Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 11.12.2017, Az.: L 11 AS 349/17

analoge Anwendung; atypische Bedarfslage; evidente Bedarfsunterdeckung; freiwillige Unterstützungsleistungen privater Dritter; Lernmittelfreiheit; Mehrbedarf; Regelbedarf; Schulbedarf; Schulbedarfspauschale; Schulbücher; Schulmaterialien; Taschenrechner; verfassungskonforme Auslegung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
11.12.2017
Aktenzeichen
L 11 AS 349/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54276
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 18.04.2017 - AZ: S 25 AS 945/16

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Kosten für die Beschaffung eines Taschenrechners sind von der Schulbedarfspauschale des § 28 Abs 3 SGB II erfasst und können deshalb nicht als besonderer, unabweisbarer Bedarf im Sinne des § 21 Abs 6 SGB II beansprucht werden. Die Höhe der Schulbedarfspauschale (insgesamt 100 € pro Jahr) ist gegenwärtig rechtlich nicht zu beanstanden.
2. Anschaffungskosten für Schulbücher sind nicht von der Schulbedarfspauschale des § 28 Abs 3 SGB II erfasst sondern bei der Ermittlung des Regelbedarfs berücksichtigt worden (in der Position "Bücher und Broschüren" der EVS 2008/2013, vgl. § 6 RBEG 2011 bzw. § 6 RBEG).
3. Sofern die Anschaffungskosten für Schulbücher (hier: notwendige Schulbücher im Wert von 135,65 € für die 11. Klasse eines Beruflichen Gymnasiums in Niedersachen) nicht anderweitig übernommen werden (z.B. im Wege der Lernmittelfreiheit), deckt der Regelbedarf diese Kosten der Höhe nach evident nicht ab.
4. Kosten für Schulbücher, soweit sie nicht tatsächlich durch den Schulträger oder andere staatliche Stellen übernommen werden, sind ein durch Leistungen nach dem SGB II sicherzustellender Bedarf, weil der Bundesgesetzgeber mit dem SGB II das gesamte menschenwürdige Existenzminimum einschließlich der Kosten des Schulbesuchs sicherstellen muss (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn 181 f, 197; entgegen BSG, Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 12/13 R - Rn 27).
5. Schulbuchkosten sind zwar ein besonderer, jedoch kein laufender Bedarf im Sinne des § 21 Abs 6 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 47/09 R - Rn 16).
6. Es handelt sich um eine planwidrige Regelungslücke, dass für durch Lernmittelfreiheit nicht abgedeckte Schulbuchkosten im Gesamtgefüge des SGB II keine auskömmlichen Leistungen vorgesehen sind. Diese planwidrige Regelungslücke ist durch eine analoge Anwendung des § 21 Abs 6 SGB II zu schließen ist, soweit der Bedarf im Einzelfall unabweisbar ist.

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 18. April 2017 in Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 26. September 2017 sowie der Bescheid des Beklagten vom 15. Juli 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2016 geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter teilweiser Änderung des Bewilligungsbescheides vom 26. Februar 2016 sowie der insoweit ergangenen Änderungsbescheide für Juli 2016 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 135,65 € zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Rechtszüge und des Widerspruchsverfahrens.

Für den Beklagten wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von weiteren Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Anschaffung von Schulbüchern, eines grafikfähigen Taschenrechners und sonstiger Schulmaterialien.

Die am I. geborene Klägerin bezieht gemeinsam mit ihrer 1969 geborenen Mutter sowie ihren jüngeren 2005 und 2009 geborenen Geschwistern seit mindestens 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 26. Februar 2016 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 22. September 2016, 7. Oktober 2016, 26. November 2016, 2. Januar 2017 und 13. Januar 2017 der Familie laufende Leistungen für den Zeitraum April 2016 bis März 2017. Als Einkommen berücksichtigte er 273 € Unterhalt für die Klägerin bis einschließlich Juli 2016 und im Übrigen laufend monatlich Kindergeld für die Klägerin in Höhe von 190 € und ihre Geschwister in Höhe von 190 € und 196 €. Außerdem bewilligte der Beklagte mit Bescheiden vom 27. Juni 2016 der Klägerin Leistungen für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf in Höhe von 70 € für den 1. August 2016 und 30 € für den 1. Februar 2017. Entsprechende Bewilligungen waren auch zu den entsprechenden Zeitpunkten der Vorjahre erfolgt.

Die Klägerin ging bis Juli 2016 zur Realschule und besucht seit dem Schuljahr 2016/2017 ein Berufliches Gymnasium mit dem Schwerpunkt J. in K. bis voraussichtlich Juli 2019. Mit Schreiben vom 12. Juli 2016 beantragte die Mutter der Klägerin für diese die Bewilligung „von Leistungen nach § 21 SGB II" für die Anschaffung von Schulbüchern (insgesamt 178,60 €), eines Taschenrechners (114,60 €) und noch zu beschaffender Schulmaterialien (40 €). Beigefügt war eine Aufstellung der Schule der Klägerin, in der die anzuschaffenden Schulbücher mit dem genannten Gesamtbetrag einzeln bezeichnet werden. Zudem sei ein Taschenrechner, möglichst ein „L. ", anzuschaffen. Bestimmte weitere Bücher könnten gegen eine Jahresgebühr von 19,70 € geliehen werden (vgl. Aufstellung der Schule, Bl. 933 der Verwaltungsakte).

Mit Schreiben vom 15. Juli 2016 teilte der Beklagte der Mutter der Klägerin mit, dass bereits mit Bescheiden vom 27. Juni 2016 Leistungen für Schulbedarfe bewilligt worden seien. Hierbei handele es sich um pauschalierte Sätze.

Den Widerspruch der Klägerin vom 22. Juli 2016 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2016 als unbegründet zurück. Ein Mehrbedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II bestünde nicht. Der Bedarf sei zwar unabweisbar. Jedoch handele es sich um keinen laufenden Bedarf. Unabhängig davon liege keine atypische Situation vor. Die Anmeldung zum Beruflichen Gymnasium Technik habe bereits im Februar 2016 stattgefunden. Es sei daher zumutbar gewesen, für die Anschaffung von Schulbüchern und -materialien kleinere Beträge anzusparen. Zudem sei es zumutbar auch gebrauchte Bücher zu nutzen, die im Umkreis des Wohnortes der Klägerin zu einem geringen Preis vermehrt angeboten werden würden. Ebenso könne die Klägerin zumindest versuchen, die finanzielle Hilfe des Schulvereins in Anspruch zu nehmen.

Am 23. August 2016 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Lüneburg Klage erhoben. Die bezifferten Kosten seien zu übernehmen. Nach dem Urteil des SG Hildesheim vom 22. Dezember 2015 (- S 37 AS 1175/15 -) genügten die im Rahmen des Bildungspaketes vorgesehenen Leistungen nicht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG). Das Verfahren zur Ermittlung der „Kinderbedarfe" sei verfassungswidrig. Solange keine besondere gesetzliche Regelung existiere, seien die Kosten nach § 21 Abs. 6 SGB II zu übernehmen. Im Übrigen seien die Kosten für Schulbücher von der Pauschale in § 28 Abs. 3 SGB II gar nicht umfasst.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18. April 2017 in Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 26. September 2017 abgewiesen. Ein Anspruch nach § 28 SGB II bestehe nicht. Die Leistungen nach § 28 Abs. 3 SGB II seien als Pauschalen ausgestaltet. Eine konkrete Bedarfsermittlung komme insoweit nicht in Betracht. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II. Es sei bereits fraglich, ob § 28 SGB II nicht eine abschließende Regelung der Schulbedarfe treffe. Es handele sich aber schon nicht um einen besonderen Bedarf. Für „typische" Bedarfe wie die hier streitigen sei § 21 Abs. 6 SGB II nicht anwendbar. Auch sei der Bedarf vorliegend nicht unabweisbar. Die Anschaffung eines gebrauchten Taschenrechners bzw. gebrauchter Schulbücher sei zumutbar und geboten. Es handele sich zudem nicht um einen laufenden Bedarf. Die Berufung hat das SG zugelassen.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 21. April 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 8. Mai 2017 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie bezieht sich zur Begründung auf ihr Vorbringen vor dem SG. Der Taschenrechner sei aufgrund einer Sammelbestellung für 76,94 € beschafft worden. Für die Beschaffung von Schulmaterialien seien 73,59 € und für Kopiergeld 36 € gezahlt worden. Für die Anschaffung von Schulbüchern seien letztlich 135,65 € aufzuwenden gewesen (vgl. die Aufstellung im Schriftsatz vom 16. August 2017).

