz 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1. Januar 2014 bzw. der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2014 über die Höhe der Regelbedarfe ab 1. Januar 2015) zzgl. der kopfteiligen monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe (bis November 198,33 EUR, ab Dezember: 191,66 EUR) stand zu berücksichtigendes Einkommen (§§ 11 Abs. 1 SGB II) in Höhe von monatlich 184 EUR Kindergeld, bereinigt um die Versicherungspauschale von 30 EUR, und einem Anteil des anrechenbaren, auf sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu verteilenden Renteneinkommens des Vaters von 575,07 EUR gegenüber (Anrechnungsbeträge im Oktober bis November: 135,82 EUR monatlich, Dezember: 135,09 EUR, ab Januar 135,77 EUR monatlich; vgl. § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II).

Weitere Leistungsansprüche für die hier streitbefangenen Kosten der Anmietung eines grafikfähigen Taschenrechners ergeben sich weder aus § 28 SGB II (dazu I.) noch aus § 21 SGB II (dazu II.). Auch § 73 SGB XII kommt als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht (dazu III.).

I.

1. Nach der Konzeption des SGB II werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Heranwachsenden neben dem Regelbedarf zusätzliche Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben (§ 28 SGB II) gesondert berücksichtigt. Insoweit hat der Gesetzgeber eigenständige Ansprüche für die Übernahme von Kosten für Schulausflüge und Klassenfahrten, der Schülerbeförderung, einer angemessenen Lernförderung und für eine gemeinschaftliche Mittagsverpflegung geschaffen (§ 28 Abs. 2, 4-6 SGB II). Darüber hinaus werden für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf bei Schülerinnen und Schülern zum 1. August eines jeden Jahres 70 EUR und zum 1. Februar eines jeden Jahres 30 EUR berücksichtigt (sog. Schulbedarfspauschale, § 28 Abs. 3 Satz 1 SGB II). Diese Pauschalen hat der Beklagte der Klägerin im Dezember 2014 ausgezahlt.

Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/3404, S. 105, zur Vorgängerregelung in § 24a SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung: BT-Drs. 16/10809, S. 16) soll diese pauschale Leistung insbesondere die erforderliche Ausstattung am Schuljahresbeginn umfassen. Die Leistung dient insbesondere dem Erwerb von Gegenständen zur persönlichen Ausstattung für die Schule (z.B. Schulranzen, Schulrucksack, Turnzeug, Turnbeutel, Blockflöte) und für Schreib-, Rechen- und Zeichenmaterialien (z.B. Füller einschließlich Tintenpatronen, Kugelschreiber, Bleistifte, Malstifte, Malkisten, Hefte, Blöcke, Papier, Lineale, Buchhüllen, Zirkel, Taschenrechner, Geodreieck). Die Kosten für die Anmietung eines für die Schule notwendigen Taschenrechners sind mithin unzweifelhaft Bestandteil der persönlichen Schulausstattung (ausdrücklich auch: Leopold in jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 28 Rn. 103; Lenze in LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 28 Rn. 14, Thommes in Gagel, SGB II, Stand 67. EL September 2017, § 28 Rn. 15; O. Loose in GK-SGB II, Stand Dezember 2015, § 28 Rn. 51; Burkiczak in Estelmann, SGB II, Stand 52. EL Juni 2016, § 28 Rn. 78; vgl. zu den Anschaffungskosten eines Taschenrechners als Bestandteil der Schulbedarfspauschale: Urteil des Senats vom 11. Dezember 2017 - L 11 AS 349/17).

