Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 11.12.2017, Az.: L 11 AS 1503/15
analoge Anwendung; atypische Bedarfslage; evidente Bedarfsunterdeckung; freiwillige Unterstützungsleistungen privater Dritter; Lernmittelfreiheit; Mehrbedarf; Regelbedarf; Schulbedarf; Schulbedarfspauschale; Schulbücher; Schulmaterialien; verfassungskonforme Auslegung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 11.12.2017
- Aktenzeichen
- L 11 AS 1503/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53711
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 04.09.2015 - AZ: S 37 AS 661/14
Rechtsgrundlagen
- § 21 Abs 6 SGB 2
- § 28 Abs 3 SGB 2
- § 73 SGB 12
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Anschaffungskosten für Schulbücher sind nicht von der Schulbedarfspauschale des § 28 Abs 3 SGB II erfasst sondern bei der Ermittlung des Regelbedarfs berücksichtigt worden (in der Position "Bücher und Broschüren" der EVS 2008/2013, vgl. § 6 RBEG 2011 bzw. § 6 RBEG).
2. Sofern die Anschaffungskosten für Schulbücher (hier: notwendige Schulbücher im Wert von 214,40 € für die 11. Klasse eines Gymnasiums in Niedersachen) nicht anderweitig übernommen werden (z.B. im Wege der Lernmittelfreiheit), deckt der Regelbedarf diese Kosten der Höhe nach evident nicht ab.
3. Kosten für Schulbücher, soweit sie nicht tatsächlich durch den Schulträger oder andere staatliche Stellen übernommen werden, sind ein durch Leistungen nach dem SGB II sicherzustellender Bedarf, weil der Bundesgesetzgeber mit dem SGB II das gesamte menschenwürdige Existenzminimum einschließlich der Kosten des Schulbesuchs sicherstellen muss (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn 181 f, 197; entgegen BSG, Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 12/13 R - Rn 27).
4. Schulbuchkosten sind zwar ein besonderer, jedoch kein laufender Bedarf im Sinne
des § 21 Abs 6 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 47/09 R - Rn 16).
5. Es handelt sich um eine planwidrige Regelungslücke, dass für durch Lernmittelfreiheit nicht abgedeckte Schulbuchkosten im Gesamtgefüge des SGB II keine auskömmlichen Leistungen vorgesehen sind. Diese planwidrige Regelungslücke ist durch eine analoge Anwendung des § 21 Abs 6 SGB II zu schließen, soweit der Bedarf im Einzelfall unabweisbar ist.
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 4. September 2015 wie folgt geändert:
Der Bescheid des Beklagten vom 5. Dezember 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2014 wird geändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin unter teilweiser Änderung des Bewilligungsbescheides vom 18. April 2013 sowie der insoweit ergangenen weiteren Bescheide für den Monat September 2013 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 202,90 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat von den notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Instanzen sowie von ihren notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens jeweils 95 v.H. zu tragen.
Für den Beklagten wird die Revision zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Erstattung der Kosten für Schulbücher in Höhe von 214,40 Euro.
Die am H. geborene Klägerin und ihre Mutter bezogen von dem Beklagten Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende (vgl. für den Zeitraum vom 1. Juni bis zum 30. November 2013: Bewilligungsbescheid vom 18. April 2013, Änderungsbescheid vom 6. August 2013, Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12. September 2013, Änderungsbescheid vom 13. September 2013, Änderungsbescheid vom 1. April 2014 und Widerspruchsbescheid vom 2. April 2014; für die Zeit vom 1. Dezember 2013 bis zum 31. Mai 2014: Bewilligungsbescheid vom 21. November 2013, Änderungsbescheid vom 5. Dezember 2013, Änderungsbescheid vom 27. Januar 2014, Änderungsbescheid vom 13. Februar 2014, Änderungsbescheid vom 19. Februar 2014, Änderungsbescheid vom 1. April 2014, Widerspruchsbescheid vom 2. April 2014; für die Zeit 1. Juni 2014 bis zum 30. November 2014: Bewilligungsbescheid vom 7. Mai 2014 und Änderungsbescheid vom 1. Oktober 2014). In den Monaten Juli, Oktober und November 2013 erhielt nur die Mutter der Klägerin SGB II-Leistungen, da der grundsicherungsrechtliche Bedarf der Klägerin in diesen Monaten durch Kindergeld und Unterhalt gedeckt war. Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 23. August 2013 zum 1. August 2013 Leistungen für Bildung und Teilhabe „für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf“ i.H.v. 70,-- Euro und mit Bescheid vom 21. November 2013 derartige Leistungen i.H.v. 30,-- Euro zum 1. Februar 2014.
Die Klägerin besuchte im Schuljahr 2013/2014 die 11. Klasse des Gymnasiums I., inzwischen hat sie das Abitur erworben und studiert. Am 14. Oktober 2013 beantragte sie die Übernahme der Kosten für die in den Monaten September und November 2013 erfolgte Beschaffung von 11 Schulbüchern i.H.v. insgesamt 214,40 Euro, da ab der 11. Klasse in der Oberstufe beim Gymnasium I. eine Ausleihe von Schulbüchern nicht mehr möglich sei und diese gekauft werden müssten. Eine Auflistung der Bücher sowie Rechnungen und Quittungen befinden sich bei den Verwaltungsvorgängen (vgl. Bl. 5ff VA-BuT). Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 5. Dezember 2013 und Widerspruchsbescheid vom 26. März 2014 ab. Für die Beschaffung von Schulbüchern enthalte das Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) keine Rechtsgrundlage. Eine Kostenübernahme komme nicht nach Maßgabe des § 28 Abs 3 SGB II in Betracht, da Schulbücher nicht unter das Schulbedarfspaket fielen und keine Bildungs- und Teilhabeleistung seien. Ebenso scheitere eine Kostenübernahme auf der Grundlage des § 21 SGB II, da Schulbücher keinen Mehrbedarf darstellten. Die Anschaffung von Schulbüchern müsse grundsätzlich aus dem Regelbedarf bestritten werden, ggf. durch Ansparen. Eine Darlehensgewährung auf der Grundlage des § 24 SGB II scheide aus, da im konkreten Fall kein unabweisbarer nicht gedeckter Bedarf gegeben sei. Auch sei dem Begehren der Klägerin nicht zu entnehmen, dass sie eine darlehensweise Leistungsgewährung begehre.
Die Klägerin hat am 22. April 2014 Klage beim Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben.
Zur Begründung hat sie angegeben, dass ab der 11. Klasse des Gymnasiums in I. eine kostenlose Ausleihe von Schulbüchern nicht mehr möglich sei. Wenn die Anschaffung von Schulbüchern aus dem Regelbedarf durch Ansparung zu erfolgen habe, müsse sie etwa 74 Monate sparen, um auf den Bedarf für die benötigten Bücher zu kommen, ohne dass das Verbrauchsmaterial wie Tintenpatronen, Bleistifte etc. abgedeckt sei.
Die auch von der Mutter der Klägerin zunächst gleichzeitig erhobene Klage hat diese in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 4. September 2015 zurückgenommen.