Sie beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 18. April 2017 in Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 26. September 2017 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. Juli 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2016 aufzuheben, und den Beklagten zu verurteilen, ihr einen Zuschuss von 322,18 € für die Anschaffung von Schulbüchern, eines Taschenrechners und sonstiger Schulmaterialien zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die Ausführungen des SG.

Auf Anfrage des Senats hat die Schule der Klägerin mitgeteilt, dass der Förderverein der Schule keine grundsätzlichen Förderzusagen zur Finanzierung von Lernmitteln oder Taschenrechnern abgebe. In Härtefällen bei Ablehnung von Leistungen durch das Jobcenter oder temporären finanziellen Engpässen könnte finanzielle Unterstützung gewährt werden. Bis einschließlich des Schuljahres 2016/2017 habe es auch noch die Möglichkeit gegeben, Freiexemplare des Taschenrechners zu beziehen, wenn die Förderbedingungen (u.a. Vorlage eines Arbeitslosengeld II-Bescheides) erfüllt waren. Entsprechende Anträge hätten die Klägerin und ihre Mutter nicht gestellt (Schreiben der Schule vom 11. August 2017).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, sowie die von dem Beklagten als Verwaltungsvorgänge vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft, weil das SG sie zugelassen hat und der Senat an diese Entscheidung gebunden ist (§ 144 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet. Die Klägerin ist beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), weil der angefochtene Bescheid teilweise rechtswidrig ist. Die Klägerin hat Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Schulbücher. Sie hat jedoch keinen Anspruch auf weitere Leistungen für die übrigen geltend gemachten Kosten für Schulausstattung (Taschenrechner, Kopiergeld, Schulmaterialien).

Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 15. Juli 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2016. Die möglicherweise bestehenden Zweifel am Vorliegen eines Verwaltungsaktes (vgl. § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X -) des Schreibens vom 15. Juli 2016 (u.a. fehlende Rechtsbehelfsbelehrung) hat der Beklagte mit Erlass des Widerspruchsbescheides ausgeräumt, nach dessen Inhalt er das Schreiben als Verwaltungsakt qualifiziert (vgl. zur Heranziehung des Widerspruchsbescheides zur Klärung, ob eine schlichte Willenserklärung oder ein Verwaltungsakt vorliegt: B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 85 Rn. 7a m.w.N.).

Inhaltlich regelt der Bescheid die Versagung einer Beihilfe in der von der Klägerin mit Schreiben vom 12. Juli 2016 geltend gemachten Höhe von 333,20 € für die Anschaffung von Schulbüchern, eines Taschenrechners und sonstiger Schulmaterialien.

Bei am Rechtsschutzziel orientierter Auslegung regelt der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides die Ablehnung der begehrten Leistungen unter allen rechtlichen Voraussetzungen, so dass im Hinblick auf das klägerische Begehren nicht nur die laufenden Alg II-Leistungen nach §§ 19 Abs. 1 Satz 1, 20, 21 SGB II sondern auch alle sonstigen möglichen Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, u.a. die daneben gewährten Leistungen für Bildung (§ 28 SGB II), in den Blick zu nehmen sind (vgl. zu Ansprüchen nach § 28 SGB II als isolierte, abtrennbare Streitgegenstände: BSG, Urteil vom 19. Juni 2012 - B 4 AS 162/11 R - juris Rn. 12).

Im Berufungsverfahren begehrt die Klägerin nur noch die Übernahme eines Betrages von 322,18 € (Schulbücher: 135,65 €, Taschenrechner: 76,94 €, Kopiergeld: 36 €, sonstige Materialien: 73,59 €, vgl. Schriftsatz vom 16. August 2017). Soweit die Klage auch auf die Berücksichtigung dieser Kosten als weiteren Bedarf bei der Berechnung des laufenden Alg II gerichtet ist, begehrt die Klägerin somit auch die Abänderung des entgegenstehenden Bewilligungsbescheides vom 26. Februar 2016 und der für den Monat Juli 2016 ergangenen Änderungsbescheide - im Juli 2016 ist der Bedarf entstanden (vgl. den Antrag der Klägerin vom 12. Juli 2016 mit der Aufstellung der Schule) - nach Maßgabe von § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB X.

Ein Anspruch auf die Gewährung eines Zuschusses für die geltend gemachten Aufwendungen - ein Darlehen begehrt die Klägerin ausdrücklich nicht - gegen den beklagten Grundsicherungsträger bzgl. der beantragten Kosten für einen Taschenrechner, Kopiergeld und sonstige Schulmaterialien - im Wesentlichen Schreibmaterialien - (insgesamt 186,53 €) besteht nicht (dazu II.). Dagegen hat die Klägerin allerdings einen Anspruch auf Übernahme der Beschaffungskosten für die Schulbücher in Höhe von 135,65 € (dazu III.).

I.

Die Klägerin ist grundsätzlich nach dem SGB II leistungsberechtigt, denn sie erfüllte im Zeitraum April 2016 bis März 2017 durchgehend die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 SGB II, insbesondere war sie hilfebedürftig. Sie bildete eine Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II). Ihrem Regelbedarf in Höhe von monatlich 306 €, 313,80 € im Dezember 2016 (die Klägerin wurde am M. 18 Jahre alt) und ab Januar 2017 monatlich 327 € (bis einschließlich Dezember: § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung - a.F. - i.V.m. Bekanntmachung vom 22. Oktober 2015 über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Absatz 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1. Januar 2016; ab Januar 2017: § 20 Abs. 1a, Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II in der aktuellen Fassung i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz - RBEG -) zzgl. der kopfteiligen monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe (bis Oktober: 161,25 €, November: 169,82 €, Dezember: 156,04 €, ab Januar: 150,75 €) stand nur zu berücksichtigendes Einkommen (§§ 11 Abs. 1, 11b Abs. 1 SGB II) in Höhe von monatlich 463 € bis einschließlich Juli 2016, in Höhe von 190 € monatlich bis einschließlich November 2016 und 160 € monatlich ab Dezember 2016 gegenüber. Arbeitslosengeld II (Alg II) in der entsprechenden Höhe hat der Beklagte bewilligt.

II.

