Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 13.12.2017, Az.: L 3 KA 37/14

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
13.12.2017
Aktenzeichen
L 3 KA 37/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53693
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 15.01.2014 - AZ: S 61 KA 83/10

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Hat eine Krankenkasse (ua) mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) einen Vertrag über integrierte Versorgungsformen abgeschlossen und sind im Rahmen der integrierten Versorgung rechtsgrundlos Honorare an daran teilnehmende Vertragsärzte gezahlt worden, kann einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Kasse gegen diese Ärzte entgegenstehen, dass die Honorare - wie im Vertrag vorgesehen - von der KÄV abgerechnet und an die Ärzte ausgezahlt worden sind (Vorrang der Leistungsbeziehung nach § 812 Abs 1 S 1 1. Alt BGB).

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 15. Januar 2014 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor dieses Urteils zur Hauptsache wie folgt gefasst wird:

„1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 32.396,32 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 232.576 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung von Zahlungen für Leistungen der integrierten Versorgung.

Die Klägerin schloss am 13. Februar 2002 mit der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) und dem L. in M. einen Vertrag zu integrierten Versorgungsformen gemäß § 140b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) über die Versorgung onkologischer Patienten (im Folgenden: IV-Vertrag). Wesentliche Ziele dieses Vertrages waren die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten und dem L., die Vereinheitlichung der Vergütungsstruktur für die Bereiche der stationären und ambulanten Versorgung und eine wirtschaftliche Versorgung der Patienten durch Schaffung eines gemeinsamen Bezugswegs von Arzneimitteln, insbesondere Zytostatika (ua §§ 1 und 4 IV-Vertrag).

Nach § 3 Abs 1 S 1 IV-Vertrag waren ua niedergelassene onkologisch verantwortliche Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie in M. teilnahmeberechtigt. Die niedergelassenen Ärzte hatten ihre Teilnahme an der integrierten Versorgung durch schriftlichen Beitritt unter Verwendung des als Anl 1 IV-Vertrag vorgesehenen Formblatts zu bestätigen, wobei der Beitritt der Zustimmung der Vertragspartner bedurfte (§ 3 Abs 2 IV-Vertrag). Auf der Seite der Patienten galt die Vereinbarung für die Versicherten der Klägerin (§ 2); das Mitwirken durch den Patienten erfolgte nach § 4 S 3 IV-Vertrag durch seine schriftliche Einwilligung, für die ebenfalls ein Formblatt (Anl 2) vorgesehen war.

Für die Vergütung der medizinischen und psychosozialen Betreuung aufgrund des Vertrages ist nach § 7 Abs 1 S 1 iVm Anl 4 IV-Vertrag eine Pauschale je onkologischem Behandlungsfall vereinbart worden; daneben waren nur bestimmte weitere Leistungen nach Maßgabe von § 7 Abs 2 IV-Vertrag (ua Laborkosten) abrechenbar. Die Abrechnung der Pauschalen erfolgte für die teilnahmeberechtigten Ärzte nach § 7 Abs 7 S 1 IV-Vertrag „über die“ Bezirksstelle M. der Beigeladenen, die nach S 2 der Vorschrift berechtigt war, „von der Vergütung an die beteiligten Ärzte die zulässigen Abzüge für Verwaltungskosten vorzunehmen“. In § 7 Abs 8 IV-Vertrag war ferner geregelt: „Die KVN Bezirksstelle M. wird zusätzlich weiterhin eine Parallelabrechnung der ärztlichen Leistungen gemäß EBM aufgrund einer entsprechenden Datenlieferung der teilnahmeberechtigten Ärzte erstellen. Diese hat auf elektronischen Datenträgern zu erfolgen. Die AOKN erhält eine Ausfertigung der Parallelabrechnung.“ Gegenüber der Klägerin erfolgte die Abrechnung nach § 7 Abs 9 S 1 IV-Vertrag außerhalb der begrenzten Gesamtvergütung.

Die Beklagten zu 1. bis 4. nehmen als Fachärzte für Innere Medizin mit der Schwerpunktbezeichnung Hämatologie und Onkologie an der vertragsärztlichen Versorgung in M. teil. Sie üben ihre Tätigkeit gemeinschaftlich in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) - der Beklagten zu 5. - aus.

