Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 15.04.2011, Az.: L 13 AS 333/10
Abtretung; Bewilligungszeitraum; Einkommensanrechnung; Steuererstattung; Verteilzeitraum; fiktives Einkommen
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 15.04.2011
- Aktenzeichen
- L 13 AS 333/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 45107
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 09.09.2010 - AZ: S 19 AS 687/07
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 3 AlgIIV
- § 11 Abs 1 S 1 SGB 2
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine Steuererstattung kann auch dann als anrechenbares Einkommen i. S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II berücksichtigt werden, wenn der Erstattungsbetrag während eines laufenden Bewilligungszeitraumes dem Hilfebedüftigen infolge Abtretung tatsächlich nicht zugeflossen ist.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aurich vom 9. September 2010 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch im Berufungsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt für die Jahre 2006 und 2007 höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), auch wendet er sich dagegen, dass ihm nach einem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid die für die Monate Juli und August 2006 gewährten Leistungen gekürzt worden sind und dass er die nach Ansicht des beklagten Grundsicherungsträgers insoweit überzahlte Leistungen erstatten soll.
Der am 17. Mai 1945 geborene, nach einer Scheidung alleinstehende Kläger bezog auf seine Anträge vom 9. Dezember 2004 und 17. Juni 2005 zunächst vom 1. Januar bis 31. Dezember 2005 SGB II-Leistungen (Bescheide der für den beklagten Grundsicherungsträger handelnden Samtgemeinde G., vom 11. Dezember 2004 und 22. Juni 2005 über die Gewährung von 605,00 € pro Monat nebst Übernahme von Sozialversicherungsbeiträgen für die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers). Da der Kläger zum 2. November 2005 eine entgeltliche Beschäftigung bei der Firma H. aufgenommen hatte, für die ihm vom dem Landkreis I. (Zentrum für Arbeit) nach § 29 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) ein monatliches Einstiegsgeld i. H. v. 516,00 € gewährt worden war, hob die Samtgemeinde J. mit Bescheid vom 2. März 2006 ihre Leistungsbewilligung mit Wirkung vom 1. Dezember 2005 nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i. V. m. § 40 Abs. 1 SGB II und § 330 Abs. 3 SGB III auf und forderte von dem Kläger die ihm für Dezember 2005 gewährten SGB II-Leistungen i. H. v. 605,00 € (= 345,00 € Regelleistung + 260,00 € Unterkunfts- und Heizkosten) gem. § 50 i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X zurück. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete infolge einer betriebsbedingten Kündigung zum 31. Januar 2006. Deshalb stellte der Kläger am 25. Januar 2006 einen Neuantrag auf Gewährung von SGB II-Leistungen, dem die Samtgemeinde J. mit Bescheid ebenfalls vom 2. März 2006 in der Weise entsprach, dass sie dem Kläger für die Zeitspanne 1. März bis 31. August 2006 erneut SGB II-Leistungen i. H. v. 605,00 € gewährte.
Unter dem 13. Juni 2006 erließ das Finanzamt I. einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005, indem es zugunsten des Klägers eine Steuererstattung i. H. v. 1.169,96 € (1.109,00 € Einkommensteuer + 60,96 € Solidaritätszuschlag) festsetzte. Von dieser Steuererstattung erhielt die Samtgemeinde im Rahmen eines von dem Kläger am 14. August 2006 gestellten Folgeantrages Kenntnis, nachdem die Gemeinde unter dem 19. Juli 2006 den Kläger aufgefordert hatte, sich über eine ihm aufgrund seiner entgeltlichen Beschäftigung im Jahre 2005 möglicherweise zugeflossene Steuererstattung zu erklären.
Mit Bescheid vom 23. August 2006 bewilligte die Samtgemeinde dem Kläger auf seinen Fortzahlungsantrag für die Zeitspanne 1. September 2006 bis 28. Februar 2007 SGB II-Leistungen i. H. v. nunmehr nur noch 508,00 €, weil sie die Steuererstattung für das Jahr 2005 als Einkommen berücksichtigt, den Gesamtbetrag auf 12 Monate, beginnend ab Juli 2006 aufgeteilt und daher bei der Bewilligung für September 2006 einen monatlichen Teilbetrag von 97,50 € in Abzug gebracht hatte. Mit Änderungsbescheid vom 28. August 2006 wurde die dem Kläger monatlich zu gewährende Leistung auf 538,00 € erhöht, weil die Samtgemeinde zugunsten des Klägers bei der Einkommensanrechung (Steuererstattung) nunmehr eine Versicherungspauschale i. H. v. 30,00 € in Abzug brachte, mithin nur noch einen Anrechnungsbetrag von 67,50 € im Monat berücksichtigte. Weiter wurde die Überzahlung aus der Steuerstattung für die Monate Juli und August 2006 i. H. v. insgesamt 134,00 € mit einem Betrag von 50,00 € pro Monat einbehalten.