1. Nach der Konzeption des SGB II werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Heranwachsenden neben dem Regelbedarf zusätzliche Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben (§ 28 SGB II) gesondert berücksichtigt. Insoweit hat der Gesetzgeber eigenständige Ansprüche für die Übernahme von Kosten für Schulausflüge und Klassenfahrten, der Schülerbeförderung, einer angemessenen Lernförderung und für eine gemeinschaftliche Mittagsverpflegung geschaffen (§ 28 Abs. 2, 4-6 SGB II). Darüber hinaus werden für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf bei Schülerinnen und Schülern zum 1. August eines jeden Jahres 70 € und zum 1. Februar eines jeden Jahres 30 € berücksichtigt (sog. Schulbedarfspauschale, § 28 Abs. 3 Satz 1 SGB II). Diese Pauschalen hat der Beklagte der Klägerin zu den Stichtagen 1. August 2016 und 1. Februar 2017 gezahlt (vgl. Bescheide vom 27. Juni 2016).

Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/3404, S. 105; zur Vorgängerregelung in § 24a SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung: BT-Drs. 16/10809, S. 16) dient diese pauschale Leistung zum Schuljahresbeginn insbesondere dem Erwerb von Gegenständen zur persönlichen Ausstattung für die Schule (z.B. Schulranzen, Schulrucksack, Turnzeug, Turnbeutel, Blockflöte) und für Schreib-, Rechen- und Zeichenmaterialien (z.B. Füller einschließlich Tintenpatronen, Kugelschreiber, Bleistifte, Malstifte, Malkisten, Hefte, Blöcke, Papier, Lineale, Buchhüllen, Zirkel, Taschenrechner, Geodreieck). Nicht von der Pauschale nach § 28 Abs. 3 SGB II umfasst sind dagegen Kosten für Schulbücher (siehe dazu unten bei III.).

Somit sind die von der Klägerin für einen Taschenrechner, Kopiergeld und für sonstige Schulmaterialien geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von insgesamt 186,53 € Bestandteil der persönlichen Ausstattung im Sinne des § 28 Abs. 3 SGB II (ebenso: Leopold in jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 28 Rn. 103; Lenze in LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 28 Rn. 14, Thommes in Gagel, SGB II, Stand 67. EL September 2017, § 28 Rn. 15; O. Loose in GK-SGB II, Stand Dezember 2015, § 28 Rn. 51; Burkiczak in Estelmann, SGB II, Stand 52. EL Juni 2016, § 28 Rn. 78).

Neben der vom Beklagten bereits gewährten Pauschale von 100 € (vgl. Bescheide vom 27. Juni 2016) kommen weitere Leistungen nach § 28 Abs. 3 SGB II nicht in Betracht. Zwar hat der Gesetzgeber auf eine empirische Bemessung der Pauschale verzichtet, allerdings zur Begründung ausgeführt (BT-Drs. 17/3404, S. 105), dass der Betrag jedenfalls nicht den auf Grund der Gewährung der Pauschale nicht regelsatzrelevanten Wert der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe  (EVS) 2008 für die Position „Sonstige Verbrauchsgüter (Schreibwaren, Zeichenmaterial u.a.)“ unterschreite (maximal 2,86 € monatlich). Das BVerfG hat diesbezüglich bereits entschieden, dass der Betrag von 100 € nicht zu einer evidenten Bedarfsunterdeckung führt und somit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10/12 u.a. - juris Rn. 135). Auch in der Kommentarliteratur wird die Höhe der Schulbedarfspauschale überwiegend als auskömmlich angesehen (Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 28 Rn. 28; ders. in Harich, Handbuch der Grundsicherung für Arbeitssuchende, S. 179; Leopold, aaO., Rn. 109; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, Stand EL 3/17, § 28 Rn. 59; Burkiczak, aaO, Rn. 76; vgl. auch die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Diana Golze vom 1. August 2011, BT-Drs. 17/6733, S. 32 f.; zweifelnd allerdings Thommes, aaO. Rn. 16; Lenze, aaO., § 28 Rn. 16 und Münder, SozSich Extra September 2011, S. 86).

Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Zwar liegt der von der Klägerin insgesamt aufgewendete Betrag deutlich über der Pauschale von 100 €. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Kosten für den Taschenrechner (76,94 €) nicht wieder anfallen werden, weil er nur einmal für die gesamte Schulzeit (voraussichtliches Ende Juli 2019) zu beschaffen ist und für die folgenden Schuljahre auch wieder Anspruch auf die Gewährung der Schulbedarfspauschale von jeweils 100 € besteht. Die Entscheidung des Gesetzgebers für Pauschalbeträge führt im Übrigen - wie bei Pauschalen generell - dazu, dass in vielen, möglicherweise sogar in den meisten Fällen die tatsächlich anfallenden Beträge (hier: für Schulmaterialien) ihrer Höhe nach gerade nicht genau mit den gewährten Pauschalbeträgen übereinstimmen. Diese einer jeglichen Pauschalierung immanente Folge begründet nicht die Fehlerhaftigkeit oder Rechtswidrigkeit der Pauschalierung. Vielmehr unterliegt eine Pauschalierung von Sozialleistungen keinen grundsätzlichen oder sogar verfassungsrechtlichen Bedenken, auch nicht im Bereich existenzsichernder Leistungen (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. -, Ls. 4; BSG, Urteil vom 1. Dezember 2016 - B 14 AS 21/15 R -; ausführlich: Spellbrink, Zur Zukunft der pauschalierten Leistungsgewährung im SGB II nach der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010, Sozialrecht aktuell 2010, 88; Urteil des Senats vom 21. November 2017 - L 11 AS 431/17 -).

2. Die Klägerin hat für die unter § 28 Abs. 3 SGB II fallenden Schulbedarfe (Taschenrechner, Kopiergeld, allgemeiner Schulbedarf) auch keinen Anspruch auf die Berücksichtigung dieser Kosten als Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II.

Bei Leistungsberechtigten wird nach dieser Norm ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

Es liegt schon kein besonderer, unabweisbarer Bedarf vor, weil die Kosten durch die Pauschale nach § 28 Abs. 3 SGB II anderweitig gedeckt waren (vgl. § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II). Dies bestätigt auch die Gesetzesbegründung, nach der Kosten für „Schulmaterialien“ nicht von § 21 Abs. 6 SGB II umfasst sein sollen (BT-Drs. 17/1465, S. 9). Soweit das SG Hildesheim mit Urteil vom 22. Dezember 2015 (- S 37 AS 1117/15 -) einen Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II auf Übernahme von Kosten für Schulbücher bejaht hat, kann diese Rechtsprechung nicht auf die Kosten für Kopiergeld, den Taschenrechner und sonstige Schulmaterialien übertragen werden. Schulbücher sind nämlich nicht von der Schulbedarfspauschale umfasst (siehe unten bei III.).

3. Sofern die Pauschale die bei der Anschaffung des Taschenrechners entstandenen Kosten nicht voll decken konnte, wäre dieser einmalige Bedarf - der Taschenrechner war zur Verwendung bis zum Schulabschluss und daher für mehr als ein Jahr gedacht - ggf. über die Darlehensregelung in § 24 Abs. 1 SGB II zu decken gewesen. Die Mehrbedarfsregelung erfasst aber nur laufende Bedarfe (zu dieser grundsätzlichen Konzeption: BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. - Rn. 208 und unten bei III.4.c).

III.

Die Kosten für Schulbücher sind nicht von der Schulbedarfspauschale umfasst (dazu 1.). Ebenso wenig deckt der Regelbedarf die in Rede stehenden Kosten tatsächlich ab, wobei der Bedarf auch nicht außerhalb des Sozialleistungsrechts z.B. im Wege der Lernmittelfreiheit gedeckt wird (dazu 2.). Mangels sonstiger einschlägiger Anspruchsgrundlagen des Sozialleistungsrechts (dazu 3.) ergibt sich der Anspruch auf Übernahme der Schulbuchkosten allerdings in verfassungskonformer - hier analoger - Anwendung des § 21 Abs. 6 SGB II (dazu 4.).