Unter dem 2. September 2002 schloss die Beklagte zu 5. - der seinerzeit die Beklagten zu 1. und 2. angehörten - einen Kooperationsvertrag mit dem L. in M. über die Zusammenarbeit zur Versorgung onkologischer Patienten im Rahmen einer integrierten Versorgung. In § 3 Abs 1 S 1 dieses Vertrages war vorgesehen, dass die Beklagte zu 5. in ihren Räumlichkeiten im Auftrag des Krankenhauses und für dieses teilstationäre Behandlung erbringe. Nach § 4 Abs 3 des Kooperationsvertrages sollte die Vergütung der Leistungen über die Beigeladene „im Rahmen der in der integrierten Versorgung vereinbarten Vergütungspauschalen“ erfolgen.

Im Rahmen der quartalsweisen Abrechnung ihrer vertragsärztlichen Leistungen rechnete die Beklagte zu 5. im Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis zum 30. Juni 2008 auch Leistungen der integrierten Versorgung onkologischer Patienten gegenüber der Beigeladenen ab. Die im IV-Vertrag vereinbarte Behandlungspauschale wurde dabei zunächst mit der Nr 9130 und ab dem Quartal II/2005 mit der Nr 99860 abgerechnet. Die Beigeladene setzte das Honorar unter Einschluss dieser Leistungen jeweils durch Quartalshonorarbescheid fest und zahlte das (Gesamt-)Honorar an die Beklagte zu 5. aus. Nach entsprechender Abrechnung ihr gegenüber erstattete die Klägerin im Anschluss die von der Beigeladenen verauslagten Beträge.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 4. Juni 2008 ließ die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 5. erklären, dass die Beklagte zu 5. zu keinem Zeitpunkt den schriftlichen Beitritt nach Anl 1 IV-Vertrag erklärt und die Vertragspartner auch keine Zustimmung zum Beitritt der Beklagten zu 5. erklärt hätten. Demzufolge nehme die Beklagte zu 5. an dem Vertrag nicht teil. Die Leistungen seien deshalb in der Vergangenheit ohne Rechtsgrund erbracht und vergütet worden. Die Beklagte zu 5. werde aufgefordert, die Einwilligungserklärungen für sämtliche Patienten vorzulegen, für die eine Behandlungspauschale nach dem IV-Vertrag abgerechnet worden sei. Für den Fall, dass der Nachweis des Vorliegens von Einwilligungserklärungen nicht geführt werden würde, behalte sich die Klägerin eine Rückforderung geleisteter Behandlungspauschalen vor.

Die Beklagte zu 5. legte in der Folgezeit Einwilligungserklärungen von Patienten vor.

Mit Schreiben vom 28. Juli 2008 machte die Klägerin zunächst einen Rückforderungsanspruch in Höhe von 292.515,35 Euro geltend. Dazu erklärte sie, dass in 1.113 Fällen keine Einwilligungserklärungen vorlägen; in diesen Fällen hätten die Voraussetzungen für eine Abrechnung nicht vorgelegen. Die Beklagte zu 5. hatte bereits zuvor jegliche Zahlung abgelehnt und hat auch im Folgenden keine Zahlung auf die Forderung der Klägerin geleistet.

Am 18. November 2009 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht (SG) Oldenburg Klage erhoben und den gegenüber den Beklagten geltend gemachten Zahlungsanspruch nunmehr auf 331.213,01 Euro beziffert. Die Klägerin habe in den Quartalen I/2004 bis II/2008 für insgesamt 1.246 Behandlungsfälle Zahlungen in dieser Gesamthöhe ohne Rechtsgrund geleistet. Für diese Behandlungsfälle habe die Beklagte zu 5. keine Erklärungen der Versicherten über die Einwilligung zur Teilnahme an der integrierten Versorgung vorgelegt. Damit bestehe für diese Behandlungen kein Vergütungsanspruch der Beklagten zu 5., die dem IV-Vertrag auch nicht wirksam beigetreten sei. Auch habe kein sonstiges rechtliches Verhältnis vorgelegen, aus dem sich ein Anspruch auf Zahlung der abgerechneten Behandlungspauschalen für die Versorgung onkologischer Patienten im Rahmen der integrierten Versorgung ergeben könnte. Dementsprechend stehe der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 812 Abs 1 S 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu.

