Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 03.09.2009, Az.: L 12 AL 46/07
Bestehenbleiben eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld im Falle der sog. Gleichwohlgewährung; Gewährung des Arbeitslosengeldes wegen des allgemeinen Gleichheitssatzes und Gewohnheitsrechts; Beachtung einer gezielten Hinweispflicht und Beratungspflicht der Agentur für Arbeit bei einem gesetzlichen Forderungsübergang; Vorliegen von naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten zur Sicherung des Arbeitslosengeldanspruchs und Vermeidung des Eintritts einer Ausfallfrist
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 03.09.2009
- Aktenzeichen
- L 12 AL 46/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 37158
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2009:0903.L12AL46.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Stade - 21.02.2007 - AZ: S 6 AL 339/03
Rechtsgrundlagen
- Art. 3 Abs. 1 GG
- § 2 Abs. 2 SGB I
- § 14 SGB I
- § 117 SGB III
- § 143 Abs. 1 SGB III
- § 143 Abs. 3 SGB III
- § 37 Abs. 2 SGB X
In dem Rechtsstreit
...
hat der 12. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen
auf die mündliche Verhandlung vom 3. September 2009 in Bremen
durch
die Richter D. - Vorsitzender -, E. und F. sowie
den ehrenamtlichen Richter G. und
die ehrenamtliche Richterin H.
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 21.2.2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 19.6.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2003 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über den 23.2.2003 hinaus Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für weitere 153 Kalendertage zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in einem Fall der sogenannten Gleichwohlgewährung darum, ob der Kläger noch Anspruch auf weitere 153 Tage Arbeitslosengeld hat.
Der 1960 geborene Kläger war seit August 1999 bei dem Zimmereibetrieb Hans-Carsten I. (im Folgenden: Firma I.) als Zimmerermeister beschäftigt. Am 31.1.2002 kündigte die Firma I. dem Kläger zum 28.2.2002. Der Kläger meldete sich daraufhin am 4.2.2002 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld (Antragseingang am 7.2.2002). Er teilte auf die entsprechende Frage im Antragsformular gleichzeitig mit, gegen die Firma I. noch Ansprüche für Zeiten nach seinem Ausscheiden wegen "Kündigung und Lohn" vor dem Arbeitsgericht (ArbG) geltend zu machen. Die Beklagte bewilligte dem Kläger sodann laut Verfügung vom 19.2.2002 für die Zeit ab dem 1.3.2002 Arbeitslosengeld für die Dauer von 360 Tagen (Anspruchsende demnach 23.2.2003), ein Antrag auf Anschlussarbeitslosenhilfe wurde wegen mangelnder Bedürftigkeit abgelehnt (Bescheid vom 2.5.2003).
Im Anschluss an ein Telefonat vom 3.2.2003, in dem die Firma I. über das noch laufende arbeitsgerichtliche Verfahren berichtet hatte, machte die Beklagte mit gleichem Datum gegenüber der Firma schriftlich geltend, etwaige Lohnansprüche des Klägers gingen in Höhe des seit dem 1.3.2002 gezahlten Arbeitslosengeldes auf die Arbeitsverwaltung über, und forderte die Firma auf, auf die Einrede eventueller Ausschlussfristen zur Vermeidung eines Klageverfahrens zu verzichten. Darauf reagierte die Firma nicht. Ebenfalls noch am 3.2.2003 nahm die Beklagte auch gegenüber dem Kläger auf das arbeitsgerichtliche Verfahren Bezug und führte aus, die Arbeitslosengeldzahlungen bewirkten, dass der Lohnanspruch übergehe und der ehemalige Arbeitgeber insoweit an sie, die Beklagte, zahlen müsse; der Kläger möge beachten, dass er nicht berechtigt sei, über den übergangenen Teil der Ansprüche zu verfügen.
Im Mai 2003 unterrichtete der Kläger die Beklagte von dem Ausgang des arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Danach war durch Rücknahme der Revision am 28.4.2003 das Urteil des Landesarbeitsgerichts (LArbG) Niedersachsen vom 25.11.2002 rechtskräftig geworden. In diesem Urteil war - ohne eine Verurteilung zur Zahlung von Arbeitsentgelt - festgestellt worden, dass das Arbeitsverhältnis mit der Firma I. aufgrund der Kündigung vom 31.1.2002 tatsächlich erst zum 31.7.2002 geendet hatte. Aufgrund dieses Urteils und einer entsprechenden Anforderung durch Schriftsätze vom 4.2. und 20.5.2003 zahlte die Firma I. dem Kläger den Differenzbetrag zwischen dem Arbeitslosengeld und dem Entgeltanspruch aus (3.140,76 EUR für die Zeit vom 1.3. - 31.7.2002).
