Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 12.12.2017, Az.: L 7 AL 36/16
Begründung einer eheähnlichen Gemeinschaft; erstmaliger Bezug einer gemeinsamen Wohnung; Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe; wichtiger Grund ; zeitliche Lage einer Sperrzeit
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 12.12.2017
- Aktenzeichen
- L 7 AL 36/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 54279
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 17.03.2016 - AZ: S 80 AL 50/14
Rechtsgrundlagen
- § 159 Abs 2 SGB 3
- § 159 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 3
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Ein wichtiger Grund zur Aufgabe des Arbeitsplatzes zwecks Umzuges zum Lebensgefährten kann sperrzeitrechtlich auch bei der erstmaligen Begründung eines gemeinsamen Haushaltes vorliegen (a.A. BSG 17. Oktober 2007 - B 11a/7a AL 57/06 R -).
2. Ein Ruhenszeitraum infolge Sperrzeit steht einem Zahlungsanspruch auch dann entgegen, wenn die Agentur für Arbeit diese Sperrzeit mit bestandskräftigem Bescheid für einen späteren Zeitraum festgestellt hat.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 17. März 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet der Klägerin auch ihre außergerichtlichen Aufwendungen der zweiten Instanz.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe ab 1. Dezember 2013 infolge des Zuzugs der Klägerin zu ihrem Lebensgefährten streitig.
Die 1955 geborene Klägerin war bis zum 30. November 2013 bei F. in G. (H.) als Verkäuferin mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden und einem Gehalt von zuletzt 900,78 € brutto monatlich beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis kündigte sie durch Schreiben vom 9. September 2013, um ab 1. Dezember 2013 mit ihrem Lebensgefährten (I.) im 175 km entfernten J. eine gemeinsame Wohnung zu beziehen. Zuvor hatte sie sich vergeblich auf diverse Stellenangebote als Teilzeitverkäuferin im Umkreis von J. beworben. Nach Angaben der Klägerin besteht die Beziehung zu ihrem berufstätigen Lebensgefährten seit dem Jahre 2011; seit Dezember 2012 sind sie verlobt. Bereits vor dem Bezug der gemeinsamen Wohnung verbrachten die Klägerin und ihr Verlobter stets ihre Freizeit zusammen, wirtschafteten beide aus einem Topf und umsorgten sich im Krankheitsfalle. Insbesondere kümmerte sich die Klägerin vor Ort in J. um ihren Lebensgefährten nach drei Operationen. Beiden fiel die Trennung nach den regelmäßigen gegenseitigen Besuchen emotional sehr schwer. Aus diesem Grunde entschied sich die Klägerin im September 2013 nach langer Planung dazu, mit ihrem Lebensgefährten eine gemeinsame Wohnung in J. zu beziehen. Sie meldete sich bei der Beklagten am 4. Oktober 2013 arbeitsuchend, nachdem sie von dieser Verpflichtung über die Kündigungsbestätigung des Arbeitgebers vom 23. September 2013 erfahren hatte, und später mit Wirkung vom 1. Dezember 2013 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Ab 11. Februar 2014 nahm sie eine neue Beschäftigung als Verkäuferin in Teilzeit unter Gewährung eines Eingliederungszuschusses an den Arbeitgeber in Höhe von 50% durch die Beklagte auf.
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2013 und Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2014 stellte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 1. Dezember 2013 bis zum 22. Februar 2014 fest, weil die Klägerin ihr Beschäftigungsverhältnis gelöst habe, um an einem anderen Ort eine nichteheliche Lebensgemeinschaft zu begründen, die zuvor noch nicht bestanden habe. Zu einer anschließenden Auszahlung von Arbeitslosengeld kam es wegen der Arbeitsaufnahme ab 11. Februar 2014 nicht mehr.
Mit der am 3. Februar 2014 vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, dass sie bereits seit 2011 in einer Verantwortung- und Einstehensgemeinschaft mit ihrem Verlobten lebe. Es stelle einen wichtigen Grund dar, zur Fortsetzung dieser Lebensgemeinschaft eine Beschäftigung zu lösen und an einen anderen Ort umzuziehen. Die Beklagte hat erwidert, dass ein wichtiger Grund nicht anerkannt werden könne, weil die Klägerin keine nichteheliche Lebensgemeinschaft fortgesetzt, sondern erst durch ihren Umzug eine solche gegründet habe. Dies führe nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu einer Sperrzeit.