Das SG Oldenburg hat den Rechtsstreit an das zuständige SG Hannover verwiesen (Beschluss vom 15. Januar 2010).

Mit Schriftsatz vom 23. August 2012 (bei dem SG Hannover eingegangen am 27. August 2012) hat die Klägerin die Klage in Höhe eines Teilbetrages von 66.240,69 Euro zurückgenommen. Dazu hat sie klarstellend ausgeführt, dass lediglich die vertragliche Fallpauschale pro Behandlungsfall für die nicht eingeschriebenen Patienten zurückgefordert werde; die ursprünglich in die Klageforderung einberechneten Laborkosten seien davon unabhängig zu leisten gewesen.

Die Beklagten haben eingewandt, dass alle Beteiligten von einem wirksamen Beitritt der Beklagten zu 5. zum IV-Vertrag ausgegangen seien. Der Vertrag sei dementsprechend über mehrere Jahre beanstandungslos erfüllt worden; dadurch habe die Klägerin auch Vorteile - vor allem Einsparungen im Arzneimittelbereich - erlangt. Die Beklagte zu 5. habe in jedem abgerechneten Einzelfall die Leistung vollständig erbracht. Für die Abrechnung dieser Leistungen sei die Einwilligungserklärung der Patienten keine Voraussetzung, denn die Erklärung habe lediglich deklaratorischen Charakter. Davon unabhängig hätten die Patienten in jedem Fall mündlich bzw konkludent durch ihr Erscheinen in der Praxis und die Inanspruchnahme der Leistungen ihre Einwilligung erklärt; eine Schriftform sei hierfür gesetzlich nicht vorgesehen. Die teilnehmenden Patienten seien im Übrigen quartalsweise in Form einer Liste gemeldet worden; Beanstandungen habe es insoweit nicht gegeben. Eine Rückforderung sei ferner deshalb ausgeschlossen, weil auf bereicherungsrechtlicher Grundlage eine Saldierung des geltend gemachten Anspruchs mit dem Wert der von den Beklagten erbrachten, vertraglich vorgesehenen Leistungen vorzunehmen wäre. Außerdem sei Entreicherung eingetreten, weil das im streitgegenständlichen Zeitraum gezahlte Honorar für die Zahlung von Betriebskosten der Praxis, Angestelltenlöhne, Miete ua verbraucht worden sei. Hinsichtlich der Quartale I/2004 und II/2004 haben die Beklagten außerdem die Einrede der Verjährung erhoben. Die Beklagten seien schließlich auch nicht passiv legitimiert, weil die Zahlungsabwicklung über die Beigeladene vorgenommen worden sei.

Mit Urteil vom 15. Januar 2014 hat das SG die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin „für die 1.264 Behandlungsfälle, in denen keine Einwilligungserklärung der Patienten vorlag, jeweils den Betrag zu zahlen, der sich aus der jeweiligen Differenz zwischen der erhaltenen Behandlungspauschale nach § 7 Abs 1 des Vertrages vom 13.02.2002 und der nach § 7 Abs 5 des Vertrages vom 13.02.2002 erfolgten Bereinigung der Gesamtvergütung je Behandlungsfall ergibt“, zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe ein Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs 1 S 1 1. Alt BGB zu. Die Beklagten hätten für insgesamt 1.264 Behandlungsfälle eine Pauschalvergütung in Höhe von 209,63 Euro pro Behandlungsfall erhalten. Diese Leistungen seien ohne Rechtsgrund erfolgt, weil die Patienten nicht in der vertraglich vorgesehenen Schriftform ihre Einwilligung erklärt hätten. Demzufolge habe ein Rechtsgrund für die Leistung unmittelbar durch die Klägerin nicht bestanden. Der Bereicherungsanspruch reduziere sich nach Maßgabe der Saldotheorie jedoch um den Wert der (ebenfalls rechtsgrundlos) erbrachten Gegenleistungen, also um den Wert der durch die Beklagten vorgenommenen onkologischen Behandlungen. Die Kammer halte es für sachgerecht, hierfür den Wert anzusetzen, der von den Vertragsschließenden als Höhe für die Bereinigung der Gesamtvergütung je Fall angesetzt worden ist. Eine darüber hinausgehende Saldierung aufgrund von Entreicherung durch Verbrauch sei demgegenüber nicht vorzunehmen. Ebenso wenig könnten mögliche Vorteile berücksichtigt werden, die die Klägerin durch die Einbeziehung der Behandlungsfälle erzielt haben dürfte (Einsparungen bei der Medikamentenbeschaffung).