Mit Urteil vom 4. September 2015 hat das SG den Beklagten verurteilt, 214,40 Euro an die Klägerin zu zahlen. Da es sich bei dem geltend gemachten Bedarf für die Schule um einen typischen Bedarf handele, der bei jedem Schüler regelmäßig anfalle, müsse dieser auch im System des SGB II gedeckt werden. Nicht umfasst seien die Kosten für Schulbücher von dem sog. Schulbedarfspaket auf der Grundlage des § 28 Abs 3 SGB II. Auch eine Darlehensgewährung nach § 24 Abs 1 Satz 1 SGB II komme nicht in Betracht, da die Klägerin ein solches ausdrücklich nicht wolle. Einschlägige Rechtsgrundlage sei vielmehr § 21 Abs 6 Satz 1 SGB II. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) habe der Gesetzgeber für im Leistungsbezug befindliche Kinder alle Befähigungskosten zu tragen, die sich aus dem Schulbesuch ergäben. Insoweit bestehe ein im Einzelfall unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf i.S.d. § 21 Abs 6 SGB II. Hinweise auf Zuwendungen Dritter existierten nicht. Der Bedarf könne nicht durch Einsparungen gedeckt werden, da es angesichts der hohen Anschaffungskosten für Schulbücher nicht zumutbar sei, die Kosten durch geringe Ausgaben in anderen Lebensbereichen auszugleichen. Die Unabweisbarkeit des Bedarfs für Schulbücher ergebe sich insbesondere aus dem Niedersächsischen Schulgesetz (§ 71 Abs 1 Satz 1 a.E. NSchG), nach dem Erziehungsberechtigte ihre Kinder für den Unterricht zweckentsprechend auszustatten hätten. Auch handele es sich bei verfassungskonformer Auslegung um einen laufenden Bedarf, da es nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungswidrig wäre, wenn die Kosten für Schulbücher für im Grundsicherungsbezug befindliche Kinder nicht übernommen würden. So habe der Grundsicherungsträger grundsätzlich alle Befähigungskosten zu übernehmen, wenn die Schule bzw. der Schulträger wie hier Schulbücher nicht unentgeltlich zur Verfügung stelle bzw. eine unentgeltliche Ausleihe nicht mehr möglich sei. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG stellten Schulbücher - entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) - in den Ländern, in denen wie in Niedersachsen keine Lernmittelfreiheit herrsche, auch einen besonderen Bedarf i.S.d. § 21 Abs 6 SGB II dar. Nicht zu beanstanden sei schließlich, dass die Klägerin den geltend gemachten Bedarf gesondert beantragt habe, obwohl ein Mehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB II Bestandteil der originären Grundsicherungsleistungen und kein eigenständiger Streitgegenstand sei.
Das SG hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
Gegen das ihm am 28. September 2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. Oktober 2015 eingelegte Berufung des Beklagten.
Zur Begründung macht er geltend, dass das SG rechtsfehlerhaft auf § 21 Abs 6 SGB II als Anspruchsgrundlage abgestellt habe, anstatt auf die Verantwortung des Schulträgers zu verweisen. Nur weil der Schulträger nicht bereit sei, die kostenlose Ausleihe in den Jahrgangsstufen 11 und 12 fortzuführen, ergebe sich kein Anspruch nach dem SGB II. Es sei nicht Aufgabe des Trägers der Leistungen nach dem SGB II, neben dem Bedarf für Schreibmaterialien im Rahmen des Schulbedarfs auch noch die Lernmaterialien für die Durchführung des Unterrichts zu übernehmen. Ein Anspruch auf der Grundlage des § 21 Abs 6 SGB II scheitere bereits daran, dass kein besonderer Bedarf im Einzelfall vorliege. Vielmehr sei eine typische Bedarfslage für viele Leistungs- und Nicht-Leistungsbezieher gegeben. Auch könne ein Bedarf nicht laufend sein, der einmal jährlich und nur in der 11. Klasse und noch nicht einmal in gleicher Höhe anfalle. Ferner ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs 6 SGB II, dass für Schulmaterialien und Schulverpflegung grundsätzlich kein zusätzlich zu übernehmender Mehrbedarf in Betracht komme. Das SG, das sich auf das BVerfG beziehe, weiche jedoch vom BSG ab, das in seiner Rechtsprechung die Verantwortung für die Deckung von Bedarfen für den Schulunterricht der Schule und nicht dem Grundsicherungssystem zugewiesen habe. Demnach habe die Schule bzw. der Schulträger ab der 11. Klasse für Abhilfe zu sorgen und Bücher für bedürftige Schüler bereit zu stellen. Da die Bücher bereits angeschafft worden seien, komme eine darlehensweise Kostenübernahme nicht in Betracht, die im Übrigen auch nicht begehrt werde.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 4. September 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin tritt dem Berufungsbegehren des Beklagten entgegen und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, dass es für ein Kind, das Abitur machen wolle, um mit besserer Bildung eine bessere Jobchance zu haben und um nicht wie seine Eltern als Kunde des Jobcenters zu enden, keine Rolle spiele, aus welchen öffentlichen Mitteln seine Schulbücher bezahlt würden. Es komme nur darauf an, dass diese Bücher vorhanden seien. Wenn man die benötigten Schulbücher außer Acht lasse, werde das Ziel der Chancengleichheit in der Bildung verfehlt. Die Frage nach den Schulbüchern trete jedes Schuljahr und auch im laufenden Schuljahr auf, so dass es sich um einen regelmäßigen wiederkehrenden Bedarf handele.
Die Klägerin hat eine Bescheinigung des Gymnasiums I. vom 22. Juni 2017 vorgelegt, nach der die Lernmittelausleihe dort nur in den Jahrgängen 5 bis 10 stattfinde. In der gymnasialen Oberstufe bestehe keine Lernmittelfreiheit mehr. Die Kosten für Schulbücher würden auch nicht von der Schule selbst, einem Eltern-, Schul- oder Förderverein getragen, sondern müssten ausschließlich von den Familien selbst aufgebracht werden. Der Beklagte hat insoweit bestätigt, dass auch ihm nicht bekannt sei, dass eine Kostenübernahme von dritter Stelle aus angeboten werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die von dem Beklagten als Verwaltungsvorgänge vorgelegten Unterlagen sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 11. Dezember 2017 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die kraft Zulassung statthafte Berufung des Beklagten ist auch im Übrigen zulässig (vgl. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Sie hat jedoch in der Sache überwiegend keinen Erfolg.
Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 5. Dezember 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2014. Inhaltlich geht es um das Begehren auf Übernahme der Kosten für die Beschaffung von 11 Schulbüchern i.H.v. insgesamt 214,40 Euro, die für den Besuch der 11. Klasse des Gymnasiums I. durch die Klägerin im Schuljahr 2013/2014 angeschafft werden mussten. Im Übrigen regelt der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides bei am Rechtsschutzziel orientierter Auslegung die Ablehnung der begehrten Leistungen unter allen rechtlichen Voraussetzungen, so dass im Hinblick auf das klägerische Begehren nicht nur die laufenden Alg II-Leistungen nach §§ 19 Abs 1 Satz 1, 20, 21 SGB II (Regel- und Mehrbedarf bilden einen einheitlichen Streitgegenstand: z.B. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 - B 14 AS 48/12 R - juris Rn 9) sondern auch alle sonstigen möglichen Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, u.a. die daneben gewährten Leistungen für Bildung (§ 28 SGB II), in den Blick zu nehmen sind (vgl. zu Ansprüchen nach § 28 SGB II als isolierte, abtrennbare Streitgegenstände: BSG, Urteil vom 19. Juni 2012 - B 4 AS 162/11 R - juris Rn 12).