Das SG hat mit Urteil vom 17. März 2016 die Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld für den Zeitraum 1. Dezember 2013 bis zum 10. Februar 2014 zu gewähren. In den Gründen hat es ausgeführt, dass das Bestehen des Verlöbnisses als ausreichend anzusehen sei, um einen wichtigen Grund für die Beschäftigungsaufgabe anzuerkennen. Als weiteres Kriterium eine baldige Eheschließung zu fördern, ginge an der heutigen Realität vorbei. Vorliegend sei eine gefestigte Lebensgemeinschaft gegeben. Das Verlöbnis verleihe ihr einen rechtlichen Rahmen. Der Umzug der Klägerin bedeute lediglich noch eine Festigung der bereits temporär bestehenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
Gegen das am 24. März 2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. April 2016 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, mit ihrem Lebensgefährten verlobt zu sein, weil keine Absicht bestanden habe, bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses oder kurz danach die Ehe zu schließen. Vielmehr sei das Eheversprechen offenbar nicht weiter verfolgt worden. Der sperrzeitrechtliche Schutz einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft komme der Klägerin nicht zu, weil bereits bei der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses eine solche mangels gemeinsamer Wohnung nicht bestanden habe. Ein auf Dauer angelegtes gemeinsames Wohnen sei aber notwendige Voraussetzung für die Feststellung der Ernsthaftigkeit der Beziehung (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007 - B 11a/7a AL 52/06 R). Diese höchstrichterliche Rechtsprechung sei weiterhin aktuell und zeitgemäß. Denn der Gesetzgeber habe beispielsweise in § 7 Abs. 3a Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) die Definition des Partners in einer Bedarfsgemeinschaft so gefasst, dass darunter eine Person zu verstehen sei, die u.a. mit einem anderen Partner länger als ein Jahr zusammenlebe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 17. März 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin erwidert, es sei bei der großen Zahl von Menschen, die in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenlebten, nicht mehr vertretbar, einen beabsichtigten Heiratstermin als konstruktives Merkmal für das Vorliegen eines wichtigen Grundes zu verlangen. Vielmehr sei vorliegend zu berücksichtigen, dass trotz zwei getrennter Wohnungen die Klägerin und ihr Verlobter bereits vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in J. eine Wohnung unterhalten hätten, welche den gemeinsamen Lebensmittelpunkt bildete. Dort hatten die Klägerin und ihr Verlobter ihre freie Zeit zusammen verbracht, aus einem Topf gewirtschaftet und sich umsorgt. Der Lebensgefährte sei zweimal an der Schulter und einmal am Bein operiert worden. In dieser Zeit habe sich die Klägerin äußerst intensiv um ihren Lebensgefährten gekümmert. Sie habe sich im Schnitt zweimal pro Woche für zwei Tage nach J. begeben. Ihr Lebenspartner habe sich an ihren Fahrtkosten beteiligt, weil sie nicht viel verdient habe. Bereits vor dem endgültigen Umzug sei ein gemeinsamer Haushalt in J. geführt worden, weil die Klägerin aus G. verschiedene Haushaltsgegenstände, etwa Geschirr sowie Haushaltsgeräte, mitgebracht habe, um diese in dem gemeinsam geführten Haushalt zu verwenden. Auch etliches an Kleidung habe sich in den 2 1/2 Jahren vor dem endgültigen Umzug bereits in J. befunden. Ausschlaggebend für den Umzug der Klägerin nach J. und nicht umgekehrt des Lebenspartners nach G. sei seine berufliche Situation gewesen. Der heute 61-jährige Verlobte sei vom Beruf Landwirtschaftsgehilfe, jedoch auf diesem Gebiet aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr voll einsetzbar, und arbeite bei einem Seniorenheim als Hausmeister/Gärtner. Seine Chancen, woanders eine ähnliche Beschäftigungsmöglichkeit zu finden, seien äußerst gering gewesen. Die Einschätzung, dass die Klägerin eher eine Beschäftigung am neuen Wohnort finden würde, habe sich schließlich auch bestätigt.