Am 20.5.2003 kam die Beklagte gegenüber der Firma I. auf die Anzeige vom 3.2.2003 zurück und konkretisierte den Anspruch auf die Höhe des in der Zeit vom 1.3. bis zum 31.7.2002 gewährten Arbeitslosengeldes (6.744,24 EUR). Gleichzeitig erteilte die Beklagte am 20.5.2003 dem Kläger einen Bescheid, wonach dieser das Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1.3. bis 31.7.2002 im Wege einer Gleichwohlgewährung, also ungeachtet vorrangiger, aber nicht erfüllter Ansprüche gegen den Arbeitgeber, erhalten habe. Die Zahlung des Arbeitslosengeldes während der Zeit der eigentlich gegen die Firma I. bestehenden Ansprüche sei endgültig auf die Gesamt - Anspruchsdauer anzurechnen, wenn nicht die Firma I. ihr, der Beklagten, das dem Kläger gewährte Arbeitslosengeld erstatte. Die Firma I. lehnte die Erstattung mit Schreiben vom 22.5.2003 gegenüber der Beklagten ab. Sie bezog sich dabei auf den allgemeinverbindlichen Bundes-Rahmentarifvertrag für das Baugewerbe (im Folgenden: BRTV-Bau), dem das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unterlegen hatte, und zitierte daraus - teilweise - den § 15 der aktuellen Fassung (früher § 16), wobei sich nach den zitierten Teilen eine Ausschlussfrist von zwei Monaten sowohl für die schriftliche Geltendmachung nach Fälligkeit (erste Stufe) als auch für die gerichtliche Geltendmachung nach Ablehnung oder zweiwöchigem Schweigen nach Geltendmachung (zweite Stufe) ergab. Auf die Möglichkeit, sich auf die Ausschlussfrist gemäß § 15 BRTV-Bau zu berufen, sei nicht verzichtet worden. Daraus ergebe sich, dass die Forderung der Beklagten verfristet sei.
Mit Schreiben vom 19.6.2003, abgesandt am 27.6.2003, beschied die Beklagte den Kläger dahingehend, es sei keine Gutschrift der Anspruchsdauer möglich, da der Arbeitgeber sich auf die tariflichen Ausschlussfristen berufen habe. Da sich die Firma I. auf eine tarifliche Ausschlussfrist berufen und das Arbeitslosengeld nicht erstattet habe, sei die Grundlage dafür entfallen, den Zeitraum vom 1.3. bis zum 31.7.2002 ausnahmsweise nicht anzurechnen.
Dagegen erhob der Kläger am 3.7.2003 Widerspruch. Er trug vor, aufgrund der Anzeige der Beklagten vom 3.2.2003 keinen Anlass gesehen zu haben, "der Beklagten Ansprüche gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber zu sichern". Auch habe er keinen Einfluss auf den Lauf der tarifvertraglichen Fristen gehabt.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers durch ihren Widerspruchsbescheid vom 28.10.2003 zurück. Zwar sei der Anspruch auf den ausstehenden Arbeitslohn in Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes tatsächlich auf die Arbeitsverwaltung übergegangen, wegen des Ablaufs der tarifvertraglichen Ausschlussfrist sei dieser Anspruch jedoch nicht mehr realisierbar. Das Fristversäumnis gehe zu Lasten des Klägers, weil die Arbeitsverwaltung nicht verpflichtet sei, das Prozessrisiko für die Geltendmachung rückständiger Arbeitsentgeltansprüche zu übernehmen. Die Zeit der Gleichwohlgewährung sei endgültig als Zeit der Arbeitslosengeld-Leistungsgewährung anzusehen.
Dagegen hat der Kläger am 1.12.2003 Klage zum Sozialgericht (SG) Stade erhoben. Zur Begründung hat er seinen Vortrag vertieft, allein die Beklagte sei verpflichtet gewesen, in Höhe der Arbeitslosengeld-Zahlungen gegen die Firma I. vorzugehen.