1. Die Kosten für Schulbücher sind ausweislich der Gesetzesbegründung nicht von der Pauschale nach § 28 Abs. 3 SGB II umfasst (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 104; ebenso: Voelzke aaO., § 28 Rn. 55; Luik, in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 28 Rn. 29; Leopold aaO., § 28 Rn. 106; Lenze aaO., § 28 Rn. 15; ebenso zur Rechtslage vor Einfügung des § 24a SGB II a.F. bzw. § 28 Abs. 3 SGB II: BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 47/09 R - juris Rn. 14; a.A. O. Loose aaO., § 28 Rn. 51, anders jedoch in: info also 2016, 147, 150; zweifelnd Thommes aaO., § 28 Rn. 16). Stattdessen sollen die Kosten für Schulbücher durch die monatlichen Regelbedarfe nach §§ 20 Abs. 2, 23 Nr. 1 SGB II abgedeckt sein (siehe Gesetzesbegründung: BT-Drs. 17/3403, S. 104). Die Regelbedarfe von monatlich 306 €, 313,80 € im Dezember 2016 und ab Januar 2017 von 327 € hat der Beklagte seinen Bedarfsberechnungen zugrunde gelegt und die sich hieraus ergebenden Leistungen an die Klägerin ausgezahlt (siehe oben I.)

2. Obwohl der Gesetzgeber die Schulbuchkosten im Regelbedarf verortet (BT-Drs. 17/3404, S. 104, siehe III.1), deckt der Regelbedarf diese Kosten allerdings offensichtlich bzw. evident nicht ausreichend ab (in diesem Sinne auch: Lenze, aaO.; Thommes, aaO.).

a. Im Zeitpunkt des Bedarfsanfalls durch die Notwendigkeit der Anschaffung der Schulbücher im Juli 2016 wurden die Regelbedarfe nach den Vorgaben des seit dem 1. Januar 2011 geltenden RBEG (RBEG 2011) bemessen. Grundlage der Bedarfsbemessung durch das RBEG 2011 war die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2008. Weder Im RBEG 2011 noch in der EVS 2008 gibt es eine gesonderte Ausgabenposition für Schulbücher (siehe Gesetzesbegründung: BT-Drs. 17/3404, S. 52 ff.; ebenso auch im RBEG 2017, BT-Drs. 18/9984, S. 35 ff.). Nach den Ausfüllhinweisen für die EVS 2008 sollen die Kosten für angeschaffte Schulbücher in der dortigen Abteilung O24 „Bücher und Broschüren“ erfasst werden (siehe: Fachserie zu EVS 2008, Heft 7: Wirtschaftsrechnungen – Einkommens- und Verbrauchsstichprobe Aufgabe, Methode und Durchführung des Statistischen Bundesamtes, erschienen 2013, S. 51, 60, abrufbar unter www.destatis.de; ähnlich die Hinweise zur EVS 2013, die Grundlage des RBEG 2017 ist: dort Zuordnung zur Nachfolgeposition O27; siehe Fachserie zu EVS 2013, Heft 7: Wirtschaftsrechnungen – Einkommens- und Verbrauchsstichprobe Aufgabe, Methode und Durchführung des Statistischen Bundesamtes, erschienen 2017, S. 52, abrufbar unter www.destatis.de).

Bei Jugendlichen von 14 bis 18 Jahren berücksichtigt das RBEG 2011 für diese Position aber gerade einmal 2,82 € monatlich bzw. 33,84 € jährlich (nach der Fortschreibung für 2016 3,15 € monatlich bzw. 37,80 € jährlich, Werte nach Schwabe, ZfF 2016, 1, 15; RBEG 2017: 30,60 € jährlich) als regelbedarfsrelevant, wobei noch hinzu kommt, dass Jugendliche mit diesen Beträgen auch in der Lage sein sollen, Bücher zu erwerben, die keinen Bezug zur Schule haben. Die im Regelbedarf maximal vorgesehenen Ausgaben für Bücher (Jahresbetrag einschließlich  Schulbücher erreichen somit weniger als ein Drittel der hier streitbefangenen Kosten von 135,65 €. Es ist somit nicht ersichtlich, wie mit den im Regelbedarf für Schulbücher vorgesehenen Beträgen die hier tatsächlich bestehenden Schulbuchkosten gedeckt werden sollen.

Selbst wenn man entgegen der Vorgaben der EVS 2008 zusätzlich weitere regelbedarfsrelevante Ausgabenpositionen, die einen gewissen Bezug zu Bildungskosten haben - obwohl sie Schulbücher, wie ausgeführt, tatsächlich nicht erfassen - in den Blick nimmt (aus der Abteilung 09 „Freizeit, Unterhaltung, Kultur“ der EVS 2008: „Ausleihgebühren für Bücher und Zeitschriften“, „sonstige Gebrauchsgüter für Bildung, Unterhaltung, Freizeit“; aus der Abteilung 10 „Bildung“: „Gebühren für Kurse u.Ä.“) verbleibt weiter eine evidente Bedarfsunterdeckung. Für Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren sind insoweit insgesamt (nur) 53,76 € (fortgeschrieben für 2016: 68,88 €; RBEG 2017: 59,28 € jährlich) regelbedarfsrelevant.

Der Annahme einer evidenten Bedarfsunterdeckung für den Bedarf „Schulbücher“ steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber den Leistungsberechtigten zu eigenverantwortlichem Wirtschaften verpflichtet hat und dieser daher bei seinen Ausgaben berücksichtigen muss, dass der pauschalierte Regelbedarf auch unregelmäßig anfallende Ausgaben umfasst (siehe § 20 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Dies setzt nämlich schon im Grundsatz voraus, dass der Leistungsberechtigte mit entsprechenden Ansparungen die unregelmäßig anfallenden Bedarfe decken kann. Dies ist aber mit den aufgeführten Beträgen für die Klägerin nicht möglich. Dies ergibt sich letztlich auch aus der Rechtsprechung des BVerfG zum RBEG 2011, wonach die Regelbedarfe jedenfalls keine evidente Bedarfsunterdeckung zur Folge haben und „noch“ den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen (Beschluss vom 23. Juli 2014, aaO., Rn. 86, 121). Es finden sich im Regelbedarf also keine „frei verfügbaren“ Beträge nennenswerter Größenordnung, die im Einzelfall zur Deckung besonderer Bedarfe eingesetzt werden könnten, die im Regelbedarf nicht ausreichend abgebildet sind.

Die Klägerin kann auch nicht darauf verwiesen werden, durch den Regelbedarf nicht abgedeckte Schulbuchkosten unter Rückgriff auf die Schulbedarfspauschale nach § 28 Abs. 3 SGB II zu decken. Dies würde schon die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers unterlaufen, in der Schulbedarfspauschale die Kosten von Schulbüchern gerade nicht abzubilden. Darüber hinaus hatte die Klägerin schon ohne Schulbücher Aufwendungen, die deutlich über der 100 €-Pauschale lagen (siehe II.).

b. Der Bedarf „Schulbücher“ ist schließlich auch deshalb im Regelbedarf nur unzureichend abgebildet, weil er außerhalb des Sozialleistungsrechts nicht gedeckt wird, obwohl er zwingend besteht.