2. Neben der vom Beklagten bereits gewährten Pauschale von 100 EUR (vgl. Bescheide vom 15. Dezember 2014) kommen weitere Leistungen nach § 28 Abs. 3 SGB II nicht in Betracht. Zwar hat der Gesetzgeber auf eine empirische Bemessung der Pauschale verzichtet, allerdings zur Begründung ausgeführt (BT-Drs. 17/3404, S. 105), dass der Betrag jedenfalls nicht den auf Grund der Gewährung der Pauschale nicht regelsatzrelevanten Wert der Einkommens und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2008 für die Position "Sonstige Verbrauchsgüter (Schreibwaren, Zeichenmaterial u.a.)" unterschreite (maximal 2,86 EUR monatlich). Das BVerfG hat diesbezüglich bereits entschieden, dass der Betrag von 100 EUR nicht zu einer evidenten Bedarfsunterdeckung führt und somit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - juris Rn. 135). Auch in der Kommentarliteratur wird die Höhe der Schulbedarfspauschale überwiegend als auskömmlich angesehen (Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 28 Rn. 28; ders.; Handbuch der Grundsicherung für Arbeitssuchende, S. 179; Leopold, aaO., Rn. 109; Voelzke in Hauck/Noftz, Stand EL 3/17, § 28 Rn. 59; Burkiczak, aaO., Rn. 76; vgl. auch die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Diana Golze vom 1. August 2011, BT-Drs. 17/6733, S. 32 f.; zweifelnd allerdings Thommes, aaO. Rn. 16; Lenze, aaO., § 28 Rn. 16 und Münder, SozSich Extra September 2011, S. 86). Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Die Klägerin begehrt die Übernahme von 75 EUR für drei Schulhalbjahre. Dieser Betrag liegt deutlich unter der Pauschale. Dass daneben Bedarfe bestanden haben, die dazu führten, dass die Pauschale nicht ausreichte, hat die Klägerin weder vorgetragen noch ist dies ersichtlich. Soweit die Klägerin im Jahr 2013 (d.h. ca. ein Jahr vor Beantragung der hier streitbefangenen Leistungen) Schulbücher, die teilweise für die gesamte Dauer der Sekundarstufe II genutzt wurden, im Gesamtwert von 307,40 EUR angeschafft hat (siehe Schreiben der Schule vom 28. Juni 2013), hat der Beklagte ein Darlehen bewilligt (Bescheid vom 23. Juli 2013). Ob für Schulbücher darüber hinausgehende Ansprüche nach dem SGB II bestanden haben, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens (siehe insoweit ausführlich: Urteile des Senats vom 11. Dezember 2017 - L 11 AS 349/17 und L 11 AS 1503/15 -). Die Entscheidung des Gesetzgebers für Pauschalbeträge führt im Übrigen - wie bei Pauschalen generell - dazu, dass in vielen, möglicherweise sogar in den meisten Fällen die tatsächlich anfallenden Beträge (hier: für Schulmaterialien) ihrer Höhe nach gerade nicht genau mit den gewährten Pauschalbeträgen übereinstimmen. Diese einer jeglichen Pauschalierung immanente Folge begründet nicht die Fehlerhaftigkeit oder Rechtswidrigkeit der Pauschalierung.

Vielmehr unterliegt eine Pauschalierung von Sozialleistungen keinen grundsätzlichen oder sogar verfassungsrechtlichen Bedenken, auch nicht im Bereich existenzsichernder Leistungen (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. -, Ls. 4; BSG, Urteil vom 1. Dezember 2016 - B 14 AS 21/15 R -; ausführlich: Spellbrink, Zur Zukunft der pauschalierten Leistungsgewährung im SGB II nach der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010, Sozialrecht aktuell 2010, 88; Urteil des Senats vom 21. November 2017 - L 11 AS 431/17 -).

II.

