Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 11.09.2008, Az.: 5 A 2159/06

Gebühren für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von Windkraftanlagen; Nacherhebung von Gebühren; Konzentrationswirkung; doppelte Gebührerhebung; Kostendeckungsprinzip; Äquivalenzprinzip

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
11.09.2008
Aktenzeichen
5 A 2159/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 45993
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2008:0911.5A2159.06.0A

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zur Zulässigkeit einer nachträglichen weiteren Gebührenerhebung

  2. 2.

    Die im Gebührenrecht vorgesehene Erhöhung der immissionsschutzrechtlichen Gebühr um den Aufwand für die Prüfung baurechtlicher Genehmigungsvoraussetzungen ist rechtlich nicht zu beanstanden (in Anschluss an VG Hannover, Urteil vom 25. April 2007 - 12 A 6919/04 -).

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

  3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem nachträglich weitere Verwaltungskosten für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von vier Windkraftanlagen gefordert werden.

2

Nach Prüfung im förmlichen Verfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG - erteilte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 31. März 2005 die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windfarm mit vier Windenergieanlagen (WEA) des Typs E.-.. E.. mit je 2000 kW Leistung. Unter gleichem Datum setzte sie hierfür Gebühren und Auslagen in Höhe von 27 370,23 Euro fest. Hierbei legte sie die von der Klägerin im Genehmigungsantrag vom 22. September 2004 genannten Errichtungskosten je WEA von 557 501,780 Euro einschließlich Mehrwertsteuer, mithin insgesamt 2 230 007,20 Euro zuzüglich 100 000 Euro für die Herstellung der Kranstellflächen und der Zuwegung zugrunde. Dementsprechend setzte sie - unter anderem - gemäß Nr. 44.1.1.5 der Anlage zur Allgemeinen Gebührenordnung - AllGO - eine Gebühr in Höhe von 15 800,25 Euro für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung sowie eine Gebühr nach Nr. 1.1.2 der Baugebührenverordnung - BauGO -in Höhe von 10 819,00 Euro fest. Die Klägerin zahlte die festgesetzten Verwaltungskosten.

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Später stellte der Beklagte in mehreren Fällen fest, dass für die Entstehung und Montage einer WEA des Typs E. E-.. E.. Kosten von mehr als zwei Millionen Euro aufzuwenden seien. Mit Schreiben vom 16. November 2005 forderte er (unter anderem) die Klägerin auf, die tatsächlich entstandenen Errichtungskosten zur Korrektur der Gebührenerhebung mitzuteilen. Die Klägerin und andere Betreiber verweigerten die Kostenangabe unter Hinweis auf eine interne Vereinbarung mit dem Unternehmen E.. Da mehrere Gesprächsrunden, zuletzt am 08. Februar 2006, nicht zu einer Einigung führten, kündigte der Beklagte an, in Anlehnung an die Streitwertermittlung der Verwaltungsgerichte die Errichtungskosten pauschal in Abhängigkeit der Leistung der WEA nach der Formel "1 Kilowatt Nennleistung = 1 000 Euro Gebühr" festzusetzen.

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Mit "Änderungskostenfestsetzungsbescheid" vom 13. Februar 2006 forderte der Beklagte von der Klägerin weitere Verwaltungskosten in Höhe von 49 007,75 Euro. Ausgehend von pauschal anzunehmenden Errichtungskosten in Höhe von insgesamt acht Millionen Euro sei unter anderem eine Gebühr für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung von 37 600 Euro und eine Gebühr für die eingeschlossene Baugenehmigung in Höhe von 38 000 Euro anzusetzen, so dass sich die Verwaltungskosten insgesamt auf 76 377,98 Euro beliefen. Abzüglich der zuvor bereits geleisteten Zahlung ergebe sich der nachzufordernde Betrag. Die Klägerin zahlte den nachgeforderten Betrag unter Vorbehalt.

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Den Widerspruch der Klägerin vom 14. März 2006 wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 20. März 2006 zurück.