Die Klägerin, die im vorliegend relevanten Zeitraum weitestgehend leistungsberechtigt nach dem SGB II gewesen ist (dazu I.), hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Übernahme der Beschaffungskosten für die Schulbücher i.H.v. 202,90 Euro (dazu II.). In diesem Umfang hat das SG zu Recht den Beklagten zur Leistungsgewährung verurteilt. Darüber hinaus ist ein Anspruch der Klägerin nicht gegeben, so dass das angegriffene Urteil des SG Hildesheim abzuändern und die Klage insoweit (d.h. hinsichtlich eines Teilbetrags von 11,50 Euro) abzuweisen war.
I.
Die Klägerin war grundsätzlich nach dem SGB II leistungsberechtigt; sie erfüllte - mit Ausnahme der Monate Juli, Oktober und November 2013 - die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 SGB II (vgl. insoweit die Angaben in den Weiterbewilligungsanträgen vom 10. April 2013, vom 30. Oktober 2013 und vom 2. Mai 2014 nebst den dazu und im weiteren Verlauf vorgelegten Unterlagen). Die darauf fußenden Leistungsbewilligungen begegnen im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken. Die Klägerin bildete eine Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter (§ 7 Abs 3 Nr 4 SGB II), soweit die Klägerin nicht aufgrund des bedarfsdeckenden Bezugs von Kindergeld und Unterhaltsleistungen zeitweise aus der Bedarfsgemeinschaft herausfiel; in dieser Zeit bestand eine Haushaltsgemeinschaft mit ihrer Mutter nach § 9 Abs 5 SGB II (vgl. für Oktober und November 2013: Bewilligungsbescheid vom 18. April 2013 i.V.m. den Änderungsbescheiden vom 6. August 2013, vom 13. September 2013, vom 1. April 2014; für Juli 2013: Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12. September 2013 i.V.m. dem Bewilligungsbescheid vom 18. April 2013). Für den nachfolgenden Bewilligungszeitraum von Dezember 2013 bis Mai 2014 bestand durchgängig eine Bedarfsgemeinschaft (vgl. Bewilligungsbescheid vom 21. November 2013 i.V.m den Änderungsbescheiden vom 5. Dezember 2013, vom 27. Januar 2014, vom 13. Februar 2014, vom 19. Februar 2014 und vom 1. April 2014). Dies gilt ebenso für den nachfolgenden Bewilligungszeitraum ab dem 1. Juni 2014 (vgl. Bewilligungsbescheid vom 7. Mai 2014 und Änderungsbescheid vom 1. Oktober 2014).
Im September 2013, d.h. im Zeitraum der Anschaffung des überwiegenden Teils der Schulbücher (vgl. dazu Bl. 8 - 13 VA-BuT) war die Klägerin somit hilfebedürftig. Hingegen bestand im Monat November 2013, in dem sie die mathematische Formelsammlung „Das große Tafelwerk interaktiv …“ im Versandweg zu einem Preis von 11,50 Euro angeschafft hat (vgl. Bl. 14 VA-BuT), keine Hilfebedürftigkeit, so dass in diesem Umfang kein Anspruch gegen den Beklagten besteht.
II.
1. Nach der Konzeption des SGB II werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Heranwachsenden neben dem Regelbedarf zusätzliche Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben (§ 28 SGB II) gesondert berücksichtigt. Insoweit hat der Gesetzgeber eigenständige Ansprüche für die Übernahme von Kosten für Schulausflüge und Klassenfahrten, der Schülerbeförderung, einer angemessenen Lernförderung und für eine gemeinschaftliche Mittagsverpflegung geschaffen (§ 28 Abs 2, 4-6 SGB II). Darüber hinaus werden für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf bei Schülerinnen und Schülern zum 1. August eines jeden Jahres 70,-- Euro und zum 1. Februar eines jeden Jahres 30,-- Euro berücksichtigt (sog. Schulbedarfspauschale, § 28 Abs 3 Satz 1 SGB II). Diese Pauschalen hat der Beklagte der Klägerin zu den Stichtagen 1. August 2013 und 1. Februar 2014 gezahlt (vgl. Bescheide vom 23. August und vom 21. November 2013). Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/3404, S. 105; zur Vorgängerregelung in § 24a SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung: BT-Drs. 16/10809, S. 16) dient diese pauschale Leistung zum Schuljahresbeginn insbesondere dem Erwerb von Gegenständen zur persönlichen Ausstattung für die Schule (z.B. Schulranzen, Schulrucksack, Turnzeug, Turnbeutel, Blockflöte) und für Schreib-, Rechen- und Zeichenmaterialien (z.B. Füller einschließlich Tintenpatronen, Kugelschreiber, Bleistifte, Malstifte, Malkisten, Hefte, Blöcke, Papier, Lineale, Buchhüllen, Zirkel, Taschenrechner, Geodreieck). Nicht von der Pauschale nach § 28 Abs 3 SGB II umfasst sind dagegen Kosten für Schulbücher (dazu 2.).
Ebenso wenig deckt der Regelbedarf die in Rede stehenden Kosten tatsächlich ab, wobei der Bedarf auch nicht außerhalb des Sozialleistungsrechts z.B. im Wege der Lernmittelfreiheit gedeckt wird (dazu 2.). Mangels sonstiger einschlägiger Anspruchsgrundlagen des Sozialleistungsrechts (dazu 3.) ergibt sich der Anspruch auf Übernahme der Schulbuchkosten allerdings in verfassungskonformer - hier analoger - Anwendung des § 21 Abs 6 SGB II (dazu 4.).
2. Die Kosten für Schulbücher sind – wie bereits ausgeführt - ausweislich der Gesetzesbegründung nicht von der Pauschale nach § 28 Abs 3 SGB II umfasst (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 104; ebenso: Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand EL 3/17, § 28 Rn. 55; Luik, in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 28 Rn. 29; Leopold in jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 28 Rn.106; Lenze in LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 28 Rn. 15; ebenso zur Rechtslage vor Einfügung des § 24a SGB II a.F. bzw. § 28 Abs. 3 SGB II: BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 47/09 R - juris Rn. 14; a.A. O. Loose in GK-SGB II, Stand Dezember 2015, § 28 Rn. 51; anders jedoch in: info also 2016, 147, 150; zweifelnd Thommes in Gagel, SGB II, Stand 67. EL September 2017, § 28 Rn. 16). Stattdessen sollen die Kosten für Schulbücher durch die monatlichen Regelbedarfe nach §§ 20 Abs 2, 23 Nr 1 SGB II abgedeckt sein (siehe Gesetzesbegründung: BT-Drs. 17/3404, S. 104). Die Regelbedarfe hat der Beklagte seinen Bedarfsberechnungen zugrunde gelegt und die sich hieraus ergebenden Leistungen an die Klägerin ausgezahlt, soweit nicht in den Monaten Juli, Oktober und November 2013 aufgrund bedarfsdeckenden Einkommens die Hilfebedürftigkeit fehlte.
