Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 04.07.2024, Az.: VgK-13/2024
Vergabe von Transportdiensten im Schülerverkehr; Ausschluss von Angeboten wegen nicht fristgerecht vorgelegter Unterlagen
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 04.07.2024
- Aktenzeichen
- VgK-13/2024
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 23278
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - AZ: 13 Verg 4/24
Rechtsgrundlage
- § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV
In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
xxxxxx,
- Antragsgegner -
beigeladen:
1. xxxxxx,
- Beigeladene zu 1 -
2. xxxxxx,
- Beigeladener zu 2 -
3. xxxxxx,
- Beigeladene zu 3 -
wegen
Vergabe der Beförderung von Schülerinnen und Schülern im freigestellten Schülerverkehr, interne Kennung: xxxxxx - Lose 4, 5, 6 und 7,
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin Ass. jur. Winterberg und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ök. Brinkmann im schriftlichen Verfahren nach Lage der Akten beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.
- 3.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Begründung
I.
Der Antragsgegner hat mit EU-Bekanntmachung vom xxxxxx.2024 die Beförderung von Schülerinnen und Schülern (Lose 1 bis 25) aus dem xxxxxx mit Kraftfahrzeugen im freigestellten Schülerverkehr für die Schuljahre 2024/25, 2025/26 und 2026/27 im offenen Verfahren ausgeschrieben. Streitgegenständlich sind die Lose 4, 5, 6, und 7:
In der Bekanntmachung war unter Ziffer 2.1.6 "Ausschlussgründe: Schwere Verfehlung" u.a. Folgendes gefordert:
[...]
"Nachweis über die Erlaubnis zur Berufsausübung. Der Nachweis kann durch die Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister oder auf andere Weise (z.B. Gewerbeanmeldung oder Genehmigung nach § 47 und/oder § 49 PBefG) erbracht werden. Der Nachweis ist mit Angebotsabgabe vorzulegen."
Die identische Anforderung findet sich noch einmal in der Bekanntmachung bei den Eignungskriterien unter Ziffer 5.1.9 in der Rubrik "Technische und berufliche Leistungsfähigkeit".
In Punkt A 1 der ergänzenden Vertragsbedingungen ist diese Forderung ebenfalls festgelegt.
Die Antragstellerin und die Beigeladenen reichten ihre Angebote form- und fristgerecht ein. Die Antragstellerin hat Angebote für die Lose 4-7 abgegeben. Die Beigeladene zu 1 hat u.a. Angebote für die Lose 4 und 7, der Beigeladene zu 2 für das Los 5 und die Beigeladene zu 3 für das Los 6 abgegeben.
Mit Nachricht vom 15.05.2024 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin über die Vergabeplattform zur Nachreichung eines Nachweises über die Erlaubnis zur Berufsausübung wie folgt auf:
"[...]
Gemäß Formblatt 631 EU - Aufforderung zur Abgabe eines Angebots Punkt 3.1 und Buchstabe A Nr. 1 Ergänzende Vertragsbedingungen ist ein Nachweis über die Erlaubnis zur Berufsausübung mit dem Angebot einzureichen.
Der Nachweis kann durch die Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister oder auf andere Weise (z.B. Gewerbeanmeldung oder Genehmigung nach § 47 und/oder § 49 PBefG) erbracht werden.
Ich fordere Sie daher auf, einen entsprechenden Nachweis spätestens bis zum 22.05.2024, 08:00 Uhr vorzulegen.
Sofern die Nachweise nicht bis zu der oben genannten Frist vorliegen, wird lhr Angebot ausgeschlossen werden müssen.
[...]"
Nach Aufforderung zur Nachlieferung des Nachweises zur Berufsausübung hat die Antragstellerin noch am selben Tag dem Antragsgegner geantwortet mit dem Hinweis, den Handelsregisterauszug jetzt zu übersenden, und sich dafür entschuldigt, dass dieser nicht schon mit Angebotsabgabe vorlag. Mit dieser Antwort sendete die Antragstellerin den Handelsregisterauszug der Firma xxxxxx, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls der Geschäftsführer der Antragstellerin ist.
Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 22.05.2024 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass er ihr Angebot ausschließen werde und die Zuschläge nach der in § 134 Abs. 2 GWB festgelegten Frist an die jeweilige Beigeladene erteilen werde. Er begründete den Ausschluss der Antragstellerin damit, dass geforderte Unterlagen weder im Angebot enthalten waren noch entsprechend der Nachforderung rechtzeitig vorgelegt wurde.
Mit Schriftsatz vom 27.05.2027 hat die Antragstellerin ihren Ausschluss sowie die Forderung zur Vorlage eines Nachweises zur Erlaubnis der Berufsausübung, gerügt.
Trotz der vor Fristablauf zur Einreichung der Nachforderung geäußerten Bitte, ihn wissen zu lassen, wenn der Antragsgegner noch etwas benötige, habe er keine Rückmeldung eines falsch eingereichten Nachweises innerhalb der ihm gesetzten Frist erhalten. Als Bieter habe er darauf vertrauen dürfen, dass der Auftraggeber einen solchen Hinweis gebe.
Weiterhin stelle die Forderung an die Bieter, einen Handelsregisterauszug als Eignungsnachweis vorzulegen eine unverhältnismäßige Anforderung an die Eignung dar, da das entsprechende Register öffentlich und kostenlos für die Auftraggeber zugänglich sei und die Einsichtnahme somit ohne jedes Zutun des Bieters jederzeit und einfach für den Antragsgegner möglich gewesen wäre.
Der Antragsgegner half der Rüge mit Schriftsatz vom 28.05.2024 nicht ab.
Daraufhin hat die Antragstellerin am 31.05.2024 einen Nachprüfungsantrag eingereicht. Die Nichtvorlage eines Nachweises zur Berufsausübung könne den Ausschluss nicht rechtfertigen, da ein solcher Nachweis nicht wirksam gefordert worden sei.
Es wäre zwar zutreffend, dass die Antragstellerin bis zum Ablauf der in dem Nachforderungsschreiben gesetzten Frist keinen der vom Antragsgegner im Nachforderungsschreiben genannten Nachweise zur Berufsausübung vorgelegt hat. Ein Ausschluss wegen der Nichtvorlage von Unterlagen setze aber voraus, dass die diesbezügliche Forderung des Auftraggebers ihrerseits wirksam aufgestellt worden ist und gerade dies vorliegend aus mehreren Gründen nicht der Fall sei.
So sei zum einen die Forderung zur Vorlage von Nachweisen zur Erlaubnis der Berufsausübung bereits nicht wirksam bekannt gemacht worden, denn die Bieter hätten an keiner der Stellen, an welcher die streitgegenständlichen Forderungen in dieser Bekanntmachung zu finden sind, damit rechnen müssen, dass dort Anforderungen zur Erlaubnis der Berufsausübung aufgestellt werden. Vielmehr hätten sie darauf vertrauen dürfen, dass Anforderungen an die Eignung oder an die diesbezüglich geforderten Nachweise an der jeweils vorgesehenen richtigen Stelle in der Bekanntmachung aufgeführt werden.
Des Weiteren fehle für diese Forderung in ihrer konkreten Form eine Rechtsgrundlage, denn in § 122 Abs. 2 Nr. 1 GWB gehe es um das Kriterium des rechtlichen Dürfens und somit um die rechtliche Leistungsfähigkeit eines Bieters. Hintergrund sei die gesetzliche Einschränkung der allgemeinen Gewerbefreiheit, die die legale Ausübung einer bestimmten Tätigkeit von einer Zulassung abhängig macht. Das in § 44 VgV zu findende Begriffspaar "Berufs- oder Handelsregister" sei "untechnisch" zu verstehen. Gemeint wäre ein Gewerbeerlaubnisregister, wie zum Beispiel die Handwerksrolle. Es gebe in Deutschland aber keine einzige gewerbliche Tätigkeit, deren legale Ausübung die Eintragung in einem Register nach §§ 8 f. HGB voraussetzt. Es sei also nicht zulässig, von einem deutschen Unternehmen die Vorlage eines Handelsregisterauszuges zum Nachweis der rechtlichen Leistungsfähigkeit und damit zur Befähigung zur Berufsausübung zu verlangen. Der Handelsregistereintragung gebe unmittelbar auch keinerlei Auskunft über die Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung. Die übrigen exemplarisch genannten Nachweise "Gewerbeanmeldung oder Genehmigung nach § 47 und/oder § 49 PBefG" seien ebenfalls keine zulässigerweise geforderten Nachweise für die Erlaubnis der Berufsausübung, da sie kein einschlägiges Berufs- oder Handelsregister für Deutschland i.S.d. Anhangs XI der Rili 2014/24/EU darstellten. Die dort enthaltene Auflistung sei abschließend.
