Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 29.06.2005, Az.: 71 IK 162/05
Bestimmung des Zeitpunkts des Beginns des Laufs der sechs Montas Frist des § 6 Insolvenzordnung; Scheitern einer aussergerichtlichen Einigung als Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 29.06.2005
- Aktenzeichen
- 71 IK 162/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 31824
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2005:0629.71IK162.05.0A
Rechtsgrundlage
- § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO
Verfahrensgegenstand
Vermögen
Amtlicher Leitsatz
Für die Berechnung der 6-Monats-Frist des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO kommt es nicht auf das Datum der Bescheinigung über das Scheiterns des außergerichtlichen Einigungsversuches an, sondern auf den Zeitpunkt des endgültigen Scheiterns des Einigungsversuches.
Tenor:
Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt als zurückgenommen.
Gründe
Mit Anwaltschriftsatz vom 16.05.2005 hat der Schuldner Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Der Antrag ist vom Schuldner am 13.01.2005 unterzeichnet worden. Die ebenfalls am 13.01.2005 vom Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners unterzeichnete Bescheinigung gem. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO weißt aus, dass der außergerichtliche Einigungsversuch endgültig am 16.08.2004 gescheitert ist. Aus den Anlagen 2, 2 A ergibt sich, dass der außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan allen im Gläubigerverzeichnis benannten Gläubigern übersandt wurde. In der Spalte "Anteil der Gläubiger ohne Rückäußerung" heißt es: "10 Gläubiger von 10 Gläubigern."
Dem Antrag ist das Ergänzungsblatt 5 H nicht beigefügt. Stattdessen wird in dem Anwaltschreiben vom 16.05.2005 erklärt, dass zwischen dem Schuldner und seinem Verfahrensbevollmächtigten eine Abtretungsvereinbarung vom 29.04.2003 mit Ergänzung vom 13.05.2003 existiert sowie eine weitere Abtretungsvereinbarung vom 14.05.2003 mit einem Darlehensgeber wegen eines Darlehensrückzahlungsanspruches. Aus der Abtretungsvereinbarung vom 29.04.2003 ergibt sich, dass monatlich ein Betrag von 100 EUR vom Arbeitseinkommen abgezogen und direkt an den Verfahrensbevollmächtigten abgeführt wird. In der Ergänzungsvereinbarung vom 13.05.2003 ist ausgeführt, dass auch Steuererstattungsansprüche von der Abtretung umfasst sind. In der in Gewährung eines Darlehens am 14.05.2003 erfolgten Abtretung tritt der Schuldner den jeweils pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens dem Darlehensgeber ab.
Mit Verfügung vom 23.05.2005 hat das Insolvenzgericht dem Schuldner u.a. aufgegeben, eine Bescheinigung vorzulegen, wonach die außergerichtliche Einigung mit den Gläubigerin innerhalb der letzten 6 Monate vor dem Eröffnungsantrag erfolglos versucht worden ist. Weiter hat das Insolvenzgericht u.a. darauf hingewiesen, dass ein Stundungsantrag nicht beigefügt war.
Mit Schriftsatz vom 09.06.2005 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners auf die Kommentierung FK-InsO/Grote § 305 Rz. 12 hingewiesen, wonach maßgeblicher Zeitpunkt für die Einhaltung der Sechsmonatsfrist des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO das Datum der Ausstellung der Bescheinigung sei. Unter dem ursprünglich als endgültiges Scheitern des Einigungsversuches angegebenen Datum vom 16.08.2004 habe lediglich einer der Gläubiger die Ablehnung des Zahlungsplanes mitgeteilt. Die Angabe der Bescheinigung sei dahin zu korrigieren, dass der Einigungsversuch endgültig am 13.01.2005 gescheitert sei. Weiter wird in dem Anwaltschriftsatz ausgeführt, ein endgültiges Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuches sei nach entsprechender zusammenfassender Würdigung und erneuter Rücksprache mit dem Antragsteller Anfang des Jahres 2005 eingetreten, nämlich am 13.01.2005.
Der Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens gilt gem. § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO als zurückgenommen. Trotz gerichtlicher Aufforderung hat der Schuldner nicht binnen Monatsfrist eine wirksame Bescheinigung gem. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorgelegt. Danach ist erforderlich, dass der Einigungsversuch innerhalb der letzten 6 Monate vor der Antragstellung erfolgt sein muss. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Frist ist der Zeitpunkt der letzten Ablehnung des Vorschlages des Schuldners durch einen Gläubiger (Kübler/Prütting/Wenzel InsO § 305 Rz. 6; Uhlenbruck/Vallender InsO § 305 Rz. 70; Grote ZInsO 1998, 107, 109). Nicht maßgebend ist das Datum der Bescheinigung, sondern der Zeitpunkt des endgültigen Scheiterns des Einigungsversuches (Vallender ZIP 1999, 125, 127).
Dies ist im vorliegenden Fall der 16.08.2004 nach den Angaben in Anlage 2. Soweit im Anwaltschriftsatz vom 09.06.2005 vorgetragen wird, der 16.08.2004 sei lediglich das Datum gewesen, zu dem einer der Gläubiger die Ablehnung des Zahlungsplanes mitgeteilt habe, ist dieser Vortrag nicht nachvollziehbar. Aus Anlage 2 A ergibt sich nämlich, dass keiner der angeschriebenen 10 Gläubiger auf den Plan antwortete.
Nicht maßgeblich für die Fristberechnung ist der Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung (so aber FK-InsO/Grote § 305 Rz. 12). Dort wird darauf abgestellt, ein endgültiges Scheitern könne bereits auf Grund der endgültigen Ablehnung nur eines Gläubigers eingetreten sein, möglicherweise aber auch erst dann, wenn nach der Analyse der Antworten aller Gläubiger und einer weiteren Besprechung mit dem Schuldner keine Aussicht auf eine Erfolg versprechende Nachbesserung des Planes mehr gesehen werde. Es kann aber nicht in das Belieben des Schuldners bzw. seines Verfahrensbevollmächtigten gestellt werden, wann ein Scheitern bescheinigt und damit die Frist des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO in Lauf gesetzt wird. Die Überlegungsfrist des Schuldners wird nicht unzumutbar verkürzt. Vielmehr steht ihm eine mehrmonatige Überlegungsfrist zu. Entscheidet er sich für einen Nachbesserungsversuch, beginnt die 6-Monats-Frist erst zu laufen, wenn die Antworten der Gläubiger eingehen bzw. innerhalb einer angemessenen Frist (beispielsweise einem Monat) keine Stellungnahmen aller oder einzelner Gläubiger vorliegen.
Aus welchen Gründen der Antrag erst zeitlich verzögert beim Insolvenzgericht eingereicht wurde, bedarf keiner Erörterung.
Da der Antrag bereits gem. § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO als zurückgenommen gilt, bedarf es im Hinblick auf den nicht gestellten Stundungsantrag auch keiner Entscheidung über die Frage, ob eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse voraussichtlich vorhanden ist.