Mit weiterem Bescheid vom 28. August 2006 änderte die Samtgemeinde die für die Monate Juli und August 2006 bewilligten SGB II-Leistungen auf 538,00 € im Monat ab, weil sie ebenfalls als Einkommen die Einkommensteuererstattung für das Jahr 2005 i. H. v. 67,50 € anrechnete; außerdem verrechnete sie auch in diesem Bescheid eine Überzahlung von "194,00 €" mit der sich aus der Anrechnung der Versicherungspauschale nach ihrer Ansicht ergebenden Nachzahlung von 60,00 €. Der Kläger erhob gegen "den Bescheid vom 28.08. 2006" am 12. September 2006 Widerspruch, den er damit begründete, die Samtgemeinde habe zu Unrecht für die Monate Juli und August 2006 einen Teil der ihm zustehende Grundsicherungsleistungen einbehalten, weil es angeblich wegen der ihm zuerkannten Steuererstattung zu einer Überzahlung gekommen sei. Tatsächlich habe er von der Steuererstattung seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten können, weil er über den Erstattungsbetrag nicht frei habe verfügen können. Denn er habe sich, als er seine neue Arbeitsstelle angetreten habe, von seinem Steuerberater einen Betrag in Höhe von 1.300,00 € leihen müssen und hierüber auch einen Darlehensvertrag mit diesem abgeschlossen. Nach § 5 des Darlehensvertrages sei er - der Kläger - verpflichtet gewesen, die geliehene Summe ab Februar 2006 in monatlichen Raten i. H. v. mindestens 100,00 € an seinen Steuerberater zurückzuzahlen; mündlich habe er mit seinem Steuerberater ebenfalls eine Rückzahlung bei einer fälligen Steuererstattung vereinbart. Er - der Kläger - habe daher die Steuerstattung für das Jahr 2005 zur Tilgung des aufgenommenen Darlehens verwandt. Damit habe ihm die Steuererstattung faktisch nicht zur Verfügung gestanden, sodass es nicht zu einer Überzahlung habe kommen können. Im Übrigen sei eine Steuererstattung nicht als Einkommen i. S. des § 11 Abs. 1 SGB II zu qualifizieren.
Mit Abhilfebescheid vom 3. Januar 2007 setzte die Samtgemeinde J. die dem Kläger für die Monate Juli und August 2006 zu gewährenden Leistungen erneut auf 605,00 € fest und führte hierzu aus, die Anrechnung der Steuererstattung für die Monate Juli und August 2006 werde zurückgenommen; auch werde dem Kläger der einbehaltene Betrag von 134,00 € nachgezahlt; allerdings werde nach entsprechender Anhörung ein gesonderter Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ergehen. Dementsprechend hörte die Samtgemeinde den Kläger mit Schreiben vom 3. Januar 2007 dazu an, dass geprüft werde, ob die für die Monate Juli und August 2006 ergangenen Bewilligungsbescheide vom 23. und 28. August 2006 sowie vom 3. Januar 2007 i. H. v. 134,00 € aufzuheben seien, weil die sich aus dem Bescheid des Finanzamtes I. vom 13. Juni 2006 ergebende Steuererstattung nicht bzw. verspätet von dem Kläger mitgeteilt worden sei, sich mithin nicht nur eine Rücknahme der Leistungsbewilligung, sondern für den Kläger auch eine Pflicht zur Rückzahlung nach § 50 Abs. 1 SGB X ergeben könnte.
Mit Bescheid vom 5. Februar 2007 hob die Samtgemeinde J. "die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit Wirkung ab dem 01.07.2006" auf; dem Kläger hätten Leistungen in der Zeitspanne 1. Juli bis 31. August 2006 i. H. v. 134,00 € nicht zugestanden, diese Leistung seien von dem Kläger zu erstatten. Zur Begründung wurde angeführt, zu dem Bewilligungszeitraum 1. März bis 31. August 2006 seien am 23. und 28. August 2006 sowie am 3. Januar 2007 Änderungsbescheide ergangen. Aufgrund der Mitteilung seines Steuerberaters vom 28. März 2006 sei dem Kläger bekannt gewesen, dass er - der Kläger - mit einer Steuererstattung von 1.160,00 € habe rechnen können. Diese Steuererstattung habe er mit einem undatierten Darlehensvertrag an seinen Steuerberater abgetreten, was aber für die Berechnung des Leistungsanspruchs unerheblich sei. Er - der Kläger - sei nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch verpflichtet gewesen, Änderungen in den Verhältnissen unverzüglich mitzuteilen, was er zumindest grob fahrlässig unterlassen habe. Tatsächlich habe er erst nach dem Aufforderungsschreiben von 19. Juli 2006 mit seinem Folgeantrag von 14. August 2006 die bereits mit Bescheid vom 13. Juni 2006 festgesetzte Steuererstattung mitgeteilt. Der Einkommenszufluss aus der Steuererstattung, der im Juni 2006 erfolgt sei, sei mit 1/12 als Einkommen bei der Bedarfsberechnung ab dem Juli 2006, dem Folgemonat des Zuflusses, zu berücksichtigen, weshalb es nach Abzug einer Versicherungspauschale von 30,00 € in den Monaten Juli und August 2006 zu einer Überzahlung von insgesamt 134,00 € gekommen sei, die der Kläger nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten habe. Des Weiteren wurde in einem Bescheid vom 9. Februar 2007 die sofortige Vollziehung der Aufhebung der Bewilligungsbescheide im öffentlichen Interesse gem. § 86 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angeordnet.