Darüber hinaus sei die Forderung unverhältnismäßig, denn soweit der Antragsgegner die Vorlage eines Handelsregisterauszuges als ausreichenden Nachweis anerkennt, hätte er diesen ohne Weiteres im Registerportal abfragen können.
Zuletzt verstoße die Forderung gegen den Grundsatz des Vorrangs zur Forderung von Eigenerklärungen.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
gemäß § 160 Abs. 1 GWB ein Nachprüfungsverfahren gegen den Antragsgegner einzuleiten,
- 2.
dem Antragsgegner zu untersagen, auf der Grundlage des bisherigen Vergabeverfahrens einen Zuschlag zu erteilen,
- 3.
der Antragstellerin Akteneinsicht gemäß § 165 GWB zu gewähren,
- 4.
dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen und
- 5.
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Die Forderung, einen Nachweis über die Erlaubnis zur Berufsausübung zu erbringen, sei unter dem Punkt 5.1.9 Eignungskriterien der Auftragsbekanntmachung bekannt gemacht worden. Die Bieter seien damit durch die Auftragsbekanntmachung in die Lage gebracht worden, die Forderung nach einem Nachweis der Erlaubnis zur Berufsausübung leicht erkennen zu können.
Es sei aufgrund der klaren Formulierung der Auftragsbekanntmachung nicht nachzuvollziehen, dass ein Bieter nicht erkennen konnte, dass ein Nachweis über die Erlaubnis zur Berufsausübung erbracht werden soll.
Mit der Forderung eines Nachweises über die Erlaubnis der Berufsausübung stehe den Bietern frei, einen Handelsregisterauszug oder andere Nachweise zu erbringen. Dies solle sicherstellen, dass das Unternehmen die Leistung nur bei einem Vorliegen einer Erlaubnis zur Berufsausübung ausüben werde. Ein Verstoß gegen § 44 Abs. 1 S. 2 VgV liege nicht vor.
Weiterhin sei die Forderung einen Nachweis über die Erlaubnis zur Berufsausübung zu erbringen nicht unverhältnismäßig. Die Beförderung von Schulkindern stelle einen sensiblen Bereich dar. Der Auftraggeber müsse sich vergewissern, dass der Bieter geeignet ist, die Leistung zu erbringen.
Vom Grundsatz, eine Eigenerklärung zu fordern, sei abgewichen worden, da der Auftraggeber alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen muss, um eine - für die Schülerinnen und Schüler - gesicherte Beförderung durchzuführen. Es werden Schülerinnen und Schüler ab dem 6. Lebensjahr und/oder mit erheblichen Einschränkungen ohne Begleitung befördert. Es handelt sich hier um Kinder, die nicht in der Lage sind, Missstände in der Beförderung zu kommunizieren. Hier könne sich der Auftraggeber nicht auf eine Eigenerklärung verlassen. Es müsse aktiv kontrolliert werden, ob der Bieter geeignet ist. Zum Wohl der zu befördernden Kinder sei die Vorlage der Unterlagen nicht als unverhältnismäßig zu sehen.
Die Beigeladenen zu 1,2 und 3 haben keine Anträge gestellt.