Auf Befragen des SG hat die Beklagte am 30.3.2006 bestätigt, mit Eingang des Alg-Leistungsantrags am 7.2.2002 Kenntnis von dem vom Kläger gegen die Firma I. anhängig gemachten arbeitsgerichtlichen Verfahren erlangt zu haben. Mit dem Schreiben vom 3.2.2003 sei der Übergang des Lohnanspruchs gegenüber der Firma I. angemeldet worden. Da sich diese nicht innerhalb von zwei Wochen erklärt habe und§ 15 BRTV-Bau eine danach laufende Zwei-Monats-Frist vorsehe, habe die Forderung bis zum 16.4.2003 geltend gemacht werden müssen. Da sie, die Beklagte, jedoch kein gerichtliches Verfahren veranlasst habe, berufe sich die Firma I. zu Recht auf den Fristablauf.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21.2.2007 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das dem Arbeitslosen aufgrund einer Gleichwohlgewährung gezahlte Arbeitslosengeld sei nicht als vorläufige, sondern als endgültige Leistung anzusehen. Der Gesetzgeber habe gerade nicht daran gedacht, den Leistungsfall rückabzuwickeln. Nachträgliche Gehaltszahlungen oder entsprechende Vereinbarungen berührten weder den Eintritt des Versicherungsfalls noch den Umstand der tatsächlichen Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes. Es entspreche lediglich einer auf Billigkeitserwägungen beruhenden Praxis, dem Arbeitslosen diejenigen Tage der Leistungsbewilligung gutzuschreiben, für die der Arbeitgeber nachträglich in Höhe des Arbeitslosengeldes die entsprechend übergegangenen Lohnansprüche ausgleiche und die Arbeitsverwaltung insoweit für ihre Aufwendungen Ersatz erlange. Davon könne im Falle des Klägers gerade keine Rede sein. Denn die Beklagte habe der Firma I. den Anspruchsübergang zwar mit dem Schreiben vom 3.2.2003 angezeigt, und diesen unter dem 20.5.2003 beziffert und geltend gemacht. Entscheidend sei aber, dass die Firma I. tatsächlich nicht gezahlt habe. Der Kläger habe keinen Erfolg mit dem Argument, der übergegangene Anspruch sei nicht mit der notwendigen Aufmerksamkeit und Sorgfalt behandelt worden, seine Durchsetzung habe nicht an der Versäumung tarifvertraglicher Ausschlussfristen scheitern müssen. Die Beitreibung der übergegangenen Entgeltansprüche gehöre nämlich nicht zu den Pflichten der Arbeitsverwaltung. Eine solche Verpflichtung sei weder ausdrücklich normiert noch aus dem Gesetzeszweck abzuleiten. Dass die Beklagte nach den für sie geltenden Vorschriften der Haushaltswirtschaft über die Einziehung von Forderungen und auch gemäß ihren Durchführungsanweisungen (DA) 4.3.1 zu § 143 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gehalten sei, die auf sie übergegangenen Ansprüche auf Arbeitsentgelt gegenüber dem Arbeitgeber "ggf. rechtzeitig in einer die Verjährung unterbrechenden Weise" geltend zu machen, vermöge einen subjektiven Anspruch des Arbeitslosen auf Beitreibung nicht zu begründen. Indem sie das Arbeitslosengeld gezahlt habe, habe die Beklagte die ihr gegenüber dem Kläger obliegenden Pflichten vollständig erfüllt. Es entspreche dem u.a. in§ 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III und in den §§ 115, 116 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zum Ausdruck gekommenen Prinzip der Schadensversicherung, Aufwendungen auf den beim Versicherten eingetretenen Schaden zu begrenzen. Der Arbeitslose solle nicht mehr erhalten, als er ohne Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitslosigkeit als Arbeitsentgelt erhalten hätte. Der Anspruchsübergang erfolge im Interesse der Sozialversicherung und nicht zu dem Zweck, weitergehende Interessen des Arbeitnehmers zu wahren. Wenn der Gesetzgeber Letzteres hätte bewirken wollen, hätte es einer ausdrücklichen Regelung bedurft. Das gelte umso mehr, als der Arbeitsverwaltung ein erheblicher Verwaltungsaufwand und ein beachtliches Prozessrisiko auferlegt würden, wenn sie in allen Fällen, in denen der Arbeitslosengeld-Antragsteller vortrage, noch Lohn vom Arbeitgeber beanspruchen zu können, Klage zum ArbG erheben müsse. Es komme grundsätzlich nicht darauf an, auf welche Umstände es zurückzuführen sei, dass die Arbeitsverwaltung keine Zahlungen erlangt habe. Der Arbeitslose sei darauf zu verweisen, selbst rechtzeitig gegen seinen Arbeitgeber auf Zahlung an die Bundesagentur für Arbeit (BA) zu klagen.