Die Beklagte stellte ferner mit weiterem Bescheid vom 12. Dezember 2013 und weiterem Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2014 im Anschluss an die zwölfwöchige Sperrzeit (§ 159 Abs. 2 Satz 2 SGB III) eine einwöchige Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung gemäß § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III vom 23. Februar bis 1. März 2014 fest. Eine hiergegen zunächst erhobene zweite Klage hat die Klägerin später zurückgenommen (Az: S 26 AL 34/14).
Wegen des umfassenden Vorbringens der Beteiligten und des vollständigen Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Kd.-Nr.: 111A092250) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die bei einem Leistungssatz von 15,04 € täglich gemäß § 144 Abs. 1 S 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen auch zulässige (§ 158 SGG) Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld vom 1. Dezember 2013 bis zum 10. Februar 2014 zu gewähren. Eine Sperrzeit ist nicht eingetreten.
1. Gemäß § 159 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (§ SGB III) ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn die Arbeitnehmerin sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben (S. 1). Versicherungswidriges Verhalten liegt nach S. 2 Nr. 1 vor, wenn die Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe). Die Sperrzeit beginnt mit dem Tage nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet (§ 159 Abs. 2 SGB III) und beträgt bei Arbeitsaufgabe 12 Wochen (§ 159 Abs. 3 S. 1 SGB III).
2. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Zwar hat die Klägerin durch Eigenkündigung zum 30. November 2013 die Arbeitslosigkeit ab 1. Dezember 2013 herbeigeführt, ohne einen Anschlussarbeitsplatz in J. zu haben. Ihr Verhalten war jedoch durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt. Sie hat leistungsunschädlich ihr Arbeitsverhältnis in G. aufgegeben, um eine bestehende, auf Dauer angelegte und ernsthafte eheähnliche Beziehung mit ihrem Lebenspartner in J. fortzusetzen. Eine vorherige gemeinsame Wohnung ist bei dieser Fallgestaltung nicht erforderlich.
a) Bei einem wichtigen Grund i.S. des § 159 SGB III handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der ausgehend von Sinn und Zweck der Vorschrift unter Beachtung seiner systematischen Einordnung im gesamten Gesetzeswerk inhaltlich auszufüllen ist. In Anlehnung an die erste Formulierung im Entwurf des Arbeitsförderungsgesetzes ist ein wichtiger Grund anzunehmen, wenn dem Arbeitslosen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Belangen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden kann (Bundestagsdrucksache 5/4110 Vorbemerkung zu § 108a S. 21). An erster Stelle des Abwägungsvorgangs muss die Erkenntnis stehen, dass die Sperrzeit weder eine Strafvorschrift noch ein Instrument zur Disziplinierung und Durchsetzung von gesellschaftspolitischen, religiösen oder moralischen Vorstellungen darstellt, sondern nur dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor einer Manipulation des versicherten Risikos der Arbeitslosigkeit dient (BSG Urteil vom 30. Mai 1978 – RAr 32/77, SozR 4100 § 119 Nr. 3; BSG Urteil vom 17. Februar 1982 – 7 RAr 90/79 -, SozR 119 Nr. 14). Bei der Vielfalt von Lebens- und Arbeitsbedingungen ist also der „wichtige Grund“ der entscheidende Hebel zur Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit, um den Veränderungen in den gesellschaftlichen Lebensverhältnissen Rechnung tragen zu können (vgl. hierzu: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 3. April 1990 – 1 BvR 1186/89). Diese Aktualisierung ist schon deshalb erforderlich, um die eigentumsgeschützte Anwartschaftszeit auf Arbeitslosengeld nicht unverhältnismäßig zu belasten.