Die Verfahrensbeteiligten haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach Lage der Akten gemäß § 166 Abs. 1 Satz 3 GWB zugestimmt.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig. Er ist mangels rechtzeitiger Rüge gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB unzulässig, soweit die Antragstellerin erstmalig mit ihrem Rügeschreiben vom 27.05.2027 gegenüber dem Antragsgegner beanstandet hat, dass es für die Forderung des Nachweises zur Berufsausübung an einer Rechtsgrundlage fehle, diese zudem unverhältnismäßig wäre und zudem gegen den Grundsatz der Forderung einer Eigenerklärung verstoßen würde. Diese Forderung bezüglich der Eignungskriterien und die hierfür vorzulegenden Nachweise waren bereits aus der Auftragsbekanntmachung unter Ziffer 2.1.6 und 5.1.9 sowie den ergänzenden Vertragsbedingungen - hier Buchstabe A Nr. 1 - zu entnehmen. Sie waren für die Antragstellerin wie für die übrigen Bieter auch spätestens bei Erstellung des Angebots erkennbar und daher spätestens mit Ablauf der Angebotsfrist zu rügen (im Folgenden unter 1).
Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er unbegründet. Der Ausschluss der Angebote für die Lose 4, 5, 6 und 7 aufgrund der der dem Angebot nicht beigefügten und auch auf die vergaberechtsgemäße Nachforderung des Antragsgegners nicht fristgerecht vorgelegter Unterlagen ist nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner war zu dieser Entscheidung nicht nur berechtigt, sondern gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV ausdrücklich dazu gehalten (im Folgenden 2).
1. Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 2 und 4 GWB, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 01.01.2024 geltenden Fassung zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen Auftragsvergabe ein Schwellenwert von 221.000 € gilt. Die vom Antragsgegner gemäß § 3 VgV geschätzten Kosten für den Gesamtauftrag über die ausgeschriebene Vertragslaufzeit 05.08.2024 bis 01.07.2026 (Vergabeakte, Vergabevermerk gemäß § 8 VgV - Teil 1, Nr. 4) wie auch die vorliegenden, konkreten Angebotspreise überschreiten den Schwellenwert deutlich.
Die Antragstellerin ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie beanstandet, dass der Antragsgegner ihr Angebot zu den streitbefangenen Losen 4 - 7 zu Unrecht von der Wertung ausgeschlossen hat.
Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB, § 160, Rn. 23; Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rn. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB, § 160, Rn. 43; vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB, § 160, Rn. 34; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 160, Rn. 30 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS). Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt.
Soweit sich die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag gegen den Ausschluss ihrer Angebote an sich wendet, hat sie auch ihrer Pflicht genügt, den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen nach positiver Kenntniserlangung gegenüber dem Auftraggeber zu rügen. Bei der Vorschrift des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen.
Der Antragsgegner hatte der Antragstellerin mit Bieterinformation vom 22.05.2024 gemäß § 134 Abs. 2 GWB mitgeteilt, dass er ihr Angebot ausschließen werde und die Zuschläge nach der in § 134 Abs. 2 GWB festgelegten Frist an die jeweilige Beigeladene erteilen werde. Er begründete den Ausschluss der Antragstellerin damit, dass geforderte Unterlagen weder im Angebot enthalten waren noch entsprechend der Nachforderung rechtzeitig vorgelegt wurde.
Mit Schriftsatz vom 27.05.2027 hat die Antragstellerin ihren Ausschluss gerügt. Die Rüge der Antragstellerin erfolgte insoweit innerhalb der Frist von zehn Kalendertagen und damit rechtzeitig i. S. d. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.
Der Nachprüfungsantrag ist jedoch wegen Präklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB unzulässig, soweit die Antragstellerin erstmalig mit ihrem Rügeschreiben vom 27.05.2027 gegenüber dem Antragsgegner beanstandet hat, dass es für die Forderung des Nachweises zur Berufsausübung an einer Rechtsgrundlage fehle, diese zudem unverhältnismäßig wäre und zudem gegen den Grundsatz der Forderung einer Eigenerklärung verstoßen würde.
Gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit er sich auf Verstöße gegen Vergabevorschriften stützt, die aufgrund der Vergabeunterlagen erkennbar sind, aber nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt worden sind.