Mit Bescheid der Samtgemeinde J. vom 16. Februar 2007 wurden dem Kläger auf seinen Folgeantrag vom 12. Februar 2007 für die Zeitspanne 1. März bis 31. August 2007 weitere SGB II-Leistungen gewährt, und zwar für den Zeitraum 1. März bis 30. Juni 2007 538,00 € pro Monat und für die Monate Juli und August 2007 jeweils 605,00 €; die Leistungsabsenkung bis Juni 2007 beruhte auf der Anrechnung der Einkommensteuerstattung für das Jahr 2005 als Einkommen i. H. v. 67,50 €. Da bezüglich des Girokontos des Klägers Pfändungen bestanden und dieser um eine Auszahlung der SGB II-Leistungen per Verrechnungsscheck bat, erging am 19. Februar 2007 ein Änderungsbescheid für den Bewilligungszeitraum 1. März bis 31. August 2007, in dem die Leistungshöhe unter Abzug von Pauschgebühren für die Zahlungsart von 538,00 € auf 535,00 € bzw. von 608,00 € auf 605,00 € reduziert wurde. Am 22. Februar und 22. März 2007 erhob der Kläger gegen die Bescheide vom 9. und 19. Februar 2007 Widerspruch, in dem er u. a. das Fehlen eines öffentlichen Interesses für den angeordneten Sofortvollzug rügte, auch stellte er bezüglich des Bescheides vom 16. Februar 2007 einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X.
Am 23. März 2007 erließ die Samtgemeinde einen weiteren Änderungsbescheid, in dem sie die dem Kläger für die Zeitspanne 1.April bis 31. August 2007 zu gewährenden SGB II-Leistungen auf 403,00 € für April 2007 sowie auf 535,00 € für die Monate Mai bis Juni 2007 sowie auf 603,00 € für den Juli 2007 festsetzte. Die Leistungsreduzierung für den April 2007 ergab sich daraus, dass die Gemeinde eine weitere Steuererstattung i. H. v. 132,90 €, die für den Kläger nach einem Bescheid des Finanzamtes Leer vom 12. März 2007 für das Jahr 2006 (126,00 € Einkommensteuer + 6,90 € Solidaritätszuschlag) festgesetzt worden war und die der Kläger ebenfalls an seinen Steuerberater abgetreten hatte, erneut als Einkommen leistungsmindernd berücksichtigte, sodass sich eine Einkommensanrechnung von insgesamt 230,40 € (= 132,90 € + 97,50 €), abzüglich einer Versicherungspauschale i. H. v. 30,00 €, also von 200,40 € ergab. Der Kläger erhob auch gegen den Bescheid vom 23. März 2007 am 29. März 2007 Widerspruch. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 2. April 2007 änderte die Samtgemeinde ihr Leistungsbewilligung für den Zeitraum 1. April bis 31. August 2007 erneut ab, indem dem Kläger nunmehr für April und Mai jeweils 469,00 € sowie für Juni 2007 535,00 € und für Juli sowie August 2007 jeweils 603,00 € gewährt wurden. Die Änderung ergab sich daraus, dass die Samtgemeinde die Einkommensteuererstattung für das Jahr 2006 nunmehr auf die Monate April und Mai 2007 mit Teilbeträgen von jeweils 66,45 € aufteilte.
Zuvor, und zwar mit Eilantrag vom 14. Dezember 2006 hatte sich der Kläger an das Sozialgericht (SG) Aurich mit der Bitte um Gewährung einstweiligen Rechtschutzes gegen die Anrechnung der Einkommenssteuerstattung als Einkommen und die Einbehaltung von SGB II-Leistungen gewandt. Mit Beschluss vom 17. Januar 2007 - S 25 AS 526/06 ER - hat das SG Aurich den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unbegründet abgelehnt. Die hiergegen von dem Kläger erhobene Beschwerde ist mit Beschluss des erkennenden Senats vom 24. August 2007 - L 13 AS 46/07 ER - auch als unbegründet zurückgewiesen worden; wegen der Einzelheiten der Beschluss- und Beschwerdebegründung wird auf die Beschlüsse vom 17. Januar und 24. August 2007 Bezug genommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2007 hat der Beklagte den Widersprüchen des Klägers vom 20. Februar, 22. und vom 27. März 2007 gegen die Bescheide der Samtgemeinde J. vom 9. und 19. Februar sowie vom 23. März 2007 insoweit stattgegeben, als er die in dem Bescheid vom 9. Februar 2007 angeordnete sofortige Vollziehung aufgehoben und die infolge der sofortigen Vollziehung aufgerechneten Beträge i. H. v. 134,00 € an den Kläger ausgekehrt hat. Weiter wurde in dem Widerspruchsbescheid festgestellt, dass in den Monaten Juli und August 2006 an den Kläger Leistungen i. H. v. 134,00 € zu Unrecht erbracht und von diesem zu erstatten seien; im Übrigen wurden die Widersprüche als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde in Ergänzung der angefochtenen Bescheide u. a. ausgeführt, eine Entscheidung über den Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X sei entbehrlich, eine Überprüfung habe sich nämlich erledigt, weil der Bescheid vom 16. Februar 2007 bereits durch den Änderungsbescheid vom 19. Februar 2007 aufgehoben worden sei und dieser Bescheid aufgrund des gegen ihn erhobenen Widerspruchs Gegenstand des Widerspruchsverfahrens sei. Die Widersprüche hätten auch Erfolg, soweit sie sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 9. Februar 2007 richteten; denn die Anordnung des Sofortvollzuges sei aufzuheben, weil sie nicht haltbar sei, der durch Aufrechnung einbehaltene Betrag i. H. v. 134,00 € sei an den Kläger auszukehren.