b) Auf der Basis dieser normativen Ausgangsposition erscheint es nicht mehr zeitgemäß und somit zweifelhaft, die Anwendung der Sperrzeitvorschrift bei Arbeitsaufgabe wegen Umzugs bereits im Ansatz an einen familienrechtlichen Status anzuknüpfen. Der in § 159 Abs. 1 S. 1 SGB III genannte wichtige Grund ist nämlich kein Privileg für Ehegatten oder für anders genau definierte Personengruppen, sondern gilt uneingeschränkt für alle Arbeitslosen in ihrer aktuellen und spezifischen Lebenssituation unter Abwägung der von der Sperrzeitvorschrift verfolgten Zwecke (Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand: September 2013, § 159 Rz. 215; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, 2. Aufl., Stand: September 2014, § 159 Rz 222). Es sind nämlich gewichtige Umstände (finanzielle Situation, Scheidungsverfahren, gesundheitliche Gründe, Wohnungsmarkt, Schwangerschaft) denkbar, die unabhängig vom familiären Status und von formalen Voraussetzungen einen Umzug zum Partner als vernünftig und sinnvoll erscheinen lassen, sodass die Versichertengemeinschaft gar kein Interesse haben kann, die Arbeitsaufgabe als versicherungswidriges Verhalten zu sanktionieren.
c) Die Klägerin hat ihren Arbeitsplatz in G. nicht leichtfertig aufgegeben. Sie hat glaubhaft geschildert, in welcher emotionalen und verantwortungsvollen Beziehung sie zu ihrem Lebensgefährten stand. Die Dauerhaftigkeit der Beziehung erklärt sich nicht nur aus der gemeinsam verbrachten Freizeit, sondern aus den Anstrengungen der Klägerin, diese Lebenspartnerschaft zu pflegen. Sie hat die langen Fahrten von G. nach J. und zurück zweimal in der Woche auf sich genommen, um den Lebenspartner im Zusammenhang mit den durchgeführten Operationen an der Schulter und an dem Bein zu versorgen. Obwohl schon ein Teil des Haushaltes in der früheren Wohnung des Lebensgefährten in J. war, ist die Klägerin immer wieder nach G. zurückgefahren, um pflichtbewusst der Arbeit nachzugehen. Diese sehr belastende Situation bestand nicht nur in letzter Zeit, sondern schon viel früher, wie die Bewerbungen der Klägerin aus Juli 2012 zeigen. Es kommt hinzu, dass die Klägerin subjektiv davon ausgegangen war, die erfolglosen Bewerbungen im Umkreis von J. seien daran gescheitert, dass eine Mitarbeiterin zur sofortigen Einstellung gesucht wurde, während sie eine längere Kündigungsfrist einhalten musste. Sie hoffte also, durch Kündigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses und Präsenz vor Ort eher eine Neubeschäftigung zu finden. Zu dieser Einstellung passt es auch, dass sich die Klägerin am 4. Oktober 2012 nur arbeitsuchend gemeldet hat (nicht nur für den erlernten Berufung als Verkäuferin, sondern auch für Tätigkeiten als Küchenhilfe und Putzfrau) und entgegen der Empfehlung der Mitarbeiter der Beklagten sich nicht gleichzeitig auch arbeitslos melden wollte, weil sie hoffte bis zum 1. Dezember 2012 eine neue Anstellung zu finden und sich in der Zeit auch intensiv beworben hat. Bei dieser Sachlage ist es der Klägerin unter Abwägung der berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft nicht vorzuwerfen, die für die Beziehung belastende und aussichtslose Situation aufzugeben, um der Dauerhaftigkeit und der Intensität der Lebensgemeinschaft angemessen zu ihrem Partner umzuziehen. Ein Umzug des Lebenspartners nach G. kam wegen seiner beruflichen Situation und im Vergleich zur Klägerin geringerer Eingliederungschancen bei Aufgabe des Arbeitsplatzes nicht in Betracht. Die Klägerin hat weder den Eintritt des versicherten Risikos Arbeitslosigkeit manipuliert, noch sind andere schutzwürdigen Gesichtspunkte ersichtlich, die gegen das vernünftige Verhalten der Klägerin sprechen.
