Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 14.04.2011, Az.: L 7 AS 426/10 B

Vermeidbarkeit von Ausgaben und ihr Missverhältnis zu den Erträgen ist im Verfahren um die Berechnung von Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich; Auferlegung von Verfahrenskosten auf die Behörde im sozialgerichtlichen Verfahren; Kosten für einen beauftragten Sachverständigen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
14.04.2011
Aktenzeichen
L 7 AS 426/10 B
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 23663
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2011:0414.L7AS426.10B.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 19.03.2010 - AZ: S 46 AS 570/09

Fundstelle

  • NZS 2011, 915

Redaktioneller Leitsatz

1. Bei der Berechnung von Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit sind nur solche zwischen den Beteiligten streitige Umstände, für deren Aufklärung es einer besonderen Sachkunde bedarf, einem Sachverständigenbeweis zugänglich, nicht aber die Beantwortung von Rechtsfragen, wie die Vermeidbarkeit von Ausgaben und ihr Missverhältnis zu den Erträgen (§ 3 Abs. 3 Alg II-V).

2. Die Kosten für einen beauftragten Sachverständigen sind deshalb nicht gemäß § 192 Abs. 4 SGG der Behörde wegen unterlassener Ermittlungen im Verwaltungsverfahren aufzuerlegen. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Tenor:

Auf Beschwerde des Beklagten wird der Kostenbeschluss des Sozialgerichts Hannover vom 19. März 2010 aufgehoben.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Beklagte wendet sich gegen einen Kostenbeschluss gemäß § 192 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

2

Im Hauptsacheverfahren begehrten die Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab Mai 2008, wobei die Höhe der Einkünfte des Klägers zu 1. aus seiner selbstständigen Tätigkeit streitig waren. Der Kläger zu 1. betreibt ab September 2006 mit einer Geschäftspartnerin in F. das Restaurant "G. ", in dem er bereits ab 2003 als angestellter Koch tätig war. In diesem Schnellrestaurant war die Lebensgefährtin des Klägers zu 1., die Klägerin zu 2. als Grafikerin zu einem Monatsgehalt von 1.943,00 Euro eingestellt. Bei der Klägerin zu 3. handelt es sich um die im Jahre 2000 geborene gemeinsame Tochter.

3

In dem Antrag vom 20. Mai 2008 auf SGB II-Leistungen schätze der Kläger zu 1. die Höhe seines Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit so ein, dass der grundsicherungsrechtliche Bedarf der Kläger ungedeckt blieb. Der Beklagte lehnte jedoch mit Bescheid vom 30. Juni 2008 die Gewährung von Arbeitslosengeld II ab, weil in der Selbsteinschätzung des Klägers zu 1. Ausgaben für die Planung und Herstellung einer Terrasse mit Wintergarten in Höhe von 15.000,00 Euro veranschlagt worden seien, die nicht als notwendig anzusehen wären, sodass die Einnahmen aus dem Restaurant in entsprechender Höhe für den Lebensunterhalt eingesetzt werden müssten. Nach einer im Widerspruchsverfahren hinzugezogenen Expertise des H. zur Beratung von Existenzgründern vom Dezember 2008 sei der von Mitte 2007 bis Mitte 2008 aufgetretene Liquiditätsengpass des Schnellrestaurants auf die zu hohen fixen Personalkosten (8 Vollzeitpersonen + geringfügig Beschäftigte) zurückzuführen, die um mindestens 4.000,00 Euro zu senken seien. Ferner sei das Rohwareninventar zu hoch; das Kürzungspotenzial werde auf 1/3 vom jetzigen Umfang geschätzt, ohne dass das Speisekartenangebot verarmen würde. Daraufhin wies der Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2009 zurück, weil die nicht unerheblichen betrieblichen Strukturprobleme des Restaurants nicht durch Bewilligung von Grundsicherungsleistungen behoben werden könnten.