2. Obwohl der Gesetzgeber die Schulbuchkosten im Regelbedarf verortet (BT-Drs. 17/3404, S. 104), deckt der Regelbedarf diese Kosten allerdings offensichtlich bzw. evident nicht ausreichend ab (in diesem Sinne auch: Lenze, aaO.; Thommes, aaO.).
a. Im Zeitpunkt des Bedarfsanfalls durch die Notwendigkeit der Anschaffung der Schulbücher im September 2013 wurden die Regelbedarfe nach den Vorgaben des seit dem 1. Januar 2011 geltenden Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz - RBEG (RBEG 2011) bemessen. Grundlage der Bedarfsbemessung durch das RBEG 2011 war die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2008. Weder Im RBEG 2011 noch in der EVS 2008 gibt es eine gesonderte Ausgabenposition für Schulbücher (siehe Gesetzesbegründung: BT-Drs. 17/3404, S. 52 ff.; ebenso auch im RBEG 2017, BT-Drs. 18/9984, S. 35 ff.). Nach den Ausfüllhinweisen für die EVS 2008 sollen die Kosten für angeschaffte Schulbücher in der dortigen Abteilung O24 „Bücher und Broschüren“ erfasst werden (siehe: Fachserie zu EVS 2008, Heft 7: Wirtschaftsrechnungen – Einkommens- und Verbrauchsstichprobe Aufgabe, Methode und Durchführung des Statistischen Bundesamtes, erschienen 2013, S. 51, 60, abrufbar unter www.destatis.de; ähnlich die Hinweise zur EVS 2013, die Grundlage des RBEG 2017 ist: dort Zuordnung zur Nachfolgeposition O27; siehe Fachserie zu EVS 2013, Heft 7: Wirtschaftsrechnungen – Einkommens- und Verbrauchsstichprobe Aufgabe, Methode und Durchführung des Statistischen Bundesamtes, erschienen 2017, S. 52, abrufbar unter www.destatis.de). Bei Jugendlichen von 14 bis 18 Jahren berücksichtigt das RBEG 2011 für diese Position aber gerade einmal 2,82 € monatlich bzw. 33,84 € jährlich (nach der Fortschreibung für 2013 2,98 € monatlich bzw. 35,76 € jährlich, Werte nach Schwabe, ZfF 2013, 1, 12; RBEG 2017: 30,60 € jährlich) als regelbedarfsrelevant, wobei noch hinzukommt, dass Jugendliche mit diesen Beträgen auch in der Lage sein sollen, Bücher zu erwerben, die keinen Bezug zur Schule haben. Die im Regelbedarf maximal vorgesehenen Ausgaben für Bücher (Jahresbetrag einschließlich Schulbüchern) erreichen somit gerade knapp 17 % (16,679%) der hier streitbefangenen Kosten von 214,40 €. Es ist damit nicht ersichtlich, wie mit den im Regelbedarf für Schulbücher vorgesehenen Beträgen die hier tatsächlich bestehenden Schulbuchkosten gedeckt werden sollen.
Selbst wenn man entgegen der Vorgaben der EVS 2008 zusätzlich weitere regelbedarfsrelevante Ausgabenpositionen, die einen gewissen Bezug zu Bildungskosten haben - obwohl sie Schulbücher, wie ausgeführt, tatsächlich nicht erfassen - in den Blick nimmt (aus der Abteilung 09 „Freizeit, Unterhaltung, Kultur“ der EVS 2008: „Ausleihgebühren für Bücher und Zeitschriften“, „sonstige Gebrauchsgüter für Bildung, Unterhaltung, Freizeit“; aus der Abteilung 10 „Bildung“: „Gebühren für Kurse u.Ä.“), verbleibt weiter eine evidente Bedarfsunterdeckung. Für Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren sind schon unter Zugrundelegung der für 2017 fortgeschriebenen Werte (für 2013 sind diesbezüglich keine vollständigen Werte zu ermitteln, vgl. Schwabe, a.a.O., S. 12) insoweit insgesamt (nur) 59,28 € jährlich (vgl. RBEG 2017) regelbedarfsrelevant.
Der Annahme einer evidenten Bedarfsunterdeckung für den Bedarf „Schulbücher“ steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber den Leistungsberechtigten zu eigenverantwortlichem Wirtschaften verpflichtet hat und dieser daher bei seinen Ausgaben berücksichtigen muss, dass der pauschalierte Regelbedarf auch unregelmäßig anfallende Ausgaben umfasst (siehe § 20 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Dies setzt nämlich schon im Grundsatz voraus, dass der Leistungsberechtigte mit entsprechenden Ansparungen die unregelmäßig anfallenden Bedarfe decken kann. Dies ist aber mit den aufgeführten Beträgen für die Klägerin nicht möglich. Dies ergibt sich letztlich auch aus der Rechtsprechung des BVerfG zum RBEG 2011, wonach die Regelbedarfe jedenfalls keine evidente Bedarfsunterdeckung zur Folge haben und „noch“ den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen (Beschluss vom 23. Juli 2014, aaO., Rn. 86, 121). Es finden sich im Regelbedarf also keine „frei verfügbaren“ Beträge nennenswerter Größenordnung, die im Einzelfall zur Deckung besonderer Bedarfe eingesetzt werden könnten, die im Regelbedarf nicht ausreichend abgebildet sind.
Die Klägerin kann auch nicht darauf verwiesen werden, durch den Regelbedarf nicht abgedeckte Schulbuchkosten unter Rückgriff auf die Schulbedarfspauschale nach § 28 Abs 3 SGB II zu decken. Dies würde schon die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers unterlaufen, in der Schulbedarfspauschale die Kosten von Schulbüchern gerade nicht abzubilden.
b. Der Bedarf „Schulbücher“ ist schließlich auch deshalb im Regelbedarf nur unzureichend abgebildet, weil er außerhalb des Sozialleistungsrechts nicht gedeckt wird, obwohl er zwingend besteht.