Die Klägerin hat auch keinen weitergehenden Anspruch auf die Berücksichtigung der 75 EUR als Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II. Bei Leistungsberechtigten wird nach dieser Norm ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Dabei kann hier offenbleiben, ob § 21 Abs. 6 SGB II auf Bildungsbedarfe überhaupt Anwendung finden kann (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 12/13 R - juris Rn. 27; Urteil des Senats vom 11. Dezember 2017 - L 11 AS 349/17 -). Ebenso kann dahinstehen, ob der Bedarf überhaupt ein laufender Bedarf ist (vgl. zu Schulbüchern: BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 47/09 R - juris Rn. 16 und Urteile des Senats vom 11. Dezember 2017 - L 11 AS 349/17 und L 11 AS 1503/15 -). Es liegt schon kein besonderer, unabweisbarer Bedarf vor, weil die Kosten durch die Pauschale nach § 28 Abs. 3 SGB II anderweitig gedeckt waren (vgl. § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II). Dies bestätigt auch die Gesetzesbegründung, nach der Kosten für "Schulmaterialien" nicht von § 21 Abs. 6 SGB II umfasst sein sollen (BT-Drs. 17/1465, S. 9). Soweit das SG Hildesheim mit Urteil vom 22. Dezember 2015 (- S 37 AS 1117/15 -) einen Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II auf Übernahme von Kosten für Schulbücher bejaht hat, kann diese Rechtsprechung nicht auf die Kosten für den Taschenrechner übertragen werden. Schulbücher sind nämlich nicht von der Schulbedarfspauschale umfasst (siehe Urteile des Senats vom 11. Dezember 2017 - L 11 AS 349/17 und L 11 AS 1503/15 -.).

III.

Ebenfalls besteht kein weitergehender Anspruch nach § 73 SGB XII, unabhängig davon, ob insoweit der Beklagte oder der Sozialhilfeträger zuständig wäre. Nach dieser Regelung können Leistungen der Sozialhilfe - als Darlehen oder Beihilfe - auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Jedenfalls für den hier Rede stehenden Bedarf "Schulmaterialien" findet § 73 SGB XII bei Leistungsberechtigten nach dem SGB II keine Anwendung. Damit § 73 SGB XII nicht zu einer allgemeinen Auffangregelung für Leistungsempfänger nach dem SGB II mutiert, muss eine atypische Bedarfslage vorliegen, die jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn es sich um einen typischen innerhalb des SGB II zu befriedigenden Bedarf handelt (z.B. BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 13/10 R - juris Rn. 15 ff.). Insoweit hat das BSG die Anwendung des § 73 SGB XII bei Schulbedarfen bereits ausdrücklich abgelehnt, weil diese typische Bedarfe sind, die nach den Vorgaben des BVerfG im Urteil vom 9. Februar 2010 (- 1 BvL 1/09 u.a. -) zum existenziellen Bedarf gehören und daher mit dem Regelbedarf bzw. ggf. ergänzenden Regelungen zu decken sind (BSG, Urteile vom 28. Oktober 2009, aaO. Rn. 21 ff. - Schülermonatskarte -; BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 47/09 R - juris Rn. 12 ff. - Schulbücher -). Dass eine solche Bedarfsdeckung im vorliegenden Fall im Rahmen der Gewährung der Schulbedarfspauschalen (§ 28 Abs. 3 SGB II) erfolgt ist, ist bereits im Abschnitt III. dargelegt worden.

IV.

Abschließend weist der Senat darauf hin, dass Ansprüche nach dem SGB II (hier für Schulbedarfe) nicht durch den Verweis auf mögliche freiwillige Unterstützungsleistungen privater Dritter (wie etwa des Fördervereins der Schule) abgelehnt werden können (vgl. hierzu: Schreiben der Schule vom 11. September 2017). Unabhängig davon, ob und unter welchen Voraussetzungen entsprechende Leistungen überhaupt in Betracht gekommen wären, können existenzsichernde Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, nicht mit dem Hinweis auf mögliche Unterstützungsleistungen dritter Privatpersonen abgelehnt werden. Die Sicherstellung des Existenzminimums ist zuvörderst Aufgabe des Staates und muss durch gesetzliche Ansprüche gesichert sein (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a., Rn. 136). Soweit der Beklagte auf die Nutzung einer kostenlosen Smartphone-App als Möglichkeit der anderweitigen Bedarfsdeckung hingewiesen hat, überzeugt dies ebenfalls nicht, weil diese in der Abiturprüfung nicht genutzt werden könnte. Dort darf nur der von der Schule bezeichnete Taschenrechner genutzt werden (vgl. E-Mail der Schule vom 1. September 2016).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) besteht nicht.