Im Übrigen seien die Widersprüche aber als unbegründet zurückzuweisen. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 9. Februar 2007 sei rechtmäßig, weil sich die für die Leistungsbewilligung des Bescheides vom 2. März 2006 maßgeblichen Verhältnisse nach Antragstellung am 24. Januar 2006 i. S. des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 3 SGB X geändert hätten, mithin für die Monate Juli und August 2006 ein geringerer Anspruch des Klägers auf SGB II-Leistungen bestehe, als er in dem Bescheid vom 2. März 2006 festgesetzt worden sei. Der Kläger habe nämlich nach Antragstellung, und zwar im Juni 2006 Einkommen in Gestalt einer Einkommensteuerstattung für das Jahr 2005 erzielt, das anzurechnen sei; hierbei handele es sich, wie dies auch das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in seinem Beschluss vom 24. August 2007 festgestellt habe, nicht um Einkommen i. S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II, auch könne es nicht als Vermögen angesehen werden. Der Kläger habe es zumindest grob fahrlässig unterlassen, die Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Einkommensteuerstattung mitzuteilen. Jedem, auch einem rechtsunkundigen Bürger habe ohne Weiteres klar sein müssen, dass es sich bei Auszahlung einer Einkommensteuererstattung um eine wesentliche Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse gehandelt habe. Im Übrigen sei der Kläger auf Seite zwei seiner Anträge auf Leistungsgewährung jeweils ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er jede Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse anzuzeigen habe. Die erforderliche Anzeige sei auch nicht mit Rücksicht auf die Abtretung des Steuererstattungsanspruchs entbehrlich gewesen; denn auch die Tilgung seiner Schuldverpflichtung habe bei dem Kläger zu einer Verbesserung seiner wirtschaftlichen Situation geführt. Auch dies hätte dem Kläger klar sein müssen.
Der Kläger hat gegen den ihm am 16. Oktober 2007 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2007 am 1. November 2007 bei dem SG Aurich Klage erhoben, die er unter Wiederholung seines Vorbringens im Widerspruchsverfahrens begründet hat.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Bescheide der Samtgemeinde J. vom 9. und 19. Februar 2007 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 9. Oktober 2007) abzuändern;
2. den Beklagten zu verurteilen, ihm - dem Kläger - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch in gesetzlicher Höhe ohne Anrechnung der Einkommensteuererstattung zu gewähren.
Der Beklagte, der weiterhin die Auffassung vertreten hat, dass es sich bei der während des laufenden Bezugs von SGB II-Leistungen zugeflossenen Einkommensteuererstattung um einmaliges, anrechenbares Einkommen nach dem SGB II gehandelt habe, hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG Aurich hat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten zu dieser Entscheidungsform - die Klage durch Gerichtsbescheid vom 9. September 2010 als unbegründet abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Der Beklagte habe zu Recht mit den Bescheiden vom 9. und 19. Februar, 23. März 2007 sowie vom 9. Oktober 2007 dem Kläger SGB II-Leistungen nur unter Anrechnung eines Anteils von einem Zwölftel der Einkommensteuerstattung für 2005 (97,50 €) und unter Abzug einer Versicherungspauschale von 30,00 € (= 67,50 €) pro Monat gewährt. Bei der Einkommensteuererstattung handele es sich um zu berücksichtigendes Einkommen i. S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II und nicht um Vermögen nach § 12 Abs. 1 SGB II. Da es auf den tatsächlichen Zufluss ankomme, sei das rechtliche Schicksal der Forderung unerheblich, die zu dem Zufluss geführt habe. Aus diesem Grund stehe der Qualifizierung der Steuererstattung für das Jahr 2005, die der Kläger erhalten habe, als Einkommen nicht entgegen, dass der Erstattungsbetrag an den Steuerberater des Klägers ausbezahlt worden sei, es handele sich nämlich um die Realisierung einer bereits vorher bestehenden Rechtsposition (gesetzlicher Steuererstattungsanspruch des Klägers). Auch die Ausbezahlung des Erstattung an den Steuerberater sei insoweit unerheblich; denn von der tatsächlichen Verfügbarkeit des Einkommens könne ausnahmsweise abgewichen werden, wenn der Hilfesuchende wie hier der Kläger während des laufenden Bezugs von SGB II-Leistungen eine für ihn bestehende rechtliche Verpflichtung freiwillig an einen Dritten abgetreten und zu der beinahe vollständigen Tilgung seiner dem Dritten gegenüber bestehenden Darlehensschuld verwandt habe. Der Kläger habe sich damit der Möglichkeit beraubt, die ihm schon mit Schreiben seines Steuerberaters vom 26. März 2006 angekündigte voraussichtliche Steuererstattung i. H. v. 1.160,00 € zu der zeitnahen Deckung seines notwendigen Lebensunterhalts einzusetzen. In einem derartigen Fall der freiwilligen Disposition über zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts einsetzbarer Mittel sei der Grundsicherungsträger rechtlich nicht gehindert, den Steuererstattungsbetrag bei der Leistungsberechnung als fiktives Einkommen anteilig auf die bewilligten laufenden Leistungen anzurechnen. Schließlich sei es auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Steuererstattungsbetrag gem. § 2 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (hier in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung) auf 12 Monate verteilt und mit 67,50 € pro Monat berücksichtigt habe.
Der Kläger hat gegen den ihm am 15. September 2010 zugestellten Gerichtsbescheid vom 9. September 2010 am 13. Oktober 2010 Berufung eingelegt, die er trotz Aufforderung nicht begründet hat, auch einen Antrag für das Berufungsverfahren hat der Kläger nicht gestellt.
Der Beklagte hat beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Senat hat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - mit Beschluss vom 2. Februar 2011 gem. § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung auf den Berichterstatter des Senats übertragen, damit dieser zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern über die Berufung des Klägers entscheidet.