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Die Klägerin hat am 20. April 2006 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Die nachträgliche Änderung der Festsetzung von Verwaltungskosten ohne gleichzeitig Rücknahme bzw. Widerruf des vorausgegangenen Bescheides sei rechtswidrig, denn es liege eine unzulässige doppelte Heranziehung vor (vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 21. Dezember 2001 - 6 A 335/00 -). Es fehle ein Grund für die spätere Nacherhebung, weil dem Beklagten seinerzeit alle maßgeblichen Umstände bekannt gewesen seien. Da § 13 BImSchG ein einheitliches Genehmigungsverfahren vorsehe, welches die Beantragung weiterer Genehmigungen, Zulassungen, Verleihungen, Erlaubnisse oder Bewilligungen entbehrlich mache, und in Tarif-Nr. 44 der Anlage zur AllGO die Gebühren abschließend geregelt seien, könnten weitere Kosten nach der BauGO nicht erhoben werden. Jedenfalls verstoße die weitere Kostenerhebung gegen das Äquivalenzprinzip, da die geforderten Kosten bei weitem den Aufwand überstiegen, den der Beklagte im Genehmigungsverfahren gehabt habe. Wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe, verstoße die Heranziehung auch gegen das Kostendeckungsprinzip aus § 3 Abs. 2 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes - NVwKG -. Der geforderte Betrag sei ausreichend, um einen Beamten des gehobenen Dienstes für weit mehr als ein Jahr zu besolden. Im Hinblick auf die Vielzahl der vom Beklagten bereits genehmigten Anlagen sei offensichtlich, dass entsprechende Arbeitskraft seiner Mitarbeiter nicht annährend durch ein solches Genehmigungsverfahren gebunden worden sei. Entsprechendes gelte, wenn sämtliche genehmigten WEA im Landkreis und das gesamte Gebührenaufkommen betrachtet würden. Allein das Gebührenaufkommen durch 135 E.-WEA stehe außer Verhältnis zum tatsächlichen Verwaltungsaufwand und stelle eine unzulässige "Quersubventionierung" des allgemeinen Haushaltes dar.

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Die Klägerin beantragt,

  1. den Bescheid des Beklagten vom 13. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2006 aufzuheben und

  2. die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

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Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

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Er erwidert: Aufgrund falscher Angaben zu den Errichtungskosten habe er die Verwaltungskosten zunächst zu niedrig erhoben. Bei der ersten Kostenfestsetzung seien ihm die tatsächlichen Errichtungskosten nicht bekannt gewesen. Da der Änderungsbescheid die Differenz zwischen geleisteter Zahlung und den richtigerweise festzusetzenden Verwaltungskosten betreffe, liege keine unzulässige doppelte Gebührenerhebung vor. Dem Änderungsbescheid liege die am 08. Februar 2006 getroffene Vereinbarung mit der Klägerin zugrunde. Nach der Anmerkung zu den Tarif-Nrn. 44.1.1 bis 44.1.3 sowie 44.1.5 und 44.1.8 sei die Gebühr für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung, um andere, die Anlage betreffende öffentlich-rechtliche Genehmigungen, die in die Genehmigung eingeschlossen seien -hier die Baugenehmigung -, zu erhöhen, so dass die zusätzlich festgesetzte Gebühr für die Baugenehmigung rechtmäßig sei. Nach ressortübergreifenden Abstimmungen habe das Nds. Sozialministerium davon abgesehen, diese Rechtslage zu ändern. Da die maßgeblichen Tarif-Nummern Festbeträge ohne Entscheidungs- oder Ermessensspielraum vorsähen, würden weder das Äquivalenz- noch das Kostendeckungsprinzip verletzt. Verwaltungskosten von insgesamt 560 388 Euro für 39 von ihm nach BImSchG genehmigte Anlagen (die übrigen 234 WEA im Kreis seien nach Baurecht oder vom Gewerbeaussichtsamt in E. genehmigt worden) stünden keineswegs außer Verhältnis zu dem entfalteten Verwaltungsaufwand und dem wirtschaftlichen Gegenwert der Genehmigungen für die Betreiber. Der Verwaltungsaufwand zur Prüfung der immissionsschutzrechtlichen und zusätzlich der baurechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen sei beachtlich und rechtfertige die Gebührenerhebung. Ohne umfangreiche Vorarbeiten der Antragsteller und ihrer Planungsbüros würden die Genehmigungsverfahren gar nicht erst eröffnet.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.