4

In dem am 4. März 2009 vor dem Sozialgericht Hannover eingeleiteten Klageverfahren kündigte der Kammervorsitzende mit Verfügung vom 17. Juli 2005 an, dass es beabsichtigt sei, eine Unternehmensberatungsgesellschaft mit der Herstellung eines Sachverständigengutachtens zu beauftragen und die Kosten dem Beklagten gemäß § 192 Abs. 4 S. 1 SGG aufzuerlegen. Dem widersprach der Beklagte postwendend, weil zunächst der Kläger zu 1. wesentlich zur Sachaufklärung beitragen könnte, nämlich durch Darlegung, aus welchen Gründen die tatsächlichen Ausgaben für Wareneinkauf und Personal von seiner eigenen Kalkulation abweichen würden. Eines Gutachtens durch eine Unternehmensberatungsgesellschaft bedürfe es nicht. Der Beklagte regte an, vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband, Landesverband Niedersachsen eine Auskunft über das Verhältnis von Wareneinkauf bzw. von Personalkosten zum Umsatz einzuholen. Es sei bekannt, dass der Verband Kurzanalysen für Betriebe des Gaststättengewerbes erstelle. Am 7. Oktober 2009 legten die Kläger diverse Buchführungsordner betreffend die Monate Mai 2008 bis einschließlich Oktober 2008 vor, verbunden mit der Bitte, zeitnah diese dem Beklagten zur Einsicht zu überlassen.

5

Am 8. Oktober 2009 beauftragte das Sozialgericht Herrn I., J., K. mit der Herstellung eines Sachverständigengutachtens über folgende Beweisfragen:

6

"1. Wie hoch waren die Betriebseinahmen des Gewerbebetriebs G., L., M., N. (Gewerbebetrieb im Folgenden) in der Zeit vom 1. Mai 2008 bis zum 31. Oktober 2008?

7

2. In welcher Höhe sind welche Ausgaben in der Zeit vom 1. Mai 2008 und 31. Oktober 2008 vom Gewerbebetrieb tatsächlich geleistet worden ohne Berücksichtigung der nach § 11 Abs. 2 SGB II abzusetzenden Beträge und ohne Berücksichtigung steuerrechtlicher Vorschriften? Bei der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für ausschließlich betriebliche Fahrten können 0,10 EUR für jeden gefahrenen Kilometer abgesetzt werden.

8

3. Welche tatsächlichen Ausgaben nach 2) waren nicht notwendig? Hierbei sind insbesondere folgende Fragen zu beantworten: a) Welche tatsächlichen Ausgaben waren in welchem Umfang vermeidbar? b) Welche tatsächlichen Ausgaben sind aufgrund der Regelung in § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG nicht zu berücksichtigen? c) Welche Ausgaben standen in einem auffälligen Missverhältnis zu den jeweiligen Erträgen?"

9

Der Gutachter legte das Sachverständigengutachten vom 15. Dezember 2009 vor. Danach habe der Kläger zu 1. in der Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 2008 Betriebseinnahmen in Höhe von 242.177,00 Euro erzielt. Nach Abzug sämtlicher Ausgaben ergebe sich ein negatives Betriebsergebnis von monatlich - 3.359,82 Euro. Aufwendungen im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 7 Einkommenssteuergesetz seien nicht erkennbar. Auffällig sei jedoch bei Betrachtung der Kosten, dass ein zu hoher Aufwand bei dem Wareneinkauf und bei den Personalkosten zu verzeichnen sei. Es könne jedoch unter Berücksichtigung der zu § 3 Abs. 3 S. 3 Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-V) ergangenen Rechtsprechung, insbesondere eines Beschlusses des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 26. Juni 2009 nicht festgestellt werden, dass ein offensichtliches Missverhältnis zwischen den Ausgaben und den betrieblichen Erträgen bestehe. Das Übersteigen der Durchschnittswerte im Bereich von Personal um ca. 16 % und im Bereich des Wareneinsatzes um ca. 9 % sei noch nicht ausreichend, um die Voraussetzung des § 3 Abs. 3 S. 3 Alg II-V zu erfüllen. Zu berücksichtigen sei ferner, dass der Kläger zu 1. erst im Dezember 2008 durch die Stellungnahme des H. erfahren habe, dass die Waren und Personalkosten zu hoch seien. Zumindest für den strittigen Zeitraum, nämlich für den Zeitraum des Bewilligungsabschnitts Mai bis Oktober 2008 könne daher die Notwendigkeit der tatsächlich entstandenen Personalkosten nicht ohne weiteres aberkannt werden. Eine Kostenreduzierung habe erst nach Dezember 2008 erfolgen können. Zusammenfassend müsse deshalb für den strittigen Zeitraum festgehalten werden, dass nach Auswertung der vorgelegten Unterlagen Hilfebedürftigkeit bestanden habe.