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 25. März 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 9. April 2014 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Es sei unklar, ob das SG die Beklagten - wie beantragt - zur Zahlung verurteilt oder nur eine Feststellung getroffen habe, dass die Beklagten zur Zahlung einer Differenz verpflichtet sind. Die Tenorierung sei (überraschend) verfahrensfehlerhaft ergangen und materiell-rechtlich falsch. Das SG habe offen gelassen, woraus sich der von ihm angenommene Vergütungsanspruch der Beklagten zu 5. ergebe. Es habe ferner die Rechtsfolgen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs verkannt; danach könne weder ein Anspruch der Beklagten angenommen noch eine Saldierung vorgenommen werden. Ob den Beklagten im Hinblick auf die streitigen Behandlungsfälle noch Ansprüche gegenüber der Beigeladenen zustehen, sei nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Das SG habe insofern die unterschiedlichen Zahlungsansprüche der Beteiligten „in einen Topf geworfen“. Schließlich sei der Tenor des Urteils des SG ein „Nullum“; dieser zwinge die Klägerin im Ergebnis in einen erneuten Rechtsstreit, in dem wiederum über dieselben Zahlungsansprüche gestritten würde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 15. Januar 2014 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 264.972,32 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung. Im Ergebnis lasse sich die Höhe des Zahlungsanspruchs aus dem Tenor des Urteils des SG ermitteln. Danach sei in allen 1.264 Behandlungsfällen die Behandlungspauschale in Höhe von 209,63 Euro mit der Bereinigungspauschale in Höhe von 184 Euro zu saldieren.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Klägerin und der Beigeladenen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber - abgesehen von der aus Klarstellungsgründen erforderlichen Neufassung des Tenors des angefochtenen Urteils - unbegründet. Der Klägerin steht kein über das Urteil des SG hinausgehender Zahlungsanspruch gegen die Beklagten zu.

1. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch nur noch insoweit, als das SG die Klage abgewiesen hat.

a) Soweit das SG die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt hat, an die Klägerin „für die 1.264 Behandlungsfälle, in denen keine Einwilligungserklärung der Patienten vorlag, jeweils den Betrag zu zahlen, der sich aus der jeweiligen Differenz zwischen der erhaltenen Behandlungspauschale nach § 7 Abs 1 des Vertrages vom 13.02.2002 und der nach § 7 Abs 5 des Vertrages vom 13.02.2002 erfolgten Bereinigung der Gesamtvergütung je Behandlungsfall ergibt“ - zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit -, erscheint die Fassung des Tenors zwar missglückt. Insofern ist die Frage aufgeworfen, ob sich durch Auslegung klären lässt, welche inhaltliche Entscheidung das SG getroffen hat. Bei der Auslegung des Urteils sind der Tenor, der Tatbestand und die Entscheidungsgründe heranzuziehen (vgl Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz <SGG>, 12. Aufl, § 136 Rn 5c f).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus dem Tenor aber eindeutig, dass das SG die Beklagten zur Leistung, nämlich zur Zahlung verurteilt und nicht lediglich eine Feststellung getroffen hat. Zugleich wird aus dem Zusammenhang zwischen dem Tenor und den Gründen der Entscheidung des SG deutlich, in welcher Höhe das SG tatsächlich einen Erstattungsanspruch zuerkannt hat. Dabei ist unstreitig, dass sich die Behandlungspauschale für die 1.264 streitigen Behandlungsfälle auf 209,63 Euro belaufen hat; dieser Betrag ist von den Beteiligten übereinstimmend vorgetragen und auch im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zugrunde gelegt worden. Wenn das SG sodann einen Zahlungs- bzw Erstattungsanspruch in Höhe der Differenz zwischen dieser Behandlungspauschale und der nach § 7 Abs 5 IV-Vertrag erfolgten Bereinigung der Gesamtvergütung je Behandlungsfall ausgeurteilt hat, lässt sich dem noch mit hinreichender Klarheit entnehmen, dass als Subtrahend der in der vertraglichen Regelung vereinbarte - und ebenfalls im Tatbestand des Urteils des SG genannte - Betrag von 184 Euro eingesetzt werden sollte. Im Ergebnis hat das SG der Klage somit in Höhe von 32.396,32 Euro (1.264 Behandlungsfälle x 25,36 Euro) stattgegeben. Damit steht auch die vom SG getroffene Kostengrundentscheidung im Einklang, der ein jeweils anteiliges Unterliegen der Hauptbeteiligten zu Grunde gelegt worden ist, dessen Umfang ungefähr dem Verhältnis des zuerkannten zum eingeklagten Anspruch entspricht.