Zur weiteren Sachdarstellung zur Darstellung des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogen Verwaltungsakten der Samtgemeinde J. und die Widerspruchsvorgänge des Beklagten Bezug genommen; diese Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere in der Frist des § 151 Abs. 1 SGG erhobene Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Aurich vom 9. September 2010 ist als unbegründet zurückzuweisen. Denn das SG Aurich hat mit im Wesentlichen zutreffenden Erwägungen die Klage des Klägers auf Aufhebung des Erstattungs- und Aufhebungsbescheides der Samtgemeinde J. vom 9. Februar 2007 (i. d. G. des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 9. Oktober 2007) sowie auf Abänderung des Bescheides der Samtgemeinde J. vom 2. März 2006 (i. d. F. der Änderungsbescheide vom 23. und 28. August 2006, des Abhilfebescheides vom 3. Januar 2007, des Bescheides vom 9. Februar 2007 sowie i. d. G. des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 9. Oktober 2007) und des Bescheides der Samtgemeinde J. vom 16. Februar 2007 (i. d. F. der Änderungsbescheide vom 19. Februar, 23. März und vom 2. April 2007 sowie i. d. G. des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 9. Oktober 2007) abgewiesen.
1. Auszugehen ist davon, dass Streitgegenstand dieses Berufungsverfahrens die Gewährung von SGB II-Leistungen an den Kläger in den Zeiträumen 1. Juli bis 31. August 2006 und 1. März bis 30. Juni 2007 sowie die Rechtmäßigkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 9. Februar 2007 (i. d. G. des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2007) sind.
Der zum damaligen Zeitpunkt durch rechtskundige Bevollmächtigte des Sozialverbandes Deutschland vertretene Kläger hat mit Widerspruchsschreiben vom 8. September 2006 - bei der Samtgemeinde J. am 12. September 2006 eingegangen - (nur) "gegen den Bescheid vom 28.08.2006" Widerspruch eingelegt, obwohl von der Samtgemeinde unter dem 28. August 2006 zwei (Änderungs-)Bescheide erlassen worden sind, und zwar der Änderungsbescheid für den Bewilligungsbescheid vom 2. März 2006 (betreffend die Leistungsbewilligung für die Monate Juli und August 2006: Anrechnung des Einkommensteuererstattungsbetrag für 2005 i. H. v. jeweils zunächst i. H. v. 97,50 €) sowie der Änderungsbescheid für den Bewilligungsbescheid vom 23. August 2006 (betreffend die Leistungsbewilligung für die Monate September 2006 bis Februar 2007, auch mit Anrechnung der Einkommensteuererstattung für 2005). Auch in der Widerspruchsbegründung der Bevollmächtigten (Schriftsatz vom 9. Oktober 2006) ist nur von einem, am 28. August 2006 erlassenen Bescheid die Rede, des Weiteren befasst sich die Begründung lediglich damit, dem Kläger sei von der Samtgemeinde ein Teil der ihm zustehenden Grundsicherungsleistungen "für die Monate Juni, Juli und August 2006" mit Rücksicht auf eine dem Kläger tatsächlich nicht zugeflossene Einkommensteuererstattung zu Unrecht vorenthalten worden. Damit kann auch im Wege der Auslegung zugunsten des Klägers nicht angenommen werden, er habe bzw. seine Bevollmächtigten hätten sich mit einem Widerspruch auch gegen den die Leistungsbewilligung in der Zeitspanne 1. September 2006 bis 28. Februar 2007 regelenden Bewilligungsbescheid vom 23. August 2006 (i. d. F. des Änderungsbescheides vom 28. August 2006) gewandt. Denn abgesehen davon, dass gegen den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 23. August 2006 ein Widerspruch nicht, und zwar auch nicht sinngemäß eingelegt worden ist - auch die späteren Widersprüche des Klägers betreffen nur andere, nicht den Bewilligungszeitraum September 2006 bis Februar 2007 betreffende Bescheide - , kann den Schriftsätzen vom 8. September und 9. Oktober 2006 nur entnommen werden, der Kläger wende sich gegen die seinen SGB II-Leistungsanspruch mindernde Anrechnung der Einkommensteuererstattung für 2005 in den Monaten Juni bis August 2006, nicht aber in dem nachfolgenden Bewilligungszeitraum, wobei der Vorwurf, es sei auch im Juni 2005 eine Einkommensanrechnung vorgenommen worden, ohnehin ins Leere ging, weil der Grundsicherungsträger die Einkommensteuererstattung für 2005 erst ab Juli 2006 berücksichtigt hat. Fehlt es aber an einem als Widerspruch auszulegenden Schreiben des Klägers (bzw. seiner damaligen Bevollmächtigten) für den Bewilligungszeitraum September 2006 bis Februar 2007, so ist der diesen Zeitraum regelende Bescheid der Samtgemeinde J. vom 23. August 2006 (i. d. F. des Änderungsbescheides vom 28. August 2006) bestandkräftig geworden.
Die Bewilligungszeiträume vom 1. Juli bis 31. Dezember 2005 und vom 1. September 2007 bis 29. Februar 2008 sind ebenfalls nicht Streitgegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Denn die zu diesen Zeiträumen ergangenen Bewilligungsbescheide vom 22. Juni 2005 (i. d. F. des Änderungsbescheides vom 2. März 2006) und vom 20. August 2007 sind von dem Kläger nicht angefochten worden, auch betreffen sie gesonderte Bewilligungszeiträume, die auch nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Klage- sowie des Berufungsverfahrens werden konnten (vgl. BSG, Urt. vom 11. Dezember 2007 - B 8/9 b SO 12/06 R -, SozR 4-3500 § 21 Nr. 1 = FEVS 59, 481 -, zit. nach juris, Rz. 8).