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Die nachträgliche Erhebung weiterer Verwaltungskosten für die Genehmigung von vier Windkraftanlagen - WEA - in dem Bescheid des Beklagten vom 13. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2006 in Höhe von 49 007,75 Euro ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

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Der angefochtene Bescheid ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Dabei mag dahinstehen, ob - wie im Erschließungsbeitragsrecht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 05. März 1997 - 8 B 37/97 - juris Rn. 5) - bereits eine materielle Pflicht zur vollständigen Verwaltungskostenerhebung die formelle Befugnis mit umfasst, ohne weitere Voraussetzungen bis zur Grenze der Verjährung und des Vertrauensschutzes nachträglich weitere Gebühren in einem Änderungs- oder Ergänzungsbescheid zu erheben. Denn auch bei Anwendung des allgemeinen Verfahrensrechts (vgl. VGH BW, Urteil vom 24. September 1992 - 5 S 2442/91 - juris Rn. 22 f.) stehen weder Bestandskraft noch Vertrauensschutz oder sonstige Umstände der erfolgten Nacherhebung entgegen. Bei verständiger Würdigung ihres Inhalts aus Sicht eines verständigen objektiven Dritten enthält sie - neben der ergänzenden Kostenfestsetzung - jedenfalls der Sache nach die Rücknahme des vorausgegangenen Kostenfestsetzungsbescheids vom 31. März 2005 insoweit, als über den dort geforderten Betrag von 27 370,23 Euro keine weitergehenden Verwaltungskosten gefordert werden. Der als "Änderungskostenfestsetzungsbescheid" bezeichnete Bescheid bezieht sich ausdrücklich auf die vorausgegangene Kostenfestsetzung vom 31. März 2005, nimmt diese konkludent insoweit zurück, als sie als abschließend gewertet werden könnte (Beseitigung des entsprechenden Rechtsscheins) und fordert ergänzend die Differenz zwischen geleisteter Zahlung und den richtigerweise festzusetzenden Verwaltungskosten. Anders als im vom VG Braunschweig (Urteil vom 21. Dezember 2001 - 6 A 335/00 -) entschiedenen Fall liegt keine unzulässige doppelte Gebührenerhebung vor, weil der konkludent zurück genommene und ergänzte Bescheid ausdrücklich erwähnt worden ist. Im Übrigen stand es dem Beklagten frei, ob er den vorausgegangenen Bescheid vollständig durch einen Änderungsbescheid zurücknimmt und ersetzt oder - wie offenbar geschehen, um die Bestandskraft der früheren Teilerhebung nicht zu gefährden - nur teilweise hinsichtlich des Rechtsscheins, die Kostenfestsetzung sei abschließend.

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Die Rechtsgrundlage der Änderung, genauer der Rücknahme und Ergänzung der Kostenfestsetzung findet sich in § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nach dem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Voraussetzungen für die im Ermessen ("kann") stehende Rücknahme liegen hier vor. Denn der erste Kostenfestsetzungsbescheid vom 31. März 2005 ist insoweit rechtswidrig, als keine den Betrag von 27 370,23 Euro übersteigenden Gebühren und Auslagen von der Klägerin gefordert wurden. Weitergehender Voraussetzungen - etwa nach § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 bis 4 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG - bedurfte es nicht. Denn die Kostenfestsetzung vom 31. März 2005 war ein belastender und kein begünstigender Verwaltungsakt i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG. Belastet ein Verwaltungsakt den Betroffenen weniger als möglich oder erwartet, so wird er dadurch allein nicht schon zu einem begünstigenden Verwaltungsakt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 1983 - 8 C 170.81 - BVerwGE 67, 134; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage 2005, § 48 Rdnr. 69). Besondere Umstände, die bei der Klägerin den Eindruck hätte aufkommen oder bestätigen lassen können, der Beklagte verzichte abschließend auf weitergehende oder andersartige zusätzliche Belastungen, sind weder diesem Bescheid noch einem sonstigen Verhalten des Beklagten zu entnehmen.