Da das SG die Höhe des Erstattungsanspruchs im Urteilstenor selbst nicht beziffert, sondern dort lediglich hinreichend bestimmte bzw bestimmbare Vorgaben zur Berechnung des Anspruchs gemacht hat, und danach für wenigstens einen Verfahrensbeteiligten - hier: die Klägerin - der Umfang der Leistungsverpflichtung der Beklagten unklar geblieben ist, war der Tenor insoweit aus Gründen der Rechtssicherheit zur Klarstellung neu zu fassen.

b) Soweit das SG die Beklagten zur Zahlung verurteilt hat, ist das Urteil von den Beklagten nicht angefochten worden und damit für die Beteiligten und den Senat bindend.

Im Berufungsverfahren ist deshalb nur noch darüber zu entscheiden, ob der Klägerin ein über den ausgeurteilten (und nunmehr klargestellten) Betrag hinausgehender Anspruch zusteht.

2. Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Im Hinblick auf den streitgegenständlichen Zahlungsanspruch stehen Klägerin und Beklagte in einem Gleichordnungsverhältnis zueinander, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Insoweit fehlt es an einer gesetzlichen Bestimmung, nach der die Klägerin befugt wäre, den Anspruch in der Form eines Verwaltungsakts festzusetzen. Dementsprechend bedurfte es auch weder der Durchführung eines Vorverfahrens vor Klageerhebung noch war eine Klagefrist einzuhalten.

3. Als Rechtsgrundlage des mit der Klage verfolgten Anspruchs kommt allein der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht. Dieses aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts abgeleitete Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts verschafft dem Anspruchsinhaber ein Recht auf Herausgabe des Erlangten, wenn im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne Rechtsgrund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind. Seine Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen entsprechen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs (vgl Bundessozialgericht <BSG> SozR 4-2500 § 264 Nr 2; SozR 4-5560 § 17b Nr 2 jeweils mwN).

Im hier allein maßgebenden Verhältnis zwischen der Klägerin und den Beklagten sind die Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs jedoch nicht erfüllt.

a) Zwischen der Klägerin und den Beklagten kann ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis bestehen, weil die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Ärzten gemäß § 69 S 1 SGB V(in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes <GMG> vom 14. November 2003, BGBl I 2190) abschließend im Vierten Kapitel des SGB V sowie in den §§ 63 und 64 SGB V geregelt sind. Da diese Vorschriften solche des öffentlichen Rechts sind, können auch die hierauf beruhenden Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern - obgleich für diese nach § 69 S 3 SGB V ergänzend die Vorschriften des BGB entsprechend gelten - nur öffentlich-rechtlicher Natur sein (vgl dazu BSG SozR 4-5560 § 17b Nr 2).

b) Der Klägerin steht ein Anspruch unmittelbar gegen die Beklagten aber schon deshalb nicht zu, weil sie keine Leistung an die Beklagte zu 5., sondern an die Beigeladene erbracht und die Beklagte zu 5. ihrerseits die Vergütung für die Leistungen der integrierten Versorgung onkologischer Patienten aufgrund von Leistungen der Beigeladenen erlangt hat, denen entsprechende Honorarbescheide zugrunde liegen.