Demgegenüber erstreckt sich die rechtliche Prüfung in diesem Gerichtsverfahren aber auch auf die dem Kläger in den Zeitraum 1. März bis 30. Juni 2007 zustehenden SGB II-Leistungen, und zwar insbesondere auf die Frage, ob der beklagte Grundsicherungsträger berechtigt war, Einkommensteuererstattungen des Klägers für das Jahr 2005 (i. H. v. 1.169,96 €), aber auch für das Jahr 2006 (i. H. v. 132,90 €) leistungsmindernd zu berücksichtigten. Allerdings befasst sich die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2007 und die des Gerichtsbescheides vom 9. September 2010 nur mit der Anrechnung der Steuererstattung für das Jahr 2005, nicht aber mit der zusätzlichen Anrechnung der Steuerstattung für das Jahr 2006. Da aber die Berücksichtigung auch dieser Steuererstattung (für das Jahr 2006) in den Änderungsbescheiden vom 23. März und 2. April 2007 vorgenommen worden ist, der Kläger hiergegen am 29. März 2007 ausdrücklich Widerspruch eingelegt und der Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2007 - auch - diesen Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen hat, ist die Berücksichtigung beider Steuererstattung (in dem Zeitraum 1. März bis 30. Juni 2007) Streitgegenstand geworden.
2. Der beklagte Grundsicherungsträger war berechtigt, in den - hier nur streitigen (s. Tz. 1.) - Zeiträumen Juli und August 2006 sowie März bis Juni 2007 bei dem SGB II-Leistungsanspruch des Klägers die diesem für die Jahre 2005 und 2006 zuerkannten Steuererstattungen als anrechenbares Einkommen i. S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II leistungsmindernd zu berücksichtigen. Daher hat das SG Aurich mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 9. September 2010 zu Recht die hiergegen gerichtete Klage des Klägers abgewiesen.
2.1 Wie das SG Aurich in dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 9. September 2010 zutreffend herausgearbeitet hat, handelt es sich bei den für die Jahre 2005 und 2006 während des laufenden SGB II-Bezuges zugunsten des Klägers von dem Finanzamt I. in den Bescheiden vom 13. Juni 2006 und 12. März 2007 festgesetzten Steuererstattungen um (anrechenbares) Einkommen i. S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II und nicht um Vermögen i. S. des § 12 Abs. 1 SGB II. Denn der Kläger hatte die in den Jahren 2005 und 2006 zuviel entrichteten Einkommensteuern (nebst Solidaritätszuschlag) nicht freiwillig (und zinslos) 'angespart'. Vielmehr wurde erst durch die Steuerbescheide vom 13. Juni 2006 und 12. März 2007 ein Anspruch des Klägers auf Steuererstattung konkretisiert. Es entspricht daher nicht nur der ständigen Rechtsprechung des Senats (s. etwa den Beschl. vom 28. August 2007 - L 13 AS 46/06 ER - und das Urt. vom 4. März 2008 - L 13 AS 7/06 -, bestätigt durch Urt. des BSG vom 13. Mai 2009 - B 4 AS 49/09 R -, zit. nach juris), sondern auch der heute ganz überwiegend vertretenen Auffassung (BSG, Urt. vom 13. Mai 2009, aaO, Rz. 12; Urt. vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 48/07 R -, zit. nach juris, Rz. 11; Urt. vom 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R -, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 SGB II Nr. 15 = SGb 2009, 672 = NJW 2009, 2155 = FEVS 60, 337 -, zit. nach juris, Rz. 18; Hasske, in: Estelmann, SGB II, Stand: März 2011, Rdn. 26 zu § 11; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: Dezember 2010, Rdn. 267 zu § 11 m. w. Nachw.; a. A. noch SG Leipzig, Beschl. vom 16. August 2005 - B 4 AS 405/05 ER -; SG Stuttgart, Beschl. vom 26. Juni 2007 - S 20 AS 4654/07 ER -; Brühl, in: Münder, LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, Rdn. 9 zu § 11), dass die während des laufenden Bezugs von Grundsicherungsleistungen einem Hilfebedürftigen zugeflossenen Steuererstattungsbeträge als anrechenbares Einkommen zu qualifizieren sind.
Dem SG Aurich ist auch darin beizupflichten, dass einer Berücksichtigung der Steuererstattungen für die Jahre 2005 und 2006 als Einkommen des Klägers nicht entgegen steht, dass der Kläger seine Erstattungsansprüche an seinen Steuerberater abgetreten und daher die ihm - dem Kläger - zustehenden Erstattungsbeträge tatsächlich nicht erhalten hat.