Prüfungsmaßstab für die Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen das Vergaberecht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ist die Erkenntnismöglichkeit eines durchschnittlichen Antragstellers, nicht die tatsächliche Erkenntnis beim Antragsteller. Erkennbar sind somit Vergaberechtsverstöße, die von einem Durchschnittsbieter bei üblicher Sorgfalt und den üblichen Kenntnissen erkannt werden (vgl. Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 160 GWB, Rn. 266 ff.; Wiese in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 160 GWB, Rn. 157 f). Die Erkennbarkeit muss sich dabei sowohl auf die den Verstoß begründenden Tatsachen als auch auf deren rechtliche Beurteilung beziehen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 27.02.2020, 13 Verg 5/19; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.03.2018 - Verg 54/17, ZfBR 2019, 74, beckonline; Beschluss vom 03.08.2011, VergabeR 2012, 227; Kadenbach in: Willenbruch/Wieddekind, Vergaberecht, 4. Aufl., § 160 GWB, Rn. 77).
Ein Vergaberechtsverstoß, der sich in rechtlicher Hinsicht durch bloßes Lesen der einschlägigen Normen feststellen lässt, ist für jeden erkennbar, der über die Fähigkeiten verfügt, die notwendig sind, um ein Angebot zu erstellen oder gar ein Unternehmen zu leiten (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 27.02.2020 - 13 Verg 5/19, BeckRS 2020, 14745 Rn. 52, beck-online; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl., § 160 GWB, Rn. 277). Erkennbar ist nach Auffassung der Vergabekammer, was dem Anbieter bei Erstellung des Angebots auffallen muss.
Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs war vorliegend eine Erkennbarkeit der Anforderungen an die vorzulegenden Eignungsnachweise für die Antragstellerin gegeben. Der Auftragsbekanntmachung unter Ziffer 2.1.6 und 5.1.9 sowie der ergänzenden Vertragsbedingungen hier Buchstabe A Nr. 1 waren die Eignungskriterien und die hierfür vorzulegenden Nachweise bei der Angebotserstellung zu entnehmen. Einen Vergaberechtsverstoß in Zusammenhang mit dem geforderten Nachweis der Erlaubnis der Berufsausübung hätte die Antragstellerin bei Angebotserstellung ohne nähere Prüfung erkennen können.
Sie hätte diese Forderung daher spätestens mit Ablauf der Angebotsfrist rügen müssen.
Diesbezüglich ist der Nachprüfungsantrag daher nach Auffassung der Vergabekammer bereits gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB unzulässig. Er ist unabhängig davon allerdings aus den unter II. 2. b ausgeführten Gründen auch diesbezüglich unbegründet.
Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag dagegen zulässig.
2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch insgesamt unbegründet. Die Antragstellerin ist weder durch die Ausschlussentscheidung des Antragsgegners noch durch die Forderung des Nachweises über die Erlaubnis der Berufsausübung in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt:
a. Der Ausschluss der Angebote für die Lose 4, 5, 6 und 7 aufgrund der dem Angebot nicht beigefügten und auch auf die vergaberechtsgemäße Nachforderung des Antragsgegners nicht fristgerecht vorgelegter Unterlagen ist nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner war zu dieser Entscheidung nicht nur berechtigt, sondern gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV ausdrücklich dazu gehalten.
Sind an sich zulässige und auftragsangemessene Eignungsanforderungen wirksam gefordert worden, wird ein Bieter, wenn er diese Anforderungen nicht erfüllt, wegen fehlender Eignung ausgeschlossen (Gnittke/Hattig in: Müller-Wrede, GWB-Vergaberecht einschl. WRegG, 2. Auflage, § 122 GWB, Rn. 95).
Nach § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und § 48 Abs. 1 VgV sind die Eignungskriterien und -nachweise in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen. Maßgeblich für die Eignungsprüfung nach § 57 Abs. 1 VgV sind alleine die in der Auftragsbekanntmachung festgelegten Eignungskriterien und die dort für ihren Beleg geforderten Nachweise, § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB, § 48 Abs. 1 VgV (KG Berlin, Beschluss vom 10.05.2022 - Verg 2/22). Diese Regelung ist Ausfluss des vergaberechtlichen Transparenzgebotes gemäß § 97 Abs. 1 GWB (Hausmann/von Hoff in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 123 GWB, Rn. 47). Mit dieser Regelung geht einher, dass die Eignungskriterien in der Bekanntmachung eindeutig und abschließend beschrieben sein müssen (VK Niedersachsen, Beschluss vom 19.09.2021 - VgK-33/2019).