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Die Begründung in dem Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 20. März 2006 enthält jedenfalls der Sache nach auch keine nach § 114 Satz 1 VwGO bedeutsamen Fehler bei Ausübung des Rücknahmeermessens. Insoweit ist beim Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eine Rücknahme grds. geboten, also das Ermessen entsprechend intendiert, so dass nur besondere Gesichtspunkte ein Absehen von der Rücknahme rechtfertigen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1997 - 3 C 22.96 - NJW 1998, 2233 [BVerwG 16.06.1997 - 3 C 22/96]). Der Beklagte hat in dem Bescheid und den vorausgegangenen Besprechungen mit u.a. der Klägerin (vgl. Aktenvermerke) insoweit maßgeblich darauf abgestellt, dass er infolge unzutreffender Angaben der Klägerin im Genehmigungsantrag die Errichtungskosten für die vier WEA zu niedrig angesetzt hat und aus haushaltsrechtlichen Gründen die Nachforderung der bedeutsamen Differenzbeträge geboten ist. Auch die erst kurze Zeit nach der vorausgegangenen Kostenfestsetzung bot im Hinblick auf einen möglichen Vertrauensschutz der Klägerin keinen besonderen Anlass zu ergänzenden Erwägungen.

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Auch in der Sache bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die ergänzende Festsetzung von Verwaltungskosten, ohne dass es einer weiteren Klärung des vom Beklagten entfalteten Verwaltungsaufwandes im vorausgegangen Genehmigungsverfahren oder generell in vergleichbaren Verfahren bedurfte. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht zunächst auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und insbesondere des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2006 (Feststellung nach § 117 Abs. 5 VwGO). Zutreffend ist darin ausgeführt, dass Rechtsgrundlage für die ergänzend festgesetzten Kosten die §§ 1, 3 und 5 des Nds. Verwaltungskostengesetzes - NVwKostG - i.V.m. § 1 der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen (Allgemeine Gebührenordnung - AllGO -) ist. Ebenfalls zutreffend wurde auf die Nrn. 44.1.1 ff. des Kostentarifs in der Anlage zu § 1 Abs. 1 AllGO (Anlage AllGO) abgestellt, da es um Gebühren für eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz im förmlichen Verfahren ging. Ohne Rechtsfehler hat sich der Beklagte des Weiteren an den - geschätzten - Errichtungskosten der vier genehmigten WEA orientiert und danach die einschlägigen Gebührensätze nach Nr. 44.1.1.5 Anlage AllGO (hier: 37 600,- Euro) für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung angesetzt. Die pauschale Schätzung der gesamten Errichtungskosten von 8 Millionen Euro nach der Formel "1 Kilowatt Leistung = 1 000,- Euro Gebühr" ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hatte, wie sich aus den Verwaltungsvorgängen hinreichend erschließt, nachträglich qualifizierte Informationen darüber erhalten, dass die von der Klägerin im Genehmigungsantrag vom 22. September 2004 genannten Errichtungskosten je Windenergieanlage von 557 501,80 Euro zu niedrig angegeben waren. Die Klägerin hat es bis heute unter Hinweis auf eine Vereinbarung mit der Firma E. abgelehnt, die tatsächlichen Errichtungskosten zu benennen. Vor diesem Hintergrund erweist sich die auf anderweitige Erfahrung aufbauende Schätzung des Beklagten als tragfähig.