Die am I. geborene Klägerin war nach niedersächsischem Landesrecht im Schuljahr 2016/2017 während des Besuchs der Sekundarstufe II eines Beruflichen Gymnasiums (§§ 5 Abs. 3 Nr. 3a, 19 Niedersächsisches Schulgesetz - NSchG -, „gymnasiale Oberstufe“) und zumindest im Folgejahr weiterhin schulpflichtig (§§ 67 Abs. 1, 66 Satz 1, 64 Abs. 1 Satz 1, 65 Abs. 1 NSchG). Daher musste sie die für den Unterricht notwendigen Materialien und damit auch Schulbücher selbst anschaffen. Schließlich bestimmt § 71 Abs. 1 Satz 1 NSchG, dass die Erziehungsberechtigten die Schülerinnen und Schüler für die Teilnahme am Schulunterricht zweckentsprechend auszustatten haben. Hieraus folgt, dass auch die Lernmittel (hier Schulbücher) grundsätzlich von den Schülern selbst (bzw. von ihren Eltern) zu beschaffen sind. Das Berufliche Gymnasium, welches die Klägerin besucht, sieht für die Jahrgangsstufe der Klägerin ein gemischtes System vor. Neben der Notwendigkeit der Anschaffung bestimmter Bücher durch die Schüler selbst können einige weitere Bücher geliehen werden. Im Fall der Klägerin betrifft dies drei Bücher, die gegen einen Jahresbetrag von 19,70 € geliehen werden konnten (vgl. Aufstellung der Schule, Bl. 933 der Verwaltungsakte). Die übrigen Bücher, für die hier die Kostenübernahme begehrt wird, sind dagegen von den Schülern selbst zu beschaffen. Dies entspricht den einschlägigen schulrechtlichen Bestimmungen, da in der Sekundarstufe II die Beruflichen Gymnasien wie alle übrigen Gymnasien und Gesamtschulen selbst entscheiden können, ob und ggf. in welchem Umfang sie - für Bezieher von SGB II-Leistungen u.U. kostenfreie - Ausleihmöglichkeiten für Lernmittel anbieten (vgl. Ziff. 1 Satz 2, Ziff. 2 und 8 des RdErl. des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 1. Januar 2013 - 35-81 611 - VORIS 22410, abrufbar etwa unter https://www.mk.niedersachsen.de/startseite/schule/schulorganisation/entgeltliche_ausleihe_von_lernmitteln/entgeltliche-ausleihe-von-lernmitteln-6561.html).

Dies führt im Übrigen dazu, dass die Ermittlung eines „durchschnittlichen Bedarfes“ für Schulbücher kaum möglich sein dürfte. In anderen Bundesländern ist die Rechtslage zum Teil gänzlich anders (z.B. Baden-Württemberg: Lernmittelfreiheit für alle notwendigen Lernmittel insbesondere Schulbücher auch an Gymnasien - Art. 14 Abs. 2 der Landesverfassung, § 94 des Schulgesetzes i.Vm. § 1 Abs. 1 Lernmittelverordnung -; Nordrhein-Westfalen: Lernmittelfreiheit in Höhe eines Durchschnittsbetrages für die Aufwendungen in einem Schuljahr abzgl. eines Eigenanteils - §§ 30 Abs. 1, 96 des Schulgesetzes -). Wenn der Gesetzgeber aber den Bedarf Schulbuch aus dem Regelbedarf decken will, muss er auch sicherstellen, dass sich die aus den jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen ergebenden Bedarfe gedeckt werden können. Eine diesen Anforderungen genügende Bedarfsermittlung ist hinsichtlich des Bedarfs „Schulbücher“ aber letztlich nicht erfolgt (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 104 f.).

Der Verweis des Beklagten auf mögliche freiwillige Unterstützungsleistungen privater Dritter (wie etwa des Fördervereins, vgl. hierzu Schreiben der Schule vom 11. August 2017) überzeugt nicht. Unabhängig davon, ob und unter welchen Voraussetzungen entsprechende Leistungen überhaupt in Betracht gekommen wären, können existenzsichernde Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, nicht mit dem Hinweis auf mögliche Unterstützungsleistungen dritter Privatpersonen abgelehnt werden. Die Sicherstellung des Existenzminimums ist zuvörderst Aufgabe des Staates und muss durch gesetzliche Ansprüche gesichert sein (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a., Rn. 136).

3. Nach dem Regelungskonzept des SGB II wird das Existenzminimum für Alg II-Bezieher in Bereichen, die nicht den Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II zuzuordnen sind, aber nicht nur durch den pauschalierten Regelbedarf gedeckt. Vielmehr sieht das SGB II die Berücksichtigung bestimmter Mehrbedarfe bei der Berechnung des laufenden Alg II (§ 21 SGB II) vor und gewährt darüber hinaus für bestimmte besondere Bedarfslagen Zuschüsse entweder als Pauschalen oder in der jeweils konkreten Höhe (vgl. §§ 24 Abs. 3, 26 SGB II). Leistungen für einmalige Bedarfe können unter bestimmten Voraussetzungen als Darlehen erbracht werden (§ 24 Abs. 1 SGB II).

a. Verschiedentlich werden auch für Leistungsberechtigte nach dem SGB II, wie hier die Klägerin, Ansprüche nach § 73 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) bejaht (bei Passbeschaffungskosten: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13. Juni 2017 - L 7 AS 1494/15 - juris Rn. 30 ff. m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Jedenfalls für den Bedarf „Schulbücher“ ist § 73 SGB XII allerdings nicht anwendbar.

Nach der Regelung des § 73 SGB XII können Leistungen der Sozialhilfe - als Darlehen oder Beihilfe - auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen.

Das BSG hat bereits zur Rechtslage vor Einfügung des § 21 Abs. 6 SGB II entschieden, dass bei der ergänzenden Heranziehung von § 73 SGB XII für an sich von den Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossene Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende Zurückhaltung geboten ist. Damit § 73 SGB XII nicht zu einer allgemeinen Auffangregelung für Leistungsempfänger nach dem SGB II mutiert, muss eine atypische Bedarfslage vorliegen, die jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn es sich um einen typischen innerhalb des SGB II zu befriedigenden Bedarf handelt (z.B. BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 13/10 R - juris Rn. 15 ff.). Daran anknüpfend hat das BSG die Anwendung des § 73 SGB XII bei Schulbedarfen ausdrücklich abgelehnt, weil diese typische Bedarfe sind, die nach den Vorgaben des BVerfG im Urteil vom 9. Februar 2010 (- 1 BvL 10/12 u.a. -) zum existenziellen Bedarf gehören und daher innerhalb des SGB II mit dem Regelbedarf bzw. ggf. ergänzenden Regelungen zu decken sind (BSG, Urteile vom 28. Oktober 2009, aaO. Rn. 21 ff. - Schülermonatskarte -; BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 47/09 R - juris Rn. 12 ff. - Schulbücher -).

Es ist nicht ersichtlich, dass diese Rechtsprechung nach Einfügung des § 21 Abs. 6 SGB II und dem Inkrafttreten des RBEG 2011 nicht weiter Geltung beanspruchen sollte. Soweit der Gesetzgeber zur Rechtslage ab 2011 entgegen seines eigenen Anspruchs (BT-Drs. 17/3404, S. 104) die Kosten für Schulbücher nicht ausreichend im Regelbedarf erfasst hat (siehe III.2.), kann dies nicht dazu führen, die Kosten auf den Sozialhilfeträger abzuwälzen. Typische Bedarfe von SGB II-Leistungsbeziehern sind vielmehr im SGB II zu decken (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2010, Rn. 14).

b. Generell kommt im SGB II die Übernahme unabweisbarer Bedarfe als Darlehen in Betracht (§ 24 Abs. 1 SGB II). Allerding setzt die Vorschrift voraus, dass das Darlehen einen vom Regelbedarf umfassten Bedarf decken soll. Diese Norm ist mithin auf Fälle zugeschnitten, in denen der jeweilige Bedarf „vom Regelbedarf umfasst wird“. Zwar ist es verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, unregelmäßig auftretende Bedarfe durch Anhebung der monatlichen Regelbedarfe in der Erwartung zu decken, dass der Leistungsberechtigte diesen erhöhten Anteil zurückhält und den Leistungsberechtigten bei unvermutet auftretenden und unabweisbaren einmaligen Bedarfen, die durch angesparte Mittel nicht gedeckt werden können, auf die Inanspruchnahme eines Darlehens zu verweisen (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, Rn. 150). Dies setzt aber voraus, dass der konkret im Streit stehende Bedarf im Regelbedarf nicht evident unzureichend erfasst ist, was für den Bedarf „Schulbücher“, wie gezeigt, gerade der Fall ist. Die Darlehensgewährung kann somit nicht die unzureichende Bedarfserfassung mit der Folge des Fehlens von Ansprüchen auf Zuschüsse kompensieren.