d) Die Anforderungen an den wichtigen Grund umfassen auch die Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich bei Eigenkündigung rechtzeitig um eine Anschlussbeschäftigung an dem neuen Wohnort zu bemühen (BSG, Urteil vom 26. März 1998 – B 11 AL 49/87 R -, SozR 3-4100 § 119 Nr. 14). Diesen Anforderungen ist die Klägerin durch Eigenbewerbungen nachgekommen. Aktenkundig sind Bewerbungen als Fachverkäuferin im Lebensmittelbereich bei K., L., Bäckerei M., Landfleischerei und Partyservice N., die erfolglos geblieben sind. Weitere Bewerbungen waren von ihr nicht zu verlangen, weil sie im Hinblick auf ihr Alter und Qualifikation ohne Hilfe und Förderleistung der Beklagten keinen Arbeitsplatz gefunden hätte. Die Beklagte hat nämlich festgestellt, dass bei der Klägerin die geforderten Kenntnisse im Umgang mit Scankassen, die Warenpräsentation i.S. des Visual Merchandising sowie das Führen der Dispolisten mit mobilen Datenerfassungsgeräten nicht bzw. nur unzureichend vorhanden waren. Eine Vermittlung der Klägerin als Verkäuferin war danach nur noch durch Gewährung eines Eingliederungszuschusses an den Arbeitgeber möglich, weil sie mindestens drei Monate eingearbeitet werden musste. Nur unter diesen Förderbedingungen hat die Klägerin ab 11. Februar 2014 eine Anschlussbeschäftigung gefunden.
3. Der Senat weicht mit dieser Entscheidung ausdrücklich von der BSG-Rechtsprechung ab.
a) Zwar unterliegt die höchstrichterliche Rechtsprechung im Laufe der Jahre gewissen Schwankungen; sie knüpft aber bis zuletzt im Kern an formale Kriterien an, die dem Abwägungsvorgang des wichtigen Grundes i.S. der Sperrzeitvorschrift nicht gerecht werden. Geprägt durch den ursprünglichen Ansatz, dass eine Förderung von Ehe und Familie auch durch Benachteiligung von nichteheähnlichen Lebensverhältnissen erfolgen müsse, hatte das BSG zunächst es abgelehnt, den Zuzug zu einem Partner, mit dem eine nichteheähnliche Lebensgemeinschaft hergestellt bzw. wiederhergestellt werden sollte, als wichtigen Grund anzusehen (BSG, Urteil vom 12. November 1981 - 7 RAr 21/81 -, SozR 4100 § 119 Nr. 17). Auch eine seit zehn Jahren bestehende eheähnliche Gemeinschaft rechtfertigte keinen Zuzug zum Lebenspartner (BSG, Urteil vom 25. Oktober 1988 – 7 RAr 37/87 -, SozR 4100 § 119 Nr. 33). Zehn Jahre später wird in Erwägung gezogen, sperrzeitrechtlich eine seit drei Jahren bestehende eheähnliche Gemeinschaft mit dem Argument zu berücksichtigen, dass das Scheitern einer Ehe auch erst nach einer dreijährigen Trennung unwiderlegbar vermutet wird (BSG, Urteil vom 29. April 1998 - B 7 AL 56/97 R - SozR 3-4100 § 119 Nr. 15, juris Rz. 30). Die Fortentwicklung dieser Rechtsprechung wird dann im Jahre 2002 vollzogen (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2002 - B 7 AL 96/00 R -, SozR 3-4100 § 119 Nr. 26). Danach kann ein Ortswechsel zwecks Aufrechterhaltung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, auch wenn diese noch keine drei Jahre bestanden hat, einen wichtigen Grund zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses darstellen. Gleichzeitig wird aber hervorgehoben, dass ein Ortswechsel zwecks Begründung einer (zuvor nicht bestehenden) nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht als wichtiger Grund anerkannt werden kann. Weiteren Öffnungen hat das BSG mit Urteil vom 17. Oktober 2007 - B 11a/7a AL 57/06 R - (SozR 4-4100 § 144 Nr. 16) einen Riegel dadurch vorgezogen, dass es eine vorherige gemeinsame Wohnung zu den zwingenden Voraussetzungen für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft rechnet, weil das allein das entscheidende Kriterium für die Feststellung der Ernsthaftigkeit der Beziehung sein soll (Rz. 18).