10

Das Sozialgericht folgte der Rechtsauffassung des beauftragten Sachverständigen und verurteilte den Beklagten mit dieser Begründung durch Urteil vom 19. März 2010, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide den Klägern für die Zeit vom 20. Mai 2008 bis zum 31. Oktober 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ohne Anrechnung von Einkommen des Klägers zu 1. zu gewähren.

11

Mit weiterem Beschluss vom 19. März 2010 hat das Sozialgericht ferner den Beklagten verpflichtet, die Kosten für das vom Gericht eingeholte Sachverständigengutachten in Höhe von 1.160,25 Euro zu tragen. Als Rechtsgrundlage für diese Kostenentscheidung hat das Sozialgericht § 193 Abs. 4 S. 1 SGG angeführt. Der Beklagte habe im Verwaltungsverfahren notwendige Ermittlungen über die Ausgaben unterlassen, insbesondere ob diese notwendig oder vermeidbar gewesen seien, wenn sie offensichtlich nicht den Lebensumständen während des Bezuges der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitslosen entsprochen hätten sowie ob und in welchem Umfang die Ausgaben zu den jeweiligen Erträgen in einem auffälligen Missverhältnis gestanden hätten. Das Gericht sei verpflichtet gewesen, diese Mängel zu beheben, um seiner Bindung an das Gesetz und dem sich daraus ergebenden Vollzugsaufwand nachzukommen. Soweit der Beklagte die Ermittlungsdichte des Gerichts rüge, sei dies unerheblich, da das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforsche und an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden sei.

12

Gegen den am 6. April 2010 zugestellten Beschluss hat der Beklagte am 22. April 2010 Beschwerde eingelegt. Er wiederholt seine Auffassung, dass die Kläger zunächst ihrer Darlegungspflicht hätten nachkommen müssen und dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich gewesen sei. Die Kläger und der Beschwerdegegner haben sich zur Sache nicht geäußert.

13

II. Die Beschwerde des Beklagten ist gemäß §§ 172, 173 SGG statthaft und zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt (§ 172 Abs. 3 Nr. 4 SGG). Sie ist auch begründet und führt zur Aufhebung des sozialgerichtlichen Beschlusses. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Beschwerdegegner die Kosten des vom Sozialgericht eingeholten Gutachtens des Unternehmensberaters I. vom 15. Dezember 2009 zu erstatten.

14

Als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Beschluss kommt nur § 192 Abs. 4 S. 1 SGG in der ab 1. April 2008 gültigen Fassung des 8. SGG-Änderungsgesetz vom 26. März 2008 (BGBl. l. S. 444) in Betracht. Danach kann das Gericht der Behörde ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, die im gerichtlichen Verfahren nachgeholt wurden. Diese neue Regelung ist vor dem Hintergrund erfolgt, dass durch unterlassene Ermittlungen im Verwaltungsverfahren die gerichtlichen Verfahren wegen nachzuholender Ermittlungen länger und teurer würden. Die Vorschrift soll insoweit einen Ausgleich der Kosten ermöglichen, die Justizhaushalte entlasten und im Hinblick auf die vorzunehmenden Ermittlungen im Verwaltungsverfahren eine präventive Wirkung haben (Bundestag-Drucksache 16/7716 Seite 23 zu Nummer 32). Voraussetzung für die Auferlegung der Kosten nach § 192 Abs. 4 SGG ist zunächst eine notwendige und ohne weiteres erkennbare Ermittlungstätigkeit der Behörde, die im Verwaltungsverfahren unterblieben ist und im gerichtlichen Verfahren durch das Sozialgericht nachgeholt werden musste. "Erkennbar" waren die Ermittlungen nur dann, wenn sich der Behörde ihre Notwendigkeit ausgehend von den gesetzlichen Bestimmungen und ihrer höchstrichterlichen Auslegung bzw. - mangels einer solchen - von einem vertretbaren Rechtstandpunkt aus erschließen musste. Sowohl die Prüfung der Voraussetzungen als die Ermessensausübung für die Entscheidung über die Auferlegung der Kosten haben streng bezogen auf die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die jeweilige konkrete Ermittlungsmaßnahme, zu erfolgen (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen 16. April 2010 - L 18 (8) R 199/05 - Randzahl 14 f. mit weiteren Nachweisen). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