Die am J. geborene Klägerin war nach niedersächsischem Landesrecht im Schuljahr 2013/2014 während des Besuchs der Sekundarstufe II des Gymnasiums I. (§§ 5 Abs. 3 Nr. 3a, 11 Niedersächsisches Schulgesetz - NSchG -, „gymnasiale Oberstufe“) und zumindest im Folgejahr weiterhin schulpflichtig (§§ 67 Abs 1, 66 Satz 1, 64 Abs 1 Satz 1, 65 Abs 1 NSchG). Daher musste sie die für den Unterricht notwendigen Materialien und damit auch Schulbücher selbst anschaffen. Schließlich bestimmt § 71 Abs 1 Satz 1 NSchG, dass die Erziehungsberechtigten die Schülerinnen und Schüler für die Teilnahme am Schulunterricht zweckentsprechend auszustatten haben. Hieraus folgt, dass auch die Lernmittel (hier Schulbücher) grundsätzlich von den Schülern selbst (bzw. von ihren Eltern) zu beschaffen sind. Das Gymnasium, welches die Klägerin besuchte, sah für die seinerzeitige Jahrgangsstufe der Klägerin (gymnasiale Oberstufe) keine Lernmittelfreiheit vor. Die Schulbücher, für die hier die Kostenübernahme begehrt wird, waren von den Schülern selbst zu beschaffen (vgl. die Bescheinigung der Schule vom 22. Juni 2017, Bl. 84 GA). Dies entspricht den einschlägigen niedersächsischen schulrechtlichen Bestimmungen, da in der Sekundarstufe II alle Gymnasien, die Beruflichen Gymnasien wie auch die Gesamtschulen selbst entscheiden können, ob und ggf. in welchem Umfang sie - für Bezieher von SGB II-Leistungen u.U. kostenfreie - Ausleihmöglichkeiten für Lernmittel anbieten (vgl. Ziff. 1 Satz 2, Ziff. 2 und 8 des RdErl. des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 1. Januar 2013 - 35-81 611 - VORIS 22410, abrufbar unter https://www.mk.niedersachsen.de/startseite/schule /schulorganisation/entgeltliche_ausleihe_von_lernmitteln/entgeltliche-ausleihe-von-lernmitteln-6561.html). Dies führt im Übrigen dazu, dass die Ermittlung eines „durchschnittlichen Bedarfes“ für Schulbücher kaum möglich sein dürfte. In anderen Bundesländern ist die Rechtslage zum Teil gänzlich anders (z.B. Baden-Württemberg: Lernmittelfreiheit für alle notwendigen Lernmittel insbesondere Schulbücher auch an Gymnasien - Art 14 Abs 2 der Landesverfassung, § 94 des Schulgesetzes i.Vm. § 1 Abs. 1 Lernmittelverordnung -; Nordrhein-Westfalen: Lernmittelfreiheit in Höhe eines Durchschnittsbetrages für die Aufwendungen in einem Schuljahr abzgl. eines Eigenanteils - §§ 30 Abs 1, 96 des Schulgesetzes -). Wenn der Gesetzgeber aber den Bedarf Schulbuch aus dem Regelbedarf decken will, muss er auch sicherstellen, dass sich die aus den jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen ergebenden Bedarfe gedeckt werden können. Eine diesen Anforderungen genügende Bedarfsermittlung ist hinsichtlich des Bedarfs „Schulbücher“ aber letztlich nicht erfolgt (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 104 f.).
Ein eventueller Verweis auf mögliche freiwillige Unterstützungsleistungen privater Dritter (wie etwa eines Schulfördervereins) wäre nicht überzeugend. Unabhängig davon, ob und unter welchen Voraussetzungen entsprechende Leistungen überhaupt in Betracht kommen (nach dem Schreiben der Schule vom 22. Juni 2017 trägt eine solche Institution vorliegend die begehrten Kosten nicht), können existenzsichernde Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, nicht mit dem Hinweis auf mögliche Unterstützungsleistungen (privater) Dritter abgelehnt werden. Die Sicherstellung des Existenzminimums ist zuvörderst Aufgabe des Staates und muss durch gesetzliche Ansprüche gesichert sein (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a., Rn. 136).
3. Nach dem Regelungskonzept des SGB II wird das Existenzminimum für Alg II-Bezieher in Bereichen, die nicht den Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II zuzuordnen sind, aber nicht nur durch den pauschalierten Regelbedarf gedeckt. Vielmehr sieht das SGB II die Berücksichtigung bestimmter Mehrbedarfe bei der Berechnung des laufenden Alg II (§ 21 SGB II) vor und gewährt darüber hinaus für bestimmte besondere Bedarfslagen Zuschüsse entweder als Pauschalen oder in der jeweils konkreten Höhe (vgl. §§ 24 Abs 3, 26 SGB II). Leistungen für einmalige Bedarfe können unter bestimmten Voraussetzungen als Darlehen erbracht werden (§ 24 Abs. 1 SGB II).
a. Verschiedentlich werden auch für Leistungsberechtigte nach dem SGB II, wie hier für die Klägerin, Ansprüche nach § 73 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) bejaht (bei Passbeschaffungskosten: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13. Juni 2017 - L 7 AS 1494/15 - juris Rn. 30 ff. m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Jedenfalls für den Bedarf „Schulbücher“ ist § 73 SGB XII allerdings nicht anwendbar.
Nach der Regelung des § 73 SGB XII können Leistungen der Sozialhilfe - als Darlehen oder Beihilfe - auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Das BSG hat bereits zur Rechtslage vor Einfügung des § 21 Abs 6 SGB II entschieden, dass bei der ergänzenden Heranziehung von § 73 SGB XII für an sich von den Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossene Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende Zurückhaltung geboten ist. Damit § 73 SGB XII nicht zu einer allgemeinen Auffangregelung für Leistungsempfänger nach dem SGB II mutiert, muss eine atypische Bedarfslage vorliegen, die jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn es sich um einen typischen innerhalb des SGB II zu befriedigenden Bedarf handelt (z.B. BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 13/10 R - juris Rn. 15 ff.). Daran anknüpfend hat das BSG die Anwendung des § 73 SGB XII bei Schulbedarfen ausdrücklich abgelehnt, weil dies typische Bedarfe sind, die nach den Vorgaben des BVerfG im Urteil vom 9. Februar 2010 (- 1 BvL 10/12 u.a. -) zum existenziellen Bedarf gehören und daher innerhalb des SGB II mit dem Regelbedarf bzw. ggf. ergänzenden Regelungen zu decken sind (BSG, Urteile vom 28. Oktober 2009, a.a.O.. Rn. 21 ff. - Schülermonatskarte -; BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 47/09 R - juris Rn. 12 ff. - Schulbücher -). Es ist nicht ersichtlich, dass diese Rechtsprechung nach Einfügung des § 21 Abs 6 SGB II und dem Inkrafttreten des RBEG 2011 nicht weiter Geltung beanspruchen sollte. Soweit der Gesetzgeber zur Rechtslage ab 2011 entgegen seinem eigenen Anspruch (BT-Drs. 17/3404, S. 104) die Kosten für Schulbücher nicht ausreichend im Regelbedarf erfasst hat (siehe oben), kann dies nicht dazu führen, die Kosten auf den Sozialhilfeträger abzuwälzen. Typische Bedarfe von SGB II-Leistungsbeziehern sind vielmehr im SGB II zu decken (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2010, Rn. 14).
b. Generell kommt im SGB II die Übernahme unabweisbarer Bedarfe als Darlehen in Betracht (§ 24 Abs. 1 SGB II). Allerdings setzt die Vorschrift voraus, dass das Darlehen einen vom Regelbedarf umfassten Bedarf decken soll. Diese Norm ist mithin auf Fälle zugeschnitten, in denen der jeweilige Bedarf „vom Regelbedarf umfasst wird“. Zwar ist es verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, unregelmäßig auftretende Bedarfe durch Anhebung der monatlichen Regelbedarfe in der Erwartung zu decken, dass der Leistungsberechtigte diesen erhöhten Anteil zurückhält, und den Leistungsberechtigten bei unvermutet auftretenden und unabweisbaren einmaligen Bedarfen, die durch angesparte Mittel nicht gedeckt werden können, auf die Inanspruchnahme eines Darlehens zu verweisen (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, Rn. 150). Dies setzt aber voraus, dass der konkret im Streit stehende Bedarf im Regelbedarf nicht evident unzureichend erfasst ist, was für den Bedarf „Schulbücher“, wie gezeigt, gerade der Fall ist. Die Darlehensgewährung kann somit nicht die unzureichende Bedarfserfassung mit der Folge des Fehlens von Ansprüchen auf Zuschüsse kompensieren.
4. Damit verbleibt im SGB II nur § 21 Abs 6 SGB II als Anspruchsgrundlage für die im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Schulbuchkosten. Diese Norm erfasst das Vorliegen eines im Einzelfall unabweisbaren, laufenden nicht nur einmaligen besonderen Bedarfes.