Gegen den ihm am 28.2.2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich der Kläger mit seiner am 26.3.2007 eingegangenen Berufung. Er führt aus, selbst bei gebührender Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestehe hier die Besonderheit, dass ihm das Schreiben der Beklagten vom 3.2.2003 Anlass gegeben habe, sich nicht mehr selbst darum zu bemühen, Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen. Vorzugswürdig sei allerdings die im Schrifttum vertretene Gegenansicht, derzufolge in Fällen wie dem hier vorliegenden die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zum Tragen kämen. Der Beklagten sei anzulasten, den übergegangenen Anspruch nicht mit der notwendigen Sorgfalt geltend gemacht zu haben. Da er, der Kläger, gar keine Möglichkeit gehabt habe, die Verfristung zu vermeiden, sei es rechtsmissbräuchlich, ihm die Folgen anzulasten. Er sei ab dem 24.2.2003 bis zur Aufnahme einer Beschäftigung als Hafenarbeiter am 4.8.2003 weiterhin arbeitslos gewesen. Der Kläger hat u.a. seine an den früheren Arbeitgeber gerichteten Schriftsätze vom 4.2.2003 (mit Anlagen) und vom 20.5.2003 in Kopie vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 21.2.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.6.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über den 23.2.2003 hinaus Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe für weitere 153 Kalendertage zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Das SG sei zu Recht der Rechtsprechung des BSG gefolgt, wonach in Fällen der Gleichwohlgewährung die Anspruchsdauer auch dann gemindert bleibe, wenn die Arbeitsverwaltung den übergegangenen Anspruch auf Arbeitsentgelt ungeachtet bestehender Erfolgsaussicht nicht beitreibe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und wegen des weiteren Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf den Inhalt der beigezogenen Akten des ArbG Stade verwiesen. Diese Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Gerichtsbescheid des SG und die zugrunde liegenden Bescheide der Beklagten sind aufzuheben. Der Kläger kann von der Beklagten antragsgemäß verlangen, ihm für weitere 153 Kalendertage Arbeitslosengeld zu zahlen.
Zutreffend gehen das SG und die Beklagte allerdings davon aus, dass die Beklagte den Anspruch auf Arbeitslosengeld nach den§§ 117 ff. SGB III im Umfang der vom Kläger nach seiner Vorversicherungszeit erworbenen Anwartschaft (zunächst) vollständig erfüllt hat. Das im Wege der Gleichwohlgewährung, also für die Zeit des eigentlich zustehenden Lohnanspruchs, gezahlte Arbeitslosengeld ist auf die Anspruchsdauer anzurechnen. Das folgt zwingend aus § 143 Abs. 1 u. 3 SGB III. Denn dort heißt es zwar in Abs. 1 zunächst, der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe während der Zeit, während der der Arbeitslose Arbeitsentgelt (erhalte oder) zu beanspruchen habe, hier also während der Monate März bis Juli 2002. Im Anschluss ist jedoch in Abs. 3 Satz 1 weitergehend geregelt, dass das Arbeitslosengeld (ausnahmsweise) auch für diejenige Zeit geleistet wird, in der der Arbeitslosengeld-Anspruch ruht, soweit der Arbeitslose das Arbeitsentgelt tatsächlich nicht erhalte. Dass sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um die Zahl von Tagen mindert, für die der Anspruch erfüllt worden ist, ist in § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III ausdrücklich vorgesehen. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urt. v. 29.11.1988 - SozR 4100 § 117 Nr. 23) bleibt es bei der unter Anrechnung des Gleichwohlgewährungszeitraumes ermittelten Leistungsdauer auch dann, wenn die Arbeitsverwaltung, aus welchen Gründen auch immer, den auf sie übergegangenen Entgeltanspruch nicht beitreibt. Die dafür maßgeblichen Erwägungen hat das SG in dem angefochtenen Gerichtsbescheid erschöpfend abgehandelt, worauf verwiesen werden kann,§ 153 Abs. 2 SGG.
Demgegenüber besteht in der Praxis der Beklagten und in der Literatur - bestätigt durch die höchstrichterliche Rechtsprechung - bereits seit Jahrzehnten Einigkeit darin, dass die Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes in Fällen der Gleichwohlgewährung nachträglich durch eine entsprechende "Gutschrift" zu verlängern ist, wenn es die Billigkeit erfordert bzw. die Versagung einer Gutschrift "unbillig erscheint" (vgl. nur BSG v. 4.9.1979 - 7 RAr 51/78 -, zitiert nach [...]; BSG v. 24.7.1986 SozR 4100 § 117 Nr. 16; BSG v. 11.6.1987 SozR 4100 § 117 Nr. 18). Eine solche Unbilligkeit ist bisher in der Rechtsprechung des BSG - soweit ersichtlich - ausschließlich angenommen worden, wenn die Beklagte für das in der Zeit der Gleichwohlgewährung gezahlte Arbeitslosengeld tatsächlich Ersatz erlangt hat. Dagegen ist eine Gutschrift abgelehnt worden, wenn die Beklagte lediglich (möglicherweise) hätte Ersatz erlangen können, sofern sie den Anspruch mit allen Mitteln, ggf. auch gerichtlich, beigetrieben hätte, diesen Ersatz aber tatsächlich nicht erlangt hat. Das ist im Wesentlichen damit begründet worden, dass die Verfolgung von Entgeltansprüchen des Arbeitnehmers nicht zu den Aufgaben der Beklagten gehöre und sie nicht zur Tragung des Prozessrisikos verpflichtet sein könne, während der Arbeitnehmer auf diese Weise quasi eine "unentgeltliche Rechtsschutzversicherung" (BSG v. 29.11.1988, a.a.O.) erhalte. Darüber hinaus hat das BSG in der letztgenannten Entscheidung auch eine Rechtspflicht der Beklagten verneint, den Arbeitslosen über die Möglichkeit zu belehren, selbst Klage zu erheben, weil davon ausgegangen werden müsse, dass der Arbeitnehmer wisse, auf welche Weise er gegen den Arbeitgeber vorzugehen habe, wenngleich insoweit ein Hinweis im Merkblatt der Arbeitsverwaltung für zweckmäßig angesehen wurde.