15

Der Senat hat Zweifel, ob bei dieser Fallkonstellation die Kostenvorschrift des § 192 Abs. 4 SGG überhaupt anwendbar ist. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Grundsicherungsträger bei der Ermittlung und Bewertung von Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit in einem hohen Maße auf die Angaben der potenziellen Leistungsberechtigten angewiesen ist. Ohne eine wirksame Mitwirkung der Antragsteller ist in derartigen Fällen eine gerichtsfeste Sachaufklärung kaum möglich, zudem den Betroffenen der Unterschied zwischen dem steuerrechtlichen und dem grundsicherungsrechtlichen Einkommensbegriff und Betriebsergebnis kaum bekannt sein dürfte. Weder eine Betriebsbesichtigung noch die Sichtung von Buchführungsunterlagen können ohne ergänzende Angaben der Antragsteller die Behörde in die Lage versetzen, das grundsicherungsrechtlich relevante Einkommen von Selbständigen rechtssicher festzusetzen. Es kommt hinzu, dass wenn die Kläger im Gerichtsverfahren ihren Sachvortrag bzgl. der Art der Ausgaben ergänzen und Unterlagen vorlegen, die Behörde kaum Möglichkeiten hat, Ermittlungen nachzuholen, weil nunmehr allein das Gericht Herr des Verfahrens ist. Im vorliegenden Fall durfte das Sozialgericht, wenn es den Beklagten zur Kostentragung von nachgeholten Ermittlungen verpflichten will, fairerweise seine Anregung nicht übergehen, vor Beauftragung eines externen Sachverständigen andere Möglichkeiten der Sachaufklärung auszuschöpfen. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die Kläger zunächst die einzelnen Positionen erläutern und die Abweichung der tatsächlichen Ausgaben für Wareneinkauf und Personalkosten von der ursprünglichen Schätzung erklären müssen. Der Beklagte hat ferner zutreffend hervorgehoben, dass die Notwendigkeit des Wareneinkaufes hinsichtlich der Menge eingekaufter Waren nur vom Kläger zu 1. selbst aufgeklärt werden könne und es hierzu keines Gutachtens einer Unternehmensberatungsgesellschaft bedürfe. Vielmehr könne zur Sachaufklärung eine Auskunft über das Verhältnis zwischen Kosten und Ertrag durch den Hotel- und Gaststättenverband eingeholt werden. Spätestens nachdem die Kläger am 7. Oktober 2009 diverse Buchführungsordner mit dem Hinweis vorgelegt haben, diesbezüglich dem Beklagten Einsicht zu gewähren, hätte das Sozialgericht im Rahmen eines fairen Verfahrens dem Beklagten Gelegenheit geben müssen, zumindest zum Inhalt dieser Ordner Stellung zu nehmen, wenn es nicht einmal für erforderlich gehalten hat, von den Klägern ergänzende Angaben anzufordern bzw. die angeregte Auskunft des Hotel- und Gaststättenverbandes einzuholen. Das Sozialgericht hat aber einen Tag später den Sachverständigenauftrag erteilt und somit dem Beklagten die Möglichkeit einer Heilung von nicht nur aus eigenem Verschulden unterlassenen Ermittlungen versperrt. Ohne Zweifel wird die veranlasste Beweisaufnahme durch die richterliche Unabhängigkeit gedeckt; ein darauf aufbauender Kostenbeschluss nach § 192 Abs. 4 SGG zu Lasten des Beklagen, weil von diesem erforderliche Ermittlungen nicht durchgeführt worden sind, ist jedoch unter den geschilderten Umständen nicht gerechtfertigt.