Diese Voraussetzungen sind bei verfassungskonformer Auslegung im Ergebnis erfüllt. Der im Streit stehende Bedarf für die Anschaffung der Schulbücher ist ein besonderer (dazu a.) und unabweisbarer (dazu b.) Bedarf. Auch wenn der Bedarf kein laufender im Sinne der Vorschrift ist (dazu c.), ergibt sich der Anspruch auf Übernahme der Schulbuchkosten im Wege der verfassungskonformen Auslegung durch analoge Anwendung des § 21 Abs 6 SGB II (dazu d.).
a. Die Schulbuchkosten sind ein besonderer Bedarf.
Besondere Bedarfe sind nur solche Bedarfe, die nicht schon vom Regelbedarf abgedeckt werden, sondern aufgrund atypischer Bedarfslagen über den Durchschnittsbedarf hinausgehen oder aufgrund ihrer Atypik vom Regelbedarf nicht erfasst sind (S. Knickrehm/Hahn in Eicher/Luik, a.a.O., § 21 Rn. 67). Wie bereits dargelegt, ist der Bedarf „Schulbücher“ im Regelbedarf jedenfalls der Höhe nach evident unzureichend abgebildet (vgl. insoweit auch von Boetticher in LPK SGB II, § 21 Rn. 35), obwohl verfassungsrechtlich eine vollständige Bedarfsdeckung geboten ist. Das BVerfG hat insoweit in seinem Urteil von 9. Februar 2010 bereits entschieden, dass zur Erfüllung schulischer Pflichten notwendige Ausgaben (wie z.B. für Schulbücher) zu dem existenziellen Bedarf von Kindern und Jugendlichen gehören (Art. 1 Abs 1 i.V.m. Art 20 Abs. 1 Grundgesetz - GG -), der zwingend zu decken ist (a.a.O., Rn 192).
Gleichwohl betrifft diese unzutreffende Bedarfserfassung nicht alle Leistungsempfänger nach dem SGB II. Der im Streit stehende Bedarf ist noch nicht einmal für die meisten Schüler typisch, denn es bestehen in den Bundesländern zum Teil weitreichende Regelungen zur Lernmittelfreiheit (siehe oben). Selbst in Niedersachsen fällt nicht bei allen Schülern ein Bedarf in vergleichbarer Höhe an, weil in den Klassen 1-10 der Bedarf weitestgehend und in den Klassen 11-13 der Bedarf teilweise durch Ausleihmöglichkeiten gedeckt wird (siehe oben; vgl. den bereits zitierten Erlass des Nds. MK vom 1. Januar 2013). Ein Bedarf für Schulbücher, wie er hier im Streit steht, kann daher in Niedersachsen nur bei Schülern entstehen, denen die Schule entsprechend dem Niedersächsischen Landesrecht – ab der Klasse 11 aufwärts - keine kostenfreie Schulbuchausleihe mehr anbietet. Dies ist bei der Klägerin der Fall.
Einem besonderen Bedarf i.S.d. § 21 Abs 6 SGB II kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Befriedigung derartiger Bildungsbedarfe nicht dem SGB II obliege, weil die Deckung von Bedarfen für den Schulunterricht, die der Durchführung des Unterrichts selber dienen, in der Verantwortung der Schule liege und daher von den Schulen und Schulträgern nicht auf das Grundsicherungssystem abgewälzt werden dürfe (in diesem Sinne: BSG, Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 12/13 R - juris Rn. 27; Luik in: Harich, a.a.O., S. 674). Dieser Rechtsauffassung steht die Rechtsprechung des BVerfG entgegen, wonach der Bundesgesetzgeber durch den Erlass des SGB II von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz in Art. 74 Abs 1 Nr 7 GG abschließend Gebrauch gemacht hat. Der Bund trägt dementsprechend die Verantwortung für die Sicherstellung des gesamten menschenwürdigen Existenzminimums. Dieser Verantwortung kann er sich weder durch eine abstrakte Verweisung auf konkurrierende Landeskompetenzen entziehen, die er den Ländern durch sein eigenes Gesetz bereits versperrt hat, noch mit dieser Begründung von der Berücksichtigung solcher Ausgaben absehen, die nach seinen eigenen normativen Wertungen zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendig sind. Zudem würde erst ein anderweitiger gesetzlicher Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt die Pflicht des Bundes mindern, weil das menschenwürdige Existenzminimum von Verfassungs wegen durch Rechtsansprüche gewährleistet sein muss. Die Zuständigkeit der Länder betrifft überdies den personellen und sachlichen Aufwand für die Institution Schule und nicht den individuellen Bedarf eines hilfebedürftigen Schülers. Der Bundesgesetzgeber könnte somit erst dann von der Gewährung entsprechender Leistungen absehen, wenn sie durch landesrechtliche Ansprüche substituiert und hilfebedürftigen Kindern auch tatsächlich gewährt würden. Solange und soweit dies jedoch nicht der Fall ist, hat der Bundesgesetzgeber, der mit dem SGB II ein Leistungssystem schaffen wollte, welches das Existenzminimum vollständig gewährleistet, dafür Sorge zu tragen, dass mit dem Sozialgeld dieser zusätzliche Bedarf eines Schulkindes hinreichend abgedeckt ist (vgl. im Einzelnen: BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, a.a.O. Rn 181 f., 197). Der Senat folgt der Rechtsprechung des BVerfG, da das Land Niedersachsen bzw. die Schule der Klägerin keine kostenfreie Übernahme der Schulbücher ermöglicht.
b. Der im vorliegenden Verfahren im September 2013 aufgetretene Bedarf in Höhe von 202,90 € für die Beschaffung von Schulbüchern ist unabweisbar.
Ein Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (§ 21 Abs 6 Satz 2 SGB II).
Die Klägerin war schulpflichtig und aufgrund schulrechtlicher Normen auch verpflichtet, die Bücher auf eigene Kosten zu beschaffen. Kosten für Schulbücher als notwendige Aufwendungen für Bildung sind Teil des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums (BVerfG, a.a.O., Rn. 192). Eine Deckung des Bedarfs erfolgt nicht durch die monatlich gewährten Regelbedarfe nach § 20 Abs 2 Satz 2 SGB II. Vielmehr würde bei Verweis allein auf die im monatlichen Regelbedarf für die Anschaffung von Schulbüchern (einschließlich sonstiger außerschulischer Bücher) enthaltenen Beträge von 2,82 € (bzw. für 2013 fortgeschrieben auf 2,98 €) insoweit eine evidente und damit verfassungswidrige Bedarfsunterdeckung eintreten (siehe oben).
Auf die Bedarfsdeckung durch Zuwendungen Dritter kann die Klägerin nicht verwiesen werden. Derartige Zuwendungen sind tatsächlich nicht erbracht worden. Auf mögliche freiwillige Unterstützungsleistungen privater Dritter (wie etwa des Fördervereins einer Schule) kann die Klägerin nicht verwiesen werden, weil freiwillige Leistungen privater Dritter nicht geeignet sind, existenzielle Bedarfe zu decken (siehe bereits oben; siehe auch Behrend in juris-PK, SGB II, 4. Aufl. 2015, § 21 Rn. 92). Ob dies auch für die Inanspruchnahme von Zuwendungen von Verwandten oder engen Freunden gilt, kann dahinstehen. Jedenfalls bestanden solche Möglichkeiten nicht. Insbesondere die Mutter der Klägerin verfügte über kein eigenes Einkommen, welches sie für die Klägerin hätte einsetzen können.
Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass die Klägerin (weitergehende) konkrete Einsparmöglichkeiten hatte. Hypothetische Einsparmöglichkeiten reichen insoweit nicht aus; Einsparmöglichkeiten müssen ausdrücklich festgestellt werden (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 - B 14 AS 30/13 R - juris Rn. 23 ff.). Die unentgeltliche Ausleihe war - wie bereits ausgeführt - für die Klägerin nicht möglich. Soweit die Möglichkeit der Anschaffung gebrauchter Bücher, z.B. über K. etc. besteht, hält auch der Senat dies für eine zumutbare Möglichkeit der Kostenreduzierung. Dass die Klägerin aber zur Verfügung stehende Möglichkeiten der Kostenreduzierung nicht genutzt haben könnte, ist nicht festzustellen. So hat sie einen nicht unerheblichen Teil der im September 2013 angeschafften Bücher gebraucht erworben (vgl. die private Rechnung Bl. 12 BuT-VA bzw. die Bücherliste Bl. 5 GA). Andere Einsparmöglichkeiten vermag der erkennende Senat nicht festzustellen. Ebenso wenig standen der Klägerin Freibeträge nach §§ 11b, 12 SGB II zur Verfügung, die zur Bedarfsdeckung hätten eingesetzt werden können. Die Versicherungspauschale von 30 € kam im September 2013 nicht zum Tragen (vgl. Änderungsbescheid vom 13. September 2013). Dies wird im Übrigen typisierend für konkrete Aufwendungen gewährt, anders als etwa der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 6 SGB II. Die im Grundsatz bestehende Einsparmöglichkeit durch „Umschichtung", also einer Präferenzentscheidung dahingehend, einen höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen auszugleichen (BT-Drs. 17/1465, S. 6 und 8), scheidet vorliegend aus. Denn dieser Gedanke kommt nur zum Tragen bei Bedarfen, die vom Regelbedarf hinreichend erfasst sind (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2014, a.a.O.), was aber hinsichtlich des hier im Streit stehenden Mehrbedarfs gerade nicht der Fall ist.
Ebenfalls erfüllt ist vorliegend das Merkmal der Erheblichkeit. Der Bedarf der Klägerin für die Anschaffung der Schulbücher weicht seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf ab und unterfällt insofern nicht der speziellen Bagatellgrenze, die in § 21 Abs 6 Satz 2 SGB II selbst durch das Tatbestandsmerkmal „erheblich" festgelegt worden ist. Es handelt sich hier um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in vollem Umfang überprüfbar ist. Erheblich ist nach der Systematik der Norm ein atypischer Bedarf dann, wenn er von einem durchschnittlichen Bedarf in nicht nur unbedeutendem wirtschaftlichen Umfang abweicht (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2014, a.a.O. Rn. 28). Anknüpfungspunkt ist letztlich die genannte Entscheidung des BVerfG vom 9. Februar 2010 und damit die Frage, ob das menschenwürdige Existenzminimum infolge des Mehraufwands noch gewährleistet ist (vgl. BT-Drucks 17/1465, S. 8). Bei Aufwendungen von 214,40 € handelt es sich um einen erheblichen Bedarf. Wie bereits ausgeführt, ist der Bedarf „Schulbücher“ vom Regelbedarf allenfalls in geringem Umfang umfasst. Legt man die tatsächlich entstandenen Kosten aufs Jahr um, ergibt sich ein Betrag von 17,87 € monatlich. Dies ist im Bereich des Existenzminimums kein unerheblicher Betrag mehr. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es nach der Rechtsprechung des BSG in Fällen eines nicht gedeckten Mehrbedarfs nicht einmal eine allgemeine Bagatellgrenze für selbst zu tragende Aufwendungen gibt (Urteil vom 4. Juni 2014, a.a.O. Rn 30 ff.).
c. Dass es sich beim Bedarf „Schulbücher“ nicht um einen laufenden Bedarf im Sinne des § 21 Abs 6 SGB II handelt, steht wegen der vorliegend gebotenen verfassungskonformen Auslegung des SGB II einem Anspruch der Klägerin im Ergebnis nicht entgegen.
Die Tatbestandsvoraussetzung „laufender Bedarf“ dient der Abgrenzung zu einmalig auftretenden Bedarfsspitzen, die zumutbar durch ein Darlehen nach § 24 Abs 1 SGB II gedeckt werden können. Es muss sich um einen regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen Bedarf handeln (BT-Drs. 17/1465, S. 8 f.). Hinsichtlich der Regelmäßigkeit des Bedarfsanfalls soll nach der Gesetzesbegründung auf den Bewilligungszeitraum abzustellen sein (S. 9). Unabhängig davon, ob damit der Regelbewilligungszeitraum von sechs Monaten nach § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II a.F. oder von zwölf Monaten nach § 41 Abs 3 Satz 1 SGB II in der aktuellen Fassung gemeint ist, lässt sich daraus schlussfolgern, dass ein laufender Bedarf jedenfalls dann vorliegt, wenn er innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten/einem Jahr voraussichtlich nicht nur einmalig auftritt (S. Knickrehm/Hahn in Eicher/Luik, 4. Aufl. 2017, § 21 Rn. 69; Düring in Gagel, SGB II, Stand 66. EL Juni 2017, § 21 Rn. 44; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 36. EL V/11, § 21 Rn. 74; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13. Juni 2017 - L 7 AS 1794/15 -; juris Rn. 26 f.; a.A.: prognostischer Bedarfsanfall in einem Zeitraum von einem bis zwei Jahren: von Boetticher in LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 21 Rn. 42). Insoweit hat das BSG zur verfassungsunmittelbaren Härtefallregelung im Sinne des Urteils des BVerfG vom 9. Februar 2010, d.h. vor Inkrafttreten des § 21 Abs 6 SGB II bereits entschieden, dass Schulbücher keinen im Sinne dieser Härtefallregelung fortlaufend wiederkehrenden, regelmäßigen Bedarf darstellen, weil sich die Gewährung in einem einmaligen Rechtsakt, die Schulbücher für das jeweilige Schuljahr anzuschaffen, erschöpft (BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 47/09 R -, juris Rn. 16). Dieser Rechtsprechung folgt der erkennende Senat, weil Schulbücher prognostisch in der Regel nur einmal im Jahr zum Schuljahresbeginn zu beschaffen sind. Die Ausdehnung des (Prognose-)Zeitraums auf mehr als ein Jahr würde zur Konturlosigkeit des Tatbestandsmerkmals „laufender Bedarf“ führen. Es sind nämlich kaum Bedarfe vorstellbar, die im Laufe der Jahre nicht mehrfach anfallen. So wäre je nach Länge des Beobachtungszeitraums unter Umständen selbst z.B. die Anschaffung einer Waschmaschine oder eines Pkw letztlich ein laufender Bedarf. Für das Abstellen auf einen Zeitraum von maximal einem Jahr ab dem ersten Bedarfsanfall sprechen somit neben der praktischen Handhabbarkeit auch die in der Gesetzesbegründung angesprochenen „klassischen“ Anwendungsfälle (dauerhaft benötigte Hygienemittel bei bestimmten Erkrankungen, Putz- bzw. Haushaltshilfe für Rollstuhlfahrer und Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrennt lebenden Eltern). Allen diesen Bedarfen ist gemein, dass sie regelmäßig in kürzeren Abständen als einem Jahr auftreten.
d. Damit ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass - obwohl dies verfassungsrechtlich geboten wäre - im vorliegenden Fall der Bedarf „Schulbücher“ im Gesamtgefüge des SGB II nicht gedeckt ist, wenn man die Anwendung von § 21 Abs 6 SGB II deshalb für ausgeschlossen hält, weil kein laufender Bedarf vorliegt.
