Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.12.2009, Az.: 5 K 214/09
Berechnung der Einkünfte eines Kindes bei Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung nach beendeter Ausbildung und Beginn einer zweiten Ausbildung zur Feststellung eines Kindergeldanspruchs
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 10.12.2009
- Aktenzeichen
- 5 K 214/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 37016
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2009:1210.5K214.09.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 27.01.2011 - AZ: III R 57/10
Rechtsgrundlagen
- § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG
- § 63 Abs. 1 S. 2 EStG
Zur Berechnung der Einkünfte eines Kindes bei Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung nach beendeter Ausbildung und Beginn einer zweiten Ausbildung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger für seinen Sohn Ch. für die Zeit von August bis Dezember 2008 Kindergeld beanspruchen kann.
Ch. begann im Jahre 2005 in dem Büro des Prozessbevollmächtigten eine Ausbildung zum Steuerfachgehilfen. Die Ausbildung endete im Dezember 2007. Im Anschluss daran arbeitete der Sohn bis zum 31. Juli 2008 in dem Büro als Steuerfachgehilfe als Vollzeitkraft. Zum 01.08.2008 begann er eine Ausbildung als Finanzanwärter beim Finanzamt X, für die er sich bereits im August 2007 beworben hatte. In der Zeit seiner Tätigkeit im Büro des Prozessbevollmächtigten erzielte Ch. ein Bruttoentgelt i.H.v. 10.500 EUR. In der Zeit von August bis Dezember 2008 bezog er eine Ausbildungsvergütung in Höhe von insgesamt 4.527 EUR.
Mit Schreiben vom 27. März 2009 beantragte der Kläger, Kindergeld ab August 2008 festzusetzen. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 7. April 2009 ab. Es vertrat die Auffassung, dass bei der Prüfung, ob die Einkünfte des Sohnes den Jahresgrenzbetrag überstiegen, auf das gesamte Kalenderjahr 2008 abzustellen sei. Die Einkünfte des Sohnes berechnete das Finanzamt unter Berücksichtigung von Werbungskosten mit 9.269,20 EUR
Der Kläger hat Einspruch eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dass für die Prüfung, ob die Einkommensgrenze überschritten sei, nur die auf die Ausbildungszeit entfallenden Einkünfte von August bis Dezember 2008 abzustellen sei. Die Einkünfte beliefen sich bei einem Bruttoentgelt von 4.527 EUR, Werbungskosten i.H.v. 3.477,80 EUR und Krankenversicherungsbeiträge i.H.v. 254,90 EUR auf 794,30 EUR. Der anteilig gekürzte Jahresgrenzwert (5/12) betrage 3.200 EUR, so dass für diese Zeit ein Anspruch auf Zahlung von Kindergeld bestehe. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Beklagte führte im Einspruchsbescheid aus, dass bei der Ermittlung der Einkünfte die Einkünfte des gesamten Jahres heranzuziehen seien. Denn Ch. habe sich bereits im August 2007 um den Ausbildungsplatz bei dem Finanzamt X beworben. Aus diesem Grunde seien ab August 2007 die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c Einkommensteuergesetz - EStG - erfüllt. Der Sohn sei deswegen für das gesamte Kalenderjahr 2008 als ausbildungswillig im Sinne der genannten Vorschrift anzusehen. Die Einkünfte und Bezüge berechnete die Familienkasse nunmehr mit 9.014,30 EUR.
Der Kläger hat Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass für die Ermittlung der Einkünfte und Bezüge des Sohnes nur auf den Zeitraum der Ausbildung beim Finanzamt X abgestellt werden könne. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19.10.2001 (VI R 39/00), in dem der BFH entschieden habe, dass ein Kind, das nach Abschluss einer Ausbildung eine Vollzeiterwerbstätigkeit aufnehme, auch dann nicht nach § 32 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen sei, wenn es sich zuvor um eine weitere Ausbildung beworben habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Bescheides vom 7. April 2009 und des Einspruchsbescheides vom 29. Mai 2009 die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für die Zeit von August bis Dezember 2008 für den Sohn Ch. festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest. Sie ist der Meinung, dass der BFH mit seinem Urteil vom 16.11.2006 (III R 15/06) seine Rechtsauffassung geändert habe, so dass der Kläger sich auf das Urteil in dem Verfahren VI R 39/00 nicht mehr berufen könne.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat für die Zeit von August bis Dezember 2008 einen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld für seinen Sohn Ch.
Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wird ein Kind, welches das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, unter anderem beim Kindergeldberechtigten berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird (Buchst. a), sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befindet (Buchst. b) oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (Buchst. c) und wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7 680 EUR im Kalenderjahr hat (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG an keinem Tag vorliegen, ermäßigt sich der Grenzbetrag um 1/12 (§ 32 Abs. 4 Satz 7 EStG). Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf diese Kalendermonate entfallen, bleiben außer Ansatz (§ 32 Abs. 4 Satz 8 EStG).
Im Streitfall sind nur die Einkünfte und Bezüge des Sohnes, die dieser in der Zeit von August bis Dezember 2008 erzielt hat, für die Frage maßgebend, ob der - anteilige - Jahresgrenzwert überschritten ist oder nicht. Die im übrigen Jahr erzielten Einkünfte sind in diese Berechnung nicht mit einzubeziehen. Der Sohn des Klägers hat seine Berufsausbildung zum Steuerfachgehilfen im Dezember 2007 abgeschlossen. Damit endet die Ausbildung. Durch die Aufnahme einer Vollzeitarbeit im Januar 2008 entfallen die Voraussetzungen für die Festsetzung von Kindergeld. Dies gilt auch dann, wenn sich das Kind wie im Streitfall, bereits zuvor um eine zweite Ausbildung beworben hat und diese im laufenden Jahr aufnimmt und die Vollzeitarbeitsstelle aufgibt. Diese Grundsätze folgen aus dem Urteil des BFH vom 19.10.2001 (VI R 39/00, BStBl II 2002,481). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dieses Urteil nicht durch die Entscheidung des BFH vom 16. November 2006 (III R 15/06, BStBl II 2008, 56) überholt. In dieser Entscheidung hält der BFH an seiner Rechtsauffassung, die sie sich aus dem Urteil vom 19.10.2001 ergibt, fest. Durch die neuere Entscheidung wird die Rechtsstellung des Kindergeldberechtigten lediglich für den Fall gestärkt, indem die gesamten Einkünfte des Jahres des Kindes in Jahres Grenzbetrag nicht erreichen.
Nach diesen Grundsätzen steht dem Kläger Kindergeld für die Zeit von August bis Dezember 2008 für seinen Sohn Ch. zu. Die Einkünfte des Sohnes die dieser nach der Aufnahme der Ausbildung beim Finanzamt erzielt hat, erreichen bei Berücksichtigung der Werbungskosten und der abzugsfähigen Sozialversicherungsbeiträge nicht in den anteiligen Jahresgrenzbetrag. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr.10, 711 Zivilprozessordnung.