16

Entscheidend für den Senat ist es, dass nicht ganz klar ist, welche Ermittlungsschritte das Sozialgericht vermisst, die der Beklagte im Verwaltungsverfahren hätte durchführen müssen und später durch den beauftragten Sachverständigen nachgeholt wurden. Die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung kann sich aus verständlicher Sicht der Behörde nur dann stellen, wenn ohne weitere Ermittlungen eine sachgerechte Entscheidung nicht möglich wäre. Der Behörden ist aber nicht verwehrt, von weiteren Ermittlungen abzusehen, wenn nach ihrer Auffassung die aktenkundige Sachlage eine Leistungsgewährung ausschließt. So verhält es sich hier. Der Beklagte hat den Ablehnungsbescheid vom 30. Juni 2008 darauf gestützt, dass der Kläger zu 1. nach seiner Selbsteinschätzung von den voraussichtlichen Einnahmen Ausgaben in Höhe von ca. 15.000,00 Euro für die Planung und Herstellung eines Wintergartens abgezogen hat, die der Beklagte als nicht notwendig angesehen hat. Diese frei verfügbaren Einnahmen zzgl. des Gehaltes der Klägerin zu 2. würden dann nach Auffassung des Beklagten den Gesamtbedarf der Kläger für mehr als ein Jahr abdecken. Diese Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Wenn sich dann im Widerspruchsverfahren zusätzlich herausstellt, dass die Baumaßnahme nicht durchgeführt worden ist und die voraussichtlichen Einnahmen tatsächlich erzielt worden sind, kann der Beklagte zu Recht von den Klägern eine nähere Begründung erwarten, welche sonstigen notwendigen Ausgaben mit den frei gewordenen 15.000,00 Euro getätigt worden sind. Im anschließenden Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2009 hat der Beklagte ferner die Expertise des H. über die überhöhten Waren- und Personalkosten sowie die zwischenzeitlich vorgelegten Betriebswirtschaftlichen Auswertungen für das Jahr 2008 in seiner Beurteilung mit einbezogen. Dabei hat der Beklagte berücksichtigt, dass zumindest die Personalaufwendungen für die Klägerin zu 2. von ca. 2000,00 Euro monatlich ohne den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung nicht notwendig waren, weil die Einstellung einer Grafikerin für ein Schnellrestaurant offensichtlich nicht den Lebensumständen während des Bezuges von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende entsprechen. Das ist gut nachvollziehbar. Es kommt hinzu, dass in den betrieblichen und wirtschaftlichen Auswertungen eine Abschreibung in Höhe von 3.619,00 Euro ausgeworfen wird (Bl. 266 VA), die grundsicherungsrechtlich nicht von den Einnahmen abzuziehen ist. Für sonstige Kosten in Höhe von 22.439,00 Euro zzgl. zu den einzelnen ausgeführten Betriebskosten fehlt jegliche Erläuterung durch die Kläger. Wenn der Beklagte bei dieser Sachlage zum Ergebnis gelangt ist, dass bei den Klägern keine Hilfebedürftigkeit besteht, ist diese Auffassung gut vertretbar, ohne dass weitergehende Ermittlungen hätten veranlasst werden müssen. Eine andere Auffassung des SG rechtfertigt nicht die Annahme, dass der Beklagte im Verwaltungsverfahren mutwillig notwendige Ermittlungen unterlassen hat.