4. Damit verbleibt im SGB II nur § 21 Abs. 6 SGB II als Anspruchsgrundlage für die im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Schulbuchkosten. Diese Norm erfasst das Vorliegen eines im Einzelfall unabweisbaren, laufenden nicht nur einmaligen besonderen Bedarfes.

Diese Voraussetzungen sind bei verfassungskonformer Auslegung im Ergebnis erfüllt. Der im Streit stehende Bedarf von 135,65 € für die Anschaffung der Schulbücher ist ein besonderer (dazu a.) und unabweisbarer (dazu b.) Bedarf. Auch wenn der Bedarf kein laufender im Sinne der Vorschrift ist (dazu c.), ergibt sich der Anspruch auf Übernahme der Schulbuchkosten im Wege der verfassungskonformen Auslegung durch analoge Anwendung des § 21 Abs. 6 SGB II (dazu d.).

a. Die Schulbuchkosten sind ein besonderer Bedarf.

Besondere Bedarfe sind nur solche Bedarfe, die nicht schon vom Regelbedarf abgedeckt werden, sondern aufgrund atypischer Bedarfslagen über den Durchschnittsbedarf hinausgehen oder aufgrund ihrer Atypik vom Regelbedarf nicht erfasst sind (S. Knickrehm/Hahn in Eicher/Luik, aaO., § 21 Rn. 67).

Wie bereits dargelegt, ist der Bedarf „Schulbücher“ im Regelbedarf jedenfalls der Höhe nach evident unzureichend abgebildet (siehe oben III.2; vgl. insoweit auch von Boetticher in LPK SGB II, § 21 Rn. 35), obwohl verfassungsrechtlich eine vollständige Bedarfsdeckung geboten ist. Das BVerfG hat insoweit in seinem Urteil von 9. Februar 2010 bereits entschieden, dass zur Erfüllung schulischer Pflichten notwendige Ausgaben (wie z.B. für Schulbücher) zu dem existenziellen Bedarf von Kindern und Jugendlichen gehören (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz - GG -), der zwingend zu decken ist (aaO., Rn. 192).

Gleichwohl betrifft diese unzutreffende Bedarfserfassung nicht alle Leistungsempfänger nach dem SGB II. Der im Streit stehende Bedarf ist noch nicht einmal für die meisten Schüler typisch, denn es bestehen in den Bundesländern zum Teil weitreichende Regelungen zur Lernmittelfreiheit (siehe oben bei III.2.b). Selbst in Niedersachsen fällt nicht bei allen Schülern ein Bedarf in vergleichbarer Höhe an, weil in den Klassen 1-10 der Bedarf weitestgehend und in den Klassen 11-13 der Bedarf teilweise durch Ausleihmöglichkeiten gedeckt wird (siehe oben bei III.2.b und den bereits dort zitierten Erlass des Nds. MK vom 1. Januar 2013). Ein Bedarf für Schulbücher, wie er hier im Streit steht, kann daher in Niedersachsen nur bei Schülern der Klasse 11 aufwärts entstehen, in denen die Schule entsprechend dem Niedersächsischen Landesrecht keine kostenfreie Schulbuchausleihe mehr anbietet. Dies ist bei der Klägerin der Fall (siehe III.2.b.).

Einen besonderen Bedarf i.S.d. § 21 Abs 6 SGB II kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Deckung derartiger Bildungsbedarfe nicht dem SGB II obliege, weil die Deckung von Bedarfen für den Schulunterricht, die der Durchführung des Unterrichts selber dienen, in der Verantwortung der Schule liege und daher von den Schulen und Schulträgern nicht auf das Grundsicherungssystem abgewälzt werden dürfe (in diesem Sinne: BSG, Urteil vom 10. September 2013 - B 4 AS 12/13 R - juris Rn. 27; Luik in Harich, aaO., S. 674). Dieser Rechtsauffassung steht die Rechtsprechung des BVerfG entgegen, wonach der Bundesgesetzgeber durch den Erlass des SGB II von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz in Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG abschließend Gebrauch gemacht hat. Der Bund trägt dementsprechend die Verantwortung für die Sicherstellung des gesamten menschenwürdigen Existenzminimums. Dieser Verantwortung kann er sich weder durch eine abstrakte Verweisung auf konkurrierende Landeskompetenzen entziehen, die er den Ländern durch sein eigenes Gesetz bereits versperrt hat, noch mit dieser Begründung von der Berücksichtigung solcher Ausgaben absehen, die nach seinen eigenen normativen Wertungen zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendig sind. Zudem würde erst ein anderweitiger gesetzlicher Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt die Pflicht des Bundes mindern, weil das menschenwürdige Existenzminimum von Verfassungs wegen durch Rechtsansprüche gewährleistet sein muss. Die Zuständigkeit der Länder betrifft überdies den personellen und sachlichen Aufwand für die Institution Schule und nicht den individuellen Bedarf eines hilfebedürftigen Schülers. Der Bundesgesetzgeber könnte somit erst dann von der Gewährung entsprechender Leistungen absehen, wenn sie durch landesrechtliche Ansprüche substituiert und hilfebedürftigen Kindern auch tatsächlich gewährt würden. Solange und soweit dies jedoch nicht der Fall ist, hat der Bundesgesetzgeber, der mit dem SGB II  ein Leistungssystem schaffen wollte, welches das Existenzminimum vollständig gewährleistet, dafür Sorge zu tragen, dass mit dem Sozialgeld dieser zusätzliche Bedarf eines Schulkindes hinreichend abgedeckt ist (vgl. im Einzelnen: BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, aaO. Rn. 181 f., 197).

Der Senat folgt der Rechtsprechung des BVerfG, da das Land Niedersachsen bzw. die Schule der Klägerin keine kostenfreie Übernahme der Schulbücher ermöglicht (siehe oben III.2.b).

b. Der im vorliegenden Verfahren streitbefangene Bedarf in Höhe von 135,65 € für die Beschaffung von Schulbüchern ist unabweisbar.

Ein Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (§ 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II).

Die Klägerin war schulpflichtig und aufgrund schulrechtlicher Normen auch verpflichtet, die Bücher auf eigene Kosten zu beschaffen (siehe oben III.2.b). Kosten für Schulbücher als notwendige Aufwendungen für Bildung sind Teil des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums (BVerfG, aaO., Rn. 192, siehe oben bei III.4.a).

Eine Deckung des Bedarfs erfolgt nicht durch die monatlich gewährten Regelbedarfe nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II. Vielmehr würde bei Verweis allein auf die im monatlichen Regelbedarf für die Anschaffung von Schulbüchern (einschließlich sonstiger außerschulischer Bücher) enthaltenen Beträge von 2,82 € (bzw. für 2016 fortgeschrieben von 3,15 €) insoweit eine evidente und damit verfassungswidrige Bedarfsunterdeckung eintreten (siehe oben bei III.2).