aa) Erfolgt die Vermögensverschiebung - wie hier - durch Leistung, also aufgrund bewusster und zweckgerichteter Vermehrung fremden Vermögens, ist neben der entsprechenden Anwendung der geschriebenen Anspruchsvoraussetzungen des § 812 Abs 1 S 1 1. Alt BGB auch der Vorrang der Leistungsbeziehung zu beachten. Das bedeutet, dass der Gläubiger des Erstattungsanspruchs - sofern er zur Erfüllung einer bestehenden oder angenommenen eigenen Verpflichtung geleistet hat - wegen desselben Gegenstands keinen Anspruch auf Bereicherung in sonstiger Weise gegen einen Dritten haben kann. Deshalb kommt, sofern es in einer Rechtsbeziehung an einem rechtlichen Grund für die erbrachte Leistung fehlt, ein Erstattungsanspruch grundsätzlich nur zwischen den an dieser Rechtsbeziehung Beteiligten in Betracht (BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 2; SozR 4-7610 § 812 Nr 7; Bundesverwaltungsgericht <BVerwG> NJW 2008, 601).

bb) Nach diesen Grundsätzen käme vorliegend aber allenfalls ein Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beigeladene in Betracht, die ihrerseits die geleistete Vergütung von den Beklagten nur unter den Voraussetzungen einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarbescheide hätte zurückfordern können.

Nach dem übereinstimmenden und nachvollziehbaren Vorbringen der Beteiligten sind alle Beteiligten zunächst von einer (wirksamen) Teilnahme der Beklagten zu 5. am IV-Vertrag ausgegangen. Dementsprechend hat die Beklagte zu 5. die erbrachten Leistungen gegenüber der Beigeladenen abgerechnet, wie es § 7 Abs 7 S 1 des Vertrages vorsah. Dabei ist im IV-Vertrag zwar nicht ausdrücklich geregelt worden, in welcher Form über die von den teilnehmenden Ärzten eingereichten Abrechnungen der Behandlungspauschalen zu entscheiden ist. Aus der Regelung in § 7 Abs 7 S 2 IV-Vertrag wird aber deutlich, dass die Vergütung von der Beigeladenen auszuzahlen war, weil anderenfalls die dort vorgesehene Möglichkeit von Abzügen für Verwaltungskosten ins Leere gelaufen wäre. Zudem setzt der Wortlaut von § 7 Abs 8 S 1 IV-Vertrag („zusätzlich“) voraus, dass die Beigeladene eine Abrechnung der ärztlichen Leistungen erstellt. Tatsächlich sind diese vertraglichen Vorgaben auch umgesetzt worden; die Beigeladene hat die von der Beklagten zu 5. abgerechneten Leistungen in den Honorarbescheiden berücksichtigt und die quartalsweise festgesetzten Honorare an die Beklagte zu 5. ausgezahlt. Erst im Anschluss hat die Beigeladene eine Abrechnung gegenüber der Klägerin erstellt, die daraufhin die von der Beigeladenen verauslagten Beträge durch Zahlungen außerhalb der Gesamtvergütung erstattet hat.