17

Einen weiteren Grund für die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sieht der Senat schließlich darin, dass die Beweisanordnung des Sozialgerichts Hannover vom 8. Oktober 2009 keine einzige Ermittlungstätigkeit im Sinne des § 192 Abs. 4 S. 1 SGG umfasst, die vom Beklagten erkennbar im Verwaltungsverfahren unterlassen wurde. Die Beweisfrage Nummer 1 (Höhe der Betriebseinnahmen) war nicht an den Beklagten, sondern an die Kläger zu richten und von diesen zu beantworten. Im Übrigen gehen die Umsatzerlöse aus den betriebswirtschaftlichen Auswertungen hervor. Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben unzutreffend sein könnten, waren für den Beklagten nicht erkennbar. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, was der Beklagte in dieser Richtung Weiteres hätte ermitteln müssen. Die Beweisfrage Nummer 2 (Höhe der Ausgaben ohne Berücksichtigung der Abzüge nach § 11 Abs. 2 SGB II und steuerrechtliche Vorschriften) zielt auf Angaben, die zur Darlegungspflicht der Kläger gehören bzw. eine vorherige rechtliche Subsumtion voraussetzen, die allein der gerichtlichen Entscheidungskompetenz unterliegt. Erwartungsgemäß ist auch die Beantwortung dieser Frage durch den beauftragten Sachverständigen wenig ergiebig gewesen. Er hat hervorgehoben, dass bei der notwendigen Aufstellung über die Betriebsausgaben nur die Kosten ermittelt worden seien, die grundsätzlich auch nach der Alg II-V anerkannt werden könnten. An dieser Stelle verrät der Sachverständige aber nicht, von welchem Rechtsstandpunkt er ausgeht, und wer und unter welchen Voraussetzungen Kosten nach der Alg II-V anerkannt haben soll. So bleibt seine gesamte Aufstellung gerichtlich nicht verwertbar, weil nicht nachvollziehbar ist, was er unter "sonstigen Kosten" subsumiert hat. Jedenfalls zeigt ein Vergleich seiner Aufstellung mit dem steuerrechtlichen Jahresabschluss 2008, dass per saldo die Summen der Gesamtausgaben nur unerheblich variieren. Die Beweisfrage Nummer 3 (Vermeidbarkeit von tatsächlichen Ausgaben und Missverhältnis der Ausgaben zu den jeweiligen Erträgen) stellen reine Rechtsfragen dar, die ausschließlich das Sozialgericht und nicht der Sachverständige zu beantworten hat. Der Sachverständige hat auch keine Ermittlungen durchgeführt, die der Beklagte im Verwaltungsverfahren unterlassen hätte, zudem er nicht einmal mit den Klägern über Sinn und Zweck der einzelnen Ausgaben gesprochen hat. Aus diesem Grunde sind seine Ausführungen nicht plausibel, auch wenn er sich um eine rechtliche Auseinandersetzung mit den landessozialgerichtlichen Entscheidungen bemüht hat. Wie fatal bei dieser Fragenstellung die Einholung eines Sachverständigengutachtens sein kann, manifestiert sich eindrucksvoll in der (rechtsirrigen) Beantwortung des Sachverständigen über die Frage der Hilfebedürftigkeit im Zeitraum Mai - Oktober 2008, die er (unbefragt) ausgeschlossen hat, weil der Kläger zu 1. erst im Dezember 2008 erfahren habe, dass die Waren- und Personalkosten zu hoch und unbedingt zu reduzieren seien. Es steht zwar einem Sozialgericht im Rahmen der Bildung seiner richterlichen Überzeugung frei, sich einer Rechtsauffassung eines beauftragten Sachverständigen anzuschließen. Als Nachholung einer von der Behörden im Verwaltungsverfahren unterlassenen Ermittlung im Sinne des § 192 Abs. 4 SGG kann dieses Gutachten jedoch nicht angesehen werden. Die Kosten dafür sind vom Beschwerdegegner zu tragen. III.

18

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf analoger Anwendung des § 193 SGG. Da die Kläger weiterhin Beteiligte sind, ist das Beschwerdeverfahren gerichtskostenfrei (§ 183 SGG).

19

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.