Die Struktur der Bekanntmachung mit den dort zu findenden Unterkriterien dient dabei lediglich der Vereinheitlichung und Vereinfachung. Sie ist jedoch nicht verpflichtend. Eine in der Bekanntmachung aufgeführte Mindestanforderung kann auch dann bejaht werden, wenn zwar die entsprechende Zeile leer ist, im übrigen Text aber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird, dass der Auftraggeber eine bestimmte Hürde errichtet hat, die ein Unternehmen unbedingt nehmen muss, um überhaupt als potentieller Auftragnehmer angesehen werden zu können (Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 122 GWB (Stand: 04.05.2023), Rn. 108).
In der Bekanntmachung vom xxxxxx.2024 (Veröffentlichungsnummer: xxxxxx) war unter Ziffer 2.1.6 "Ausschlussgründe: Schwere Verfehlung" u.a. Folgendes gefordert:
"[...]
Nachweis über die Erlaubnis zur Berufsausübung. Der Nachweis kann durch die Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister oder auf andere Weise (z.B. Gewerbeanmeldung oder Genehmigung nach § 47 und/oder § 49 PBefG) erbracht werden. Der Nachweis ist mit Angebotsabgabe vorzulegen."
Die identische Anforderung findet sich auch noch einmal bei den Eignungskriterien unter Ziffer 5.1.9 in der Rubrik "Technische und berufliche Leistungsfähigkeit".
In Punkt A 1 der ergänzenden Vertragsbedingungen ist dieser Passus ebenfalls festgelegt.
Das Eignungskriterium für die Berufsausübung und der zugehörigen Eignungsnachweise ist damit in der EU-Bekanntmachung aufgeführt worden. Der Nachweis der Berufsausübung ist also wirksam bekannt gegeben und durfte von der Vergabestelle nachgefordert werden.
Die Nachforderung war auch wirksam und durfte nicht wiederholt werden.
Nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV werden Angebote von der Wertung ausgeschlossen, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen enthalten.
Gemäß § 56 VgV gilt:
[...]
(2) Der öffentliche Auftraggeber kann den Bewerber oder Bieter unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen, insbesondere Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen oder sonstige Nachweise, nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren, oder fehlende oder unvollständige leistungsbezogene Unterlagen nachzureichen oder zu vervollständigen. Der öffentliche Auftraggeber ist berechtigt, in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festzulegen, dass er keine Unterlagen nachfordern wird.
[...]
(4) Die Unterlagen sind vom Bewerber oder Bieter nach Aufforderung durch den öffentlichen Auftraggeber innerhalb einer von diesem festzulegenden angemessenen, nach dem Kalender bestimmten Frist vorzulegen.
[...]
Mit Nachricht vom 15.05.2024 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin über die Vergabeplattform zur Nachreichung eines Nachweises über die Erlaubnis zur Berufsausübung wie folgt auf:
"[...]
Gemäß Formblatt 631 EU - Aufforderung zur Abgabe eines Angebots Punkt 3.1 und Buchstabe A Nr. 1 Ergänzende Vertragsbedingungen ist ein Nachweis über die Erlaubnis zur Berufsausübung mit dem Angebot einzureichen.
Der Nachweis kann durch die Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister oder auf andere Weise (z.B. Gewerbeanmeldung oder Genehmigung nach § 47 und/oder § 49 PBefG) erbracht werden.
Ich fordere Sie daher auf, einen entsprechenden Nachweis spätestens bis zum 22.05.2024, 08:00 Uhr vorzulegen.
Sofern die Nachweise nicht bis zu der oben genannten Frist vorliegen, wird lhr Angebot ausgeschlossen werden müssen.
[...]"