Gegenüber der Beschränkung der Gutschrift-"Regel" auf die Fälle tatsächlicher Refinanzierung der Arbeitsverwaltung werden in der Literatur weiterhin Bedenken geltend gemacht. So wird vertreten, dass die Arbeitsverwaltung, jedenfalls in nicht aussichtslosen Fällen, den Anspruch gegen den Arbeitgeber geltend zu machen habe und anderenfalls ein Herstellungsanspruch in Betracht komme bzw. dass die Beklagte nur aus sachgerechten Gründen im Hinblick auf das Kostenrisiko die Beitreibung unterlassen dürfe, in diesem Fall aber außerdem eine rechtzeitige Information des Arbeitnehmers erforderlich sei (Winkler in: Gagel, SGB II/SGB III, § 143 SGB III Rn. 72, ähnl. Köhler in: BeckOK, SGB III, § 143 Rn. 10, unter Befürwortung einer entsprechenden Anwendung der Rechtsgrundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch). Andernfalls könne die Rechtsstellung des Arbeitnehmers in problematischer Weise beeinträchtigt werden, weil die Möglichkeit, den Entgeltanspruch - auch im Wege der Klage - zugunsten der Beklagten geltend zu machen, dem Arbeitnehmer in der Regel ohne entsprechende Beratung kaum erkennbar sei (Dürr in: Niesel, SGB III, 4. Aufl., § 143 Rn. 47). Der Anspruchsübergang begründe eine "treuhänderische Bindung" der Beklagten, wobei der Gefährdung des Arbeitslosengeldanspruchs hinsichtlich seiner vollen Leistungsdauer aufgrund der nunmehr geltenden regelmäßigen Beschränkung des Anspruchs auf zwölf Monate erhöhtes Gewicht zukomme (Dürr, a.a.O.).
Das angesprochene - richterrechtlich entwickelte - Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist allerdings nicht heranzuziehen, wenn sich der Anspruch direkt aufgrund einer (speziellen) Anspruchsgrundlage ergibt. Die oben beschriebene anerkannte Praxis der Gutschrift ist - schon im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) - mehr als eine unverbindliche "Kulanzpraxis", sie ist vielmehr als verbindliche Regel anzusehen, wobei dahingestellt bleiben, ob es sich bereits um eine gewohnheits- oder richterrechtlich begründete Norm handelt. Sie lässt sich - abstrahiert von der konkreten Fallgestaltung einer tatsächlich erfolgten Refinanzierung des Arbeitslosengeldes bei der Beklagten - dahin fassen, dass die Anspruchsdauer nach Gleichwohlgewährung durch eine Gutschrift zu verlängern ist, wenn es die Billigkeit erfordert. Soweit diese Regel - entsprechend den bisherigen Anwendungsfällen - auf den Fall tatsächlicher Refinanzierung beschränkt sein sollte, ist - jedenfalls für Fälle wie den vorliegenden - ihre Erweiterung geboten.