Es erscheint schon zweifelhaft, ob die geltenden gemachten Abtretungen als rechtlich wirksam angesehen werden können. Gegen eine Wirksamkeit spricht nämlich, dass der Kläger nach dem den Abtretungen zugrunde liegenden (undatierten) Darlehensvertrag den Darlehensbetrag von 1.300,00 € von seinem Steuerberater für den beruflichen Neuanfang bei der Firma H. erhalten sollte, der Kläger für diesen Neuanfang aber bereits eine beträchtliche Starthilfe aus öffentlichen Mitteln in Gestalt des ihm nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch gewährten Einstiegsgeldes erhalten hatte, sodass zumindest unklar ist, ob und ggf. wofür der Kläger den ihm - angeblich - von seinem Steuerberater gewährten Darlehensbetrag über immerhin 1.300,00 € noch benötigte. Hinzu kommt eine - erhebliche - Geldüberweisung von dem Steuerberater an den Kläger und die Rücküberweisung dieses Betrages durch den Kläger am 26. Mai bzw. am 2. Juni 2006, die in Bezug auf die Finanzbeziehungen des Klägers zu seinem Steuerberater ebenfalls zu Zweifeln Anlass bietet - hierauf wurde bereits in dem Beschluss des Senats vom 24. August 2007 - L 13 AS 46/07 ER - hingewiesen. Der Senat kann die Frage der Rechtswirksamkeit der behaupteten Darlehensgewährung sowie der Abtretungen in diesem Berufungsverfahren aber letztlich offen lassen, auch war es deshalb nicht erforderlich, vor dem Ergehen der Berufungsentscheidung insoweit in Ermittlungen einzutreten und etwa den Steuerberater K. aus I. als Zeugen zu vernehmen. Denn selbst wenn der Kläger seine Ansprüche auf Steuererstattungen für die Jahre 2005 und 2006 rechtswirksam an den Steuerberater K. abgetreten haben sollte, würde dies der von dem Beklagten vorgenommenen Einkommensanrechnung im Grundsicherungsrecht nicht entgegen stehen. Der Kläger hat nämlich während des laufenden, d. h. seit dem 1. März 2006 wieder begonnenen Bezugs von SGB II-Leistungen diese Steuererstattungsansprüche abgetreten. Ein Hilfesuchender ist aber im Rahmen der ihm obliegenden Selbsthilfemöglichkeiten gehalten, alle zumutbaren, kurzfristig realisierbaren Möglichkeiten zu nutzen, um ohne staatliche Hilfe seinen notwendigen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten (vgl. Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II. 2. Aufl. 2008, Rdn. 14 zu § 11). Die Subsidiarität der staatlichen Fürsorge (BSG, Urt. vom 30. September 2008, aaO, Rz. 19) schließt daher eine Leistungsgewährung nach dem SGB II aus, soweit der Hilfesuchende ihm zur Verfügung stehende Geldmittel nicht für die Bestreitung seines Lebensunterhalts eingesetzt, sondern zur Tilgung privater Schulden verwandt hat (BSG, Urt. vom 30. September 2008, aaO; Urt. vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 43/07 R -, zit. nach juris, Rz. 28). Mithin konnte der Kläger, wie dies in dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 9. September 2010 bereits zutreffend dargelegt worden ist, während des laufenden Bezugs von SGB II-Leistungen nicht einfach über die an sich zur Deckung seines notwendigen Lebensunterhalts einsetzbaren Geldmittel in Gestalt von Steuerstattungsansprüche in der Weise disponieren, dass er diese Mittel nicht zur Bestreitung seines Lebensunterhalts einsetzte, sondern - aufgrund freiwilliger Disposition - mit ihnen private Schulden durch Abtretung tilgte. Da er dies gleichwohl getan hat, muss er sich bei der Beurteilung seiner Hilfebedürftigkeit bzw. bei der Frage, ob die Steuerstattungsansprüche als anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen sind, so behandeln lassen, als ob die Abtretungen nicht erfolgt wären (BSG, Urt. vom 30. Juli und 30. September 2008, aaO; SächsLSG, Beschl. vom 14. April 2005 - L 3 B 30/05 AS/ER -, NDV-RD 2005, 77 = Breith. 2005, 794 = FEVS 57, 80 = NZS 2006, 107 [LSG Sachsen 14.04.2005 - L 3 B 30/05 AS-ER] -, zit. nach juris, Rz. 37; a. A. Brühl, in: Münder, LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, Rdn. 24 zu § 11).
2.2 Der Beklagte war nicht nur berechtigt, die Ansprüche des Klägers auf Steuererstattungen für die Jahre 2005 und 2006 trotz ihrer Abtretung als (fiktives) Einkommen - unter Abzug der Versicherungspauschale von 30,00 € gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (in der für die hier streitigen Bewilligungszeiträume noch geltenden Fassung vom 20. Oktober 2004, BGBl. I S. 2622 - Alg II-V a. F. - ) - anzurechnen. Vielmehr ist es aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die sich aus den Erstattungsansprüchen ergebenden Anrechnungsbeträge in den angefochtenen Bescheiden auf einen Zeitraum von 12 bzw. von 2 Monate aufgeteilt sowie mit der Anrechnung - erst - in dem Monat Juli 2006 bzw. April 2007 begonnen hat. Eine Berücksichtigung der Steuerstattung ab dem Juli 2006 bzw. ab dem April 2007 war hier nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Alg II-V a. F. zulässig, auch wenn die jeweilige Steuerstattung bereits durch Bescheid vom 13. Juni 2006 bzw. vom 12. März 2007 festgesetzt worden war. Auch die von dem Grundsicherungsträger vorgenommene Aufteilung auf 12 bzw. auf 2 Monate ist nach § 2 Abs. 3 Satz 3 Alg II-V a. F. als angemessen anzusehen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. vom 19. Juni 2008 - L 7 AS 663/07 -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 15. Oktober 2010 - L 5 AS 365/10 B ER); denn der Krankenversicherungsschutz des Klägers, der auch während des Verteilzeitraumes weiterhin SGB II-Leistungen erhielt, wurde hierdurch nicht tangiert (vgl. BSG, Urt. vom 30. September 2008 - B 4 AS 57/07 R -, SozR 4-4200 § 11 SGB II Nr. 16 = FEVS 60, 392 = SGb 2008, 658 = info also 2009, 39 -, zit. nach juris, Rz. 29f.).