b) Die Anwendung dieser Rechtsprechung würde im vorliegenden Fall dazu führen, dass eine Sperrzeit zu bejahen wäre, weil die Klägerin und ihr Lebensgefährte vor dem 1. Dezember 2013 jeweils getrennte Wohnungen und Haushalte an verschiedenen Orten unterhalten haben. Dieser Rechtsprechung ist jedoch nicht zu folgen. Zwar ist die Führung einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft in einer gemeinsamen Wohnung ein starkes Indiz für eine sperrzeitrechtlich schutzwürdige eheähnliche Lebensgemeinschaft, nicht jedoch eine unerlässliche Voraussetzung. Zu unterschiedlich sind nämlich die durch Arbeitsbedingungen und sonstige Lebensumstände bedingte Gestaltung von Partnerschaften, denen aber eine formale Anknüpfung an das vorherige Bestehen einer gemeinsamen Wohnung nicht gerecht würde, wie der vorliegende Fall eindrucksvoll beweist. Beim wichtigen Grund geht es in erster Linie um die Abwägung, dass persönliche Bedürfnisse im allgemeinen nicht von solchem Gewicht sind, dass sie im Vergleich zu den Interessen der Versichertengemeinschaft die leistungsunschädliche Lösung des Beschäftigungsverhältnisses begründen können. So wird eine leichtfertige Aufgabe des Arbeitsplatzes oder eine vorgeschobene Begründung („ich will zu meiner Freundin ziehen“) keine Sperrzeit abwenden können. Anders als das SG möchte der Senat auch dem Verlöbnis kein besonderes Gewicht beimessen. Entscheidend ist allein, ob die Partnerschaft nach außen erkennbar eine solche Dauerhaftigkeit und Kontinuität zeigt, die von einem gegenseitigen Verantwortungsbewusstsein geprägt ist, sodass diese in der Abwägung gegenüber den Interessen der Versichertengemeinschaft Vorrang genießt. Ein vorheriges gemeinsames Wohnen ist aber kein unerlässliches Kriterium.
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich die Notwendigkeit einer früheren gemeinsamen Wohnung nicht aus der Definition der Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft in § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II, dass die Partner länger als ein Jahr zusammenleben müssen. Abgesehen davon, dass das Rechtsinstitut der Bedarfsgemeinschaft im Grundsicherungsrecht als reine Zuordnungstechnik nach persönlichen Merkmalen eine ganz andere Funktion hat als die Anforderungen an die eheähnliche Gemeinschaft im Sperrzeitenrecht des SGB III, hat der Gesetzgeber in § 7 Abs. 3a SGB II nur eine widerlegbare Vermutung aufgestellt, ab wann typischerweise von einer solchen Bedarfsgemeinschaft auszugehen ist, um dem Leistungsmissbrauch durch falsche Angaben zu den tatsächlichen Verhältnissen entgegenzuwirken (Bundestagsdrucksache 16/1407 S. 19 zu Nr. 7b). Ein reines langjähriges Zusammenwohnen ist grundsicherungsrechtlich gerade nicht ausreichend (ausführlich Valgolio, in Hauck/Noftz, SGB II Kommentar, Stand: Juni 2017, § 7 Rdz. 217f). Im Übrigen kann im Rahmen des SGB II auch die erstmalige Begründung eines gemeinsamen Haushaltes eine „eheähnliche Gemeinschaft“ begründen, weil keine Wartefrist für ein Zusammenleben auf Probe existiert (Beschluss des Senates vom 8. Juli 2009 - L 7 AS 606/09 B ER, Rdz. 15).