Auf die Bedarfsdeckung durch Zuwendungen Dritter kann die Klägerin nicht verwiesen werden. Derartige Zuwendungen sind tatsächlich nicht erbracht worden. Auf mögliche freiwillige Unterstützungsleistungen privater Dritter (wie etwa des Fördervereins der Schule, vgl. Schreiben der Schule vom 11. August 2017) kann die Klägerin nicht verwiesen werden, weil freiwillige Leistungen privater Dritter nicht geeignet sind, existenzielle Bedarfe zu decken (siehe bereits oben bei III.2.b; Behrend in juris-PK, SGB II, 4. Aufl. 2015, § 21 Rn. 92). Ob dies auch für die Inanspruchnahme von Zuwendungen von Verwandten oder engen Freunden gilt, kann dahinstehen. Jedenfalls bestanden solche Möglichkeiten nicht. Insbesondere die Mutter der Klägerin verfügte über kein eigenes Einkommen, welches sie hätte für die Klägerin einsetzen können.

Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass die Klägerin (weitergehende) konkrete Einsparmöglichkeiten hatte. Hypothetische Einsparmöglichkeiten reichen insoweit nicht aus; Einsparmöglichkeiten müssen ausdrücklich festgestellt werden (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 - B 14 AS 30/13 R - juris Rn. 23 ff.).

Die unentgeltliche Ausleihe war - wie bereits ausgeführt - für die Klägerin nicht möglich. Soweit der Beklagte auf die Möglichkeit der Anschaffung gebrauchter Bücher über eBay etc. hingewiesen hat, hält auch der Senat dies für eine zumutbare Möglichkeit der Kostenreduzierung. Dass die Klägerin aber offenkundig zur Verfügung stehende Möglichkeiten der Kostenreduzierung nicht genutzt haben könnte, hat der Beklagte weder substantiiert vorgetragen noch ist dies nach Aktenlage ersichtlich.

Ebenso wenig standen der Klägerin Freibeträge nach §§ 11b, 12 SGB II zur Verfügung, die zur Bedarfsdeckung hätten eingesetzt werden können. Lediglich ab Dezember 2016 war von ihrem Einkommen die Versicherungspauschale von 30 € abzusetzen, die aber typisierend für konkrete Aufwendungen - anders als etwa der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SGB II - gewährt wird.

Die im Grundsatz bestehende Einsparmöglichkeit durch „Umschichtung", also einer Präfe-renzentscheidung dahingehend, einen höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen auszugleichen (BT-Drs. 17/1465, S. 6 und 8), scheidet vorliegend aus. Denn dieser Gedanke kommt nur zum Tragen bei Bedarfen, die vom Regelbedarf hinreichend erfasst sind (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2014, aaO.), was aber hinsichtlich des hier im Streit stehenden Mehrbedarfs gerade nicht der Fall ist (s. oben III.2).

Ebenfalls erfüllt ist vorliegend das Merkmal der Erheblichkeit. Der Bedarf der Klägerin für die Anschaffung der Schulbücher weicht seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf ab und unterfällt insofern nicht der speziellen Bagatellgrenze, die in § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II selbst durch das Tatbestandsmerkmal „erheblich" festgelegt worden ist. Es handelt sich hier um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in vollem Umfang überprüfbar ist. Erheblich ist nach der Systematik der Norm ein atypischer Bedarf dann, wenn er von einem durchschnittlichen Bedarf in nicht nur unbedeutendem wirtschaftlichen Umfang abweicht (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2014, aaO. Rn. 28). Anknüpfungspunkt ist letztlich die genannte Entscheidung des BVerfG vom 9. Februar 2010 und damit die Frage, ob das menschenwürdige Existenzminimum infolge des Mehraufwands noch gewährleistet ist (vgl. BT-Drucks 17/1465, S. 8).

Bei Aufwendungen von 135,65 € handelt es sich um einen erheblichen Bedarf. Wie bereits ausgeführt, ist der Bedarf „Schulbücher“ vom Regelbedarf allenfalls in geringem Umfang umfasst. Legt man die tatsächlich entstandenen Kosten aufs Jahr um, ergibt sich ein Betrag von mehr als 11 € monatlich. Dies ist im Bereich des Existenzminimums kein unerheblicher Betrag mehr. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es nach der Rechtsprechung des BSG in Fällen eines nicht gedeckten Mehrbedarfs nicht einmal eine allgemeine Bagatellgrenze für selbst zu tragende Aufwendungen gibt (Urteil vom 4. Juni 2014, aaO. Rn. 30 ff.).

c. Dass es sich beim Bedarf „Schulbücher“ nicht um einen laufenden Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II handelt, steht wegen der vorliegend gebotenen verfassungskonformen Auslegung des SGB II einem Anspruch der Klägerin im Ergebnis nicht entgegen.

Die Tatbestandsvoraussetzung „laufender Bedarf“ dient der Abgrenzung zu einmalig auftretenden Bedarfsspitzen, die zumutbar durch ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II gedeckt werden können. Es muss sich um einen regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen Bedarf handeln (BT-Drs. 17/1465, S. 8 f.). Hinsichtlich der Regelmäßigkeit des Bedarfsanfalls soll nach der Gesetzesbegründung auf den Bewilligungszeitraum abzustellen sein (S. 9). Unabhängig davon, ob damit der Regelbewilligungszeitraum von sechs Monaten nach § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II a.F. oder von zwölf Monaten nach § 41 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der aktuellen Fassung gemeint ist, lässt sich daraus schlussfolgern, dass ein laufender Bedarf jedenfalls dann vorliegt, wenn er innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten/einem Jahr voraussichtlich nicht nur einmalig auftritt (S. Knickrehm/Hahn in Eicher/Luik, 4. Aufl. 2017, § 21 Rn. 69; Düring in Gagel, SGB II, Stand 66. EL Juni 2017, § 21 Rn. 44; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 36. EL V/11, § 21 Rn. 74; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13. Juni 2017 - L 7 AS 1794/15 -; juris Rn. 26 f.; a.A.: prognostischer Bedarfsanfall in einem Zeitraum von einem bis zwei Jahren: von Boetticher in LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 21 Rn. 42).

Insoweit hat das BSG zur verfassungsunmittelbaren Härtefallregelung im Sinne des Urteils des BVerfG vom 9. Februar 2010, d.h. vor Inkrafttreten des § 21 Abs. 6 SGB II bereits entschieden, dass Schulbücher keinen im Sinne dieser Härtefallregelung fortlaufend wiederkehrenden, regelmäßigen Bedarf darstellen, weil sich die Gewährung in einem einmaligen Rechtsakt, die Schulbücher für das jeweilige Schuljahr anzuschaffen, erschöpft (BSG, Urteil vom 19. August 2010 - B 14 AS 47/09 R -, juris Rn. 16). Dieser Rechtsprechung folgt der erkennende Senat, weil Schulbücher prognostisch in der Regel nur einmal im Jahr zum Schuljahresbeginn zu beschaffen sind. Die Ausdehnung des (Prognose-)Zeitraums auf mehr als ein Jahr würde zur Konturlosigkeit des Tatbestandsmerkmals „laufender Bedarf“ führen. Es sind nämlich kaum Bedarfe vorstellbar, die im Laufe der Jahre nicht mehrfach anfallen. So wäre je nach Länge des Beobachtungszeitraums unter Umständen selbst z.B. die Anschaffung einer Waschmaschine oder eines Pkw letztlich ein laufender Bedarf. Für das Abstellen auf einen Zeitraum von maximal einem Jahr ab dem ersten Bedarfsanfall sprechen somit neben der praktischen Handhabbarkeit auch die in der Gesetzesbegründung angesprochenen „klassischen“ Anwendungsfälle (dauerhaft benötigte Hygienemittel bei bestimmten Erkrankungen, Putz- bzw. Haushaltshilfe für Rollstuhlfahrer und Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrennt lebenden Eltern). Allen diesen Bedarfen ist gemein, dass sie regelmäßig in kürzeren Abständen als einem Jahr auftreten.

d. Damit ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass - obwohl dies verfassungsrechtlich geboten wäre (siehe oben bei III.4.a) - im vorliegenden Fall der Bedarf „Schulbücher“ im Gesamtgefüge des SGB II nicht gedeckt ist, wenn man die Anwendung von § 21 Abs. 6 SGB II deshalb für ausgeschlossen hält, weil kein laufender Bedarf vorliegt.