3. Waren die Steuererstattungsansprüche auf den Leistungsanspruch des Klägers als berücksichtigungsfähiges Einkommen anzurechnen, so standen dem Kläger in den Monaten März bis Juni 2007 nur die in den angefochtenen Bescheiden festgesetzten SGB II-Leistungen zu. Des Weiteren ist es - unter Berücksichtung des auf die Monate Juli und August 2006 entfallenden Anrechnungsanteils - in diesen Monaten zu einer Überzahlung i. H. v. 134,00 € der dem Kläger zustehenden Grundsicherungsleistungen gekommen, die der Kläger nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten hat. Denn der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 2. März 2006 ist in dieser Höhe für die Monate Juli und August 2006 i. S. einer wesentlichen Änderung unrichtig geworden (§ 48 Abs. 1 SGB X) mit der Folge, dass der Bewilligungsbescheid insoweit teilweise aufzuheben ist; Ermessen stand dem Beklagten insoweit nicht zu (§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III).
Der Senat kann hierbei offen lassen, ob die gebotene Aufhebung nicht nur auf die Bestimmung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, sondern auch auf die Bestimmung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X zu stützen ist, der Kläger also im Jahre 2006 die ihm durch Bescheid des Finanzamtes I. vom 13. Juni 2006 zuerkannte Steuererstattung zumindest grob fahrlässig dem Beklagten nicht angezeigt, sondern erst auf drängende Nachfrage mit dem Folgeantrag vom 14. August 2006 mitgeteilt hat. Allerdings könnte einiges dafür sprechen, dass der Kläger insoweit grob fahrlässig, d. h. unter Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße gehandelt hat. Dem Kläger musste nämlich aufgrund der ihm zuteil gewordenen Belehrungen wie etwa im Formular des von ihm am 25. Januar 2006 gestellten Antrages bekannt gewesen sein, dass er jede wesentliche Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse dem Beklagten bzw. der Samtgemeinde J. anzuzeigen hatte. Auch wusste er aufgrund der Mitteilung seines Steuerberaters schon aus dem März 2006, dass er für das Steuerjahr 2006 mit einer (beträchtlichen) Steuererstattung rechnen konnte. Gleichwohl hat er dies nicht angezeigt, sondern erst im August 2006 auf Nachfrage seitens der Samtgemeinde in dem Fortzahlungsantrag vom 14. August 2006 die ihm im Bescheid v. 13. Juni 2006 gewährte Steuererstattung mitgeteilt. Da aber für die grobe Fahrlässigkeit auf den subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff abzustellen ist (vgl. Schütze, in: von Wulfen, SGB X, 7. Aufl. 2010, Rdn. 54 zu § 45), mithin eine grobe Sorgfaltspflichtverletzung nur vorliegt, wenn der Kläger nach seinen subjektiven Kenntnissen und Fähigkeit auch einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und daher nicht beachtet haben müsste (vgl. BSG, Urt. vom 11. Juni 198 - 7 RAr 105/85 -, BSGE 62, 32 = SozR 4100 § 71 AFG Nr. 2 = NZA 1988, 292 = DVBl. 1988, 449 [BSG 11.06.1987 - 7 RAr 105/85] -, zit. nach juris, Rz. 18), dürfte fraglich sein, ob dem Kläger nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten ein entsprechender Vorwurf gemacht werden kann. Denn es erscheint fraglich, ob ihm als juristischen Laien ohne weiteres klar sein musste, dass er der Samtgemeinde auf jeden Fall die Einkommensteuerstattung anzuzeigen hatte, auch wenn ihm aufgrund der vorgenommenen Abtretung Geldmittel aus der Einkommensteuererstattung nach dem Bescheid vom 13. Juni 2006 tatsächlich nicht zugeflossen sind. Diese Zweifelsfrage kann hier aber unentschieden bleiben, weil die (Teil-)Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 2. März 2006 hier auf jeden Fall auf die Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X zu stützen ist.
Schließlich bestehen an der Rechtmäßigkeit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 9. Februar 2007 (i. d. G. des Widerspruchsbescheides v. 9. Oktober 2007) auch in Bezug auf das Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X rechtliche Bedenken nicht. Allerdings wird die (Teil-)Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 2. März 2006 in dem Aufhebungsbescheid v. 9. Februar 2007 nicht erwähnt, vielmehr benennt der Bescheid vom 9. Februar 2007 nur die nachfolgenden Änderungsbescheide, des Weiteren lässt auch der Verfügungssatz des Widerspruchsbescheides die Erwähnung des Bescheides vom 2. März 2006 vermissen. Genannt wird der Bewilligungsbescheid v. 2. März 2006 aber zumindest in der Begründung des Widerspruchsbescheides, weshalb dem Zusammenhang der Begründung entnommen werden kann, dass auch der Bewilligungsbescheid vom 2. März 2006 (teilweise) - für die Monate Juli und August 2006 - aufgehoben werden soll. Da aber für die Auslegung des Verfügungssatzes (des Bescheides vom 9. Februar/9. Oktober 2007) dessen Begründung herangezogen werden kann (BSG, Urt. vom 15. Dezember 2010 - B 14 AS 92/09 R -, zit. nach juris, Rz. 18; Senat, Urt. vom 8. September 2010 - L 13 AS 237/08 - m. w. Nachw.), genügt der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid damit auch dem Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X.
4. Da die Berufung des Klägers erfolglos bleibt, entspricht es nicht der Billigkeit i. S. des § 193 SGG, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren für erstattungsfähig zu erklären.
5. Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.