Bei dieser Sachlage ist die erfolgte Vergütung der Leistungen nach dem IV-Vertrag nicht von der Klägerin, sondern eindeutig von der Beigeladenen an die Beklagte zu 5. geleistet worden. Die Zahlungen der Beigeladenen in diesem Leistungsverhältnis können auch nicht aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 267 Abs 1 BGB als Leistungen der Klägerin angesehen werden. Eine derartige Leistung eines Dritten mit Erfüllungswirkung würde voraussetzen, dass der Dritte mit dem Willen geleistet hat, eine Verpflichtung des Schuldners zu tilgen, und dass er dies auch zum Ausdruck gebracht hat. Maßgeblich dabei ist, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers darstellt (Bundesgerichtshof <BGH> BGHZ 137, 89). Wenn die KÄV hier die Leistungen aufgrund des IV-Vertrages einheitlich mit den vertragsärztlichen Leistungen der Beklagten zu 5. im Rahmen der Honorarbescheide quartalsweise abgerechnet und dabei nicht zum Ausdruck gebracht hat, dass ein konkret bezifferter und damit abgrenzbarer Teil des ausgewiesenen Honorars tatsächlich für die Klägerin geleistet werde, dann lassen sich die Zahlungen der Beigeladenen aus der (objektiven) Sicht der Ärzte aber nur als einheitliche Leistung der Beigeladenen auf den durch Honorarbescheid festgesetzten Vergütungsanspruch verstehen. Nach der darin ausgewiesenen Berechnung geht die Vergütung für die streitigen Leistungen mit derjenigen für sämtliche übrigen von der Beklagten zu 5. erbrachten und abgerechneten Leistungen in einer Gesamthonorarsumme auf, von der sodann noch prozentuale Abzüge (für Verwaltungskosten und Notdienstumlage) gemacht worden sind. Anhaltspunkte dafür, dass ein Teil des daraus sich ergebenden und durch hoheitliche Maßnahme festgesetzten (Gesamt-)Honorars für die Klägerin geleistet werden sollte, ergeben sich aus den Honorarbescheiden aber nicht. Damit stehen zugleich Gründe des Vertrauensschutzes einem Direktanspruch der Klägerin entgegen; mit einer einzigen Ausnahme (Quartal II/2006) sind die Honorarbescheide im Hinblick auf die in Rede stehenden Leistungen nicht sachlich-rechnerisch berichtigt worden und damit bestandskräftig geworden. Auf die Bestandskraft der Honorarbescheide gründet das Vertrauen der Beklagten, die darauf geleisteten Zahlungen behalten zu dürfen. Ist danach aus Rechtsgründen eine Erstattungspflicht im Verhältnis zwischen der Beigeladenen und den Beklagten nicht gegeben, kann das auch nicht dadurch umgangen werden, dass die Klägerin Ansprüche im Wege der Durchgriffshaftung geltend macht.

Ebenfalls den Bestimmungen des IV-Vertrages entsprechend hat die Beigeladene im Anschluss an die Auszahlung der Vergütung an die Beklagte zu 5. die verauslagten Kosten gegenüber der Klägerin abgerechnet (§ 7 Abs 9 IV-Vertrag). Diese Abrechnungen bildeten die Grundlage für die Zahlungen (Leistungen) der Klägerin. Allein in diesem Verhältnis wäre demzufolge ein Erstattungsanspruch der Klägerin in Betracht gekommen.

Scheiden somit (Direkt-)Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten aus, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die Vergütung der Leistungen der integrierten Versorgung onkologischer Patienten zutreffend oder rechtsgrundlos erfolgt ist. Insbesondere kann offen bleiben, ob das Vorliegen schriftlicher Einwilligungserklärungen des Versicherten Voraussetzung für das Entstehen des Vergütungsanspruchs gewesen ist. In diesem Zusammenhang weist der Senat allerdings ergänzend darauf hin, dass die Klägerin jedenfalls zu Beginn der Umsetzung des IV-Vertrages selbst nicht davon ausgegangen ist, dass die schriftliche Einwilligungserklärung in jedem Fall vorliegen muss. So heißt es in dem im Berufungsverfahren von der Beigeladenen vorgelegten Protokoll einer Besprechung am 23. Mai 2002 - das von einem Mitarbeiter der Klägerin angefertigt worden ist -, „dass in Ausnahmen eine Abrechnung bei Patienten ohne unterschriebene Einwilligungserklärung erfolgen soll…, da es ansonsten zu größeren administrativen Schwierigkeiten kommen könnte. Die Leistungsanbieter sind jedoch gehalten, sich eindringlich um die benötigten Einwilligungen zu bemühen.“ Auch wenn die damit offenbar einvernehmlich für möglich gehaltene Abrechnung von Leistungen ohne Einwilligungserklärung des Patienten nur auf Ausnahmefälle bezogen gewesen ist, ist damit eine Auslegung des Vertrages auch für künftig auftretende Fälle („in der Folgezeit“) dokumentiert worden, zu der eine spätere Änderung nicht ersichtlich ist. Damit verbundene Unklarheiten dürften jedoch nicht zulasten der Ärzte gehen können.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3, 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.

Die Bemessung des Streitwerts folgt aus der Anwendung des § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei war zu berücksichtigen, dass der Antrag der Klägerin im Berufungsverfahren zwar auf Zahlung von 264.972,34 Euro ging, dem in Höhe von 32.396,32 Euro aber kein wirtschaftlicher Wert zukommt, weil insoweit bereits eine zusprechende Entscheidung des SG vorliegt.