Bei diesem Zwischenergebnis handelt es sich um eine planwidrige Regelungslücke (dazu aa.), die eine verfassungskonforme Auslegung des SGB II - hier durch analoge Anwendung des § 21 Abs. 6 SGB II - gebietet (dazu bb.). Das Gebot zur entsprechenden verfassungskonformen Auslegung des einfachen Rechts durch die Fachgerichte ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des BVerfG (vgl. etwa Beschluss vom 23. Juli 2014, Rn. 116; allgemein zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit analoger Rechtsanwendung etwa: BVerfG, Beschluss vom 3. April 1990 - 1 BvR 1186/89 -).

aa. In Reaktion auf das Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 verfolgte der Gesetzgeber mit dem RBEG 2011 gerade auch das Ziel, die Bedarfe für Bildung angemessen im Regelbedarf bzw. § 28 SGB II abzubilden (BT-Drs. 17/3404, S. 42 f.). Auch hinsichtlich besonderer Bedarfslagen war der Gesetzgeber ersichtlich der Auffassung, durch die Einfügung von § 21 Abs. 6 SGB II alles Erforderliche für die Berücksichtigung zusätzlicher Bedarfe getan zu haben (Blüggel in Eicher/Luik, § 24 Rn. 33; siehe auch Mrozynski, SGb 2010, 677, 678). Der Gesetzgeber war nach alledem erkennbar gewillt, im Rahmen des SGB II das Existenzminimum auch von Schulkindern (einschließlich deren Bedarfe für schulische Angelegenheiten) zu decken (vgl. hierzu BT-Drs. 17/3403, S. 104, wonach Kosten für Schulbücher nach Auffassung des Gesetzgebers nicht etwa leistungsrechtlich unbeachtlich sind, sondern über den Regelbedarf gedeckt werden sollen). Dies ergibt sich auch aus der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Bundestagsabgeordneten Diana Golze vom 4. August 2011, in der die Bundesregierung nochmals betont, dass die spezifischen Bedarfe von Kindern und Jugendlichen bei der Bemessung der Regelbedarfe besondere Berücksichtigung gefunden hätten. Insoweit seien die Regelbedarfe auskömmlich (BT-Drs 17/6773, S. 32).

bb. Diese Ausgangslage, dass nämlich der Gesetzgeber die notwendigen Bedarfe für Bildung nachweislich im SGB II vollumfänglich und bedarfsdeckend hat regeln wollen, es bei einer rein am Wortlaut orientierten Auslegung des § 21 Abs. 6 SGB II (Schulbuchkosten als einmaliger anstatt laufender Bedarf) jedoch zu einer evidenten und damit verfassungswidrigen Bedarfsunterdeckung kommt, berechtigt und verpflichtet den erkennenden Senat zur Herleitung des Anspruch auf Übernahme der streitbefangenen Schulbuchkosten aus einer verfassungskonformen Auslegung des SGB II. Schließlich ergibt sich aus der grundsätzlichen Vermutung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes das Gebot, ein Gesetz im Zweifel verfassungskonform auszulegen. Das gilt jedoch nur, soweit unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang und Zweck mehrere Deutungen der betreffenden Bestimmung möglich sind, von denen zumindest eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt (vgl. etwa: BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 2310/06 - mit umfangreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG).

Dies ist hier der Fall. Im Gesamtgefüge des SGB II kann die verfassungswidrige Bedarfsunterdeckung im vorliegenden Fall durch analoge Anwendung des § 21 Abs. 6 SGB II verhindert werden. Neben der bereits festgestellten planwidrigen Regelungslücke ist zentrale Voraussetzung das Vorliegen einer vergleichbaren Interessenlage zwischen den von der existierenden Norm erfassten und den im Einzelfall zu beurteilenden Lebensverhalten (vgl. allgemein BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 - B 8 SO 15/15 R - juris Rn. 15 m.w.N.).

Die Interessenlage hinsichtlich der in § 21 Abs. 6 SGB II geregelten Leistungen für laufende Mehrbedarfe ist weitestgehend identisch mit dem im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Bedarf (Schulbücher als Teil des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums). Der Bedarf „Schulbücher“ ähnelt einem laufenden Bedarf unter anderem deshalb, weil er deutlich häufiger wiederkehrt (einmal pro Schuljahr) als typische einmalige Bedarfe wie z.B. die Anschaffung einer Waschmaschine. Die mit dieser regelmäßigen Wiederkehr verbundene quantitative Mehrbelastung kann durch die Darlehensregelung nicht adäquat abgedeckt werden (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, Stand EL X/11, § 24 Rn. 154). Dies gilt hier umso mehr, weil Bildungsbedarfe wie Bedarfe für Schulbücher zum existenziellen durch das SGB II zu sichernden Bedarf gehören und ansonsten hilfebedürftigen Jugendlichen und Heranwachsenden ohne Deckung dieser Kosten ein Ausschluss von Lebenschancen droht. Ohne staatliche Unterstützung werden ihre Möglichkeiten eingeschränkt, später ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten zu können (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, Rn. 192).

Für eine Vergleichbarkeit der Interessenlagen spricht zudem, dass mit § 73 SGB XII im parallelen Fürsorgesystem des SGB XII ein Anspruch auf zuschussweise Leistungen für einmalige besondere Bedarfe besteht. Es stellt einen nicht begründbaren Wertungswiderspruch dar, wenn Teile des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums (hier: Bildungsbedarfe schulpflichtiger Kinder und Jugendlicher) in dem für erwerbsfähige Hilfebedürftigen geltenden Fürsorgesystem des SGB II ungedeckt bleiben.

Nach alledem ergibt sich der Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Schulbuchkosten in Höhe von 135,65 € im Wege der verfassungskonformen Auslegung des SGB II - hier aus der analogen Anwendung des § 21 Abs. 6 SGB II (Blüggel in Eicher/Luik, § 24 Rn. 33 -; ähnlich: Lenze in LPK-SGB II, § 28 Rn. 15; SG Hildesheim, Urteil vom 22. Dezember 2015 - S 37 AS 1175/15 -). Soweit im Regelbedarf ein Betrag von 2,98 € bzw. 3,15 € monatlich (siehe III.2) auch für Schulbuchkosten vorgesehen ist, ist dieser Betrag nicht von den tatsächlichen Kosten abzusetzen, da für ein solches Vorgehen keine Rechtsgrundlage erkennbar ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie wegen Divergenz zur Entscheidung des BSG vom 10. September 2013 - B 4 AS 12/13 R - zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), soweit der Beklagte zur Übernahme der Schulbuchkosten verurteilt wurde. Im Übrigen liegt kein gesetzlicher Grund im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision vor.