Nach Aufforderung zur Nachlieferung des Nachweises zur Berufsausübung hat die Antragstellerin noch am selben Tag dem Antragsgegner geantwortet mit dem Hinweis, den Handelsregisterauszug jetzt zu übersenden, und sich dafür entschuldigt, dass dieser nicht schon mit Angebotsabgabe vorlag. Mit dieser Antwort sendete die Antragstellerin jedoch - offenbar irrtümlich - den Handelsregisterauszug einer anderen Gesellschaft, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls der Geschäftsführer der Antragstellerin ist.
Damit lag nach Fristablauf am 22.05.2024, 08:01 Uhr, nicht der nachgeforderte Nachweis vor.
Als Rechtsfolge nennt § 57 Abs. 1 VgV den Ausschluss des Angebotes von der weiteren Wertung. Dabei handelt es sich bei § 57 VgV um eine zwingende Vorschrift. Der öffentliche Auftraggeber ist hier zum Ausschluss des Angebotes verpflichtet. Ist der Tatbestand erfüllt, ist er verpflichtet das Angebot von der weiteren Wertung auszuschließen, ein Ermessensspielraum besteht nicht (Soudry in: Müller-Wrede VgV, § 57, Rn. 13; Ziekow/Völlink/Herrmann VgV, § 57, Rn. 5).
Eine weitere Nachforderung des richtigen Dokuments innerhalb der Frist durfte der Antragsgegner wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung nicht durchführen (VK Südbayern, Beschluss vom 27.02.2019, Z3-3-3194-1-44-11/18; VK Bund, Beschluss vom 11.03.2022 - VK 1-23/22).
Der öffentliche Auftraggeber ist zudem an die von ihm wirksam geforderten Eignungsnachweise gebunden, er darf weder zusätzliche Nachweise fordern noch darf er auf einmal wirksam bekannt gegebene Nachweise verzichten (OLG Celle, Beschluss vom 16.06.2011 - 13 Verg 3/11; Herrmann in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl., § 57 VgV, Rn. 51 a; Summa in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 122 GWB, Rn. 106).
b. Soweit die Antragstellerin erstmalig mit ihrem Rügeschreiben vom 27.05.2027 gegenüber dem Antragsgegner beanstandet hat, dass es für die Forderung des Nachweises zur Berufsausübung an einer Rechtsgrundlage fehle, diese zudem unverhältnismäßig wäre und zudem gegen den Grundsatz der Forderung einer Eigenerklärung verstoßen würde, ist die Antragstellerin, wie unter II. 1. dargelegt, mangels rechtzeitiger Rüge gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Darüber hinaus ist der Nachprüfungsantrag aber auch diesbezüglich unbegründet. Die Forderung des Nachweises zur Berufsausübung ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die Forderung des Nachweises zur Berufsausübung ist § 122 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GWB, § 44 Abs. 1 VgV. Danach ist ein Unternehmen zur Leistungserbringung u.a. geeignet, wenn es die vom öffentlichen Auftraggeber festgelegten Eignungskriterien zur Befähigung der Berufsausübung erfüllt. Als Nachweis der Erlaubnis der Berufsausübung kann der öffentliche Auftraggeber von Bieter die Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister oder auf andere Weise verlangen.
Für die Bundesrepublik Deutschland sind als Register in diesem Sinne das Handelsregister, die Handwerksrolle und das Vereinsregister anzusehen. Funktion dieses Nachweises ist, dass der Auftraggeber eine verlässliche Auskunft über Aspekte wie beispielsweise die Rechtsform und Vertretungsverhältnisse eines Unternehmens erhält (vgl. § 11 Abs. 1 GmbHG) (Kadenbach in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 122 GWB, Rn. 31, Hausmann/Dabbagh in: Röwekamp/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, 2. Aufl. 2022, § 44 VgV, Rn. 2). Der Nachweis zur Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung betrifft damit gerade keine inhaltlichen Anforderungen an die Leistungsfähigkeit oder die Fachkunde, etwa dergestalt, dass das Unternehmen bestimmte Leistungen erfolgreich erbringen kann (MüKoEuWettbR/Hölzl, 4. Aufl. 2022, VgV, § 44, Rn. 9; Gnittke/Hattig in: Müller-Wrede, GWB, § 122 GWB, Rn. 29; Hausmann/von Hoff in: Röwenkamp/Kus/Portz/Prieß, GWB, 5. Auflage, § 122, Rn. 17).