Die Verweigerung einer Gutschrift wäre im vorliegenden Fall, ebenso wie in den Fällen der erfolgten Refinanzierung, unbillig. Denn der Kläger erlitte einen Nachteil, dessen Eintritt die Beklagte durch ihr Verhalten mit verursacht hat, während dem Kläger eine schuldhafte Verletzung von Obliegenheiten nicht vorgeworfen werden kann. Das ergibt sich insbesondere unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls. Diese sind wesentlich dadurch geprägt, dass die Beklagte entgegen ihrer durch die Existenz einer entsprechenden Dienstanweisung belegten Verwaltungsübung den Kläger zunächst überhaupt nicht auf den gesetzlichen Forderungsübergang hingewiesen hat, und später nur in missverständlicher, den Kläger über die rechtliche Lage und ihr eigenes Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber nicht hinreichend aufklärender Weise. Die Pflicht zumindest zu entsprechenden Hinweisen ergibt sich bereits aus den aus § 14 und § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) abzuleitenden Pflichten zur Beratung sowie zu einer dem konkreten Anlass entsprechenden "verständnisvollen Förderung" (vgl. BSG v. 12.6.1992 SozR 3-4100 § 103 Nr. 8) aufgrund des Sozialrechtsverhältnisses, das zwischen dem Kläger und der Beklagten mit dem Antrag auf Arbeitslosengeld entstanden ist (vgl. BSG v. 8.2.2007 SozR 4-4300 § 324 Nr. 3), ebenso wie aus der oben erwähnten "treuhänderischen Bindung" nach gesetzlichem Forderungsübergang. Das Sozialrechtsverhältnis führt zu entsprechenden Hinweis- und Beratungspflichten auch ohne gezielte Anfrage, wenn für den Kundigen naheliegende rechtmäßige Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, die ein verständiger Arbeitsloser in dieser Lage nutzen würde.
Der Beratungsbedarf in dieser Lage ist erkennbar hoch im Hinblick auf die - für den Arbeitslosen nicht ohne Weiteres zu erwartende und keineswegs allgemein bekannte - juristische Konstruktion im Rahmen der Gleichwohlgewährung mit gesetzlichem Forderungsübergang und dem daraus resultierenden rechtlichen Schicksal des Arbeitslosengeldanspruchs einerseits und des Arbeitsentgeltanspruchs andererseits. Besonderer Beratungsbedarf ergibt sich in dieser Situation auch deshalb, weil der Arbeitslose sich in einer Zwangslage befindet, wenn er einerseits auf Arbeitslohn oder Lohnersatzleistungen angewiesen ist, andererseits noch nicht weiß, ob er seinen Arbeitsentgeltanspruch gegen den Arbeitgeber durchsetzen kann und deshalb zunächst Arbeitslosengeld beantragen muss. Darüber hinaus wird der Beratungsbedarf nach neuerer Rechtslage noch durch den Umstand verstärkt, dass der Schaden leicht einen wesentlichen Teil des Anspruchs auf Arbeitslosengeld betreffen kann; denn die Dauer des Anspruchs beträgt regelmäßig nur noch maximal 12 Monate, sodass etwa bei einem längeren Arbeitsgerichtsverfahren die Versicherungsleistung faktisch weitgehend verlorengehen kann und der Arbeitslose danach auf die - gegenüber früheren Regelungen ebenfalls erheblich reduzierten - Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) angewiesen ist. Eine gesteigerte Verpflichtung der Beklagten ergibt sich hier schließlich auch deshalb, weil sie mit der Abfrage eines evtl. noch geltend gemachten Anspruchs gegen den Arbeitgeber im Antragsformular bereits die relevanten Informationen vom Kläger eingeholt hat und dieser insoweit auf ein Eingehen der Beklagten auf diese Situation und ggf. von ihm zu beachtende Konsequenzen vertrauen durfte.
Die o. g. Anforderungen verpflichten die Beklagte weder zur Eingehung eines Prozessrisikos noch zu einer allgemeinen Information zur Durchsetzung von Arbeitsentgeltansprüchen. Die Beklagte muss dem Arbeitslosen jedoch die Möglichkeit der Wahrung seiner Rechte dadurch eröffnen, dass sie ihn zunächst darauf hinweist, dass überhaupt ein gesetzlicher Forderungsübergang stattfindet (zur begrenzten Geltung der formellen Publizität von Gesetzen vgl. BSG Urt. v. 8.2.2007 a.a.O.). Eine allgemeine Information in einem umfangreichen, vielseitigen Merkblatt ist bei der vorliegenden komplizierten, dem Laien nicht ohne weiteres zugänglichen rechtlichen Konstruktion nicht ausreichend. Außerdem müsste die Beklagte in diesem Dreiecksverhältnis den Arbeitslosen darüber informieren, inwieweit sie selbst etwas zur Sicherung und Durchsetzung des Anspruchs unternimmt oder nicht und ihm ggf. die Möglichkeit einräumen, den auf sie übergegangenen Anspruch in Prozessstandschaft gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen (vgl. Urt. des Senats v. 18.6.2008 - L 12 AL 217/06 -, nicht veröffentlicht).