Bei diesem Zwischenergebnis handelt es sich um eine planwidrige Regelungslücke (dazu aa.), die eine verfassungskonforme Auslegung des SGB II - hier durch analoge Anwendung des § 21 Abs 6 SGB II - gebietet (dazu bb.). Das Gebot zur entsprechenden verfassungskonformen Auslegung des einfachen Rechts durch die Fachgerichte ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des BVerfG (vgl. etwa Beschluss vom 23. Juli 2014, Rn. 116; allgemein zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung etwa: BVerfG, Beschluss vom 3. April 1990 - 1 BvR 1186/89 -).
aa. In Reaktion auf das Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 verfolgte der Gesetzgeber mit dem RBEG 2011 gerade auch das Ziel, die Bedarfe für Bildung angemessen im Regelbedarf bzw. § 28 SGB II abzubilden (BT-Drs. 17/3404, S. 42 f.). Auch hinsichtlich besonderer Bedarfslagen war der Gesetzgeber ersichtlich der Auffassung, durch die Einfügung von § 21 Abs 6 SGB II alles Erforderliche für die Berücksichtigung zusätzlicher Bedarfe getan zu haben (Blüggel in Eicher/Luik, § 24 Rn. 33; siehe auch Mrozynski, SGb 2010, 677, 678). Der Gesetzgeber war nach alledem erkennbar gewillt, im Rahmen des SGB II das Existenzminimum auch von Schulkindern (einschließlich deren Bedarfe für schulische Angelegenheiten) zu decken (vgl. hierzu BT-Drs. 17/3403, S. 104, wonach Kosten für Schulbücher nach Auffassung des Gesetzgebers nicht etwa leistungsrechtlich unbeachtlich sind, sondern über den Regelbedarf gedeckt werden sollen). Dies ergibt sich auch aus der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Bundestagsabgeordneten L. vom 4. August 2011, in der die Bundesregierung nochmals betont, dass die spezifischen Bedarfe von Kindern und Jugendlichen bei der Bemessung der Regelbedarfe besondere Berücksichtigung gefunden hätten. Insoweit seien die Regelbedarfe auskömmlich (BT-Drs 17/6773, S. 32).
bb. Diese Ausgangslage, dass nämlich der Gesetzgeber die notwendigen Bedarfe für Bildung nachweislich im SGB II vollumfänglich und bedarfsdeckend hat regeln wollen, es bei einer rein am Wortlaut orientierten Auslegung des § 21 Abs 6 SGB II (Schulbuchkosten als einmaliger anstatt laufender Bedarf) jedoch zu einer evidenten und damit verfassungswidrigen Bedarfsunterdeckung kommt, berechtigt und verpflichtet den erkennenden Senat zur Herleitung des Anspruch auf Übernahme der streitbefangenen Schulbuchkosten aus einer verfassungskonformen Auslegung des SGB II. Schließlich ergibt sich aus der grundsätzlichen Vermutung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes das Gebot, ein Gesetz im Zweifel verfassungskonform auszulegen. Das gilt jedoch nur, soweit unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang und Zweck mehrere Deutungen der betreffenden Bestimmung möglich sind, von denen zumindest eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt (vgl. etwa: BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 2310/06 - mit umfangreichen weiteren Nachweisen aus seiner Rechtsprechung).
Dies ist hier der Fall. Im Gesamtgefüge des SGB II kann die verfassungswidrige Bedarfsunterdeckung im vorliegenden Fall durch analoge Anwendung des § 21 Abs 6 SGB II verhindert werden. Neben der bereits festgestellten planwidrigen Regelungslücke ist zentrale Voraussetzung das Vorliegen einer vergleichbaren Interessenlage zwischen den von der existierenden Norm erfassten und den im Einzelfall zu beurteilenden Lebensverhalten (vgl. allgemein BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 - B 8 SO 15/15 R - juris Rn. 15 m.w.N.).
Die Interessenlage hinsichtlich der in § 21 Abs 6 SGB II geregelten Leistungen für laufende Mehrbedarfe ist weitestgehend identisch mit dem im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Bedarf (Schulbücher als Teil des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums). Der Bedarf „Schulbücher“ ähnelt einem laufenden Bedarf unter anderem deshalb, weil er deutlich häufiger wiederkehrt (einmal pro Schuljahr) als typische einmalige Bedarfe wie z.B. die Anschaffung einer Waschmaschine. Die mit dieser regelmäßigen Wiederkehr verbundene quantitative Mehrbelastung kann durch die Darlehensregelung nicht adäquat abgedeckt werden (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, Stand EL X/11, § 24 Rn. 154). Dies gilt hier umso mehr, weil Bildungsbedarfe wie Bedarfe für Schulbücher zum existenziellen durch das SGB II zu sichernden Bedarf gehören und ansonsten hilfebedürftigen Jugendlichen und Heranwachsenden ohne Deckung dieser Kosten ein Ausschluss von Lebenschancen droht. Ohne staatliche Unterstützung werden ihre Möglichkeiten eingeschränkt, später ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten zu können (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, Rn. 192). Für eine Vergleichbarkeit der Interessenlagen spricht zudem, dass mit § 73 SGB XII im parallelen Fürsorgesystem des SGB XII ein Anspruch auf zuschussweise Leistungen für einmalige besondere Bedarfe besteht. Es stellt einen nicht begründbaren Wertungswiderspruch dar, wenn Teile des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums (hier: Bildungsbedarfe schulpflichtiger Kinder und Jugendlicher) in dem für erwerbsfähige Hilfebedürftigen geltenden Fürsorgesystem des SGB II ungedeckt bleiben.
Nach alledem ergibt sich der Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Schulbuchkosten im Ergebnis (s.o.) in Höhe von 202,90 € im Wege der verfassungskonformen Auslegung des SGB II - hier aus der analogen Anwendung des § 21 Abs 6 SGB II (Blüggel in Eicher/Luik, § 24 Rn. 33 -; ähnlich: Lenze in LPK-SGB II, § 28 Rn. 15; SG Hildesheim, Urteil vom 22. Dezember 2015 - S 37 AS 1175/15 -). Soweit im Regelbedarf ein Betrag von 2,98 € monatlich auch für Schulbuchkosten vorgesehen ist, ist dieser Betrag nicht von den tatsächlichen Kosten abzusetzen, da für ein solches Vorgehen keine Rechtsgrundlage erkennbar ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie wegen Divergenz zur Entscheidung des BSG vom 10. September 2013 - B 4 AS 12/13 R - zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr. 1 und 2 SGG), soweit der Beklagte zur Übernahme der Schulbuchkosten verurteilt wurde. Im Übrigen liegt kein gesetzlicher Grund im Sinne des § 160 Abs 2 SGG für die Zulassung der Revision vor.