Die Forderung war damit auch nicht unverhältnismäßig, da das Gesetz ja gerade diese Möglichkeit des Nachweises bietet und die Antragstellerin ohne Zwischenschritte noch am selben Tag der Nachforderung bereit war, den Handelsregisterauszug vorzulegen. Denn sie hat auf die Nachforderung vom 15.05.2024 noch am selben Tag geantwortet mit dem Hinweis, "den Handelsregisterauszug" jetzt zu übersenden und sich dafür entschuldigt, dass dieser nicht schon mit Angebotsabgabe vorlag.
Bezüglich des Vorranges der Eigenerklärungen gilt zwar nach § 48 Abs. 2 VgV, dass der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich die Vorlage von Eigenerklärungen verlangen soll. Dies jedoch gilt u.a. nicht für die Belege nach § 44 VgV. Denn diese Nachweise entziehen sich einer Eigenerklärung, da sie ihrer Definition nach grundsätzlich nur durch Dritterklärungen erbracht werden können (Ziekow/Völlink/Goldbrunner, VgV, § 48, Rn. 9; MüKoEuWettbR/Pauka/Krüger, 4. Aufl. 2022, VgV, § 48, Rn. 6).
Unabhängig davon hat der Antragsgegner vorliegend auch nachvollziehbar begründet, warum er sich bezüglich des Nachweises der Befähigung und Erlaubnis der Berufsausübung nicht auf die Abforderung einer entsprechenden Eigenerklärung der Bieter beschränkt hat. Er hat dargelegt, warum er die Forderung eines Nachweises über die Erlaubnis zur Berufsausübung nicht für unverhältnismäßig erachtet. Die Beförderung von Schulkindern stelle einen sensiblen Bereich dar. Der Auftraggeber müsse sich vergewissern, dass der Bieter geeignet ist, die Leistung zu erbringen.
Vom Grundsatz, eine Eigenerklärung zu fordern, sei abgewichen worden, da der Auftraggeber alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen müsse, um eine - für die Schülerinnen und Schüler - gesicherte Beförderung durchzuführen. Es werden Schülerinnen und Schüler ab dem 6. Lebensjahr und/oder mit erheblichen Einschränkungen ohne Begleitung befördert. Es handele sich hier um Kinder, die nicht in der Lage seien, Missstände in der Beförderung zu kommunizieren. Hier könne sich der Auftraggeber nicht auf eine Eigenerklärung verlassen. Es müsse aktiv kontrolliert werden, ob der Bieter geeignet ist. Zum Wohl der zu befördernden Kinder sei die Vorlage der Unterlagen daher nicht als unverhältnismäßig zu sehen.
Diese vorgetragenen Tatsachen und Erwägungen tragen die Ermessensentscheidung des Antragsgegners, für die streitgegenständliche Beschaffung von der durch § 44 VgV ausdrücklich fakultativ eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen und die dort genannten Nachweise zur Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung zu verlangen.
Der Nachprüfungsantrag war daher zurückzuweisen.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.
Der zugrunde zu legende Gegenstandswert beträgt xxxxxx € (brutto). Dieser Betrag entspricht der vom Antragsgegner geprüften und der Vergabekammer auf Anforderung mit EMail vom 27.06.2024 mitgeteilten Gesamtsumme des Angebotes der Antragstellerin für die streitgegenständlichen Lose 4 - 7 inkl. Umsatzsteuer und damit ihrem Interesse am Auftrag (Akte Nachprüfungsverfahren, Berechnung der Auftragssumme für die Vergabekammer).
Bei einer Gesamtsumme von xxxxxx € ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.
Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag keinen Erfolg hatte.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Gebühr in Höhe von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens
xxxxxx
auf folgendes Konto zu überweisen:
xxxxxx
IV. Rechtsbehelf
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