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Die von der Klägerin (nunmehr) beanstandete zusätzliche Festsetzung einer Gebühr für die eingeschlossene Baugenehmigung nach Nr. 1.1.2 der Baugebührenverordnung - BauGO - (38 000,- Euro abzüglich der insoweit durch vorausgegangenen Bescheid erhobenen Gebühr) erweist sich ebenfalls als rechtmäßig. Denn nach der Anmerkung zu den Tarifnummern 44.1.1 bis 44.1.3 sowie 44.1.5 und 44.1.8 Anlage AllGO erhöht sich die Gebühr für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren, wenn die Genehmigung oder das Verfahren andere, die Anlage betreffende behördliche Entscheidungen einschließt, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Zulassungen, Verleihungen, Erlaubnisse und Bewilligungen, um die für diese Entscheidungen vorgeschriebenen Gebühren. Diese Bestimmung erfasst insbesondere Baugenehmigungen, die im Rahmen der formellen Konzentrationswirkung durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ersetzt werden, und ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. VG Hannover, Urteil vom 25. April 2007 - 12 A 6919/04 - juris, wegen des schwebenden Berufungsverfahren beim Nds. OVG - 12 LC 278/07 - nicht rechtskräftig; OVG SA , Urteil vom 17. August 2006 - 2 L 330/04 - juris zum vergleichbaren dortigen Landesrecht).

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Die vorgesehene Erhöhung der immissionsschutzrechtlichen Gebühr rechtfertigt sich durch den bei den betroffenen Verfahren typischerweise zu entfaltenden besonderen Verwaltungsaufwand. Dort, wo gesetzlich im Rahmen eines zu Gunsten des Antragstellers einheitlich geregelten Verfahrens intern die Zulassung auch nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 BImSchG eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen (vgl. im Einzelnen: VG Hannover, a.a.O.). Dies erfordert nicht nur ein erweitertes Beteiligungsverfahren mit erheblichem Koordinierungsaufwand, sondern auch die selbstständige Prüfung, ob neben den sich aus dem Bundesimmissionsschutzgesetz ergebenden Betreiberpflichten auch andere öffentlich-rechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Außerdem muss sich die Genehmigungsbehörde in eigener Verantwortung mit Bedenken Dritter auseinandersetzen und ggf. über Nebenbestimmungen entscheiden. Im Gebührenrecht sind Pauschalisierungen und Typisierungen zulässig. Hier knüpft die Gebührenbemessung an die grundlegende Zuordnung des abzugeltenden Verwaltungsaufwandes zu einem förmlichen Verwaltungsverfahren im Sinne von § 10 BImSchG an, die sich ihrerseits nach pauschalen Festlegungen zur potentiellen Umweltschädlichkeit einer bzw. mehrerer Anlagen im Immissionsschutzrecht richtet. Außerdem wird am Maßstab der Errichtungskosten in gestaffelten Beträgen der (unterschiedliche) Wert des Gegenstandes der Amtshandlung berücksichtigt. Eine Bemessung nach dem tatsächlichen Aufwand des einzelnen Verwaltungsverfahrens ist schon im Ansatz nicht vorgesehen und erfolgt auch nicht im Rahmen des gewählten Wahrscheinlichkeitsmaßstabs. Der Grundgedanke der Konzeption, dass Anlagen mit zunehmender Größe (hier gemessen an den Errichtungskosten) mehr und damit bedeutsamere Auswirkungen auf die Umwelt und Dritte haben (können), was einen tendenziell zunehmenden Prüfungs- und Abwägungsaufwand für die Genehmigungsbehörde verursacht, ist nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für die Erwägung zu der geforderten Erhöhung um den Aufwand für eine mitumfasste Genehmigung, dass der Verwaltungsaufwand deutlich ansteigt, wenn intern die Genehmigungsfähigkeit zusätzlich nach anderen Gesetzen zu prüfen ist. Die Typisierung und Pauschalierung der Gebührenbemessung dient auch der Gleichbehandlung aller Anlagenbetreiber, da es häufig vom Zufall abhängt, wie viel Erfahrungswissen die Genehmigungsbehörde bereits aus gleich gelagerten früheren Verfahren hat und ob sich im Einzelfall gegen ein Vorhaben keine, wenige oder viele Bedenken von beteiligten Behörden, Nachbarn oder sonstigen Dritten ergeben. Der von der Klägerin angestellte Vergleich von Gebührenhöhe mit dem Jahresgehalt eines Bediensteten verbietet sich ferner, weil es regelmäßig um Personalkosten für Amtshandlungen mehrerer Personen geht und auch sächliche Kosten zu berücksichtigen sind.