Diesen Anforderungen ist die Beklagte nicht hinreichend gerecht geworden und hat so dem Kläger keine Möglichkeit gegeben, ihm entstehende Nachteile ggf. abzuwenden. Zwar ist das anfängliche Versäumnis, über den Anspruchsübergang überhaupt zu informieren, für den eingetretenen Schaden noch nicht kausal geworden. Denn der Kläger hatte Kündigungsschutzklage erhoben und damit (zunächst) den Eintritt der tarifvertraglichen Ausschlussfrist in der ersten Stufe - auch für den auf die Beklagte übergegangenen Teil des Anspruchs - vermieden; denn für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen, beginnt die zweimonatige Verfallfrist erst nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens (zweite Stufe der Ausfallfrist, vgl. den - vom Arbeitgeber gegenüber der Beklagten nicht zitierten - § 15 [früher § 16] Abs. 2 Satz 2 und 3 BRTV-Bau; BAG Urt. v. 14.12.2005, BAGE 116, 307). Kausal sind aber weitere Versäumnisse der Beklagten im Zusammenhang mit ihrem Schreiben vom 3.2.2003 geworden. In diesem Schreiben hat die Beklagte den Kläger erstmals auf den Forderungsübergang hingewiesen, allerdings in einer Weise, die ihn nicht veranlassen konnte, von sich aus tätig zu werden. Vielmehr hat sie ihn darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber den Teil des Entgelts, der dem gezahlten Arbeitslosengeld entsprach, an die Beklagte abführen müsse und der Kläger zur Verfügung darüber nicht berechtigt sei. Aufgrund dieses Schreibens war der Kläger über die schwierig zu durchschauende Rechtslage nicht hinreichend informiert, sondern eher fehlgeleitet. Er konnte danach konsequenterweise gegenüber dem Arbeitgeber nur seine eigenen Ansprüche auf den (die Höhe des Arbeitslosengeldes übersteigenden) "Spitzbetrag" geltend machen. Da die Beklagte den von ihr gegenüber dem Arbeitgeber zwar angemeldeten Anspruch ihrerseits nicht weiterverfolgte, musste somit die Verfallsfrist (2. Stufe) hinsichtlich der der Beklagten zustehenden Arbeitsentgeltansprüche eintreten. Wäre der - auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren anwaltlich vertretene - Kläger auf diese Zusammenhänge hingewiesen worden, hätte er rechtzeitig den gesamten Anspruch - ggf. z.T. als an die Beklagte zu zahlen - geltend machen können, was im Ergebnis zu einer Gutschrift und der begehrten weiteren Zahlung von Arbeitslosengeld geführt hätte. Mithin bestanden hier naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten zur Sicherung des (vollen) Arbeitslosengeldanspruchs und zur Vermeidung des Eintritts einer Ausfallfrist. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger hiervon keinen Gebrauch gemacht hätte, ergeben sich nicht.
Schließlich ist der Ausfall der Refinanzierung aber auch auf weitere Fehler der Beklagten zurückzuführen. Sie hat nicht nur versäumt, gegenüber dem Arbeitgeber, wie üblich und durch Dienstanweisung vorgegeben ist, umgehend den übergegangenen Anspruch anzumelden und den Verzicht auf die Einrede der Ausschlussfrist einzufordern, sondern dies erst nach etwa einem Jahr getan. Sie hat dann den Eingang des geforderten Einredeverzichts nicht weiter verfolgt und schließlich die - unvollständigen und irreführenden - Angaben des Arbeitgebers über die Ausschlussfristen nicht überprüft und den bis zum 28.6.2003 (zwei Monate nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens durch Rücknahme der Revision) noch durchsetzbaren Anspruch nicht mehr geltend gemacht. Dem Kläger kann hieran auch keine Mitschuld angelastet werden. Er hat die Beklagte rechtzeitig informiert. Selbst wenn man ihn auf die Mitteilung im angefochtenen Bescheid hin, dass der Arbeitgeber sich auf die tariflichen Ausschlussfristen berufe, für verpflichtet hielte, die Beklagte auf eine ggf. noch bestehende Realisierungschance hinzuweisen, wäre ihm das hier nicht mehr rechtzeitig möglich gewesen. Denn ausweislich der Verwaltungsakte ist der Bescheid vom 19.6.2003 am 27.6.2003 abgesandt worden und gilt gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X als am 30.6.2003 bekannt gegeben. Mithin war die zweimonatige Ausschlussfrist nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzprozesses durch Rücknahme der Revision am 28.4.2003 bereits abgelaufen, sodass ein Hinweis an die Beklagte nicht mehr rechtzeitig hätte erfolgen können.