4. Da ein Ruhenszeitraum wegen einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe nicht feststellbar ist, steht der Klägerin ab 1. Dezember 2013 bis zum 10. Februar 2014 Arbeitslosengeld zu. Ab 11. Februar 2014 stand die Klägerin in einem neuen Arbeitsverhältnis und war daher nicht mehr arbeitslos.
a) Dem Zahlungsanspruch steht kein Ruhenszeitraum wegen einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung gemäß § 159 Abs. 2 Nr. 7 SGB III entgegen. Danach tritt eine Sperrzeit von einer Woche (§ 159 Abs. 6 SGB III) ein, wenn die Arbeitslose der Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 SGB III nicht nachgekommen ist. Diese würde ab 1. Dezember 2013 beginnen und wäre vom Gericht zu berücksichtigen, weil der Zahlungsanspruch unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen ist und nicht nur im Hinblick auf die für diesen Zeitraum durch die Beklagte festgesetzte zwölfwöchige Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe. Denn die Sperrzeit tritt kraft Gesetzes ein und steht nicht zur Disposition der Agentur für Arbeit. Insofern ist es unerheblich, ob die Beklagte eine Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung überhaupt und für welchen Zeitraum durch Bescheid festgestellt hat. Der Senat kann nur über den richtigen Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld entscheiden, also wie nach zutreffender materiell-rechtlicher Rechtslage zu entscheiden gewesen wäre, ohne an eine eventuell falsche Rechtsanwendung durch die Beklagte gebunden zu sein.
b) Eine Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung ist nach § 159 Abs. 2 Nr. 7 SGB III aber nicht eingetreten, weil die Klägerin nicht gegen Mitwirkungspflichten nach § 38 Abs. 1 SGB III verstoßen hat. Danach sind Personen, deren Ausbildungs- und Ausbildungsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden (Abs. 1). Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, haben sie sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu melden (S. 2). Die unterlassene Arbeitsuchendmeldung innerhalb der hier maßgeblichen Frist von drei Tagen muss dem Arbeitnehmer subjektiv zurechenbar sein (BSG, Urteil vom 25. Mai 2005 - B 11a/11 AL 81/03 -, SozR 4-4300 § 140 Nr. 1; BSG, Urteil vom 18. August 2005 - B 7a/7 AL 94/04 R -, SozR 4-4100 § 140 Nr. 2). Dies kann im Fall der Klägerin nicht festgestellt werden.
c) Die Klägerin hat mit Schreiben vom 9. September 2013 das Arbeitsverhältnis selbst zum 30. November 2013 gekündigt. Da sie vorher nie arbeitslos gewesen war, kannte sie die Pflicht zur rechtzeitigen Arbeitsuchendmeldung nicht. Erst durch die Kündigungsbestätigung des Arbeitgebers zum 23. September 2013 hat dieser die Klägerin auf ihre Verpflichtung hingewiesen, sich bei drohender Arbeitslosigkeit sofort bei der Agentur für Arbeit zu melden. Nach den Angaben der Klägerin hat sie Ende Oktober nach Rückkehr aus J. das Schreiben des Arbeitgebers vorgefunden und zunächst versucht, sich in der Geschäftsstelle der Beklagten in O. arbeitsuchend zu melden, weil sie ja noch dort gewohnt hat. Dort wurde ihr gesagt, dass sie sich bei der Arbeitsagentur in J. arbeitsuchend melden müsste, weil sie bei Eintritt der Arbeitslosigkeit dort wohnen werde. Die Klägerin hat sich dann erst am 4. Oktober 2013 in J. arbeitsuchend melden können, weil sie davor in G. gearbeitet und keine Gelegenheit gehabt hat, nach J. zu fahren. Dass sie sich auch hätte telefonisch arbeitsuchend melden können, war der Klägerin offenbar nicht bekannt. Dieser Geschehensablauf ist von der Beklagten nicht bestritten worden und erscheint dem Senat glaubwürdig.
d) Dasselbe Ergebnis würde erreicht, wenn man davon ausgeht, dass die Beklagte bindend und bestandskräftig mit dem weiteren Bescheid vom 12. Dezember 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2014 (W 66/14) eine Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung vom 23. Februar 2014 bis zum 1. März 2014 festgestellt hat.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Da die Beklagte auch zweitinstanzlich unterliegt, muss sie mit den außergerichtlichen Kosten der Klägerin belastet werden.
Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zugelassen.