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Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die ergänzende Kostenfestsetzung auch weder gegen das Kostendeckungs- noch das Äquivalenzprinzip. Das Verwaltungsgericht Hannover hat hierzu zutreffend ausgeführt (Urteil vom 25. April 2007 - 12 A 6919/04 -):

"Die Allgemeine Gebührenordnung verstößt nicht gegen § 3 Abs. 2 NVwKostG.

Nach Satz 1 der bei Erlass des Kostenbescheides geltenden Fassung dieser Vorschrift sind die Gebühren in den Gebührenordnungen so festzusetzen, dass ihr Aufkommen den auf die Amtshandlungen entfallenden durchschnittlichen Aufwand des Verwaltungszweiges, soweit er nicht durch Auslagenerstattung gedeckt ist, nicht übersteigt.

Für den Fall, dass die bei der Klägerin erhobene Gebühr um ein Vielfaches höher als die bei dem Beklagten durch das Genehmigungsverfahren verursachten Kosten sein sollten, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit des angegriffenen Kostenbescheides. Das Kostenüberschreitungsverbot wird nicht schon dann verletzt, wenn in einem Einzelfall eine Gebühr die Aufwendungen für die besonderen Leistungen, für die sie gefordert wird, übersteigt. Von einer Verletzung dieses Verbotes kann vielmehr erst dann gesprochen werden, wenn die Gesamtheit der Gebühren für besondere Leistungen bestimmter Art die Gesamtheit der Aufwendungen für diese besonderen Leistungen übersteigt ( BVerwG, Urt.v. 24.03.1961 - VII C 109.60 -, BVerwGE 12, 162, 166 [BVerwG 24.03.1961 - VII C 106/60]; VGH Bad-Württ. , Urt.v. 02.03.1995 - 2 S 1595/93 -, NVwZ 1995, 1029, 1031). Dafür bestehen im vorliegenden Fall aber keine Anhaltspunkte, zumal zum Verwaltungsaufwand nicht nur die Personalkosten, sondern auch die sächlichen Kosten gehören."

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Entsprechendes gilt hier entgegen der Auffassung der Klägerin. Denn richtigerweise müsste die Relation landesweit und wohl bezogen auf sämtliche immissionsschutzrechtliche Genehmigungen gebildet werden. Doch auch wenn nur die im Kreis des Beklagten bekannten Verhältnisse bei Windenergieanlagen betrachtet werden, ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Verletzung des Kostenüberschreitungsverbots. Nach dessen plausiblen Angaben stehen dort insgesamt Verwaltungskosten von 560 388 Euro für 39 von ihm in der Vergangenheit nach BImSchG genehmigte Anlagen (die übrigen 234 WEA im Kreis sind nach Baurecht oder vom Gewerbeaussichtsamt in E. genehmigt worden) keineswegs außer Verhältnis zu dem entfalteten Verwaltungsaufwand, zumal jeweils ein umfangreiches immissionsschutzrechtliches Prüfprogramm abzuarbeiten war. Dies gilt auch unter Berücksichtigung von Synergieeffekten bei Genehmigung baugleicher oder ähnlicher Anlagen.

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Ferner führt das VG Hannover zutreffend aus:

"Nach § 3 Abs. 2 S. 2 NVwKostG sind die Gebühren in den Gebührenordnungen nach dem Maß des Verwaltungsaufwandes oder nach dem Wert des Gegenstandes der Amtshandlung zu bemessen. Hier hat sich der Verordnungsgeber dafür entschieden, für die Bemessung der Gebühr an die Herstellungs- oder Errichtungskosten der Anlage und damit an den Wert für den Gebührenschuldner anzuknüpfen. Das ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn es ist davon auszugehen, dass mit steigenden Errichtungskosten auch der erforderliche Verwaltungsaufwand steigt. Zudem sind die Gebühren in Nr. 44.1.1 bzw. 44.1.2 des Kostentarifs der AllGO degressiv gestaltet. Sie setzen sich zusammen aus einem Grundbetrag und einem prozentualen Anteil an einem Teilbetrag der Errichtungskosten, wobei bei höher werdenden Errichtungskosten der Grundbetrag - in Festbeträge gestaffelt - steigt und der prozentuale Zuschlag demgegenüber bis auf 0,2 % der 100 000 000 Euro (Nr. 44.1.1.7) bzw. auf 0,3 % der 2 500 000 Euro (Nr. 44.1.2.5) übersteigenden Investitionssumme sinkt.

Die Höhe der Gebühr wird unter anderem durch das so genannte Äquivalenzprinzip, einer gebührenrechtlichen Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, begrenzt. Hiernach dürfen die Gebühren in keinem Missverhältnis zu der von der öffentlichen Gewalt gebotenen Leistung stehen ( BVerfG, Beschl.v. 11.10.1966 - 2 BvR 179, 477 und 476/64 - BB 1967, 6 und Betrieb 1967, 35). Eine Verletzung des Äquivalenzprinzips führt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber nur dann zur Aufhebung angefochtener Gebührenbescheide, wenn eine grobe Verletzung des Äquivalenzgrundsatzes zu verzeichnen ist ( BVerwG, Urt.v. 14.04.1967 - IV 179.65 - BVerwGE 26, 308 f.; Urt.v. 15.07.1988 - 7 C 5.87 -, BVerwGE 80, 36, 39 [BVerwG 15.07.1988 - BVerwG 7 C 5.87]; Urt.v. 25.08.1999 - 8 C 12.98 - NVwZ 2000, 73, 75 [BVerwG 25.08.1999 - 8 C 12/98]), die Gebühr also in einem krassen Missverhältnis zu der Verwaltungsleistung steht, beispielsweise dann, wenn die Verwaltungsleistung für den Gebührenpflichtigen offensichtlich keinerlei Wert hätte (BVerwG, Urt.v. 24.03.1961, a.a.O)."

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Ein solches krasses Missverhältnis ist hier nicht ersichtlich. Die Gebühren in Höhe von etwa 76 400,- Euro für vier WEA stellen bei einem Bauvolumen von (geschätzt) 8 Millionen Euro weniger als 1 % dieser Summe dar und stehen nicht außer Verhältnis zu dem Aufwand, den die Genehmigungsbehörde bei der Prüfung typischerweise anstellt, ob die erstrebte immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt werden kann. Die Bearbeitung eines Antrags auf Genehmigung einer Windenergieanlage erfordert eine sorgfältige Untersuchung, ob das Vorhaben in Einklang mit zahlreichen öffentlichen Belangen steht, namentlich solchen, welche zum Schutz von Natur und Landschaft zu berücksichtigen sind, und ob es die notwendige Rücksicht auf Nachbarn nimmt (dazu ausführlich: Nds. OVG, Beschluss vom 8. August 2001 - 1 L 4087/00 - juris).

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Die Berechnung der Gebühr für die im Wege der Konzentrationswirkung mit umfasst baurechtliche Genehmigung wurde von der Klägerin nicht angegriffenen und enthält nach Auffassung der Kammer keinen Fehler, der sich zu Lasten der Klägerin auswirkt. Auch die nach der BauGO zu erhebenden Gebühren sind degressiv gestaltet und sinken für die zweite und jede weitere bauliche Anlage, deren Genehmigung gleichzeitig zur Prüfung gestellt wird.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

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Die Berufung wird gemäß § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da die Sache im Hinblick auf die Frage, ob die in der Anmerkung zum Kostentarif zur AllGO vorgesehene Erhöhung der Gebühr für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren um die Gebühren, die für die nach § 13 BImSchG mitumfasste baurechtliche Genehmigung vorgeschrieben sind, für Windenergieanlagen gerechtfertigt ist, klärungsbedürftig ist und damit grundsätzliche Bedeutung hat.