Unter den dargestellten Voraussetzungen erscheint es nach alledem ebenso unbillig, dem Kläger die Gutschrift für die Zeit der Gleichwohlgewährung zu verweigern, wie in den Fällen, in denen die Beklagte sich tatsächlich hat refinanzieren können, weil der Ausfall der Refinanzierung allein dem Verhalten der Beklagten zuzuschreiben ist. Eine Unbilligkeit lässt sich dabei bereits aus der mangelnden Wahrnehmung einer Beratungspflicht im Sozialrechtsverhältnis ableiten (vgl. insoweit bzgl. des Begriffs der unbilligen Härte: BSG v. 8.2.2007 a.a.O.). Darüber hinaus sind im Versicherungsverhältnis bestehende gegenseitige Pflichten der Rücksichtnahme und Schadensvermeidung, die letztlich auf den - auch im öffentlichen Recht geltenden - Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zurückgehen, verletzt. Auch rechtsstaatliche Grundsätze (vgl. Winkler a.a.O.) verlangen, den Bürger nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handelns zu machen, das dessen Folgen in jedem Fall hinzunehmen hat, ohne die Chance hinreichender eigener Einflussnahme zu haben. Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheint es unbillig, den Eintritt oder die Vermeidung eines Nachteils in die Beliebigkeit des Handelns der öffentlichen Gewalt zu stellen.
Fasst man allerdings die oben zugrunde gelegte bisherige Regel enger dahingehend, dass die Gutschrift nicht in jedem Falle der Unbilligkeit, sondern nur zu gewähren ist, soweit die Beklagte vom Arbeitgeber tatsächlich einen Betrag in Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes erhalten hat, und lehnt auch eine Weiterentwicklung für andere Fälle der Unbilligkeit ab, so ergibt sich der Anspruch nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs:
Ein Schaden und die Verletzung einer Nebenpflicht sowie die kausale Verknüpfung zwischen beiden sind, wie oben bereits dargelegt, gegeben. Der Schaden kann auch durch eine rechtmäßige Amtshandlung, die "ihrer Art nach" (vgl. BSG Urt. v. 12.6.1992 a.a.O.) in der Rechtsordnung vorgesehen ist, beseitigt werden, ohne die Beklagte zu rechtswidrigem Verwaltungshandeln zu verpflichten. Denn die nachträgliche Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld nach Gleichwohlgewährung ist, wenn auch nicht gesetzlich vorgesehen, so doch eine in der Rechtsordnung anerkannte Folge, die die Beklagte aussprechen kann und muss, wie der Fall, dass die Arbeitsverwaltung für ihre Arbeitslosengeldleistung Ersatz erlangt hat, zeigt. Der erlittene Nachteil kann somit durch eine im Recht vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung ausgeglichen werden (vgl. dazu BSG v. 5.8.1999, SozR 3-4100 § 110 Nr. 2). Die Frage der Refinanzierung betrifft eine Gegebenheit bei der Beklagten, nicht einen außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegenden Tatbestand; dessen Umgestaltung (Fiktion) ist deshalb dem (rechtmäßigen) Verwaltungshandeln der Beklagten zugänglich (vgl. zu diesen Kriterien BSG v. 21.3.1990 SozR 3-4100 § 125 Nr. 1).
Da der Kläger 153 Tage trotz Anspruch auf Arbeitsentgelt Arbeitslosengeld bezogen hat, hatte auch eine entsprechende Gutschrift zu erfolgen. Eine Reduzierung wegen zusätzliche Aufwendungen der Beklagten für Versicherungsbeiträge hat nicht zu erfolgen (vgl. BSG v. 23.7.2003 SozR 3-4100 § 105a Nr. 6). Der Kläger war auch in den streitigen 153 Tagen nach dem 23.2.2003 - das ist der Zeitraum vom 24.2.2003 bis 26.7.2003 - weiterhin arbeitslos, denn er hat nach eigenen glaubhaften und unbestrittenen Angaben eine Beschäftigung erst wieder ab dem 4.8.2003 aufgenommen. Auch im Hinblick auf die Verfügbarkeit des Klägers, der für diese Zeit - (nur) im Hinblick auf vorhandenes Vermögen vergeblich - Arbeitslosenhilfe beantragt hatte, ergeben sich keine Zweifel.
Im Ergebnis war danach der Berufung des Klägers zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nach § 160 Abs. 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil die Ausweitung der bisher etablierten Billigkeitspraxis auf Fälle einer fehlenden, allein durch Verschulden der Beklagten unterbliebenen Finanzierung klärungsbedürftig erscheint.
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Rechtsmittelbelehrung und Erläuterung zur Prozesskostenhilfe
I.
Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann mit der Revision angefochten werden.
...
E.
F.